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Yuri's History (ach nee, wie einfallsreich ^_^;; )

von

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Yuris History
 

Zu dieser Geschichte wurde ich während einem FY-Rollenspiel inspiriert. Eine hat Hotohori gespielt, eine Kokuyo(hähä, der sieht so aus wie der aus 'Wish') und ich Yuri (selbst erfunden!!) Die Suzaku-Seishis haben sich aufgeteilt und suchen nach dem letzten Suzaku-Seishi (naja, wir haben die anderen nicht mitspielen lassen, 's waren zu wenig Leute da)Deswegen spielen die Hauptrollen in dieser Geschichte Hotohori, Miaka(wurde immer abwechseln von uns gespielt), Kokuyo und natürlich Yuri!! Also dann viel Spaß hier!!
 


 

Am Abend fing es urplötzlich an, zu regnen. Der Himmel hatte sich bezogen und die Wolken verfingen sich schwer in den Baumwipfeln. Der feine Sprühregen wich rasch einem beständigen und eiskalten Regenguß. Die Straße versank allmählich im Schlamm, das Wasser drang unablässig durch die Blätter der Bäume und benetzte selbst die trockensten Stellen auf dem laubbedeckten Boden. Kein Tier streckte bei diesem Wetter nur ein Schnurrhaar hinaus. Ein paar Tien - Tiens hoppelten blitzschnell durch den Regen, bis sie endlich in einer Wurzelhöhle Schutz fanden.
 

Plötzlich wurde hinter dem dichten Regenschleier auf dem Weg ein Schemen erkennbar, der sich beim Näherkommen in drei teilte. Es waren drei Pferde und darauf vier Reiter.

Vornedraus ritt auf einem edlen weißen Pferd ein schöner, elegant aussehender junger Mann, dessen lange braune Haare nun tropfnass und dunkel herabhingen. Vor ihm saß ein braunhaariges junges Mädchen in seltsamer Kleidung, über die der junge Mann nun fürsorglich seinen Umhang legte.

Dicht hinter dem Schimmel ritt ein zweites Mädchen auf einem schönen Fuchs, der seinen feingeschnittenen Kopf trübselig hängen ließ. Das Mädchen packte abermals ihre schwarzen langen Haare und wrang sie mit einer kräftigen Handbewegung aus. Dabei verrutschte ihr rotes Stirnband, das sie mit einigen Verwünschungen wieder zurückschob. Vor sich auf dem Sattel hielt sie einen langen, am oberen Ende verhüllten Stab, der ihr immer wieder zu entgleiten drohte. Er war silbern, mit glitzernden Steinen und feingeschwungenen Gravuren bedeckt.

Das Mädchen war so mit seinem Stab beschäftigt, dass es den tief hängenden Ast nicht bemerkte. Er streifte beinahe ihr Gesicht und verfing sich dann in ihrem Umhang.

Der Umhang zerriß und nur die schnell zugreifende Hand des Mädchens konnte die aufgebrochene kostbare Brosche auf ihrer Brust am Hinabfallen hindern. Hinter dem Pferd sanken die Überreste ihres Umhangs kläglich in den Schlamm. Nur ein Stück, das sich in der Astgabel verfangen hatte, schwang hin und her und schien ihr auf hämische Weise hinterherzuwinken.

Wütend starrte das Mädchen wieder nach vorne und presste die Lippen zusammen. Eigentlich hatte ihr der Leinenumhang doch nur eine Illusion von Schutz und Trockenheit geboten. Ihre eher leichte Tunika war sowieso schon durchnässt und klebte ihr überall am Körper.

Ein Windstoß peitschte ihr den Regen ins Gesicht und sie erzitterte. Ihr war so kalt und irgendwie fühlte sie sich auch seltsam... Mit dem nassen Ärmel wischte sie sich ohne nennenswerten Erfolg über das Gesicht, aber die Tropfen liefen ihr weiterhin in die Augen.

Das Mädchen seufzte entnervt auf, irgendwann musste diese verfluchte Herberge doch kommen! Sie drückte ihrem Pferd die Fersen in die Seite, das daraufhin sofort von Schritt zu Trab überging.
 

Hinter ihr schälte sich langsam ein großer robuster Schatten aus dem Regenschleier. Ein gewaltiges Pferd stapfte auf kräftigen stämmigen Beinen sicher durch den immer tiefer werdenden Schlamm. Das Fell des Pferdes glänzte trotz des Regens immer noch lackschwarz, nur die Beine und der Bauch sahen aus, als hätten sie ein Moorbad genommen - was im übertragenen Sinne ja auch stimmte!

Auf dem Rücken des Pferdes lag bäuchlings ein beinahe unheimlich aussehender junger Mann. Sein Haar war dunkel und kurz, nur einige Haarsträhnen fielen ihm in die Stirn. Seine Augen waren fest geschlossen, er döste vor sich hin.

Was dem Erscheinen des jungen Mannes aber ein fast ein überirdisches Aussehen gab, waren die großen schwarzen Flügel, die ihm aus dem Rücken sprossen und über seinen gesamten Körper geneigt waren. An ihren wunderbaren, wie Ebenholz schimmernden Federn glitten die Wassertropfen ab und rannen wie glänzende durchsichtige Perlen hinab auf den nassen Boden.
 

" He! Kommt her, ich habe ein Schild gefunden!" Die kräftige tiefe Stimme eines jungen Mannes drang durch den silbernen Vorhang. " Yuri, Kokuyo! Wo steckt ihr?"

" Hier! Hier bin ich, Hotohori." Die helle warme Stimme von Yuri wehte zu dem schwarzhaarigen Mann herüber. Der richtete sich auf und seine großen Schwingen verschwanden plötzlich. Sie wurden durchsichtiger und durchsichtiger und lösten sich dann in Nichts auf.

Ein feiner schwärzlicher Nebel umwirbelte sein Pferd, das sich überall dort, wo der Nebel es berührte, zu verwandeln begann. Am Schluss war aus dem plumpen Pferd ein edler feuriger Hengst geworden, der mit einem schrillen Aufwiehern seinen feingeschnittenen Kopf schüttelte. Die lackschwarze Mähne, in der nur einige silbrige Strähnen zu sehen waren, flog umher, darunter blitzen überdurchschnittlich intelligente Augen in einem intensiven Violett.

Der junge Mann flüsterte dem Hengst ein paar Worte in die kleinen Ohren, der sich darauf zielstrebig seinen Weg durch das graue undurchsichtige Nass bahnte. Am Wegesrand unter einigen sehr kleinen Lindenbäumen traf er dann auf seine 3 Gefährten, die mit mißmutigen Gesichtern um ein verwittertes Holzschild herumstanden. Das schwarzhaarige Mädchen auf dem Fuchs warf ihm einen verdrossenen Blick zu und deutete mit einer fahrigen Handbewegung auf das Schild. Ihre Stimme klang krächzend, als sie sprach.

" Schau dir das an, Kokuyo."

Kokuyo warf auf Yuris Geheiß einen Blick auf das Schild... und erstarrte.

Darauf stand in geschwungenen Lettern geschrieben: <'Gasthof zum funkelnden Estrella' Noch 10 Meilen>
 

Hotohori warf seine langen braunen Haare mit einer schwungvollen Handbewegung nach hinten,

dann warf er einen Blick in die Runde der Suzaku-Seishis. Miaka, die vor ihm auf dem Pferd saß, lugte unter Hotohoris Umhang hervor.

Kokuyo schüttelte wütend den Kopf.

" Das kann nicht sein! Auf dem Schild, was wir früher gesehen haben, stand doch <Noch 2 Meilen> Dann können wir doch nicht auf einmal 10 Meilen von unserem Ziel weg sein!"

Hotohori erwiderte nach einigem Überlegen:

" Wahrscheinlich ist die Zahl, die hinter der '2' stand, abgekratzt oder weggewaschen worden... Ich habe mich sowieso schon gewundert, wieso wir nach anfänglichem scharfen Ritt noch nicht angekommen sind", sprach er nun mehr zu sich selbst als zu seinen Kameraden.

Was sollten sie nun tun? Es wurde schon dunkel und sie konnten in der Nacht unmöglich nach der Herberge suchen. Der ständige Regen schloß eine Übernachtung im Freien auch aus...
 

Noch einmal ließ Hotohori den Blick durch die Umgebung schweifen, bis er plötzlich einen größeren Schatten zwischen einigen Hasel- und Holundersträuchern gewahrte. Das sah ja fast aus wie eine...

" Eine Hütte!!" schrie Hotohori erleichtert und deutete in das Dickicht. Dann packte er die Zügel, stieß seinem Pferd leicht die Fersen in die Flanken und sprang unbekümmert in den dunklen Wald. Kokuyo setzte sein Pferd wieder mit einem gesprochenen Befehl in Bewegung und willig trabte es auf die Sträucher zu. Die Dunkelheit und der plötzlich aufsteigende Nebel verschluckten beide Gestalten sofort.
 

Der schöne Fuchs stand noch kurze Zeit unbeweglich auf dem Waldweg, der kalte Regen trommelte auf ihn und seinen Reiterin herab. Als er immer noch keine Anweisungen von seiner Herrin bekommen hatte, schritt er auf das Dickicht zu - er wollte zu den anderen Pferden.

Die nassen Blätter streiften Yuris Gesicht, aber sie merkte es nicht. Hinter ihnen schlugen die Zweige zusammen und der Waldrand sah genauso unberührt aus wie vorher - mit Ausnahme der Holunderblüten, die vereinzelt zu Boden sanken.
 

Urplötzlich schien sich das Bild zu verschieben, die Konturen der Bäume wurden schwächer und zerfaserten und dahinter wurde ein anderes Bild sichtbar. Der Nebel verfärbte sich plötzlich bläulich und trieb in seltsam geformten Schwaden umher.

Schließlich wurden auch die schwächsten Umrahmungen der Bäume von einem scharfen Wind davongetrieben. Dort, wo vorher Bäume gestanden hatten, erhob sich eine große kahle dunkle Felswand. Kein Grün schien sich ihr nähern zu wollen, denn die Felswand war unberührt von jeglichem Abkömmling der Natur.

