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XVIII. Wenn man sich einmal zuviel berührt

„Raphael, wie fühlen Sie sich jetzt?“

Er hasst die Fragen der Reporter, aber natürlich gehört es zur Pflichterfüllung, sich den Interviews nach dem Spiel zu stellen.

„Großartig. Wir haben gewonnen.“ Nur die Freude über diesen Sieg sorgt dafür, dass er noch lächelt.

„Und wie fühlt man sich so als Held? Ihre Tore waren ja entscheidend.“

„Ich bin kein Held.“ Entschieden schüttelt er den Kopf. Das ist er auch nicht. So fühlt er sich. Wenn es bei ihnen Helden gibt, dann sind das alle Spieler, dann ist es der ganze FC.

„In der 80. Minute haben Sie sich ja sehr über das Foul von Wörns an Treschke aufgeregt...“

„Bei den Emotionen ist das nur natürlich. Außerdem sind wir Freunde und ein Team“, wehrt er brüsk ab. Zu dem Thema will er nichts sagen. Zu Julian wird er sich nicht freiwillig vor einer Kamera äußern.

„Wie geht es nun weiter in der Liga und dem Pokal?“

„Mit dem Klassenerhalt und dem Pokalsieg – ist doch klar“, gibt er frech mit einem breiten Grinsen in die Kamera zurück – und geht weg.

Er weiß, dass das in der Presse so richtig schön breitgetreten werden wird, aber das ist ihm egal. Er glaubt daran, die Mannschaft glaubt daran – und irgendwann muss es ja auch mal einer aussprechen. Warum nicht er und warum nicht jetzt?
 

„Boah, Raffe, du bis bekloppt!“, empfängt ihn der Killer mit einer dicken Umarmung in der Kabine. „Klassenerhalt und Pokalsieg! Scheiße, da wird aba alles hochkochen!“

Raphael grinst. „Na und? Dat wollen wir doch, oder nich?“

„Klar!“, gellt es ihm von dem Rest der Mannschaft entgegen, jedenfalls von denen, die nicht unter der Dusche sind.

Julian sitzt mit ausgestrecktem Bein auf der Bank und rubbelt sich die Haare trocken. Er ist blass um die Nase, lächelt aber. Um ihn herum tobt das jubelnde Chaos und er sitzt einfach nur da – und sein Anblick sorgt dafür, dass sich Raphaels Herz zusammenzieht. Langsam kämpft er sich durch die Menge hindurch, wird immer wieder in Umarmungen gezogen, bis er endlich bei Julian ist.

„Hey...“ Auf einmal fühlt er sich total verschüchtert und weiß gar nicht so recht, was er sagen soll.

„Hey.“ Julian schaut auf und lächelt ihn an. Einfach so. Und dieses Lächeln lässt die ganzen Schmetterlinge in seinem Bauch wieder lostoben. „Klasse Spiel heute.“

„Danke...“, bringt Raphael verlegen hervor. „Was macht das Bein?“

„Tut weh.“ Julian verdreht die Augen und streicht über den Verband. „Kunststück, dass du bei der Sache umgekippt bist. Mir ging’s fast genauso. Obwohl’s nur halb so schlimm ist. Prellung, Bluterguss und ein tiefer Kratzer.“ Er grinst verlegen. „Ein bisschen schonen, das ist alles. Aber scheiße ist’s trotzdem.“

„Und wie.“ Raphael seufzt und nickt gleichzeitig. Er ist versucht, Julian einfach zu umarmen, aber so wie dieser ihn von unten herauf ansieht, mit diesem ganz speziellen Ausdruck in den grünen Augen, bringt er es einfach nicht fertig. Er würde so gerne, aber ihm fehlt der Mut. Wie in so vielem.

„Raffe! Der Feuerfisch ist da!“, gellt es in dem Augenblick durch die Kabine und reflexartig wendet sich der Mittelfeldspieler um. Auch Julian späht neugierig an ihm vorbei.

Da steht Paolo wirklich in der Kabine und winkt breit lachend mit beiden Armen. Ein Strahlen breitet sich auf Raphaels Gesicht aus. Dann sieht er wieder Julian an und will von diesem eigentlich gar nicht weggehen.

„Na, geh mal“, sagt dieser jedoch mit einem schwachen Lächeln. „Der is doch wegen dir hier, also kümmer dich um ihn. Ich komm schon klar. Bin ich doch die ganze Zeit.“

Die Worte sind wie eine kalte Abfuhr und Raphael kann nur perplex nicken, obwohl er am liebsten den Kopf schütteln und Julian anbrüllen würde, warum er denn immer zwischen einer unglaublichen Wärme und dieser eisigen Kälte schwankt und nichts zwischen ihnen in irgendeiner Weise klar ist.

Aber wieder fehlt ihm der Mut – außerdem ist das hier weder die Zeit noch der Ort für ein solches Gespräch –, also wendet er sich ab und kämpft sich zu Paolo durch.
 

Sie haben zuviel getrunken. Viel zu viel. Doch immer wieder bestellt irgendeiner von ihnen eine neue Runde für die Mannschaft und die muss natürlich gehorsam geleert werden. Alles andere wäre wohl unhöflich.

