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XXIII. Wenn man manche Dinge nicht aufschieben kann

Es ist spät, als er nach Hause kommt. Das Licht brennt in seiner Wohnung, das kann er vom Bürgersteig aus sehen. Paolo steht am Fenster und sieht herab zu ihm.

Langsam geht Raphael auf die Tür zu, schließt auf und geht nach oben. Schweigend öffnet der Italiener ihm und lässt ihn herein.

Auch Raphael schweigt, weiß einfach nicht, was er sagen und wie er anfangen soll.

Schließlich bringt er immerhin heraus: „War noch beim Killer. Einfach reden, weißte.“

„Mhm.“ Paolo nickt. „Hab Spaghetti gekocht. Hab ja eigentlich gedacht, dass du eher da bist, aber ich kann’s eben warm machen...“

„Klingt klasse.“ Raphael schenkt ihm ein Lächeln. Er hat auch wirklich Hunger und er weiß, dass Paolo toll kochen kann. Außerdem weiß er diese Geste wirklich zu schätzen.

Etwas später essen sie schweigend. Es ist komisch, aber das erste Mal, seit sie sich kennen, ist das Schweigen zwischen ihnen richtig belastend und drückend.

„Ich denke... Wir sollten reden“, bricht Raphael schließlich die Stille. Auch das fällt ihm schwer, obwohl er doch bisher mit Paolo über alles reden konnte. Immer und jederzeit.

„Okay...“ Der Italiener nickt und lässt sein Besteck sinken. Er hat sichtlich keinen Hunger mehr.

Und so wandern sie ins Wohnzimmer, nachdem sie noch schnell das Geschirr weggeräumt haben. Ordnung muss sein und dahingehend ist Raphael doch recht pingelig.

„Fangen wir vorne an, ja?“, sagt Raphael schließlich, der auf einmal die ganze Initiative trägt. Er hat sich auf dem Sofa zurückgelehnt und die Knie angezogen. „Warum bist du überhaupt suspendiert worden? Du hast es mir nicht gesagt und ich wollte bisher nicht fragen.“

Paolo seufzt leise. Er kauert in dem Sessel ihm gegenüber – der Tisch steht beinahe wie eine Barriere zwischen ihnen. Eine Grenze, die sie nicht mehr überschreiten werden, bis alles geklärt ist.

„Weil ich mich hab erwischen lassen, wie ich in nem Club nen Kerl geküsst hab. So einfach ist das. Der Trainer hat’s zufällig gesehen und ist richtig abgedreht. Und damit ist die italienische Liga für mich gestorben. Der hat solche Panik, dass das rauskommt, das ist echt nicht mehr normal. Tja, und direkt danach bin ich aus dem Kader geflogen – wegen unüberbrückbarer Differenzen. Die trauen sich nur nicht den Vertrag aufzulösen, weil ich ja was sagen und das dann wiederum auf den Club zurückfallen könnte. Bescheuert, oder?“ Paolo schüttelt energisch den Kopf.

„Warum... hast du mir das nicht gesagt?“ Verwirrt zieht Raphael die Stirn kraus.

„Weil es so unglaublich doof ist.“ Der Stürmer seufzt und stützt das Kinn in die Hände. „Und weil... weil... ich jetzt das, was da zwischen uns ist, nicht kaputt machen will. Ich weiß nicht, was du willst und erwartest. Und ich weiß nicht, was ich erwarte und...“ Er bricht ab und lächelt verlegen. „Klingt kitschig und dämlich.“

„Nein, gar nicht, Feuerfisch“, sagt Raphael sachte, benutzt ganz bewusst den vertrauten Kosenamen und lächelt leicht. „Gar nicht. Weißt du... darüber müssen wir reden. Und... ich hab Schiss davor. Unglaublichen Schiss. Mehr als vor Chantal und der Sache mit dem Vielleicht-Baby. Viel mehr...“ Er sieht Paolo an, aber schafft es nicht lange, ihm in die Augen zu blicken, und senkt den Kopf wieder. Er starrt auf die dunkelbraune Tischplatte und fixiert die Kratzer darin, als wenn sie ihm helfen würden, die richtigen Worte zu finden. „Ich... ich hab einfach Angst dich zu verlieren. Durch alles, was gerade passiert. Und das will ich nicht. Du bist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben und sollst genau da bleiben. Bei mir.“

„Hey, das werde ich. Als wenn du mich jemals wieder loswerden würdest!“, empört sich Paolo künstlich und auf einmal löst sich die Spannung in einem befreienden Lachen – bei beiden.