Dort, wo die Holunder- und Haselsträucher noch vor kurzem gewuchert hatten, öffnete sich eine mächtige Höhle im Fels. Ihre Ränder waren schartig und sahen aus wie geifernde Zähne - bereit, jeden Unwillkommenen zu zerreißen. Kein Lebewesen, das diese Region kannte, wagte sich dort in die Nähe, denn das Wesen, was darin hauste, fing jeden Näherkommenden in einem Traumnetz und versetzte ihn in eine Welt der Illusionen. Nur diejenigen wurden wieder freigelassen, die eine lebenswichtige Aufgabe zu erfüllen hatten und die reinen Herzens waren. Jeder andere, der in den Tiefen seinens Herzens böse war, wurde von dem Wesen der Höhle gefangen gehalten und verfiel schnell dem Wahnsinn.
 

Aber das Wesen in der Höhle war nicht böse - im Gegenteil! Es war ein uraltes Wesen aus einer früheren Zeit, mit seinen eigenen Vorstellungen von Gut und Böse. Es bemächtigte sich nur dem Verstand jener Menschen, die immer böse bleiben würden, um andere vor ihren Wahnsinnstaten zu schützen. Die Menschen mit einem im Grunde guten Herzen nahm es unter seine Fittiche und half ihnen, sich selbst oder ihre Mitmenschen besser zu verstehen.
 

Die alte Uyarula nickte bedächtig mit dem Kopf - wenn man bei einem geistähnlichen Wesen überhaupt von Kopfnicken sprechen kann!

Doch, diese Menschen gefielen ihr. Es waren reine Menschen, die aber teilweise schwere Schicksale erlitten hatten.

Der eine junge Edle hatte eine sehr einsame Kindheit hinter sich. Das Gefühl, von seinen Eltern nicht geliebt zu werden, konnte ein Kind sehr verbittern - und doch war er zu den anderen immer freundlich und hilfsbereit gewesen. Ein bemerkenswerter junger Mann mit einer leider traurigen Zukunft. Schon jetzt war sein Herz abermals verwundet worden durch dieses braunhaarige Mädchen dort.

Doch die Erinnerungen dieses Mädchens waren zu verworren und eigenartig... erst der letzte Teil davon war für sie einigermaßen verständlich. So, dieses Mädchen hatte einen großen Kummer mit ihrer Freundin, aber den Grund konnte die alte Uyarula nicht klar erkennen. Verwirrt wendete sie sich dem großen schwarzhaarigen jungen Mann zu.

Ein Stirnrunzeln glitt über das alte verhutzelte, sehr fremdartig wirkende Gesicht. In ihrer schemenhaften Gestalt sah man undeutlich die langen spitzen Ohren, die sich nun nachdenklich hin. und herbewegten. Das deutlichste an der ganzen Erscheinung waren die mandelförmigen amethystfarbenen Augen, die nun strahlten wie zwei Sterne.

Nun, dieser Mann hatte wirklich eine grausame Vergangenheit, die er einzig und allein seinem verdorbenen Vater und dessen Helfern zu verdanken hatte. Die Grausamkeiten in seiner Kindheit hatten die Seele des Mannes wirklich sehr verletzt. Eigentlich war es ein Wunder, dass er an dieser Erziehung nicht zugrunde gegangen war. Allerdings war das freundliche Wesen von ihm dabei verschüttet gegangen und würde vielleicht nie wieder ans Tageslicht kommen... Trotz allem fasste er langsam, aber sicher Vertrauen zu seinen Freunden und das war gut so. Sie würden ihn bestimmt aus der Dunkelheit auf den Pfad des Lichtes ziehen.

Sie lächelte sanft und ihre Gedanken streiften wie eine Flaumfeder Kokuyos Geist. Ohne auch nur zu ahnen, weshalb, fühlte er sich plötzlich getröstet und von einem Teil seiner Traurigkeit befreit, von der er nicht einmal gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab. Er atmete tief durch und ritt mit leichterem Herzen weiter.

Der Geist der alten Uyarula wendete sich dem schwarzhaarigen Mädchen zu, das auf dem Pferdehals lag. Sie streckte ihre geistigen Fühler nach den Erinnerungen des Mädchens aus, ganz sanft ohne zu stören, umhüllte sie und las sie wie ein aufgeschlagenes Buch - dann zuckte sie zurück.

Ihre Mandelaugen verengten sich, voller Mitgefühl betrachtete sie das Mädchen. Das war eine der schrecklichsten Vergangenheiten, die sie jemals gesehen hatte. Das arme kleine Ding hatte sich zum Teil in ihrem Geist ganz verschlossen - was bei dieser Kindheitserinnerung ja auch kein Wunder war - und fürchtete sich auch vor Zuneigung. Es brauchte unbedingt Freunde, die ihre Vergangenheit kannten und sich so auf sie einstellen konnten. Aber von selbst würde das arme Ding nie etwas erzählen, dazu saß der Schock zu tief... - es sei denn...

Diese unauffällige Lösung war das Beste, was ihr je hätte einfallen können. Zufrieden lachte die alte Uyarula vor sich hin, während sie die vier Kameraden betrachtete, die in ihrer Illusion auf die Hütte zutrabten.
 

Hotohori verhielt sein Pferd vor der großen grauen Holztür und saß ab. Sachte stieß er das Tor auf, dass mit einem sachten Quietschen zur Seite schwang und dann, von einer plötzlichen Bö gepackt, gegen die Wand geschmettert wurde. Schnell sprang Hotohori hinein und klinkte die großen Flügel bei den Haken an der Wand ein. Ein eiskalter Tropfen traf ihn genau in den ungeschützten Nacken und Hotohori blickte mit gekrauster Nase nach oben. Durch ein paar Löcher im Dach tropfte der Regen, aber eine Ecke der Hütte war von den äußeren Einflüssen weitgehend verschont geblieben, dort lag auch ein Haufen trockenen Strohs. Erleichtert schritt Hotohori wieder nach draußen und half Miaka vom Pferd. Als Reittier und Gepäck in der Hütte einigermaßen trocken untergebracht waren, lugte er vorsichtig nach draußen in die schwarze regennasse Dunkelheit.

Kokuyos Pferd tauchte so plötzlich aus der Finsternis auf, dass Hotohori automatisch einen Schritt rückwärts machte. Im selben Moment ärgerte er sich schon wieder über seine dumme Reaktion. Aus den Augenwinkeln linste er zu Kokuyo und erwartete jeden Moment eine spöttische Bemerkung - aber es kam nichts! Kokuyo drängte sich so schnell wie möglich in die Hütte, seine Lippen waren schon blau angelaufen. Drinnen schob er sich schnell vor das Feuer, das Miaka mit Hilfe magischer Holzstöckchen entfacht hatte und hielt seine Hände darüber.

" He, Kokuyo! Hast du Yuri hinter dir gesehen?"

Als Antwort erhielt Hotohori nur ein unverständliches Gebrummel, begleitet von Zähnegeklapper. Seufzend wandte er sich um und starrte wieder in die Nacht hinaus, irgendwann musste sie ja kommen!

Fast im selben Augenblick war schwaches Hufgetrappel zu hören und der kupfernfarbene Fuchs erschien, aber auf ihm schien kein Reiter zu sein! Als Hotohori beunruhigt auf das Pferd zueilte, kam er noch gerade rechtzeitig, um die aus dem Sattel rutschende Yuri aufzufangen. Schwer lag sie in seinen Armen, ihr Kopf sank gegen seine Brust. Rasch trug er sie in die Hütte, an den verwundert dreinschauenden Begleitern vorbei und legte die schmächtige Gestalt ins Stroh. Als er ihr sachte die Hand auf die Stirn legte, schrak er zurück.

" Oh Gott! Sie hat hohes Fieber!" Rasch eilte er zu seinem Gepäck, zog eine warme wollenene Decke heraus und legte sie sanft auf das still daliegende Mädchen. Ihr Atem ging schwer und ihr Gesicht war stark gerötet. Ab und zu wandte sie leise stöhnend den Kopf zur Seite, aber sonst war kein Laut von ihr zu hören.

Kokuyo trat leise neben Hotohori, bückte sich und nahm vorsichtig ihre Hand, dann blickte er Hotohori ernst an. Der nickte, kniete sich ebenfalls neben Yuri und legte ihr abermals seine Hand auf die Stirn.

In diesem Augenblick geschahen mehrere Dinge gleichzeitig -
 

- " Jetzt!" wisperte die Stimme der alten Uyarula und ihre Augen begannen zu glühen. Ein eigenartiges amethystfarbenes Leuchten umgab ihre geisterhafte Gestalt, umwaberte sie wie undurchdringlicher Nebel -
 

- ein starker Wind schien Hotohori und Kokuyo zu erfassen. Er wirbelte sie umher wie Herbstblätter, unter ihnen schien der Boden auf einmal flüssig geworden zu sein; sie versanken, glitten tief hinein in ein sanft schimmerndes Blau.

Dann waren sie umgeben von eigenartigen Farben, leuchtenden Sphären und seltsamen, sich bis in die Unendlichkeit verschlingenden Muster, die schließlich von einer warmen Dunkelheit verschluckt wurden. Sie wussten nicht, wie lange sie in diesem Farbenmeer schwammen, so verzaubert waren sie von diesem überirdischen Anblick, dann... hörte plötzlich alles auf. Unter ihnen schien sich ein schwarzes Loch aufzutun, dass sie unweigerlich hinabzog. Sie fielen und fielen, die Münder vor Entsetzen weit geöffnet -
 

- bis sie schließlich unsanft auf einer weichen Graslichtung landeten.

Als Hotohori die Benommenheit abgeschüttelt hatte, richtete er sich auf und blickte sich staunend um.

Dies war nicht mehr der nächtliche verregnete Wald von vorhin, nein! Hier war es hellichter Tag, die Sonne stand hoch am Himmel und schickte ihre wärmenden Strahlen hinab auf die mit reichem Grün bewachsene Erde. Als Hotohori die Umgebung näher in Augenschein nahm, bemerkte er zu seiner Überraschung , dass hier keineswegs Herbst war - es war Frühling! Über ihm wiegten sich die zartrosa Blüten der zahlreichen Kirschbäume in einer leichten Brise. Die verschiedensten frischen Gerüche überschwemmten seine Sinne.
 

" Würde Herr Majestät wohl freundlichst geruht sein, sich von seinem Platz zu erheben; ich würde nämlich gerne mal aufstehen!"

Die wohlvertraute ärgerliche Stimme riß ihn aus seiner Verzückung. Hotohori sprang auf und hielt mit betretener Miene Kokuyo seine Hand hin, der bäuchlings auf dem Boden lag und ihm eine Weile unfreiwillig als Sitzkissen gedient hatte.

