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Bitter Reunion - Metal Invasion

“If you begin a journey of revenge, start by digging two graves: one for your enemy and one for yourself“ - Chinese proverb
von

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Buch 2 'Precious Nightmares' - Kapitel 10

14 Monate zuvor...
 

Rat zog sich auf die metallene Liege, ließ die Füße baumeln. “Was für ein Tag…” Kurz seuftze sie theatralisch. „Hast du ne Zigarette für mich?”

„Ja, müsste noch ein angefangenes Päckchen irgendwo drüben bei den Kabeln liegen…” Sykes wirkte nervöser als sonst, konnte kaum still halten und huschte von einem Ende der Werkstatt zum anderen, ohne wirklich etwas zu tun. “Und, wie geht es dir so?”

“Kann nicht klagen, alles irgendwie wie immer… Und bei dir? Wieder ein Auftrag?” – “Ja, müsste irgendwann heute noch kommen…” – “Was ist es denn diesmal? Was Schwieriges?”

Skeptisch beobachtete sie seine zitternden Hände, hatte sich die letzte Kippe aus der ordentlich ramponierten Malboro-Schachtel geholt und nickte ihm dankend zu. “Wenn du was brauchst, einfach zu mir kommen!” Sie lebte eben eher auf Geben und Nehmen, das neue System hatte bei Rat noch nicht wirklich angeschlagen.

“Ja, klar… Und nö, nix Schwieriges, nur ne Klinge in den Arm. Echt kein Ding!”, antwortete Sykes ihr etwas verkniffen lächelnd. Nein, an ihm war wirklich kein Schauspieler verloren gegangen.

“Für ‘Echt kein Ding’ wirkst du aber ziemlich nervös! Das hast du doch schon öfter gemacht…” Gott, die Vorstellung war ja sooo eklig! Und in seiner Verfassung wollte er Leute aufschneiden?! Sie war ja an sich ohnehin kein übergroßer Fan von zu vielen Umbauarbeiten, hatte sich zwar die Augen machen lassen, mehr aber würde auf keinen Fall folgen. Irgendwann würde es für die Hunter zum Nachteil warden, so wenig menschlich zu sein, da war sie sich sicher.

„Ja eben... Wirke ich nervös?“ Er grinste nur noch schiefer. „Nicht deswegen... Jake hat zwei davon, hab ich ihm gemacht!“ Und auf die beiden konnte er auch wirklich stolz sein: keine Entzündungen, keine zu großen Schmerzen, nach zwei Monaten bereits einsatzbereit. Perfekte Arbeit also!

„Weiß nicht...“ Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Kommt mir zumindest so vor“ Rat lehnte sich an die Wand neben einem der Regale und zündete sich die Zigarette an – Das musste einfach sein und der erste Zug nach so langer Zeit tat verdammt nochmal richtig gut! Besser als jede Massage. „Warum also dann so nervös?“

Sollte er es ihr erzählen? Sykes hatte Geheimnisse nie gut vertragen... Und er vertraute ihr. Ja, vielleicht konnte sie ihm sogar helfen! Wenn nicht würde es wenigstens gut tun, sich jemandem anzuvertrauen. „Ich... Naja, ich hab was versaut und derjenige ist... nun, entsprechend sauer. Verdammt sauer sogar!“, gestand er leise, niedergeschlagen, grinste nun vollkommen humorlos.

„Du hast jemandem Stuss implantiert?“ Autsch!

„Nicht direkt, aber ich bin dran Schuld, dass jemand eine komplette Hand plus Handgelenk verloren hat... und die will er ersetzt haben. Dummerweise hab ich sowas nicht vorrätig und eine komplette Handprothese ist kompliziert und schwer zu bekommen. Allerdings, wenn ich sie nicht ersetzen kann... Nun, er sagte es würde mir Leid tun“

Rat schluckte hart. „Ah... Oh...“ Unwillkührlich starrte sie ihre eigenen Handflächen an, erschauderte bei dem Gedanken, diese vielleicht zu verlieren. „Klärst du deine Kunden denn nicht über mögliche Risiken auf?“ Obwohl die ja eigentlich auch auf der Hand langen... Auf der Hand... Uh!

