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XXXI. Wenn die Welt nur noch rabenschwarz und rot ist

Weit weg geht er gar nicht. Nur auf den Parkplatz raus, denn seine Klamotten sind noch immer in der Kabine. Seine Autoschlüssel auch, denn sonst wäre er schon längst weg. Aber so hat er ja keine richtige Wahl.

Er geht so weit, bis er schließlich die Ecke mit den zwei Linden erreicht, unter denen eine Bank steht. Müde lässt er sich darauf fallen. Denn müde ist er jetzt. So richtig müde.

Ihm schmerzen Körperstellen, bei denen sich das wirklich übel anfühlt. Sein Bauch fühlt sich an, als wenn er als Sandsack missbraucht worden ist – und dabei war das nur ein Schlag – und in seinem Kiefer explodiert der Schmerz, sobald er ihn auch nur ein bisschen vorschiebt. Außerdem klebt das Blut eklig auf seiner Haut.

Scheiße.

„Raphael?“

Doppelte Scheiße.

Warum ausgerechnet Julian? Warum zur Hölle muss ihm ausgerechnet Julian nachkommen? Warum nicht der Killer oder sonst wer? Von ihm aus auch gerne Reine, dann kann der ihn gleich totprügeln und damit seine Probleme ganz schnell und sauber lösen.

„Mann, hier bist du.“ Julian hat ihn nun erspäht und kommt zu ihm herüber. „Das...“

„Danke für deine wirklich umfassende Hilfe“, fährt Raphael ihn an und seine blauen Augen blitzen zornig auf. „Ich habe mit keinem Wort gehört, wie du Reine auch nur angebrüllt hast, aufzuhören. Wirklich tapfer.“

„Mann... Das ging alles viel zu schnell!“ Julian schüttelt den Kopf, als er sich auf einmal so in der Defensive wiederfindet.

„Klar.“ Raphael verschränkt die Arme vor der Brust. „Wie du unschwer erkennen kannst, geht es mir gut, also kannst du gerne wieder verschwinden. Wenigstens den Gefallen kannst du mir tun.“

„Nee... Kann ich nich.“ Julian lässt sich unaufgefordert neben ihm auf die Bank fallen.

„Ach? Und warum nicht? Behaupte bloß nicht auf einmal, dass du dir Sorgen um mich machst!“ Blanker Spott liegt in Raphaels Stimme, als er zur Seite blickt und sieht, wie Julian ihn anschaut. Eine blonde Strähne hängt quer über seinem Gesicht und versperrt ihm den Blick, also wischt er sie mit einer einzigen Handbewegungen bei Seite. Allein diese einzige Geste löst ein Kribbeln in Raphaels Magengrube aus, das beinahe diese unbändige Wut in seinem Inneren abflauen lässt.

Scheiße.

Warum muss er diesen Kerl eigentlich derart lieben?

„Doch, das tue ich.“

Raphaels Herz macht bei diesen Worten einen schmerzhaften Satz.

„So?“

„Ja, verdammt. Ich... Du bist mir nicht egal, okay? Absolut nicht. Und... Ale hat mich rausgeschickt. Keine Ahnung. Ich schätze, er glaubt immer noch immer, dass wir... Freunde... sind...“ Julians Stimme ist leiser geworden bei den letzten Worten und verstummt schließlich ganz.

Raphael schweigt. So lange, bis das Schweigen drückend wird und Julian seinem Blick ausweicht und zu Boden schaut.

„Freunde...“ Er spuckt das Wort aus. „Mach dir doch nichts vor. Wir sind nichts mehr. Gar nichts mehr.“ Bitterkeit begleitet seine Sätze. Weil er genau weiß, dass er alles falsch gemacht hat. Weil er den dicksten Fehler seines Lebens gemacht hat – und ihn bitter bereut.

Julian fährt sich durch die Haare, sieht ihn an und blickte dann wieder auf das niedergetrampelte Gras vor der Bank. „Vermutlich...“, murmelt er leise. „Auch, wenn...“

Raphael hasst sich selbst für diesen überschäumenden Anflug von Hoffnung. Scheiße. Da gibt es nichts mehr, worauf zu hoffen wäre. Julian hat da irgendjemandem, mit dem er mitten in der Provinz auf der Straße knutschen kann. Schön für Julian, schlecht für ihn. So einfach ist das.