Der nahm mit eisernen Griff die dargebotene Hand und zog sich ächzend hoch. Dann klopfte er sich den Staub von den Kleidern und schaute Hotohori mit schiefem Blick an.

" Nun, da dieses Problem behoben wäre, Kaiser Leichtgewicht", er blickte mit ironischem Lächeln seinen Freund an: " Was tun wir nun mit dem nächsten?"

Er deutete mit ausschweifender Handbewegung auf die frühlingshafte Umgebung.

" Wie's aussieht, hast du auch keinen blassen Schimmer, wo wir hier sind, oder?"

Hotohori schaute mit ebenso ratlosem Gesicht zurück.
 

Plötzlich raschelte es in dem Gebüsch hinter ihnen. Beide fuhren herum - und aus dem Astwerk sprang ein mächtiger Eber!

Noch ehe einer der zwei Freunde etwas tun konnte, raste der Eber mit seinen spitzen Hauern direkt auf Kokuyo zu - und galoppierte durch ihn hindurch, um am anderen Ende der Lichtung wieder in den Sträuchern zu verschwinden!

Mit fassungslosen Gesichtern starrten die zwei jungen Männer ihm nach. Kokuyo fasste sich als erstes, blickte erst Hotohori an und schaute dann mißtrauisch auf seine Beine, durch die der Eber gerade hindurch gehopst war.

" Äähm... kann mir mal einer verraten, was hier abgeht?" Kokuyos Stimme klang ungewöhnlich schrill.

Hotohori antwortete nicht sondern starrte nachdenklich vor sich hin. Dann holte er tief Luft und trat mit unsicheren Schritten und nach vorne ausgestreckten Armen auf eine mächtige Kastanie zu, die an einem Ende der Lichtung stand. Und statt den Stamm zu berühren, verschwand er einfach darin!

Kokuyo blickte den sehr fest ausehenden Stamm mit großen Augen an. Plötzlich erschien der Kopf Hotohoris aus dem Holz und grinste ihn breit an.

Das sah so bizarr... und auch lustig aus, dass sich Kokuyo zusammenkrümmte und vor Lachen auf den Boden setzen musste.

Hotohori trat vollständig aus dem Stamm heraus und setzte sich neben ihn. Er richtete den Blick in die Ferne.

" Es war so, wie ich es mir gedacht hatte. Wir sind in dieser Welt sowas ähnliches wie Geister. Nein, keine Angst, ich glaube nicht, dass wir tot sind", fügte er schnell hinzu, als er Kokuyos beunruhigten Blick bemerkte.

Kokuyo öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als hinter ihnen wieder ein Rascheln ertönte. Beide sprangen mit einem Ruck auf und vesuchten angestrengt, die dichte Blätterdecke mit ihren Augen zu durchdringen.
 

Die Zweige schwankten hin und her - und ein kleines schwarzhaariges Mädchen, in der einen Hand einen braunen geflochtenen Korb, trat leise vor sich hinsummend auf die Lichtung.

Kokuyo schnappte nach Luft und starrte das kleine Mädchen an, das sich nun über ein paar große Pilze gebückt hatte und sie aufmerksam betrachtete.

" Aber... aber... das ist doch... Yuri!"

Hotohori blickte ihn verblüfft an, dann wandte er seine Aufmerksamkeit erneut dem Mädchen zu. Er stimmte wirklich, nun fiel es ihm auch auf. Diese schwarzen Haare, darunter diese lebendigen grünen Augen. Auch die Gesichtsform passte genau. Einzig das rote Stirnband fehlte ihr.

Hotohori holte tief Luft, dann packte er Kokuyo an der Schulter.

" Kann es denn sein... dass wir uns in ihrer Ver... Vergangenheit befinden?"

Kokuyo blickte nachdenklich drein, dann nickte er bedächtig.

" Das ist eigentlich die einzige Möglichkeit, die ich mir vorstellen kann."

Wieder schauten beide auf das kleine Mädchen, das nun nach sorgfältiger Prüfung ein paar Pilze abbrach und vorsichtig in den Korb legte. Dann nahm sie den Korb wieder auf und hüpfte fröhlich auf ein undurchdringliches Dickicht zu, bückte sich und krabbelte durch einen schmalen Spalt auf die andere Seite.

Hotohori packte Kokuyo am Arm und zog ihn hinter sich her.

" Los, wir müssen ihr folgen!"

Kokuyo rief mit genervter Stimme: " Sollen wir etwa auch drunter durch kriechen?"

Hotohori rief ihm heiter über die Schulter zurück: " Das wird nicht nötig sein!" , sprach's und ging einfach durch die Hecke hindurch. Kokuyo blieb kurz vor dem Hindernis stehen und beäugte skeptisch die spitzen Dornen, dann schloss er die Augen und trat beherzt hindurch.

Er konnte nichts spüren, keinen schmerzhaften Stich und auch kein Streifen der Äste. Irritiert öffnete er die Augen und hastete hinter Hotohori her, der die kleine Yuri nicht aus den Augen ließ.
 

Kurze Zeit später stoppte das Mädchen an einem kleinen See, auf dem zahlreiche Seerosen erblühten. Mit fröhlichem Gelächter versuchte das Mädchen, ihre Steine über das Wasser hüpfen zu lassen. Sie hörte erst damit auf, als ein Stein das andere Ufer erreichte und mit einem hellen Klingen auf die moosbewachsenen Felsen traf, deren steinerne Wurzeln bis tief ins Wasser hinabreichten.

Dann schulterte sie mit zufriedenem Gesicht ihren Korb und verschwand in den grünen Wäldern. Hotohori und Kokuyo folgten ihr schnellstmöglichst.

Mitten im Wald trafen sie schließlich auf einen kleinen Pfad, der sich zwischen den Bäumen hindurchschlängelte.

Das Mädchen lief schnell den Pfad entlang, nur ab und zu hüpfte sie in die Büsche am Wegesrand. Zu den Pilzen in ihrem Korb gesellten sich noch andere Kräuter und Gemüse, sowie Bärlauch und Ampfer, auch ein paar wilde Erdknollen, die sie aufgestöbert hatte.

Ab und zu blieb es stehen und sah versonnen einem kletternden Eichhörnchen oder einem dahinziehenden Raubvogel, der durch die Baumkronen ab und zu sichtbar wurde, hinterher. Am Wegesrand streichelte sie einmal einem kleinen, sehr jungen Tien-Tien, dass sie mit seinen großen Augen vertrauensvoll anschaute, über den weichen Kopf.
 

Plötzlich zuckte das Tien-Tien mit seinen langen flauschigen Ohren, schnupperte kurz in die Luft und sprang dann in Riesensätzen zurück in den Wald.

Kokuyo packte Hotohori plötzlich schmerzhaft am Arm und schaute ihn beunruhigt an.

" Hörst du auch diese seltsamen Geräusche da vorne?"

Hotohori legte den Kopf schief und lauschte, dann wurde er blaß.

" Das hört sich ja an wie Kampflärm!"

Auch die kleine Yuri hatte es nun bemerkt, mit enormer Geschwindigkeit, den Korb fest an sich gepreßt, rannte sie den Waldweg entlang. Kokuyo und Hotohori eilten ihr mit großen Schritten nach, ihre Herzen waren von einer dunklen Vorahnung erfüllt...

Langsam kam das Ende des Pfades in Sicht, er weitete sich plötzlich und die Bäume traten zurück. Das Mädchen blieb auf einmal stehen wie vom Blitz getroffen, der Korb fiel ihr aus der Hand und das Gemüse verteilte sich gleichmäßig auf dem Boden. Sie achtete aber nicht darauf, starrte nur mit weitaufgerissenen Augen auf die kleine Talsenke, wo sich normalerweise die einfach gebauten Häuser ihres Heimatdorfes erhoben... aber dem war nicht so!

Mit entsetztem Gesicht starrte Yuri auf die Überreste ihres Dorfes. Direkt vor ihr schwelten noch einige eingestürzten Häuser, weiter hinten wütete noch ein Flammenmeer.
 

Hotohori und Kokuyo traten unsichtbar neben sie und starrten entsetzt auf dieses Inferno.

Yuri begann zu zittern, die Hände auf den Mund gelegt, die Augen weit aufgerissen.

Kokuyo blickte sie mitleidig an und wollte ihr die Hand auf die Schulter legen, aber er glitt einfach hindurch. Mit einem Fluch auf den Lippen blickte er auf seine Hand, dann zu Hotohori und wandte sich zögernd wieder dem brennenden Dorf zu. Solche ähnlichen Szenen kannte er aus leidvoller Erfahrung, nur war er da mitschuldig gewesen...

...Schreiende, um Gnade bettelnde Menschen, greinende zurückgelassene Säuglinge, mitten drin er...rasend vor Schmerz... dieser Schmerz! ...
 

Kokuyo spürte, wie sich ihm eine Hand sanft auf die Schulter legte. Er schüttelte benommen den Kopf, legte den Schleier des Vergessens wieder auf seine Vergangenheit.
 

Hotohori hatte mit Besorgnis festgestellt, dass Kokuyo immer bleicher geworden war, jetzt stand ihm immer noch der kalte Schweiß auf der Stirn. Er machte sich ernsthaft Sorgen um ihn. So hatte er ihn noch nie erlebt!

" Kokuyo? Ist alles in Ordnung mit dir?"

Kokuyo schaute ihn mit einem verwirrten Blick an, der sich langsam wieder klärte. Dann verzog er das Gesicht zu einem schmerzlichen Lächeln.

" Nein... mir... mir geht es... gut!"

Er durfte jetzt nicht an sie denken...

Er schaute wieder zu Yuri - besser gesagt, er blickte auf die Stelle, wo sie gestanden hatte, denn...
 

" Sie ist weg! Wo - beim heiligen Suzaku - ist sie hin?"

Hotohori schaute sich verzweifelt um, dann gewahrte er durch Rauch und Qualm hindurch eine kleine Gestalt, die rasch auf die andere Hügelseite rannte - dort, wo sich viele, in Leder gekleidete Leute aufhielten.

Hotohori packte Kokuyo am Arm und schleifte ihn hinter sich her. Kokuyo, langsam wieder aus seiner Lethargie erwachend, fing an zu zappeln, doch er wurde eisern festgehalten.

