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XXXIII. Wenn man zusammen gegen die Welt steht

Nachdem er nahezu die ganze Nacht mit Paolo geredet hat, muss sich Raphael am nächsten Morgen wirklich dazu zwingen, aufzustehen, sich von dem warmen Körper neben ihm zu lösen und zum Training zu fahren. Wenn Paolo ihn die Nacht über nicht festgehalten hätte, hätte er wahrscheinlich gar nicht schlafen können.

Am Wochenende steht das Spiel gegen Köln vor der Tür. Ein Spiel, bei dem er wohl längst nicht mehr auf dem Rasen stehen wird.

So sieht’s doch aus.

Und entsprechend schwer fällt es ihm, aus dem Wagen auszusteigen, als er das Trainingsgelände erreicht hat. Dariusz steht da und krallt ihn sich regelrecht, als er auf den Platz zugeht.

„Teambesprechung!“ Der gebürtige Pole grinst breit, als wenn das alles sagen würde.

„Wieso denn?“ Raphael ist verwirrt.

„Um teaminterne Probleme aus der Welt zu schaffen.“

Raphael versteift sich, will sich aus Dariusz’ Griff befreien, doch so etwas funktioniert bei dem Killer genau einmal und dann nicht wieder. Eisern zieht er ihn mit.

„Du bist ein verstockter und verbohrter Idiot, wenn du da nicht reingehst. Und du wirst es bereuen, wenn du es nicht tust“, sagt er und zerrt Raphael weiter mit sich – und dieser hört tatsächlich auf, sich zu wehren.

Es gefällt ihm jedoch absolut nicht, dass sie schließlich den Besprechungsraum erreichen und dort wirklich die ganze Mannschaft sitzt sowie der Trainer, der Co-Trainer, der Manager und sogar der Mannschaftsarzt.

Scheiße.

Am liebsten würde Raphael jetzt direkt wieder kehrt machen, aber das verbietet ihm dann doch sein Stolz. Er kann schließlich doch nicht einfach so mit eingekniffenem Schwanz davonschleichen.

„Setz dich.“ Alejandro grinst ihn an und irgendwie sorgt dieses Grinsen dafür, dass er sich etwas besser fühlt.

Dennoch bedenkt er die Anwesenden mit einem skeptischen Blick, ehe er sich vorne neben Knie auf den einzigen noch freien Stuhl fallen lässt. Sich mitten in das Team zu setzen ist eher der Job von dem Killer – und exakt das tut er auch gerade.

„Schön, da wir jetzt alle komplett sind, fangen wir also an“, beginnt der Kapitän. „Wir ihr alle wisst, ist es vorgestern zu einem äußerst hässlichen Zwischenfall in der Kabine gekommen.“ Der Blick des Spaniers richtet sich demonstrativ auf den Torwart Dirk Reinolfs, der die Arme vor der Brust verschränkt hat. Sein Blick wiederum ist starr auf Alejandro gerichtet. „Es hat sich herausgestellt, dass Raphael...“

„Himmel, was soll das hier eigentlich alles?“ Raphael hat keine Lust, sich das hier auch noch eine einzige Minute länger anzuhören. „Wenn ihr wollt, dass ich aus dem Team verschwinde, dann sag das sofort und ich bin weg! Schluss, aus, Ende!“ Er ist aufgesprungen und Knies sachte Berührung an seinem Arm macht ihn erst darauf aufmerksam. Langsam lässt er sich wieder zurücksinken.

„Genau das wollen wir ja nicht!“ Alejandro sieht ihn an und lächelt. Scheiße. Er lächelt einfach. So, als wenn das das Selbstverständlichste von der Welt wäre.

„Ach?“ Raphael zieht eine Augenbraue hoch. „Falls du es vergessen hast: Ich bin schwul und damit für den einen oder anderen in dem Haufen hier nichts anderes als Abschaum. Und nebenbei ein gefundenes Fressen für die Presse.“ Er lächelt gezwungen, während seine Stimme vor Ironie und Bitterkeit nur so trieft.

