Ein neues Leben?
So positiv ich manchmal eingestellt war, manchmal hatte ich doch meine Zweifel. Kakashi hatte das unbewusst in Gang gesetzt. Natürlich glaubte ich fest daran, dass er diesen Entzug schaffen konnte und auch schaffen würde. Aber was ich in der Zeit gar nicht bedacht habe, war die Tatsache, dass dann auch sein altes Leben wieder beginnen würde.
Mir wurde bewusst, dass ich nicht genug über ihn wusste, um einschätzen zu können, was überhaupt das Problem in erster Linie verursacht hatte. Stress, soviel wusste ich, aber welche Art von Stress? Waren die Fans ihm zu viel? Dass ständig alle in seinem Leben herum schnüffelten? Die vielen Auftritte? Ich wusste es nicht.
Und damit begannen dann auch die Zweifel. Würde er es schaffen, die Fans auszublenden? Konnte er wieder tanzen, einen Auftritt nach dem anderen haben, ohne dass es ihm zu viel wurde? Und wenn nicht, kam er dann zu mir? Suchte er von alleine nach Hilfe, oder rutschte er erneut in diese Abhängigkeit?
Diese Fragen quälten mich wirklich und ich wusste, dass nur die Zeit mir Antworten geben konnte, aber das reichte mir natürlich nicht. Oft lag ich abends wach und schaffte es einfach nicht, diesen stetigen Kreislauf an negativen Gedanken zu durchbrechen. Ich konnte ja nicht einmal mit Sasuke darüber sprechen.
Natürlich erinnerte Naruto sich an diese belastenden Momente noch immer ganz genau. In den Tagen hatte er nicht wirklich gewusst, wie er mit all dem umgehen sollte, er hatte ja nicht einmal nachvollziehen können, wie man so abrutschen konnte.
Fast ein dreiviertel Jahr war vergangen, seit Naruto Sasuke in der Klinik abgeliefert hatte. Eine wirklich anstrengende Zeit, für beide. Natürlich hatten sie sich oft am Telefon unterhalten, sie hatten sich auch einige Male gesehen, aber irgendwie waren diese Momente nur durchwachsen gewesen.
Sasukes Laune war ziemlich unstabil gewesen. An manchen Tagen war er sehr offen gewesen, an manchen aber noch verschlossener wie in ihren schlimmsten Zeiten. Naruto wusste, dass Sasuke teilweise Medikamente bekommen hatte, die wohl auch ein Grund für die schwankenden Launen gewesen war, aber ganz sicher war Naruto sich da nie so ganz gewesen.
Vor wenigen Tagen hatte er an einem Informationsgespräch teilgenommen, das Angehörigen helfen sollte, die erste Zeit gut zu überstehen, wenn die nach Hause kamen, die in der Klinik Patienten gewesen waren. Man sollte Strukturen rein bringen, nicht mit Samthandschuhen anpacken und auch nicht bedrängen. Naruto wusste nicht wirklich, ob er dazu in der Lage war, wo seine größte Frage war, wie es nun weiter gehen sollte.
Nun stand er hier und wartete und bald darauf kam Sasuke auch endlich raus. Er sah gut aus, gesünder, er schien ein wenig zugenommen zu haben, allerdings nicht im negativen Sinne. Ganz im Gegenteil, er wirkte nun wohlgenährt aber keinesfalls dicklich. Auch seine Haut wirkte nicht mehr ganz so blass, die Haare waren voll und glänzten.
„Hey!“, begrüßte er ihn mit einem Lächeln auf den Lippen und nahm ihm die Koffer ab, um sie in den Kofferraum zu verfrachten. Dann machten sie sich auf den Weg zurück. Sasuke war ungewöhnlich still, selbst für seine Verhältnisse. Naruto sah, dass ihn etwas beschäftigte, aber er wollte die Tipps berücksichtigen und ihn nicht bedrängen. Wenn es wichtig war, würde er ihm das schon irgendwann sagen.
Als sie endlich zu Hause ankamen, wartete Kakashi bereits auf sie. Naruto hatte das gewusst und Sasuke auch vorgewarnt, ihm war klar, dass der Mann wissen wollte, wie es weiter ging, aber er hatte ihn bekniet, es erst einmal ruhen zu lassen. Sasuke sollte erst einmal ankommen und sich wieder einleben, ehe so ernste Themen auf den Tisch kamen.
Kakashi half ihnen dann, Sasukes Sachen ins Haus zu bringen. Zum Glück waren die Reporter nun ganz verschwunden, das wäre wohl auch das Letzte, was sie noch gebraucht hätten. Der restliche Nachmittag wurde dann auch noch ganz nett. Sasuke erzählte ein bisschen von seiner Zeit in der Klinik, allerdings immer nur von den anderen Patienten. Von sich selbst wollte er wohl nichts erzählen.