" Wir müssen ihr hinterher!" rief Hotohori und deutete auf die breite Straße vor ihnen, wo aus den Häusern zu beiden Seiten hohe Flammen herausschlugen.

Überall auf den Straßen lagen Erschlagene und tränkten die Erde mit ihrem Blut. Finster blickte Hotohori umher, diese Banditen hatten grausam unter den Dorfbewohnern gewütet.

Es war ein Bild des Grauens! Doch Hotohori schritt unbeirrt weiter, Kokuyo immer noch fest gepackt.

" Es ist doch Wahnsinn, da reinzugehen. Wir werden bei lebendigen Leibe verbrennen!"

" Hast du vergessen, dass wir hier Geister sind?" gab Hotohori zurück.

" Und was ist mit der Hitze? Meinst du, die bilden wir uns nur ein?"
 

Hotohori blieb irritiert stehen. Es stimmte! Obwohl sie nichts anfassen und auch nicht berührt werden konnten, spürten sie die Hitze des Flammeninfernos. Auch konnte er den süßlichen, ekelerregenden Geruch von verbrannten Fleisch riechen.

Was war, wenn sie trotzdem sterben konnten, nur wegen der großen Hitze?

Hotohori blickte auf das Feuer und auf die Leichen. Dann presste er seine Lippen zusammen und ging weiter. Kokuyo stolperte hinterher.

" Sag mal, spinnst du? Da ist doch überall Feuer, da können wir nie..."

Hotohori rief, um das Prasseln des Feuers zu übertönen, ihm über die Schulter hinweg zu:

" Yuri ist doch auch hindurch gekommen oder nicht? Wenn es ein kleines Mädchen schaffen kann, schaffen zwei halbe Geister das auch!"

Kokuyo blieb kurz stehen, kratzte sich am Kopf, dann stürzte er hinter Hotohori her.

" OK, du hast recht. Ich will jetzt auch endlich wissen, was hier los ist!"

Hotohori blickte ihn an, auf seinem Gesicht lag ein flüchtiges Lächeln.

Dann verschwanden die beiden Gestalten in den Flammen.
 

Das kleine Mädchen lief und lief, so schnell es konnte, den breiten Weg entlang. Aus den Häusern zu beiden Seiten schlugen die Flammen, die Luft war glühend heiß und kaum atembar! Doch Yuri hastete weiter. Auf der anderen Hangseite waren die Häuser noch intakt, doch befanden sich da auch seltsame, in Leder und Metall gekleidete Gestalten. Die Lichtpunkte ihrer Fackeln geisterten über den dunklen Bergrücken wie hunderte kleiner Glühwürmchen. Unter anderen Umständen wäre dies vermutlich ein faszinierendes Bild gewesen, doch der Schrecken und das Entsetzen, das auf dem kleinen Mädchen lastete, ließ sie darauf nicht achten. Sie hatte nur einen Gedanken: Sie musste zu ihrer Familie! Ihre Lungen brannten und die Ascheflocken, die umherwirbelten, reizten sie immer wieder zum Husten. Die umherfliegende Glut senkte sich auf die ungeschützten Stellen ihrer Haut und hinterließ schmerzende Brandwunden.

Schließlich stolperte sie und lag nun keuchend und rauh schluchzend auf dem staubigen, mit schwarzen Flecken übersäten Boden. Plötzlich fielen die Häuser zu beiden Seiten donnernd in sich zusammen, die lodernden Flammen schossen auf sie zu -
 

Hotohori und Kokuyo rannten hinter der kleinen Gestalt hinterher. Von überall strömte die Hitze auf sie ein, sie atmeten flach, um den Schmerz in den Lungen, verursacht durch die glühend heiße Luft, möglichst gering zu halten. Die kleine Gestalt vor ihnen verschwamm hinter der Glutwand zu einem wabernden Schatten, der blitzschnell durch eine sich windende Gasse rannte, die Häuser auf beiden Seiten standen in hellen Flammen.
 

Auf einmal sahen sie voller Entsetzen, wie sich die beiden Hausgiebel zu beiden Seiten des kleinen Mädchens sich zu neigen begannen und mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf die Straße hinabstürzten.

Voller Verzweiflung blickten Kokuyo und Hotohori auf den brennenden Trümmerhaufen vor ihnen - wo war Yuri?

Hotohori schaute sich mit wildem Blick um, seine Augen tränten durch die starke Hitze.

" Wo... wo ist sie? Sie kann doch nicht..."

Er ließ den Satz unvollendet und blickte mit erstarrten Gesicht in die Flammen. Plötzlich spürte er, wie Kokuyo ihn an der Schulter packte und schüttelte. Mit erstauntem Gesicht blickte dieser in die Richtung, in die der Schwarzhaarige zeigte - nach oben!

Dort oben schwebte - umhüllt von einer roten Blase aus Licht - ein kleines Mädchen. Yuri!

Mit fassungslosen Gesichtern starrten die beiden jungen Männer auf diese seltsame Erscheinung, die nun langsam außerhalb des Gefahrenbereiches nach unten schwebte und landete. Das rötliche Licht, das Yuri umgeben hatte, zog sich zu einem leuchtenden Strich zusammen, der nun höher und höher in den Himmel schwebte. Für einen kurzen Augenblick glaubten sie, den verschwommenen Umriß einer Sense zu erblicken, dann verschwand die Lichterscheinung so plötzlich, wie sie gekommen war! Hotohori und Kokuyo blickten noch eine Weile in den Himmel, dann wandten sie gleichzeitig den Kopf und schauten einander ratlos an.

Kokuyo sprach schließlich die Frage aus, die beiden auf der Zunge lag:

"Was war das gerade eben?"

Hotohori zuckte die Schultern und blickte nach vorne:

" Ich weiß auch nicht, was..."

Er stockte und seine Miene erstarrte zu Eis. Yuri war weg, spurlos verschwunden!
 

Genervt verdrehte Kokuyo die Augen und stampfte wütend mit dem Fuß auf.

" Das darf ja wohl nicht wahr sein. Jetzt ist sie uns schon zum zweiten Male abgehauen!"

Er packte Hotohori am Ärmel und ging rasch weiter. Beide verfielen rasch in Laufschritt. Hotohori rief Kokuyo atemlos zu:

" Woher willst du denn wissen, dass sie ausgerechnet hier lang gelaufen ist?"

Kokuyo tippte sich im Laufen an die Stirn:

" Das sagt mir mein Verstand. Alle anderen Gassen stehen in hellen Flammen, da kommt kein Kind mehr durch!"
 

Heiße Luft umwaberte sie wie Nebelschwaden, Hotohori sah, wie die grauen Schleier über den Weg getrieben wurden. Sie verknäulten sich zu wabernden Gestalten, dann wurden sie wieder durchscheinend und glitten über den Boden.

Hotohori blieb so urplötzlich stehen, dass Kokuyo auf ihn prallte. Fluchend hielt er sich das Kinn und funkelte Hotohoris Hinterkopf an.

" Was zum Henker sollte ..." zischte er, wurde aber von einer raschen Handbewegung Hotohoris zum Schweigen gebracht. Der fasste ihn an der Schulter und zog ihn hastig neben sich. Dann deutete er mit dem Finger auf den Weg vor ihnen.

Kokuyo runzelte die Stirn und starrte auf den Boden vor ihnen, sah aber nichts außer dahinschwebenden Rauchschwaden.

" Was soll da bitteschön sein? Ich sehe nichts!" flüsterte er ratlos.

Hotohori wisperte ihm ins Ohr, den Blick immer noch wachsam auf die Stelle vor ihnen gerichtet:

" Diese Nebelschwaden dort... die sind nicht so harmlos wie sie aussehen. Irgendwie bewegen sie sich unnatürlich, findest du nicht? Ich will nur ein einfacher Bauer sein, wenn diese Dinger nicht von irgendjemanden gelenkt werden. Auch spüre ich, seit wir in diesem Dorf sind, eine unheilvolle Präsenz."

Kokuyo blickte ihn ungläubig an, dann grinste er unsicher.

" Naja, vielleicht hat diese 'unheilvolle Präsenz' irgendwas mit Yuri zu tun. Es kann ja sein, dass sie nicht so harmlos ist, wie sie immer tut..."

Hotohori unterbrach ihn wütend:

" Unsinn! Dann hätte ich es ja schon im Wald bemerken müssen, dass mit ihr was nicht stimmt. Es ist zwar richtig, dass sie von einer mächtigen Aura umgeben ist, auch wenn diese sich nur selten zeigt, aber die ist noch lange nicht so feindselig wie die andere.

Begreifst du denn nicht? Meinst du etwa, dies ist ein ganz normaler Banditenangriff? Oh nein, hier gehen sie mit einer für Banditen untypischen eiskalten Berechnung, Grausamkeit und Gründlichkeit vor! Irgend jemand will, dass dieses Dorf ganz vernichtet wird, ohne irgendwelche Überreste soll es getilgt werden. Dazu benutzt dieser Jemand auch Zauberkräfte!"
 

Während Hotohori eindringlich auf Kokuyo eingeredet hatte. bemerkten sie nicht, dass sich um sie ein wabernder nebelhafter grauer Ring geschlossen hatte. Plötzlich fuhren sie herum und bemerkten zu ihrem Entsetzen, dass sie komplett eingekreist waren!

Kokuyo wich zurück, bis er an Hotohoris Rücken stieß.

" Was sollen wir jetzt tun? Einfach nicht beachten?"

Hotohori blickte sich um, diese feindliche Atmosphäre um sie herum betäubte seine Sinne, er bemühte sich krampfhaft ruhig zu atmen. Dann flüsterte er seinem Freund leise über die Schulter hinweg zu:

" Nein, das hat keinen Sinn. Diese... Dinger wissen, dass wir da sind, frag mich nicht, warum! Auch habe ich irgendwie so das Gefühl, dass wir nicht so einfach entkommen können..."
 

Kokuyo wandte sich um und schaute Hotohori entsetzt an, der blickte mit ruhigen Augen zurück. Aber tief in ihnen war auch die fast grenzenlose Panik zu erkennen, die Hotohori aber eisern unter Kontrolle hielt.