„Lass es“, sagt er leise und in scharfem Ton. „Der Zug ist für uns längst abgefahren. Ich seh noch nich mal mehr die Rücklichter von dem. Außerdem bist du doch eh glücklich, oder nich?“

„Was?“ Julian runzelt verwirrt die Stirn und fixiert ihn. „Wieso...?“

„Raffe!“ Dariusz’ Stimme lässt Raphael durchatmen. Das heißt, dass dieses unsägliche Gespräch beendet ist. Zum Glück.

Er wüsste nicht, was er Julian noch sagen sollte. Alles, was da wäre, wäre ein „Ich liebe dich trotz allem noch und werd niemals einen anderen so lieben wie dich.“ Aber das geht nicht. Wird nicht mehr gehen. Niemals mehr. Schließlich hat er doch alles versaut.

„Oh...“ Der Killer bleibt stehen, als er sie beide sieht. „Stör ich?“

„Nein. Es ist alles gesagt.“ Raphael winkt ab und Julian steht abrupt auf.

„Du machst es dir immer leicht. Und du sagst nie genug, um wirklich einmal alles zu sagen! Aber andererseits... sagt das eigentlich alles!“ Der blonde Mittelfeldspieler marschiert davon und lässt Raphael mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen zurück.

Ist es so? Sagt er nie genug, sondern verhindert es, dass endlich einmal alles auf den Tisch kommt? Vielleicht. Aber er will nicht, dass es noch mehr weh tut. Weder ihm noch Julian. Besonders nicht Julian, wenn der doch jetzt die Chance hat, mit jemandem glücklich zu werden...

„Wow... Wat war dat denn?“ Der Killer starrt Raphael verblüfft an, nachdem er Julian noch einen Augenblick lang nachgesehen hat.

„Keine Ahnung.“ Raphael hebt die Schultern. „So ist er eben.“

„Mhm...“ Der Verteidiger bleibt unschlüssig vor der Bank stehen und wippt auf den Fersen. „Ale... hat gerade die ganze Mannschaft zusammengeschissen...“

„Ich will’s nich hören, okay?“ Raphael drückt sich ab und steht auf. „Ich will’s echt nich hören.“

„Scheiße, hör mir doch mal zu!“ Dariusz fasst ihn am Arm, doch Raphael reagiert darauf nicht.

„Sind sie noch drin?“

„Nein... Gerade gegangen... Deswegen bin ich ja auch...“

„Gut. Ich geh mich anziehen.“ Damit macht sich Raphael aus seinem Griff frei und geht in die Kabine.

„Raffe! Verdammt, Ale hat die Mannschaft zum Schweigen verdonnert! Für dich!“ Der Killer ist wieder bei ihm und hält ihn auf.

„Und? Dann wird das eben nicht an die große Glocke gehängt, aber das verhindert nicht, dass sich alles ändern wird. Alles. Oder glaubst du etwa, dass irgendeiner von denen noch normal mit mir umgehen kann? Dass die alle so sind wie du? Denk an Reine!“, fährt Raphael ihn ungehalten an.

So ist es doch. Jemanden wie Dariusz findet man in einer Fußballmannschaft einmal, aber nicht mehr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  CandyHolic
2008-07-01T17:20:25+00:00 01.07.2008 19:20
Was soll ich da noch sagen?
Dieses Kapitel ist dir gut gelungen, so wie die Anderen.
Ich finde es nur etwas unfair, wie du mit
der Hoffnung des Lesers(also meiner Hoffnung) spielst.
Da hofft man, Raphael und Julian schaffen's endlich sich auszusprechen, aber die finale, alles klärende Aussprache wird vertagt, während man in diesem Kapitel kaum weiterkommt. Ich find's gemein, wie du die Auflösung der Handlung hinhältst.
Es ist jetzt nicht böse gemeint, aber diese Fanfic erinnert mich an eine Seifenoper, was aber nicht heißt, dass sie mir dadurch weniger gefällt.



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