Es dauerte dann fast eine Woche, bis Normalität wieder einkehrte. Sasuke tanzte mittlerweile wieder, allerdings nicht mehr öffentlich. Schließlich suchte er auch das Gespräch zu Kakashi, um deutlich zu machen, dass er sich zurückziehen wollte. Naruto hatte Angst vor diesem Moment gehabt, es war eine riesige Umstellung und er hatte befürchtet, dass Kakashi Sasuke nicht gehen lassen wollte, in Wahrheit jedoch nickte er nur, lächelte leicht und versprach, alles vorzubereiten.
Zwei Tage später war Sasukes Rücktritt dann auch in aller Munde. Kakashi hatte diesen öffentlich bekannt gegeben aber wie versprochen keine Fragen zu seinem zukünftigen Leben beantwortet. Vermutlich hätte er das auch nicht gekonnt, denn abgesehen von seinem Rücktritt, hatte Sasuke nicht mit einer Silbe deutlich gemacht, wie die Zukunft denn aussehen sollte. Was der Uchiha nun machen wollte, war Naruto in Rätsel.
Natürlich war ihm klar, dass Sasuke mit dem Tanzen auch weiterhin Geld machen konnte, aber irgendwie konnte er ihn nicht als geduldigen Lehrer sehen. Was er aber sonst noch machen konnte und vor allem wollte, wusste er eben nicht. Es raubte ihm fast den Verstand und er zweifelte, ob das nicht erneut Stress bedeuten könnte. Naruto wurde mehr und mehr bewusst, dass er begann in nahezu allem eine Gefahrensituation zu sehen und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Mit Sasuke zu reden war immerhin keine sonderlich gute Idee.
Erneut legte Naruto den Stift zur Seite, stand auf und holte sich eine Flasche Bier. Die anderen würden bald hier sein, seine Freunde hatten sich nicht abschütteln lassen, auch in diesem Jahr den Jahreswechsel mit ihm zusammen zu feiern. Auch wenn ihm nicht wirklich zum Feiern zu Mute war. Die Erinnerungen zogen ihn runter.
Nach Sasukes Rücktritt wurde es erst einmal ruhig. Natürlich hatte ich noch meine Arbeit und der ging ich auch gewissenhaft nach. Sasuke selbst hingegen tat nahezu gar nichts. Oft saß er nur rum, starrte in die Ferne. Manchmal las er ein Buch und manchmal schlief er deutlich mehr wie sonst.
So oft wie es ging versuchte ich ihn dazu zu bewegen, auch andere Dinge zu machen. Zum Glück, denn so kam er wenigstens etwas aus sich heraus. Wir gingen manchmal raus, aßen auswärts und sogar sexuell kamen wir uns wieder näher. Am Anfang war es fast wie bei unserem ersten Mal, ich glaube wir beide waren sehr nervös. Kein Wunder, immerhin war lange nichts mehr zwischen uns gelaufen.
Zu dieser Zeit war ich voller Hoffnungen. Unsere Beziehung wurde enger, er redete mehr mit mir und er zeigte mir auch es Öfteren, dass ich nicht einfach irgendwer war, der eben da war. Einmal hat er sich sogar bedankt, weil ich ihn nicht aufgegeben habe, weil ich die Dinge in die Hand genommen habe. Aber es war so leise gewesen, dass ich ihn kaum gehört habe. Aber immerhin, besser wie gar nichts!
Kakashi war auch weiterhin ein Teil von Sasukes Leben, mindestens einmal die Woche stand er vor der Tür um nach uns zu sehen. Ich fand, dass das Sasuke gut tat. Auch jetzt, wo er eine schwere Zeit hinter sich gebracht hatte, wurde er nicht ausgeschlossen. Weder von mir, noch von Kakashi und auch meine Freunde nahmen ihn in ihrer Mitte auf, auch wenn Sasuke damit manchmal gar nicht einverstanden war. Aber da musste er durch. Er war nun mein Partner, mein fester Partner, so etwas gehörte da einfach zu.
Zusammen gewohnt haben wir allerdings nicht. Oder nicht so richtig. Er hat natürlich viele Nächte bei mir verbracht, aber oft ist er auch nach Hause gefahren. Am Anfang haben mich diese Momente echt an meine Grenzen gebracht, aber mit jedem Mal, wo er wieder zurück gekommen ist und nichts passiert ist, ist es besser geworden. Ich habe gelernt, dass nun wirklich alles gut werden würde.
Allerdings war es nicht ganz so leicht. Sasuke hatte lange Zeit in der Öffentlichkeit gestanden. Reporter versuchten natürlich immer wieder einmal ihn zu überreden, ihnen ein Interview zu geben. Das war noch das kleinere Übel, viel schlimmer waren Fans, die wussten wo er wohnte und die teilweise seine Wohnung belagerten. Ich hatte das immer gewusst, wirklich bewusst ist es mir allerdings erst gut zwei Monate nach seiner Rückkehr geworden, als er mit einer Reisetasche vor meiner Tür auftauchte und mich darum bat, eine Weile bei mir wohnen zu dürfen, um diesen Fans zu entkommen.