Julian ist wohl der einzige von ihnen, der noch nüchtern ist. Er darf wegen seiner Medikamente nichts trinken und wirkt so langsam etwas angenervt von seinen überheiterten Teamkameraden. Schließlich verabschiedet er sich und humpelt mit seiner Krücke zur Tür.

Raphaels Blick klebt auf ihm, bis er das Lokal verlassen hat und selbst dann kann er seine Augen nur mit Mühe von der geschlossenen Tür abwenden. Ein bisschen so, als wenn er hofft, dass Julian doch zurückkommt, weil er irgendetwas vergessen hat. Ihn zum Beispiel.

Aber das passiert natürlich nicht.

Paolo erringt schließlich seine Aufmerksamkeit, indem er ihn kräftig in die Seite knufft und die nächste Runde spendiert.
 

Eine Stunde später sind sie wirklich zugedröhnt, als sie aus dem Taxi steigen. Paolo kann seine Reisetasche kaum tragen und so wuchten sie sie gemeinsam die Treppe empor in den dritten Stock, wo Raphaels Wohnung liegt. Er braucht drei Anläufe, um die Tür endlich aufzukommen, dann springt er grinsend beiseite.

„Willkommen!“, nuschelt er und Paolo torkelt lachend an ihm vorbei. Der Boden will ihnen beiden nicht mehr so wirklich gehorchen und ihre Schritte in geraden Linien führen.

„Noch’n Absacka?“, fragt Raphael und peilt den Schrank im Wohnzimmer an, in dem er die alkoholischen Getränke aufbewahrt.

„Aba... nua... ein.“ Die Antwort des Italieners ist kaum zu verstehen, während er Raphael folgt. Die Tasche hat er irgendwo im Korridor stehen gelassen. Braucht er ja erst morgen wieder. Heute würde er da drin eh nichts mehr finden. Er lässt sich auf das Sofa fallen und Raphael sitzt nur einen Augenblick später neben ihm. Ihre Oberschenkel liegen eng aneinander und er legt den Arm um Paolo, als er ihm das Glas mit dem Whisky reicht.

„Guttesch Zeusch...“ Er grinst und leert das Glas in einem Schluck.

Paolo ist etwas langsamer, stellt dann aber auch sein leeres Glas auf den Wohnzimmertisch.

„Boah...“ Er schließt die Augen und lehnt seinen Kopf an Raphaels Schulter. „Dasch Schimmer dreht sisch...“, murmelt er leise.

„Quatsch.“ Raphael schüttelt entschieden den Kopf und fährt dem Italiener gedankenverloren durch die schwarzen Haare, krault seinen Nacken. Es tut gut, diese Wärme neben sich zu spüren, jemanden bei sich zu haben. Jemanden, der da ist und ihn mag. Einfach so. Und jemand, der nicht Chantal ist. Auch wenn sie vorhin angerufen hat, um ihm zu gratulieren, hatte er keine Lust, sie einzuladen und hat nur brüsk gesagt, dass sie morgen ja sprechen können. Dieser Abend, der gehört ihm und den will er verbringen, wie er will. Erst mit dem Team und jetzt mit Paolo. So einfach ist das.

Er drückt den Italiener fester an sich, der das Gesicht nun mit einem leisen Seufzer in seiner Halsbeuge vergräbt. Federleicht kann er dort dessen Lippen spüren, die seine hitzige Haut berühren und schließt genießerisch die Augen. Eine Gänsehaut läuft über seinen Körper und lässt diese Stelle ganz unglaublich prickeln.

Die warmen Lippen des anderen suchen seine und er zögert keinen Augenblick, sich auf diesen Kuss einzulassen. Viel zu gut fühlt er sich an. Viel zu gut fühlt es sich an, nach dieser Ewigkeit wieder einen Mann zu küssen. Seine Hand gräbt sich in Paolos Schopf und zieht ihn enger zu sich.

Er spürt seine Hände auf seiner bloßen Haut. Irgendwie haben sie einen Weg unter sein Shirt gefunden und liebkosen ihn erst sachte, dann immer wilder, leidenschaftlicher.

Verdammt, er will das hier. Hier und jetzt.

Er will Sex.

So einfach ist das.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hekate4444
2008-06-13T15:47:59+00:00 13.06.2008 17:47
Wieso hast du keine Kommentare?
Normalerweise bin ich nicht sonderlich Fußballinteressiert aber deine Geschichte hab ich in einem Mal verschlungen.
Dein Schreibstil ist wirklich gut, kurz, prägnant aber trotzdem schön.
Man geht da irgendwie voll mit...und ich könnte Raphael töten...er soll mal mit Julian so verfahren wie er das auf dem Platz mit dem Ball tut...wobei ich das zwischen ihm und Paolo irgendwie geahnt habe.
Wäre schön, wenn es bald weiter gehen würde.
Ich hoffe doch, dass du weitermachst^^
Liebe Grüße

PS. Kannst du mir vllt eine ENS schicken wenn es weiter geht?


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