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II. Wenn eine Rückkehr alles andere als leicht ist

Trainer Knieschweski und der FC-Manager Schaffhausen fangen ihn vor dem Sitzungssaal ab. Das Team sitzt darin schon bereit, alle sind da, sagt man ihm. Es ist Knie, der Raphael kurz die Hand auf die Schulter legt.

„Wird schon“, sagt er und lächelt. Raphael kann gar nichts antworten, da öffnet Schaffhausen auch schon die Tür und sie treten ein.

„RAFFE???“ Der Killer bringt mit einem einzigen Wort auf den Punkt, was die fassungslosen Gesichter ausdrücken. Ja, Fassungslosigkeit und Überraschung sind es, die ihm als erstes entgegenblicken. Dann weichen diese Gesichtausdrücke Distanz, Ablehnung und bei ganz wenigen Ausnahmen Neugierde und sogar etwas Freude.

Reine ist der einzige, der Raphael wirklich anlächelt. Ausgerechnet Reine. Wenn der wüsste...

Der Mittelfeldspieler lässt seinen Blick schweifen und schaut Julian einen Augenblick länger an als die anderen. In den grünen Augen steht nichts anderes als Ablehnung. Ablehnung und Wut, die der ersten Überraschung Platz gemacht haben.

In der Mannschaft sind natürlich bekannte Gesichter. Die meisten von denjenigen, mit denen sie damals aufgestiegen sind, ist noch da. Aber es gibt auch neue Spieler. Neue Männer, die ihm vielleicht nicht mit Vorurteilen begegnen werden. Er hofft es jedenfalls.

„Wat...?“, setzt der Killer an, wird aber von Schaffhausen unterbrochen.

„Genau, das will ich euch jetzt erklären, Dariusz. Immer mit der Ruhe.“ Der Manager lächelt und löst damit ein klein wenig die Spannung in der Mannschaft. Dennoch... Raphael ist nervös und muss an sich halten, um nicht von einem Bein aufs andere zu treten.

„Also, Raphael ist mit sofortiger Wirkung von Werder Bremen ausgeliehen. Der Vertrag ist unterschrieben, er spielt also die Rückrunde direkt für uns. Und ab dem Sommer gehört er ganz zu uns und ist gekauft.“

„Mann!“ Alejandro schüttelt den Kopf und starrt Raphael an. Er gehört zu denjenigen, die ihm den Wechsel nie wirklich verziehen haben. Raphael weiß das. Er hat dem Kapitän schließlich seine Lieblingsposition abgenommen, ihm seinen Rang als Spielmacher abgelaufen – und er weiß, dass Alejandro sich irgendwie erhofft hatte, in ihm einen würdigen möglichst dauerhaften Nachfolger für den FC zu finden. „Und warum das alles? Haste in Bremen nicht alles gehabt?“

Das ist die Frage, die sie alle brennend interessiert. Das Warum.

„Na, wir wissen doch alle, wie er abgestürzt ist. Gab ja keine Zeitung ohne sein Bild“, kommt es gehässig von Julian. Die Gefühle sind alle aus seinen Augen verschwunden. Nichts ist da mehr, das Raphael darin lesen kann. Gar nichts mehr. Kennt er ihn denn so wenig?

„Hey, wir wollen fair bleiben!“, kommt es da von Mürre. Er ist immer noch dabei, auch wenn er gute Angebote von einigen anderen Vereinen hatte. „Lasst ihn erzählen. Schließlich wollen wir seine Sicht wissen.“ Doch trotz seiner offenen Worte sind seine Arme vor der Brust verschränkt. Distanz, Zurückhaltung, Ablehnung. Sie haben alle einmal an ihn geglaubt und er hat sie enttäuscht. Warum sollen sie jetzt auf einmal sofort wieder Vertrauen haben?

Raphael kann das mehr als nur gut verstehen.

„Viel gibt es da nicht zu erzählen. Ich wollte hierher zurück. Weil Bremen nicht meine Heimat ist. Weil Bremen nicht der FC ist.“ Raphael zuckt mit den Schultern. Er weiß nicht, was er sonst noch sagen soll. Er ist niemand, der groß mit Worten umgehen kann.

„Scheiße, Kleiner, glaubste dat reicht?“ Der Killer schüttelt ungläubig den Kopf.

„Der will doch nur hier seinen Stammplatz haben!“, kommt es eisig von Julian und zwei, drei Stimmen pflichten ihm bei. „Bei Bremen war’s doch nicht mal mehr die Bank, aus der Nationalmannschaft isser auch geflogen... Jetzt kommt er bettelnd und winselnd zurück.“

Raphael wird schlecht, als er diese Worte hört. Am liebsten würde er sich einfach umdrehen und rausgehen. Einfach sagen, dass der Fußball ihn mal kann, dass ihn dieser Scheißverein mal kann. Aber das geht nicht. Dazu liebt er Fußball zu sehr. Und er weiß, dass er sich diese Worte verdient hat. Durch alles, was er getan hat. Aber... sie von Julian zu hören – ausgerechnet von Julian! – macht es nicht einfacher. Im Gegenteil. Jedes verdammte Wort schneidet sich tief in sein Herz und lässt ihn bluten. Hemmungslos bluten und innerlich aufschreien.

„Na, immer langsam, Julian“, sagt Knie da und blickt den jungen Mittelfeldspieler tadelnd an. „Ich war ja auch überrascht, als Raphael mich angerufen hat, aber...“

„Er hat dich angerufen?“ Der Killer kann sich mal wieder nicht zurückhalten. „Echt jetzt, ohne Scheiß?“

„Ja, ohne Scheiß.“ Knie lächelt nachsichtig. „Raphael hat mich angerufen und mich gefragt, ob wir nicht einen Platz für ihn haben. Gehalt, Vertragslaufzeit, das alles hat ihn nicht interessiert. Er...“

„Lass mal, Knie“, sagt Raphael in dem Moment. Er hat gesehen, wie sich die Verblüffung überall Bahn gebrochen hat, hat gesehen, wie da irgendetwas in Julians Augen kurz aufblitzt und wieder verschwindet. „Die haben schon alle Recht, wenn sie kein Wort glauben wollen und wenn Worte nicht genug ist. Wichtig is aufm Platz. Vielleicht kann ich euch da zeigen, warum ich wieder hier bin. Alles andere... spielt doch gar keine Rolle.“

Der Trainer blickt ihn verwirrt an und nickt dann ganz eben. Er hat Raphael immer seinen Willen gelassen, seine Wünsche und Freiheiten. Auch diesmal ist es so.

„Es tut mir Leid, wenn ihr meinen Wechsel nach Bremen für Verrat gehalten habt. Mir erschien es damals als die beste Entscheidung. Dass es nur eine von vielen falschen und von einem Haufen beschissener Leistungen war, muss ich kaum sagen, oder? Aber jetzt bin ich wieder hier. Weil...“ Er stockt, bricht ab und sagt doch etwas anderes, als er eigentlich wollte. Er will schließlich nicht als gefühlsdusseliger Idiot dastehen. „Scheiße, wir haben einen Klassenerhalt zu schaffen und nicht über mich zu diskutieren. Es geht um Fußball, um nichts anderes.“

Alejandro nickt langsam, wenn auch deutliche Skepsis in den Augen des Spaniers zu sehen ist. Auch Reine neigt langsam den Kopf, Christian auch, Mürre auch, so geht es weiter, nur einige wenige blicken ihn weiter unbewegt an. Dass Julian unter denen ist, die nicht bereit sind, ihm auch nur einen Millimeter entgegenzukommen, überrascht Raphael nicht. Damit hat er gerechnet.



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