Ich verstand gar nicht, wieso manche Menschen so energisch waren, diese allerdings schienen echt anstrengend zu sein. Aber natürlich hatte ich nichts gegen seinen Einzug. Ganz im Gegenteil, ich freute mich darauf, ihn mehr um mich zu haben.
Eigentlich hätte dann alles gut werden können. Sasuke war in meinem Haus, in meinem Bett und in meinem Leben. Aber natürlich war es nicht so. Zuerst war es mir nicht bewusst, aber dann wurde immer deutlicher, dass etwas nicht stimmte. Er war so abwesend, tief in seinen Gedanken versunken.
Hin und wieder tat das ja jeder, aber mit jedem Tag realisierte ich mehr und mehr, dass er immer nur gute Phasen gehabt hatte, grundlegend aber so in sich gekehrt gewesen war, seit er aus der Klinik entlassen worden war.
Gott, sofort habe ich begonnen alles zu analysieren was er tat. Wenn er keinen Hunger hatte, fragte ich mich, ob er Anzeichen hatte, die mir bestätigen würden, dass er wieder einen Rückfall gehabt hatte. Natürlich war da nichts, aber ich merkte doch, dass da etwas nicht stimmte. Natürlich habe ich das Gespräch gesucht. Was auch sonst? Mir war es ja wichtig, dass er es schaffte, langfristig und nicht nur ein paar Wochen.
„Können wir reden?“, fragte Naruto und ließ sich neben Sasuke auf dem Sofa nieder, wobei er den Blick des Uchihas bewusst suchte. Dieser schaute zu ihm auf, offen und nickte leicht. „Sicher!“, antwortete er ruhig, fast schon gelangweilt. Naruto fragte sich, ob genau das das Problem war. Vielleicht langweilte er sich und war nicht genug ausgelastet.
„Ich mache mir Sorgen um dich!“, erklärte Naruto dann auch gerade heraus. Er sah gar keinen Sinn darin, nun lange um den heißen Brei herum zu reden, am Ende würde es sowieso darauf hinauslaufen, dass er es ihm offen sagte. Schweigen war schließlich nichts, was Naruto wirklich gut konnte, wenn ihn etwas bewegte und das hier bewegte ihn sehr. „Warum?“, fragte Sasuke dann auch sofort.
Eine einzelne, dunkle Augenbraue hob sich langsam. Sasuke verstand nicht, was ihn im Moment bewegte, das war Naruto klar. Ihm war auch klar, dass er vielleicht einfach nur zu sensibel reagierte, aber er wollte lieber einmal zu viel nerven, als einmal zu wenig seinem Gefühl nachzugehen.
Einen Moment druckste er herum, ehe er tief seufzte und sich dann durch sein Haar fuhr. „Du bist so still… so in dich gekehrt!“, gab er dann schließlich zu und suchte erneut seinen Blick. Naruto sorgte sich wirklich. Das Letzte was er wollte war, dass das vergangene Jahr umsonst gewesen war. Diese Angst trug er immer mit sich herum.
Auch Sasuke seufzte schwer. „Mir geht es gut, es ist nichts!“, erwiderte er lediglich. Naruto erkannte, dass Sasuke ihn beruhigen wollte, aber das ungute Gefühl blieb einfach. Er wusste, dass in Sasuke etwas vor ging, was er besser nicht unterschätzen sollte. Aber was sollte er machen, wenn dieser nicht mit ihm sprach?
Die Tatsache, dass der Uchiha oft so verschlossen war, war mittlerweile etwas, was Naruto massiv störte. Oft genug konnte er damit umgehen, Sasuke war eben kein Mensch, der – im Gegensatz zu Naruto – nicht offen auf andere zu ging. Er sprach nicht über das was ihn bewegte und schloss alle aus, die versuchten ihm zu helfen. Das war unglaublich frustrierend, wenn es um so etwas ging, wie bei ihnen.
Manchmal wollte Naruto den jungen Mann nehmen und kräftig schütteln. Einfach so, damit er endlich den Mund aufmachte. Er verlangte doch gar keinen Seelenstrip, alles was er wollte war, dass er sich ihm anvertraute. Das war doch ein Teil, der in einer Beziehung verdammt wichtig war.
„Sicher?“, fragte Naruto noch einmal nach, ohne den Blick abzuwenden. „Ganz sicher, Naruto!“, bekam er dann als Antwort entgegen gebracht. Sasuke meinte es ernst, das merkte er. Dennoch.
Naruto glaubte ihm nicht