Irgendein mächtiges Wesen hatte von ihnen Notiz genommen - und das beunruhigte ihn außerordentlich! Auch war es seltsam, dass sie von ihm wahrgenommen werden konnten, wo sie doch in dieser Welt eigentlich Geister waren. Obwohl... Hotohori legte seine Stirn in Falten und starrte wütend auf die Umgebung. War es denn normal, dass sie überhaupt hier waren? Dass sie einander berühren konnten, aber sonst nichts? Dass sie - und das beunruhigte sie am allermeisten - die Temperaturen spüren konnten?
 

Die alte Uyarula blickte mit ihren schimmernden Augen mißtrauisch auf die leuchtende Nebelwand vor ihr, wo sich langsam ein Bild herauskristallisierte, dass zwei Gestalten und einen Flammenhintergrund zeigte. Unmutig schaute sie auf den gräulichen Nebelring, der die zwei Männer umgab. Irgend etwas lief gerade falsch! Die Gedanken über diese seltsamen Dinge, die dem braunhaarigen jungen Mann gerade eben durch den Kopf geschossen waren... er hatte recht. So etwas dürfte eigentlich gar nicht sein! In dieser Welt waren sie nichtiger als Schatten - nichts sollte ihnen etwas anhaben... und niemand hätte sie bemerken dürfen!

Ein zischender Laut entfuhr ihren faltigen Lippen. Diese seltsame grausame Aura, die sie am anderen Dorfende lokalisieren konnte, brachte mit seinem verderblichen Einfluss ihre ganze Magie durcheinander. Noch nie war ihr so etwas ähnliches begegnet!

Diese zwei Männer waren in großer Gefahr. Aber sie konnte sie nicht zurückholen ohne nicht das schwarzhaarige Mädchen dadurch in den Wahnsinn oder sogar in den Tod zu treiben!

Die beiden Männer waren momentan einfach zu stark mit ihr verbunden. Ihr Rückweg würde erst dann wieder frei sein, wenn sich Yuris schreckliche Kindheitserinnerung ihnen offenbart hatte! Vorher waren sie in dieser vergangenen Welt gefangen.

Die alte Uyarula seufzte kummervoll. In was hatte sie alle Beteiligte, mit Ausnahme des braunhaarigen Mädchens, da hineingeritten?! Wieder heftete sie ihre amethystfarbenen Augen auf die flackernde Projektion in der Nebelwand vor ihr. Sie musste einfach abwarten - und das Beste hoffen!
 

Hotohori und Kokuyo waren sich nicht bewusst, wie lange sie auf den auf- und niederschwebenden gräulichen Nebelring gestarrt hatten, als sie hinter sich plötzlich aus einer Gasse ein schwaches Wimmern hörten. Beide fuhren herum - und sahen nicht weit von sich entfernt eine junge blonde Frau, die taumelnd auf sie zugestolpert kam. Aus einer häßlichen Kopfwunde rann das Blut an ihrer rechten Gesichtshälfte und dem Hals herab, bis es schließlich in einem großen dunklen Fleck auf ihrem Kleid versickerte. In ihren Augen lag so ein verzweifelter Ausdruck, dass er Hotohori ins Herz schnitt. Auf einmal hörte er links neben sich ein ersticktes Keuchen, im selben Moment fiel Kokuyo auf die Knie, den Blick unverwandt und schmerzvoll auf die blonde Gestalt gerichtet.

Hotohori sank zutiefst erschrocken neben ihm auf den Boden und umfasste ihn mit beiden Armen. Aus den Augenwinkeln sah er plötzlich, wie der Kreis sich öffnete und eine lange Nebelfahne an ihnen vorbeischwebte - auf das Mädchen zu!
 

Diese sah mit befremdlichen Ausdruck das seltsame Etwas an, das da auf sie zugeflogen kam. Erst, als sich die grauen Nebelschleier um ihren gesamten Körper legten und sie die eisige Kälte spüren konnte, entfuhr ihr ein Schreckenslaut.

Etwas Unheimliches, eine grauenhafte Düsternis drang in sie ein, bis es sie ganz ausfüllte. Es lähmte ihre Glieder und auch ihre Stimme. Für einen Augenblick hörte ihr Herz auf zu schlagen, ihr Atem stockte, alles in ihr stand still. Und in dieser fürchterlichen Stille hörte sie, wie eine Männerstimme zu ihr sprach; eine tonlose, zischende und eiskalte Männerstimme, die sie vor Furcht erbeben ließ.

< Hast du das Vermächtnis der Urältesten? >

< Vermächtnis? >

Ihre Gedankenstimme drückte ihre ganze Unwissenheit aus, trotzdem gab sich das fremde Wesen in ihr noch nicht zufrieden. Die Kälte in ihr sank tiefer, tiefer, drang bis in ihr Unterbewusstsein vor, bis auf den tiefsten verwundbarsten Grund, bis...

< Ha! >

Die Stimme des Wesens klang triumphierend.

Von Grauen erfüllt spürte das blonde Mädchen, wie sich etwas Grausames eiskalt um ihren kostbarsten Besitz schlang. Etwas, dass so kostbar war, dass man es nicht beschreiben konnte. Noch nie hatte sie dort so eine gehässige Berührung gespürt. Das war ihr Ende, sie konnte es spüren. Nun, da dieses Wesen ihr Innerstes gefunden hatte, löste sich ihr Selbst auf! Sie würde bald aufhören, zu existieren. Ihre Seele schwand bei der kalten feindlichen und tödlichen Umarmung dahin...
 

Mit Schrecken sahen Hotohori und Kokuyo, wie die grauen Schleier sich um den Körper des Mädchens gelegt hatten und dann langsam darin versanken. Das blonde Mädchen war auf die Knie gefallen, sein Blick war leer auf die brennende Häuserwand vor sich gerichtet.

Sie bewegte sich nicht, kein Atemzug hob ihre Brust - es war, als wäre sie zu einer Statue erstarrt. Aus der tiefen Wunde auf ihrer Stirn quoll kein Tropfen Blut mehr...

Plötzlich schwankte sie leicht, ihre Augen begannen, wieder zu schimmern - nur lag darin nun ein so grauenerregender Ausdruck, dass er nicht mehr zu ertragen war!

Langsam öffnete sie die bleichen Lippen zu einem dünnen Wimmern, dann holte sie pfeifend Luft und stieß so einen gellenden gequälten Schrei aus, dass sich Hotohori und Kokuyo von Entsetzen geschüttelt die Hände an die Ohren schlugen.

Während sie schrie, drang aus ihrem Mund eine Rauchfahne, die sich vor ihr in der nebelhaften Gestalt eines großen Mannes, bekleidet mit einer weiten Kutte, manifestierte. In seinen durchscheinenden Händen schwebte eine kleine Kugel aus Licht, die in allen Regenbogenfarben erstrahlte. Vereinzelte Lichtstrahlen blitzten immer wieder auf und warfen wunderbare Lichtmuster auf den Boden. Wie gebannt blickten Hotohori und Kokuyo auf dieses unbeschreiblich wunderbare Ding.

Ein leichter Wind strich durch die Gassen und die leuchtende Kugel schwebte ein wenig in die Höhe, bis sie wieder trudelnd wie eine zarte weiche Flaumfeder hinabsank.

Die nebelhafte Gestalt des Mannes blickte mit einem kalten Lächeln auf dieses bezaubernde kleine Ding, das vor seinem durchscheinenden Gesicht sanft auf- und niederwippte, getragen von jedem kleinen Windstoß.

Die Schattengestalt streckte plötzlich die Hand aus, ein Blitz schoß vom Himmel und traf die glitzernde Kugel, die mit einem ohrenbetäubenden Klingen zersprang. Ein gleißender Lichtstrahl ließ für kurze Zeit alles verblassen, dazu hörte man einen leisen Seufzer, begleitet von zartem Glöckchengeläut. Dann verschwanden die Geräusche und das helle Licht wie ein Spuk.

Zurück blieb ein glitzernder Scherbenregen, der sich aber immer mehr verflüchtigte, bis kein Funkeln mehr in der Luft schwebte.
 

Mit einem Röcheln brach das blonde Mädchen auf dem Boden zusammen und rührte sich nicht mehr. Die graue Gestalt vor ihr gab ein heiseres trockenes Lachen von sich, dann zerfaserte seine Gestalt immer mehr, löste sich auf. Die Nebelschleier wanden sich immer höher hinauf und strebten weit über den brennenden Dächern der anderen Hangseite hin zu.
 

Kokuyo wand sich plötzlich aus Hotohoris Griff und torkelte auf das Mädchen zu. Er stolperte und fiel auf den staubigen Boden, doch er robbte weiter auf sie zu.

Das war so ein jämmerlicher Anblick, dass ihn Hotohori fassungslos anstarrte.

Als Kokuyo bei ihr angelangt war, stützte er sich ächzend auf seine Hände und hockte sich neben sie. Mit unendlich sanften Händen versuchte er, ihr die blutverkrusteten Haarsträhnen aus dem Gesicht zu wischen, aber seine Hände glitten immer wieder durch die totenblasse Mädchengestalt. Schließlich gab er es auf.

Lange saß er da, den Blick auf das bleiche Gesicht gerichtet, das auch noch im Tode seinen entsetzten Ausdruck behalten hatte. Hotohori trat leise neben ihn und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. Kokuyo zuckte kurz zusammen, dann starrte er wieder auf das Mädchen.

Seine Schultern bebten, aber er weinte nicht.
 

" Sie sieht genauso aus wie... das Mädchen, dass ich geliebt habe..."

Die heisere beherrschte Stimme riß Hotohori aus seinen düsteren Gedanken. Er blickte hinab zu Kokuyo, doch der schaute immer noch auf das Mädchengesicht.

Hotohori räusperte sich, dann fragte er vorsichtig:

" Und was ist nun mit ihr passiert?"

Kokuyo stieß einen Laut aus, der fast wie ein Schluchzen klang, dann antwortete er mit rauher Stimme:

" Sie ist ermordet worden... von den Leuten meines Vaters!"

Hotohori öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch ein bedrohliches Knacken ließ ihn erschreckt aufschauen.
 

Das Haus vor ihnen stand vollständig in Flammen, nur die schweren Balken hielten das Gerüst noch in Balance. Doch nun begann der Dachfirst, sich drohend in ihre Richtung zu neigen...

Hotohori starrte entsetzt nach oben, dann packte er Kokuyo mit festem Griff am Kragen und zerrte ihn auf die Füße. Der schlug verzweifelt um sich und schrie:

" Lass mich in Ruhe! Ich muss hier bleiben. Ich kann sie nicht nochmals im Stich lassen!"