„Doch natürlich, jedes Mal, ist Standartprozedur, aber... Ich hätte sorgfältiger sein müssen. Ist eben doof gelaufen und jetzt sitz ich in der Scheiße“

„Du hast doch so viel Technik hier rumliegen... Da müsstest du doch eine Hand drauß gebaut bekommen! Bis wohin genau ist sie denn... nicht mehr vorhanden?“ – „Die Hand eben inklusive Handgelenk, oder, mit anderen Worten, die kompliziertesten Teile. Ich bin also geliefert“ – „Warte noch mit Aufgeben, vielleicht kann ich dir ja helfen! Wie viel hast du schon?“

Sykes durchquärte noch einmal den Raum, kramte für eine Weile in einer Kiste herum, ehe er den halben Unterarm plus Daumen und Zeigefinger eines Cyborgs auf den Operationstisch legte. „Nicht sonderlich viel“

„Besser als Nichts. Bis wann musst du fertig sein?“ – „Welcher Tag ist heute? Dienstag?“ – „Ähm... Joa, denk ich mal“

Er wandte resignierend den Blick ab. „Übermorgen...“

Rat konnte gerade noch verhindern, dass ihr die Kinnlade herunterklappte oder sie hysterisch auflachte. „Du bist so gut wie verloren, es sei denn, du kennst jemanden, der dir Ersatzteile verkaufen kann...“

Viele der Überlebenden hatten Beine oder Arme ersetzen lassen müssen, einfach weil sie in der Ersten Woche so stark verletzt wurden, dass die Originale nicht mehr zu retten gewesen waren. Es gäbe also an sich genug Ersatzteile, doch um die zu bekommen... Nun, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sah, würde er Jake bitten müssen, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Sykes hing eben an seinem Leben.

„Ich hab versucht, die Teile zu rekonstruieren, aber sie wirklich funktionsfähig zu bekommen würde Monate dauern...“

„Die du nicht hast, schon kapiert. Und wenn du irgendjemandem was abkaufst?“ – „Würdest du deine Hand verkaufen?“ – „Ähm... Nein“

„Eben!“

Rat schüttelte den Kopf langsam, hob die Hände dabei vors Gesicht. "Mensch, Sykes, warum hast du das nicht früher gesagt? Ich hätte dir geholfen und vielleicht hätten wir..." - "Aber ich... McCane-Männer bitte nicht um Hilfe"

Wenn es quasi um Leben oder Tod ging, sollte man nicht meinen, das männliche Ego würde sich hinter dem Überlebensinstik jedes Einzelnen anstellen? Offensichtlich gab es da doch signifikante Ausnahmen.

"Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?? Sag mal hast du im Hirn Überdruck oder was?!" - "Naja, nicht wirklich, aber ich... Ich brauchs echt nicht, dass du auch noch ständig an mir herumhackst. Das kann ich selber bestens, danke!"

Rat verstummte, erst, weil sie die Beleidigte spielen wollte, dann, weil sie begann, über seine Worte nachzudenken und sich schuldig zu fühlen. "Sykes, es tut mir Leid, okay? Aber ich mach mir eben schreckliche Sorgen um dich... Wir sind doch Freunde!"

"Denkst du, ich mache mir keine Gedanken?" Er schüttelte fast schon resignierend den Kopf. "Ich habe alles versucht... Naja, fast alles. Meine letzte Chance ist ohnehin Jake, aber ich weiß nicht mal, ob er mir helfen kann, jetzt wo Sal ihm mal wieder im Nacken sitzt. Trotzdem... Ich glaub es wäre besser, wenn du jetzt gehst. Ich meine, ich will dich da nicht in irgendwas reinziehen und helfen kannst du mir leider auch nicht. Ich krieg das Teil so oder so niemals fertig, insofern... Que sera sera, oder? Das Leben geht weiter und vielleicht wäre es besser, wenn ich gleich damit anfange, MIR eine neue Klaue zu konstruieren, oder? So was richtig Schickes, mit abnehmbaren Fingerteilen und so... Allerlei technischer Schnickschnack dabei, du weißt schon, so ähnlich wie die, die ich für Meester entworfen hab!"