Trotzdem ist da immer noch der Tisch als Barriere zwischen ihnen.

„Weißt du, ich... ich weiß gar nicht, ob das mit uns funktionieren würde. Scheiße, ich lieb dich wie doof, aber als meinen besten Freund. Der Sex ist toll, aber... es fehlt das bisschen, was mich verrückt werden lässt“, redet der Italiener weiter.

Raphael lächelt leicht. „Das ist genau das, was ich auch denke...“ Er streckt die Hand aus und Paolo ergreift sie sofort. „Da ist Julian. Überall in mir, in meinem Kopf, in meinen Gedanken, in meinem Herzen, wahrscheinlich sogar in meiner Seele. Ich krieg ihn da nicht raus.“

„Du bist verrückt nach ihm.“ Sachte streicht Paolo mit dem Daumen über Raphaels Hand und beschert diesem einen angenehmen Schauder. Diese Berührung ist so liebevoll und zärtlich und sagt viel mehr als tausend Worte es jemals könnten.

„Und wie.“

„Vielleicht solltest du doch mal mit ihm reden...“

„Ich glaub nicht, dass das etwas bringt.“ Raphael schüttelt den Kopf und blickt auf ihre verschlungenen Hände. Sie sehen so aus, als wenn sie genauso gehören würden. Als wenn das das Natürlichste von der Welt wäre. Als wenn sie für immer so sein sollten.

„Und ich glaube, dass du dich irrst...“

„So oder so – das ist jetzt kein guter Zeitpunkt.“ Raphael schüttelt den Kopf und denkt an Chantal, die vielleicht sein Kind...

„Klar. Aber warte nicht ewig. Wenn du ihn wiederhaben willst, musst du auch irgendwann einmal etwas tun und dir nicht nur wünschen, dass er wieder da ist. Du musst ihn dir zurückholen. Und du musst dir überlegen, was für dich wirklich wichtig ist. Darum geht es doch.“

Raphael nickt schwach. Dann sieht er still zu, wie Paolo aufsteht und zu ihm kommt. Da ist keine Barriere mehr zwischen ihnen. Da wird nie wieder eine sein.

Der Stürmer setzt sich neben ihn, hält seine Hand noch immer fest und schmiegt sich lächelnd an ihn.

„Was hältst du von einem Bad?“

„Mhm... Gib’s zu, du willst mich nur nackt sehen.“ Raphael muss lachen.

„Nö, das kenn ich doch schon. Du siehst nur so fertig aus und hast dich beim Training garantiert so verausgabt, dass du das wirklich gebrauchen kannst.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hekate4444
2008-06-19T12:51:13+00:00 19.06.2008 14:51
Nyaahahaha! Ich hatte FAST recht. Kein Teamkollege aber ein Kerl.
Ist wirklich unglaublich wie verkappt die Fußballgesellschaft ist...obwohl man ja offiziell so liberal ist.
Woher kommt eigentlich die Annahme Schwule könnten kein Fußball spielen?
Ich bin froh, dass die Beiden sich ausgesprochen haben und die gleichen Ansichten teilen.
Jetzt hoffe ich nur noch, dass Raphael sich mit Julian wieder zusammenrauft.
Von Chantal fangen wir gar nicht erst an...wobei sie nicht so unsympathisch ist wie die meisten Frauen in shonen-ai ffs...du weißt schon, die die absichtlich zickig und biestig dargestellt werden...so wie in den Hogwartsffs in denen alle schwul sind...was, wie du schon sagtest, sehr lachhaft ist^^
Also dann, bis zum nächsten Kapitel


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