Hotohori bekam einen kräftigen Schlag ans Kinn, kurz wurde ihm schwarz vor Augen, doch er schüttelte energisch den Kopf und herrschte Kokuyo an:

" Wir müssen hier weg! Dieses Gebäude kann jeden Augenblick zusammenbrechen."

Kokuyo machte wieder einen Schritt auf das blonde Mädchen zu, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Krachen und Splittern ertönte: Das Haus stürzte mit einem Grollen in sich zusammen, die lodernden Balken kippten auf sie zu.

Hotohori reagierte schneller als ein Gedanke. Er machte einen Satz auf Kokuyo zu, stieß ihn mit aller Kraft die Hände in den Rücken und schleuderte ihn aus der Gefahrenzone. Dann fielen die Balken donnernd auf die Straße...
 

Kokuyo erhielt auf einmal einen starken Schlag in den Rücken, der ihn mindestens sechs Meter weit weg schleuderte. Als er sich benommen aufrappelte, starrte er mit verzweifelten Gesicht auf das lodernde Feuer vor ihm. Wo war das Mädchen?

Auf einmal erinnerte er sich an den Schlag in seinen Rücken, mit Panik in den Augen schaute er umher, doch Hotohori war nirgendwo zu sehen!

Entsetzt sprang Kokuyo zu den lodernden Balken, dann sah er ihn. Eine Gestalt kniete im Feuer, durch die Gluthitze nur veschwommen erkennbar, doch Kokuyo erkannte deutlich die langen braunen Haare und das verzerrte Gesicht!

Mit einem Schrei sprang Kokuyo in die Flammen - später wusste er nicht mehr, was ihn zu dieser wahnwitzigen Aktion getrieben hatte - und lief auf Hotohori zu. Die Flammen durchdrangen ihn, er spürte diese infernalische Hitze, wollte schreien, doch er biß die Zähne zusammen. Unendlich langsam kam er auf Hotohori zu, bis er ihn schließlich erreichte. Der war indessen auf dem Boden zusammengebrochen. Zähneknirschend legte Kokuyo ihn sich auf die Schultern, dann wandte er sich um und stapfte schwerfällig aus dem Flammeninferno.

Kokuyo pries alle Teufel und Götter an, dass er hier kein normaler Mensch war, sonst wäre er schon längst verbrannt worden. Aber auch so hatte das Feuer mehr an seinen Kräften gezehrt, als er geglaubt hatte. Und obwohl er keine Brandwunden hatte, schmerzte es ihm am ganzen Körper.

Doch er lief tapfer weiter, bis er zu einer Stelle kam, wo die Häuser noch nicht brannten.

Keuchend blieb er stehen und ließ seine menschliche Last von den Schultern gleiten.

Als er in einen Hauseingang blickte, sah er mit Grausen die niedergemetzelten Körper mehrere Frauen.

Mit einem Schaudern wandte er sich ab und blickte auf Hotohoris Gesicht. Vorsichtig bettete er dessen Kopf auf seinen Schoß. Hotohori hatte die Augen geschlossen, sein Atem kam stoßweise. Ab und zu zuckte er zusammen vor Schmerz, dann wandte er stöhnend den Kopf hin und her und murmelte unzusammenhängende Worte.

Erschrocken blickte Kokuyo auf ihn hinab, es schien ihm sehr schlecht zu gehen - und das nur wegen ihm! Zu seinem Erstaunen merkte er plötzlich, wie ihm heiße Tränen die Wangen herabliefen. Sie fielen auf Hotohoris Gesicht, der sich immer noch stöhnend hin- und herwand.

Kokuyo schloss die Augen und versuchte, seiner wieder Herr zu werden - doch die Tränen strömten ihm weiterhin über das Gesicht. Plötzlich spürte er an seiner Wange eine leichte Berührung, dann sprach eine Stimme sanft zu ihm:

" Wieso weinst du großer Tolpatsch eigentlich?"

Erschrocken riss Kokuyo die Augen auf. Hotohori war wieder bei Bewusstsein und blickte ihn mit leicht verzerrtem Grinsen an. Kokuyo wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, schniefte einmal kurz und versuchte dann einen wütenden Gesichtsausdruck - der allerdings kläglich misslang; so groß und offensichtlich war seine Erleichterung, dass Hotohori wieder aufgewacht war.

" Denk bloß nicht, dass ich wegen dir heule. Mir ist nur was ins Auge geflogen!"

Ach, verflixt! Wieso musste seine Stimme jetzt auch so seltsam klingen?!
 

Hotohori versuchte, sich aufzurichten, doch er sank mit einem Schmerzenslaut wieder zurück. Sofort war Kokuyo über ihm, legte ihm vorsichtig den Arm um die Taille und zog ihn hoch. Schwer atmend stützte sich Hotohori auf ihn, dann wandte er mit einem schwachen Grinsen den Kopf zur Seite.

" Es... geht schon..., danke!"

Kokuyo blickte ihn entrüstet an, dann schüttelte er energisch den Kopf.

" Nein, das tut es eben nicht! Ich merke doch, dass du Schmerzen hast..." Hotohori schnitt ihm mit einer fahrigen Handbewegung das Wort ab.

" Wir müssen weiter und... die kleine Yuri finden..."

Kokuyo hörte vor sich ein leises Geräusch, das kaum hörbare Tapsen weicher Schuhe.

Hotohori blickte zu ihm empor, dann fuhr er verärgert fort:

" He, wir müssen weiter... oder wir finden sie nicht mehr!"

Kokuyo blickte unverwandt zu der Hausecke vor ihm und erwiderte ruhig:

" Ich glaube, diese Frage hat sich gerade eben erledigt..."

Als Hotohori den Blick hob, sah er zu seinem Erstaunen - ein kleines Mädchen an einer Hausecke kauern und wie gebannt auf die nahe Hangseite starren.

Dort bewegten sich mehrere Gestalten in Lederrüstung, die Gesichter von wild wuchernden Bärten zugewachsen. Offensichtlich waren es die Banditen, die hinter ihnen sämtliche Häuser in Brand gesteckt hatten!

Kokuyo trat, den schwankenden Hotohori mit einem Arm stützend, hinter das schwarzhaarige kleine Mädchen, das zitternd am Boden kauerte. Noch immer blickte es wie hypnotisiert auf ein größeres Haus gegenüber, in dem sich hinter den dünnen Reispapierwänden schemenhaft die Gestalten mehrerer stämmiger Männer abzeichnete, die mit ihren Waffen auf zwei Bündel einstachen.

Das kleine Mädchen vor Hotohori und Kokuyo stieß einen erstickten Schluchzer aus, ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Mitleidig blickten beide auf Yuri herab.
 

In diesem Moment gab es in dem Haus vor ihnen einen Aufruhr. Die Eingangstür wurde so heftig aufgestoßen, dass sie krachend an die Wand schlug. Heraus stürzte ein kleiner Junge, das Gesichtchen von Tränen und Schmutz verschmiert. Aus der Tür hinter ihm quollen mehrere Banditen, die blanken Schwerter drohend in den Händen.

Yuri stieß einen kleinen Schrei aus, dann sprang sie zum Entsetzten Hotohoris und Kokuyos auf den Jungen zu und stellte sich schützend vor ihn. Der kleine Junge umklammerte sie von hinten und drückte sein tränennasses Gesicht an ihr Kleid. Immer wieder stammelte er nur ein Wort:

" O-nee-chan..."

Yuri wandte mit einem leichten beruhigenden Lächeln ihren Kopf ihm zu, dann starrte sie wieder mit finsterem Blick die Männer an, die sich nun vor ihnen zu einem Halbkreis aufgestellt hatten und mit hämischen Mienen auf sie herabschauten.

" Nu' schau mal einer an... was für einen Fang wir hier gemacht haben!"

Einer der Männer trat vor und ragte nun drohend vor den Geschwistern auf. Mit einer lässigen Bewegung ließ er immer wieder die flache Seite seines Schwertes in die Hand klatschen.
 

Plötzlich wurde die bedrohliche Stimmung von dem Getrappel kräftiger Hufe unterbrochen. Alle wandten sich um - auf einem nebelgrauen Pferd saß die hochgewachsene Gestalt eines jungen Mannes, eingehüllt in ein weites weißliches Gewand. Der einzige Schmuck war ein pechschwarzes Kreuz, dass ihm an einer Kette um den Hals hing. Dieses Kreuz schien jedes Licht in seiner Umgebung aufzusaugen. Es wirkte auf dem weißen Untergrund wie ein kreuzförmiges dunkles Loch von unheimlicher Tiefe.

Unter der großen Kapuze waren ein paar blonde Haarsträhnen zu sehen. In dem Schatten funkelte ein Paar roter Augen wie zwei unheilvolle Sterne. Die bleichen Lippen waren fest zusammengepresst.
 

Hotohori schnappte nach Luft. Er kannte diese Person! Vorher - bei dem Vorfall mit dem blonden Mädchen - hatte er diese Gestalt mit dem wallenden Gewand gesehen, sie aber nicht eindeutig identifizieren können. Jedoch... Hotohori dachte mit plötzlich aufgeflammter Wut an den Vorfall vor fast 2 Jahren, als ein - Priester in weißer Kutte in Kounan angelangt war. Kurz nachdem er am Hofe erschienen war, hatte sich bei Hotohori der Fluch in den Mondnächten gezeigt...
 

Der Mann streckte seinen Arm aus und deutete mit einer herrischen Geste auf den Hünen direkt vor Yuri und ihrem Bruder.

Der ließ daraufhin das Schwert sinken und sank ehrfürchtig auf die Knie.

" Was ist denn hier geschehen?"

Hotohori und Kokuyo schauderten, als sie die eisige Stimme dieses weißgekleideten Mannes vernahmen, so gefühlskalt und grausam war sie.

Der Hüne zuckte zusammen, dann sprach er mit geneigtem ehrerbietig gesenkten Kopf:

" Nichts Besonderes, oh Hoher Priester! Nur zwei Ratten sind aus ihrem Versteck gekrochen. Herr, haben wir die Erlaubnis sie zu töten oder wollt Ihr Euch persönlich wegen... dieser Sache mit ihnen unterhalten?"

Der Blick des Priesters schweifte gleichgültig über die Gestalten der ängstlichen schwarzhaarigen Kinder, dann winkte er mit einer Hand ab.