Der junge Australier zwang sich ein etwas gequältes Lächeln auf die Lippen, das Rat ihrerseits mit vor Tränen brennenden Augen erwiederte. "Okay... Aber gib die Hoffnung nicht auf. Ich werd mich umhören und Jake sicher auch und dann komm ich mit Sal später nochmal vorbei und wir helfen alle zusammen. Es ist noch nicht übermorgen, vergiss das nicht!"

Er durfte doch nicht einfach aufgeben... Wusste er denn nicht, dass er sterben könnte, wenn er zuviel Blut verlor? Was redete sie denn da, natürlich wusste er es! Er war derjenige, der normalerweise den Leuten irgendwelche Gefäße aufschnitt um Metallleiter reinzuschieben...

"Gut, dann sehen wir uns nachher" Er öffnete ihr die Tür, sah ihr hinterher bis sie in der Dunkelheit der U-Bahnschächte verschwand. Dann ging er zum Telefon, tippte die so vertraute Nummer ein und wartete ein paar Herzschläge lang.

"Jake? Ja, ich bins... Nein, sie kann mir nicht helfen. Das ist ein Notfall, klar? Ja... Ja, ich weiß... Mir ist es egal, von wem, aber beschaff mir ne Hand... Ja, notfalls auch ohne Einverständnis des Besitzers... Abendessen ist um 8, komm nicht zu spät"
 

"Ich hatte mich auf dich verlassen!" Sykes schien außer sich, schrie und tobte, als hätte er den Verstand verloren. Obwohl, wahrscheinlich war er auch kurz davor, die Schmerzen schienen ihn förmlich von Innen heraus zu zerreißen.

"Was kann ich denn dafür, Mann! Ich hab dir das dämliche Teil gebracht, aber du verdammter Idiot hast mir nicht gesagt, wann die Deadline ist!" Jake hatte eine Hand aufgetrieben, eine vollständige, unbeschädigte Haupthand die Sykes nur mehr an das Armgebilde anlöten hätte müssen... Doch als er zu Hause die Tür geöffnet hatte, war sein Bruder bereits in einer schwarzroten Blutlache gelegen, hatte sich wimmernd gekrümmt und war bei jedem Schritt seines Bruders erneut fast panisch zusammengezuckt. Seine Augen waren so weit aufgerissen gewesen, dass sich Jake im Stillen darüber gewundert hatte, wie sich die Augäpfel seines Bruders wohl noch im Sockel halten könnten. Sykes' Haut und vor allem die Lippen waren weißer gewesen als die vielen Haarstränen, die seinen Dreitages-'Salz und Pfeffer'-Bart durchzogen hatten. Doch das alles war vor ein paar Stunden gewesen und sobald Jake sich dazu durchringen hatte können, den Stummel, der einst die Hand seines Bruders gewesen war, mit der glühenden Eisenklinge eines Seziermessers zuzubrennen, war Sykes in einen fast komaartigen Schlaf gefallen, aus dem er erst vor wenigen Minuten erwacht war.

"Der Typ sagte Freitag... kam aber Mittwoch, ich meine... Ich dachte, du bist da! Wieso warst du nicht da?!" Nach dem Verlust von so viel Blut und den nervlichen Zerreißproben der letzten Tage brach der Ältere der beiden McCane-Brüder zusammen, kauerte winselnd und den Stumpf, der von einer Hand übrig geblieben war, fest an sich gedrückt auf dem Boden.