„Das ist uns bekannt.“ Alejandro seufzt leise. „Und wir haben uns als Mannschaft entschieden, dass wir voll und ganz hinter dir stehen. Wir wollen dich als Teammitglied, als Teil von uns nicht verlieren, Raphael. Du gehörst zu uns. Und da ist es vollkommen scheißegal, ob du auf Männer oder Frauen stehst.“

„Schön, dass du das so siehst. Aber was ist mit jemandem wie ihm?“ Raphael blitzt Reine wütend an. Er hat den Zwischenfall gestern noch lange nicht vergessen. Und das wird er auch nicht.

„Es wird nichts mehr passieren. Keiner aus der Mannschaft wird dich anfeinden oder...“

„Ach, hör doch auf!“ Raphael steht wieder und lässt sich diesmal auch von Knie nicht zurückhalten. „Hört mir doch mit diesem verdammten Scheiß auf!“

„Verdammt, dat is kein Scheiß, du Idiot!“ Dariusz springt auf und funkelt ihn an. „Du benimms dich, als wennu wills, dassu jetzt von uns verdammt und fortgejagt wirs!“

„Genau!“ Acun steht jetzt neben ihm. „Und wir wollen dich behalten, du Depp!“

Nach und nach fallen immer mehr Worte in dieser Richtung. Sogar der stille Mürre springt auf, genauso Antonio und Klaus, mit denen Raphael sonst so verdammt wenig zu tun hat.

Man merkt, dass es einigen nicht ganz so leicht fällt. Dass sie zwar Skepsis haben, aber das sie auch bereit sind, sich damit auseinanderzusetzen. Augustin zum Beispiel. Er ist erzkatholisch und hat natürlich gewisse Schwierigkeiten mit dieser Lebensweise, aber auch er steht auf und brüllt, dass Raphael gefälligst bleiben soll.

Und schließlich ist auch Reine auf den Beinen und sieht den Mittelfeldspieler an, der da vorne auf einmal alleine steht, denn Trainerstab, Arzt und Manager haben sich zur Mannschaft gesellt. Diese Kerle haben es echt geschafft, Raphael eine verdammte Gänsehaut über den Rücken zu jagen.

„Es ist die Entscheidung der Mannschaft, dass du bleibst. Unsere gemeinsame Entscheidung. Ich kann mit deiner Lebensweise nichts anfangen und für mich sind Schwule nicht begreiflich, aber... du bist ein guter Spieler und ein guter Kumpel. Und solange ich in der Kabine nicht damit leben muss, dass du von deinen Kerlen redest oder mich anbaggerst, hab ich kein Problem mit dir.“ Reine stockt einen Augenblick und fügt dann hinzu: „Hast du ein Problem mit mir?“

„Wenn du mich nich wieder verprügelst, sicher nich.“ Raphael reibt sich demonstrativ über den Kiefer. „Mir tut noch immer alles weh, Mann.“

„Sorry.“ Reine grinst verlegen und Raphael erwidert das Grinsen vorsichtig. Fühlt sich doch gar nicht so schlecht an.

Aber so wirklich kann er das alles hier nicht glauben.

Das Team steht hinter ihm. Der Verein steht hinter ihm.

Oh, verdammt. Er hätte sich so etwas gewünscht, aber niemals hätte er das hier zu träumen gewagt.

Klar, garantiert hat das etwas damit zu tun, dass die Mannschaft viel besser spielt, seit er hier ist. Aber wenn das Vertrauen nicht da wäre, dann würde man das hier nicht machen. Denn wenn sie doch alle in den letzten Wochen eins kapiert haben, dann, dass Vertrauen und Zusammenhalt für ein Team alles sind.

Verdammt und sie halten jetzt zusammen und haben Vertrauen in ihn. Und er will ja hier bleiben. So ist es ja nicht.

„Wir gegen den Rest der Welt?“, fragt er zaghaft und bekommt ein derart laut gebrülltes „Ja!“ zur Antwort, dass Manager Schaffhausen sich lachend die Ohren zuhält.

„Und kein Wort zur Presse, sonst werdet ihr verklagt!“, fügt der Kopf des FC drohend hinzu und erntet dafür ein nicht weniger lautes „Aye, Sir!“.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  CandyHolic
2008-07-03T19:10:37+00:00 03.07.2008 21:10
Wegen diesem Kapitel habe ich jetzt ein fettes Grinsen im Gesicht!
Hach, war das schön!
Ich wünschte, alle Homosexuelle würden so akzeptiert
werden.
Und ich bin immernoch gespannt wei ein Flitzebogen darauf,
was aus Raphael und Julian wird.


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