" Nein, diese Kreaturen haben die falsche Haarfarbe. Mir wurde mitgeteilt, dass nur blonde Menschen das Recht auf das Vermächtnis geerbt haben und diese unglaubliche Macht kontrollieren können. Ihr könnt euch ruhig mit ihnen befassen... obwohl..."
 

Yuri biss sich auf die Lippen, dann streckte sie das Kinn vor und schob ihren Bruder vorsichtig weiter hinter sich.

Ein abschätzender Blick streifte die Geschwister und blieb auf Yuris trotzigen Gesicht liegen.

Die bleichen Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln, dann blickten die roten Augen auf den nun gelblichen Horizont, an dem gerade die Sonne unterging. Bald würde der Vollmond am Himmel stehen...

Der Priester stimmte in ein unheimliches bedrohliches Gelächter ein, dann sprach er mit genüßlicher Stimme:

" Ich hätte da doch noch eine bessere Idee. In letzter Zeit hattet ihr ja nicht gerade viel zu tun. Ich meine, diese Dorftrottel niederzumachen ist ja fast schon zu einfach, außerdem habe ich mich um alle blonden Kreaturen hier selbst gekümmert. Ich glaube, ich schicke euch heute Nacht mal auf Pferdejagd, damit ihr nicht einrostet!"

Er wies mit seinem Finger auf Yuri.

" Der Junge ist mir egal, macht mit ihm, was ihr wollt.

Ich nehme dazu dieses Mädchen. Sie hat wenigstens genug Mut, mir ins Gesicht zu schauen - das gefällt mir! Bei Vollmond wird sie sich in ein... hm, sagen wir mal, in ein weißes Pferd verwandeln, das ist auch in der Nacht noch erkennbar. Solange dürft ihr euch mit ihr vergnügen, wie ihr wollt, aber ohne sie zu töten! Erlegen sollt ihr sie als Pferd, dann bringt ihr mir den Kopf mit. Den könnte ich in meiner Trophäensammlung gut gebrauchen.

Ich würde zwar sehr gerne bei der Jagd zusehen, aber vorher sollte ich noch in einem anderen Dorf - nach dem Rechten sehen!"

Ein irres Lachen drang aus seinem Mund, dann schnippte er mit den Fingern und Yuri wurde plötzlich von einem blendenden Licht eingehüllt, das allerdings bald wieder verblasste.

Der Priester blickte sie mit einem gehässigen Blick an, dann sprach er wieder zu seinen Untergebenen:

" Und denkt daran: Wenn ihr sie entwischen lasst, werde ich eure Köpfe in meiner Sammlung aufnehmen!"

Mit einem kalten Lächeln auf den Lippen wendete er sein Pferd und trabte von dannen.
 

Eine Zeitlang standen die Männer nur da und schauten mißmutig auf den Boden. Sie wurden erst wieder aus ihrer Lethargie gerissen, als Yuris Bruder einen verzweifelten Fluchtversuch machte, so verängstigt war er. Die Flucht wurde aber fast sofort von einem im Weg stehenden Banditen vereitelt, der mit einem mordlustigen Funkeln in den Augen sein Schwert auf den bloßen Knabenhals herabsausen ließ. Das nächste, was er sah, war nur ein huschender Schatten, dann bohrte sich sein Schwert in die Erde.

Zwei Meter entfernt fiel Yuri zu Boden und kullerte weiter über die Straße, in den Armen hielt sie ihren Bruder. Keuchend stand sie auf, der Junge krallte sich hinten an ihrem Kleid fest, sein Gesicht war weiß von dem eben knapp entgangenen Todesstreich.

Wieder bauten sich die Männer vor ihnen im Halbkreis auf. Yuri schluckte, dann trat sie einen Schritt zurück, faltete die Finger und hob die Hände:

" Bitte, ich flehe Sie an! Lassen Sie meinen Bruder am Leben! Mit mir können Sie machen, was Sie wollen, aber verschonen Sie sein Leben, ich bitte Sie!!"

Die Männer blickten sich an, dann brachen sie in ein dröhnendes Gelächter aus. Einer der Männer beugte sich zu ihr herunter und hob ihr grob das Kinn hoch. Dann grinste er boshaft und entblößte dabei zwei Reihen gelber Zähne. Der faulige Atem traf sie, aber Yuri hielt tapfer stand und schaute ihn bittend an. Der Mann sprach mit hinterlistiger Stimme:

" Gut, wir machen mit dir, was wir wollen, dafür werden wir deinen Bruder nicht töten, einverstanden?"

Yuri nickte hoffnungsvoll und schloss erleichtert aufseufzend die Augen, deswegen entging ihr auch die wortlose Verständigung der Männer.

Erschrocken riß sie die Augen auf, als sie hinter sich plötzlich Schritte hörte. Sie wollte sich umdrehen, aber es war schon zu spät!

Sie wurde von zwei derben Männerhänden an den Schultern gepackt, im selben Moment hörte sie hinter sich einen schrillen Schrei. Yuri wand sich aus dem Griff und stürzte auf die zwei Banditen los, die ihren Bruder von ihr losgerissen hatten und den strampelnden Kleinen nun zwischen sich hielten. Doch im selben Moment traf Yuri ein harter Schlag in den Nacken und sie war halb betäubt, als sie wieder gepackt und hart auf den Boden geworfen wurde.

Stöhnend erhob sie sich wieder aus dem Straßenstaub und blickte die Männer anklagend an:

" Ihr habt versprochen, dass Ihr ihn freilasst, warum verstoßt Ihr gleich wieder gegen Euer Wort?!"

Einer der Männer beugte sich zu ihr hinunter und lachte ihr hämisch ins Gesicht:

" Aber das tun wir doch! Wir haben nur versprochen, dass wir ihn nicht töten - von Freilassung war nie die Rede!"

Yuri blickte ihn entsetzt an, dann traten ihr die Tränen in die Augen:

" Aber... aber... das ist ungerecht... so ungerecht..."

Heiße Tränen quollen ihr aus den Augen und bildeten auf dem Boden dunkle Flecken. Sie senkte den Kopf und versuchte, sich wieder zu beherrschen. Plötzlich sprach eine gehässige Stimme hinter ihr:

" Aber nein, das ist nicht ungerecht, sondern einfach nur amüsant! Aber jetzt geht der Spaß erst richtig los..."

Nach diesen Worten spürte sie plötzlich, wie sie von hinten an den Armen gepackt wurde, dann wurden ihre Finger gewaltsam um einen kühlen Schwertgriff gelegt.

Erschrocken blickte Yuri auf - und sah sich ihrem Bruder gegenüber! Der wurde mit ausgestreckten Armen von zwei Männern links und rechts gehalten. Mit angsterfüllten Augen blickte er sie an.
 

Hotohori hatte mit einem Mal erfasst, was diese Männer mit der kleinen Yuri und ihrem Bruder vorhatten. Eine Welle von Übelkeit erfasste ihn. Diese Bastarde hatten wirklich einen Weg gefunden, ihr Versprechen zu halten und gleichzeitig den Befehl des Priesters nicht zu missachten. Hotohori wollte aufspringen und versuchen, dieses grausame Vorhaben zu verhindern, aber einer war schneller...

Kokuyo sprang plötzlich mit einem wütenden Schrei auf und stürzte sich auf die Männer - mit dem Erfolg, dass er durch sie hindurchflog und im Dreck landete. Schnell rappelte er sich wieder auf und startete weitere Attacken, doch es brachte keinerlei Erfolg.

Hotohori stürzte auf Kokuyo zu und hielt ihn fest, dann zog er ihn auf den Boden herab und redete beschwörend auf ihn ein:

" Kokuyo, das nützt nichts! Erstens sind wir hier Geister und zweitens ist das hier ihre Vergangenheit, wir können also nichts daran ändern!"

Kokuyo fuhr hoch und brüllte ihn an:

" Wie kannst du das so einfach sagen? Du ahnst doch auch, was sie vorhaben, wie kannst du da so ruhig sein?!?"

Hotohori erwiderte nichts, er legte nur beide Arme um Kokuyo und drückte ihn an sich. Der ließ zitternd seinen Kopf auf Hotohoris Brust sinken. Nach einer Weile stieß Kokuyo zwischen den Zähnen hervor:

" Wieso muss ich jedes Mal wieder in -"

Seine Stimme begann zu schwanken, er schluckte und sprach weiter:

" Du verstehst einfach nicht, wie gräßlich sowas ist! Wieso muss ich immer wieder in solche Situationen hineingezogen werden, wenn ich nichts dagegen tun kann?! Ich halte das nicht mehr aus... ich will einfach nicht mehr!"

Auf einmal spürte Kokuyo auf seiner Hand etwas nasses. Als er langsam den Kopf hob, sah er, dass Hotohoris Augen voller Tränen standen. Der fuhr sich nun mit der Hand über die feuchte Wange, dann funkelte er Kokuyo wütend an:

" Meinst du etwa, das mir das hier kalt lässt? Aber... ach, weiß der Teufel, was sollen wir denn dagegen tun?"

Kokuyo blickte ihn an, dann senkte er den Kopf:

" Ich... ich weiß auch nicht, was wir tun können..."

Ein plötzliches rauhes Gelächter ließ sie herumfahren.
 

Die Männer schauten mit schadenfrohen Gesichtern zu, wie Yuri und ihr Bruder verzweifelt versuchten, sich aus den harten Griffen zu befreien.

Der Mann, der Yuri festhielt, nickte den anderen grinsend zu:

" Nu' denn, fangen wir an?"

Ein lautes Gejohle gab ihm sofort die Antwort.

" Lasst den Jungen jetzt bloß nicht los, diese Bälger sind so schlüpfrig wie Fische", warnte er die anderen zwei, dann riß er gewaltsam Yuris Arme nach oben, in deren Händen lag noch immer das Schwert.

Yuri begann, verzweifelt zu kämpfen. Sie wand sich wie eine Katze und trat nach ihm, doch das ließ den Hünen unbeeindruckt. Er wartete den richtigen Moment ab... dann riss er ihre Arme - und das darinliegende Schwert - mit aller Macht nach unten.
 

Mit vor Panik weit aufgerissenen Augen sah Yuri, wie das Schwert auf dem Körper ihres Bruders einen silberglänzenden Bogen zog - er blickte sie mit entsetzten Augen an- , dann ließen die Männer seine Arme los und die kleine Gestalt fiel vor ihr auf den Boden.