Jake kniete sich neben ihm, zog ihn dann langsam auf die Beine, ehe er ihn in eines der beiden Betten drückte und zudeckte. Er hatte schon öfter schlimmere Verletzungen erlitten, aber für jemanden wie Sykes, der nur mit seinen Händen Geld verdienen konnte, musste das schrecklicher und schmerzhafter sein als alles, was er bisher erlitten hatte. Hoffentlich kamen die Mädels bald, um mit der Protese anzufangen... und vielleicht was gegen den langsam eintrocknenden Blutteppich am Boden zu unternehmen. Er würde sich in der Zwischenzeit um diesen Scheißkerl von einem Klienten kümmern... KEINER riss einem von seiner Familie den Arsch auf!

"Mann... Ich kümmere mich um dieses Arschloch, keine Sorge... Komm, zieh dir noch eine, dann gehts dir sicher besser" Mit großer Sorgfalt schob er das kleine, weiße Pulverhäufchen, dass er auf Sykes' Bettkasten ausgebreitet hatte, in zwei gleiche Linien, rollte dann ein altes Stück Zeitungspapier zu einer Art Strohhalm zusammen. Sein Bruder richtete sich mühsam ein wenig auf, zitterte nach wie vor unkontrolliert und häftig, doch mit der stützenden Hand Jakes auf Rücken und Schulter gelang es ihm, seine Line zu ziehen ohne alles zu verschwenden oder auszuhusten. Sofort setzte sie benebelnde Wirkung der Drogen ein und sorgten dafür, dass er erst laut aufschrie, sich dann aber zurück in die Falten seiner Matratze knallen ließ. Man konnte förmlich sehen, wie sich jeder einzelne Muskelstrang in seinem Körper langsam entspannte... Das musste doch irgendwie förderlich für die Heilung sein, oder?

Fast ein wenig zufrieden mit sich lächelte der Jüngere der beiden, packte den Rest des sündteueren 'Medikaments' wieder weg - für später - und streckte sich selbst auf dem zweiten Bett im Raum aus. Wäre wohl besser, er hätte ein Auge auf Sykes, man wusste ja nie... Sal würde das schon verstehen, und der Kerl würde ihm so oder so nicht entkommen.
 

Als man drei Tage später die verstümmelte und entstellte Leiche eines etwa 33 Jahre alten ehemaligen Hunters an der U-Bahnstation 46 fand, liefen die Ermittlungen wie immer ab: Man suchte nach Hinweisen zur Identität des Toten, strich ihn aus der Lister der Einwohner und der Fall war abgeschlossen. Keiner schehrte sich darum, wer wann wo und wie verreckt war, einzig die Tatsache, dass es nun ein Sippschaftsmitglied weniger gab, schien für die Obersten wichtig. Es gab keine Polizei, niemanden, in dessen Zuständigkeitsbereich die Aufklärung von Morden gehörte. Wer was wissen wollte, suchte selbst nach Antworten, oder bezahlte jemanden, danach zu suchen. Auf eigene Kosten und Verantwortung natürlich. Doch wen interessierte schon, warum irgendwer die Visage dieses Arschlochs nicht mehr sehen hatte können? Niemanden... Selbst wenn es Zeugen gegeben hätte, wer hätte sie verhört? Wer hätte sie überhaupt zusammengetrommelt? Tote erweckten erst dann Aufsehen, wenn sie in gehäufter Form auftraten, oder regelmäßig vorkamen. Oder vielleicht noch ihren Gräbern entstiegen, aber gut... Massenmörder waren eine andere Geschichte, man konnte nicht zulassen, dass die Sippschaft ausgerottet wurde. Aber auf einen Einzelnen kam es nicht an. So war nun einmal das Leben: Am Besten war es immer noch, sich selbst die Kugel zu geben, ehe ein anderer es tun konnte...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Carnidia
2008-09-06T17:42:30+00:00 06.09.2008 19:42
Der Arme T.T
Ich weiß net was mich mehr schockiert, dass sich keine Sau um den Toten schert oder dass sie die Drogen als Medizin bezeichnen. Aber beides sehr coole Ideen.
Schade, dass es so kurz abgehandelt ist, ich finde diese Idee mit der Hand hätte ein wenig mehr Aufmerksamkeit und Worte verdient gehabt. :)


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