Intro [die Reise beginnt]
Das Dröhnen der großen Rotorblätter hallte in Belas Kopf wieder als säße nicht er im Helikopter, sondern der Helikopter in ihm. Seit mehreren Stunden waren er und Farin nun schon gefangen in dem ohrenbetäubend lauten Fluggerät und obwohl der Drummer die schwarzen Ohrenschützer konstant getragen hatte, brummte ihm nun der Schädel.
Mit verschränkten Armen saß er da und wusste nicht, ob er lieber aus dem Fenster und somit auf den kristallklaren unendlich blauen Atlantik schauen sollte, oder ob es vielleicht befriedigender wäre Farin mit vorwurfsvollen Blicken zu strafen.
Er entschied sich für Variante Zwei, doch der Blonde schien das gar nicht so wirklich wahrzunehmen. Nur einmal schaute er kurz von seinem Buch auf, bemerkte Belas Blick, hob eine Augenbraue und widmete sich dann wieder seiner Lektüre.
Es war zum aus der Haut fahren. Man konnte sich nicht beschäftigen, keine Musik hören und dass Farin es bei dem dröhnenden Lärm noch schaffte zu lesen, kam Bela wie ein Ding der Unmöglichkeit vor.
Genervt rümpfte er die Nase, hob schließlich eine Hand zum Mund und begann gelangweilt an seinen Nägeln zu kauen. Eins stand auf alle Fälle fest: sollte Farin noch mal auf die Idee kommen, mit einem Helikopter in den Urlaub fliegen zu wollen, würde Bela das nicht mal gegen Bezahlung mitmachen. Nicht für eine so lange Strecke. Der Blonde hatte ihn dieses Mal zwar in Grund und Boden argumentiert, aber beim nächsten Mal würde der Drummer schlauer sein. Farins Lieblingspunkt ‚mehr Beinfreiheit’ ... ging ihm doch am Arsch vorbei. Im Flugzeug bekam man zumindest noch Essen serviert, hier hatte er nicht mal das.
Warum hatte er sich eigentlich noch mal überreden lassen zu einem 6 Wochen langen Urlaub in Brasilien? Ah ja, die brasilianische Trash-Metalband Soulfly plante dort einen der größten Gigs des Jahrtausends. Metalbands aus allen Ecken der Welt spielten dort auf einem 3-tägigen Festival und das konnte Bela sich natürlich auf keinen Fall entgehen lassen. Die restlichen Tage würde er schon irgendwie füllen. Brasilien ist ja schließlich bekannt für seine gutgebaute weibliche Bevölkerung. Er würde schon keine Langeweile aufkommen lassen, da war er sich sicher.
“Wann sind wir endlich da?“, moserte der Drummer schlecht gelaunt. Diese Ohrenschützer waren seiner Meinung nach die reinste Verarsche, sie hielten zumindest nicht wirklich den Lärm der Rotorblätter ab, aber durch sie konnte man zumindest mit seinen Begleitern kommunizieren. Jeder hatte ein kleines Mikrofon vorm Mund und wenn er was sagte, hörten die Anderen es über kleine Lautsprecher in den Ohrenschützern. Praktisch wie bei einem Headset.
“Sag nicht, du musst jetzt auf Klo...“, kam es trocken von Farin, ehe er von seinem Buch aufblickte und den Drummer mit seinem typischen FU-Grinsen™ attackierte. Logisch, dass Farin gute Laune hatte, sie flogen schließlich gerade in den Urlaub.
„Das auch, aber hauptsächlich ist mein süßes Hinterteil kurz davor mit dem Leder unter ihm zu verwachsen. Gottverdammt, mir tut der Arsch weh!!“
“Liegt daran, dass dein Zuckerarsch einfach nichts gewohnt ist...“
Gerade als Bela empört zu einer Antwort ansetzen wollte, verschwamm die Welt vor seinen Augen und ein ohrenbetäubendes Geräusch schien seinen Kopf von innen heraus zu sprengen.
Der Druck auf seinen Ohren war so stark, dass er dachte gleich ohnmächtig zu werden.
Es ging abwärts.
Panisch krallte er sich in seinen Sitz, während der Druck, der auf ihm lastete, ihn bald zu zerquetschen schien. Dröhnendes Rattern hämmerte durch seinen Kopf. Die Welt außerhalb des Fensters drehte sich, wie die Wäsche in einer Waschmaschine. Meer und Himmel schienen wild durcheinander gewürfelt zu werden. Einzelne Gegenstände flogen haltlos durch den Helikopter und kurze Zeit später wurde Farin von einem wuchtig am Kopf getroffen. Blut schoss aus der Wunde, der Blonde hing sofort bewusstlos in den Gurten. Mit vor Schreck geweiteten Augen, sah Bela zu ihm rüber und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Wild kämpfte er um Luft, doch seine Lungen schienen wie zugeschnürt, Übelkeit kroch in ihm auf und nur ein paar Sekunden später wurde auch ihm schwarz vor Augen.
...
Geweckt durch den leisen und weit entfernten Schrei einer Möwe öffnete Farin die Augen und blickte auf graues Metall. Wie durch Watte konnte er das leise Rauschen des Meeres vernehmen, seinen Körper spürte er nicht. Erst als er begann sich zu bewegen schoss ein ungeheuerlicher Schmerz durch seine Glieder, so stark dass er aufschrie und begann sich zu winden. Als er sich beruhigt hatte, versuchte er sich umzusehen und durch die ganzen Berge an rumliegendem deformierten Metall einen Überblick zu erhalten. Er saß noch immer auf seinem Sitz, der Gurt lang eng und erbarmungslos an seinem Oberkörper, seine Beine waren unter einer großen Metallplatte begraben, schienen allerdings noch funktionstüchtig zu sein, denn er konnte deutlich spürbar mit den Zehen wackeln.
“Bela?“
Sofort schnallte der Blonde sich ab, arbeitete sich unter der Platte hervor und erblickte den Drummer. Scharf zog er die Luft ein.
Bela lag nahe der rechten Außenwand am Boden, der Gurt schien ihn nicht gehalten zu haben.
Das luftige Shirt des Drummers war blutgetränkt und die Blutung ging eindeutig von einer Wunde aus in der eine große Eisenstange steckte.
Der Schwarzhaarige war im wahrsten Sinne des Wortes aufgespießt worden.
“BELA!!!!“
Der panische Schrei Farins durchbrach die nun vorherrschende Stille des Helikopterwracks und drang noch weit über es hinaus.