Im selben Moment ließ auch der Griff des Mannes hinter ihr los, ihre Knie gaben nach und sie sank neben dem Körper ihres Bruders zu Boden.
 

Wie betäubt starrte Yuri auf die Blutlache vor ihr, die immer größer und größer wurde. Nach unendlich langer Zeit - so schien es ihr - streckte sie eine zitternde Hand nach der Gestalt vor ihr aus und drehte ihren Bruder unendlich sanft auf den Rücken.

Der zuckte zusammen, dann öffnete er langsam die Augen und sah sie lange an. Ihre Augen waren trocken, mit versteinerter Miene blickte sie zurück

Langsam hob ihr Brüderchen seine Hand und strich ihr langsam über die Wange, ein roter Streifen blieb darauf zurück. Sein Gesicht verzog sich zu einem sanften zufriedenen Lächeln. Mit schwacher Stimme wisperte er:

" O-nee-chan, 'chhab dich lieb..."

Sein Körper zuckte noch einmal, er bäumte sich auf. Ein Blutfaden rann ihm aus dem Mundwinkel, sein Arm fiel kraftlos zu Boden. Er hielt den Blick solange auf sie gerichtet, bis seine Augen brachen und sein Kopf langsam zur Seite sank.
 

Erstarrt blickte Yuri auf die Leiche ihres Bruders herab, minutenlang. Dann presste sie den schlaffen leblosen Körper an sich, wandte den Kopf zum Himmel und entlud ihre ganzen Gefühle in einem langgezogenen klagenden Schrei, der vom Wind weit über die Lande getragen wurde.
 

Doch Yuri blieb nicht einmal genug Zeit zum Trauern, dann wurde sie von einer Männerhand gepackt, die sie brutal emporzog. Der Körper ihres Bruders entglitt ihren Händen und schlug dumpf zu Boden.

Der Anführer der Banditen trat vor und musterte sie mit begehrlichen Blicken. Dann wandte er sich seinen Leuten zu:

" Um dieses Ding werde ich mich jetzt mal kümmern. Mal sehn, wie sie ist..."

Er vollendete den Satz nicht, doch alle Banditen brachen in ein dreckiges Gelächter aus. Der Anführer packte Yuri und starrte ihr ins Gesicht. Sie schaute mit leerem Blick zurück.

Dann begann er, ihr die Kleider vom Leib zu reißen...
 

Kokuyo und Hotohori blickten weg, sie konnten das einfach nicht mehr ertragen. Beiden liefen die Tränen herab und bei Yuris verzweifelten Schreien hielten sie sich Ohren zu. Doch ihr letzter Schrei war so durchdringend, dass sie ihn trotz verschlossener Ohren hörten:

" Nein, neiin, NEIIIN!!!"
 

Im selben Moment ging am Horizont der bleiche Vollmond auf und warf seine silbernen Strahlen auf ein ausgebranntes Dorf - und auf ein Mädchen, das weinend und schreiend auf der kalten Erde lag.

Plötzlich begann die Veränderung...
 

Hotohori und Kokuyo fuhren herum, als sie die lauten erstaunten Schreie der Männer hörten:

" ...die Verwandlung... wir sollen sie als Pferd jagen... holt eure Waffen..."

Der Anführer zog blitzschnell seine Hose hinauf, nahm sein blutbeflecktes Schwert vom Boden auf; dann warteten alle schweigend.

Als Hotohori und Kokuyo auf die Stelle blickten, wo vorher Yuri gewesen war, so erblickten sie nun eine pferdeähnliche gleißende Gestalt aus weißem Licht, um sie herum schwebten graue Schleier.

Plötzlich wurde die weiße Lichtgestalt von einem rötlichen Lichtball umhüllt. Die flammenden Lichtwände verhinderten jeglichen Blick nach innen.

Die beiden jungen Männer sahen das Erstaunen und die Beunruhigung der Banditen - irgendetwas schien mit der Magie ihres Herrn nicht ganz so zu funktionieren wie normal.

Auf einmal schwand das rote Licht so schnell, als wäre es nie dagewesen und heraus trat -

ein Einhorn, nur war es so schwarz wie Yuris Haare geworden, ein leicht bläulicher Schimmer lag auf dem Fell. Aus seiner Stirn ragte ein silbernes, gefährlich aussehendes gedrehtes Horn.

Langsam trat es auf den Leichnam des kleinen Jungen zu, senkte den Kopf und berührte dessen Gesicht sanft mit dem Horn. Augenblicklich war der Junge von einem glitzernden Sternenregen umhüllt, der wie wild umhertanzte und funkelnde Lichtblitze nach allen Seiten aussendeten. Plötzlich stiegen die tanzenden silbernen Funken langsam hinauf in den Himmel, wanden sich immer höher, bis sie der Nachthimmel verschluckte.

Das Einhorn senkte den Kopf, aus seinen großen sanften Augen quollen goldene Tropfen und rannen auf die Erde. Vom Körper von Yuris Bruders war nichts mehr zu sehen.

>Er ist zu den Sternen gegangen...<

Hotohori wandte verblüfft den Kopf, als er Yuris sanfte Stimme in seinem Kopf vernahm, auch Kokuyo neben ihm schaute etwas verwirrt drein. Die anderen Männer schienen nichts vernommen zu haben.
 

Nachdem sich die Banditen von ihrer Überraschung erholt hatten, schienen sie sich wieder ihrer Aufgabe zu besinnen. Mit blanken Schwertern kamen sie auf das schwarze Einhorn zu.

Dieses rollte nervös mit den Augen, dann stieg es auf die Hinterbeine und schlug drohend mit den Vorderbeinen aus.
 

" Das silberne Horn gehört miiir!"

Einer der Banditen stürmte mit hoch erhobenen Schwert auf das Einhorn zu. Dieses senkte den schönen Kopf - und der Mann rannte geradewegs in sein Verderben!

Als ob sein vergeblicher Angriff ein Signal gewesen wäre, stürzten sich jetzt auch die anderen Männer in den Kampf. Das Einhorn wehrte sich so gut es konnte, wendig tänzelte es hin- und her und kein Schwerthieb berührte es auch nur. Dafür traf sein Hornstoß um so tödlicher! Alles verschwamm in einem blutroten Nebel voller Schmerzens- und Todesschreie.

Schließlich stand das Einhorn mit bebenden Flanken da, um es herum war niemand mehr am Leben. Vorsichtig schritt es um die Leichen herum und trabte in Hotohoris und Kokuyos Richtung, müde ließ es den Kopf hängen.

Die jungen Männer betrachteten es und eine leichte Gänsehaut lief ihnen den Rücken hinunter. So schön und sanft dieses Wesen auch aussah - sie hatten beide gesehen, zu was es fähig war...
 

Das Einhorn blieb stehen und hob seinen Kopf in Richtung des Mondes. Das Licht spiegelte sich in dem silbernen Horn. Plötzlich stellte es die Ohren auf, dann wandte es den Kopf in ihre Richtung.

Hotohori und Kokuyo sahen, wie seine goldbraunen Augen die Finsternis durchdrangen - und sie ansahen!

>Wer seid ihr?<
 

Die alte Uyarula zuckte erschreckt zusammen. Wieso konnte Yuri in ihrer Einhorngestalt die beiden jungen Männer sehen? Wenn sie mit ihnen sprach, würde das die Vergangenheit und somit auch die Gegenwart drastisch verändern können!

Der alten Uyarula schauderte es bei diesem Gedanken.

Sie musste die beiden jetzt zurückholen und somit das Leben des Mädchens gefährden!

Aber sonst wären noch mehr Menschenleben in Gefahr. Wenn sie nie geboren werden würden...

All diese Verwirrung war durch die Magie dieses Priesters und teilweise auch durch die des Mädchens bewirkt worden.

All dies ging ihr in Sekundenschnelle durch den Kopf, dann streckte sie erneut die Arme aus und konzentrierte sich. Ihre Aura verfärbte sich intensiv amethystfarben...
 

Hotohori öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch genau un dem Augenblick tat sich unter ihren Füßen wieder ein schwarzes Loch auf und sie fielen in ein tiefblaues Dunkel... und fielen... und fielen...
 

" Was meinst du, Hotohori, sind das die richtigen Kräuter gegen Fieber?"

Als Hotohori die Augen aufschlug, blickte er in Miakas Gesicht, die ihm eine Handvoll Kräuter hinhielt.

" Äääh, was?"

Miaka zuckte die Schultern.

" Naja, die Wirtin hat mir diese hier gegeben. Sie meinte, das würde bei sowas bestimmt helfen!"

" Welche Wirtin denn? Wo sind wir eigentlich?"

Miaka sah ihn verwundert an, dann erwiderte sie:

" Na, im 'Gasthof zum funkelnden Estrella' natürlich, wo denn sonst?!"

Verwirrt blinzelte Hotohori und sah sich um. Er war in einem holzgetäfelten Raum, die hellen Balken gaben dem Raum eine behagliche Atmosphäre.

Er saß auf dem Rand eines großen Bettes, daneben standen noch mal drei. Seine Hand lag noch immer auf Yuris fieberheißen Stirn. Als er den Blick hob, sah er, dass Kokuyo auf der anderen Seite saß, mit der linken hielt er ihre Hand und ihn ebenfalls etwas verdutzt anstarrte.

Als Hotohori seine andere Hand hob, entdeckte er darin ein schwarzbläuliches Haar - ein goldener Tropfen lief langsam daran herab.
 

In einer Ecke des Zimmers stand Yuris Stab an die Wand gelehnt. Die Umhüllung war herabgefallen und hatte das schöne feingeschwungene Blatt einer silbernen Sense freigegeben.

Rund um den Stab wanden sich fremdartige Buchstaben, die ab und zu schwach rötlich oder bläulich schimmerten. Das Sichelblatt war ansonsten unberührt, nur in der Mitte war mit feinen Linien ein Einhorn eingraviert.
 

Als Miaka einen Blick nach draußen warf, sah sie zu ihrer Überraschung, dass Nebel aufgezogen war. Die grünen Bäume direkt vor dem Fenster wurden immer unschärfer, der Waldrand war überhaupt nicht mehr zu entdecken.

Die langen gräulichen Schleier wirbelten vor dem Fenster hin- und her, wie ein seltsamer, tödlicher Tanz...
 

Le fin?



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