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One week of insensibility

Still. Heimlich. Ungesehen. Gefühllos.
von

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Kapitel 2 ~ Schnee, Regen und Nebel

Tag 2
 

Dumpf und schwerfällig läuten die Glocken im alten Kirchturm.

Ihr Klang hallt durch die Straßen, unzählige Echos antworten.

Mein Blick wandert hoch zum Kirchturm. Weit überragt er alle anderen Gebäude, drohend und mächtig steht er in mitten der Stadt. Die Kirche ist angeblich das älteste Gebäude hier, genau wissen kann das aber keiner. Unzählige Brände hat sie schon überlebt und ein paar wird sie vielleicht noch überleben müssen. Die Zeit hinterlässt ihre Spuren. Der Turm ist von Ruß tief schwarz gefärbt, unzählige Löcher schmücken das Dach und das Ziffernblatt der Turmuhr ist vergilbt und kaum noch lesbar.

11 mal schlägt die alte verrostete Glocke, 11 dumpfe tiefe Schläge werden von den Häusern zurückgeworfen. Eigentlich schlägt sie nur 2 mal am Tag – 24 und 3 Uhr. Warum weiß keiner, es gibt nur Gerüchte die sich hartnäckig halten. Eins vom 300 Jahre alten Geist eines Turmwächters. Was für ein Schwachsinn. Nur schwache Menschen glauben an Geister.

Die Realität können sie einfach nicht ertragen.

Aber jetzt schlägt die Uhr außerhalb ihrer Zeit. Das kommt nur noch sehr selten vor. Anscheinend hatte mal wieder jemand genug Geld gehabt, um sich eine anständige Beerdigung zu leisten.
 

Suchend blickte ich zur Hauptstraße. Ja, da war er, der Trauerzug. 4 Männer trugen einen schmalen dunklen Sarg, dahinter eine weinende ältere Frau. Alles schön in Schwarz gehalten. Ich stand ungesehen in einer düsteren Seitengasse und beobachtete den kleinen Trauerzug abwesend. Das Leid der vermeidlichen Witwe schien noch nicht einmal gespielt zu sein, wie es sonst meist der Fall war. Die 6 Leute, die Leiche dazugezählt, wurden von einem Priester angeführt, der mit ausdruckslosen Gesicht beifällig ein paar lateinische Sätze vor sich hin murmelte. Der einzige geistliche in Shadedawn. Viel zu tun hatte er eh nicht, trotzdem war er schon relativ lange hier. 4 Jahre glaube ich, dass dürfte an einen Rekord grenzen.
 

Ich stapfte durch den Schneematsch und unterdrückte einen Schauer, als die kalte Brühe durch meine Sohle in meinen Schuh gelangte. Leicht genervt schüttelte ich den Fuß um die Nässe loszuwerden. Ohne Erfolg. Ja, in der Nacht hatte es mal nicht geregnet, sondern geschneit. Dafür hatte es heut früh geregnet, das Ergebnis war ein dunkelbrauner Matsch, der sich in der ganzen Stadt verteilt hatte. Ich hätte mir wirklich einen besseren Tag aussuchen können, um in die Schule zugehen.

Überrascht?

Ja, hier gibt es eine Schule, sogar eine Sporthalle, wenn man einen Haufen vor sich hin modernder Bretter so nennen konnte. Leer ist sie auch noch, die ganzen Geräte und Bälle sind längst gestohlen und auf dem Schwarzmarkt verscherbelt worden. Da ich nicht viel Lust hatte, den ganzen Tag zu Hause rumzuhocken und Löcher in die Wand zustarren, ging ich in die Schule. Bücher hatte ich nicht dabei. Woher soll ich bitte wissen, was für Fächer heute dran waren?

Die Schule war das best erhaltenste Gebäude der ganzen Stadt. Komisch, als wäre sie irgendwie wichtig.

Meine Schritte hallten im leeren Korridor wider. So gut die Schule auch von Außen aussah, Innen war sie genauso heruntergekommen wie die restlichen Bruchbuden dieser Geisterstadt.

Die Lampen waren alle samt kaputt und ihr Glas knirschte unter meinen Schuhen. Doch nicht einmal das tiefe schwarz der Dunkelheit konnte alle Schmierereien an den Wänden überdecken. Irgendjemand hatte anscheinend die Idee gehabt, sich mit Leuchtfarbe zu verewigen. Gar nicht mal so dumm. Ein weiteres beliebtes Verschönerungsmittel waren eindeutig Kaugummis. Sie klebten überall, an der Decke, an den Wänden, auf den Boden in den Ecken. Nach dem Gestank zu urteilen, wurden die Toiletten nicht so gern benutzt...
 

Ich hatte das Zimmer meiner Klasse gefunden und trottete auf eine der hinteren Bänke am Fenster zu. Dort lies ich mich nieder, stützte den Kopf auf die Hände und studierte die atemberaubende Aussicht. Ein kleiner verfallener Hinterhof durch ein vom Dreck geschwärztes Fenster.

Außer mir waren noch 6 andere da. Nicht schlecht, meistens waren es weniger. Zeugnisse waren deshalb genauso sinnlos wie eine Abwesenheitsliste. Man sollte besser der Anwesenheit Beachtung schenken, nicht den Fehltagen. Ich glaube, ich war dieses Schuljahr schon 10 mal dagewesen. Gar nicht mal so wenig im Vergleich mit anderen.

Oh, natürlich gibt es auch welche die regelmäßig kommen.

Zwei oder Drei.

Sie glauben wirklich, mit Schulbildung könnte man etwas erreichen und aus dieser verdammten Stadt rauskommen. Lächerlich. Wenn man etwas lernen will, bringt man es sich am besten selbst bei. Da kann man sicher sein, das es auch stimmt.

Lies ein Buch und du merkst das der Dreißigjährige Krieg nicht nur 28 Jahre und ein paar Monate ging und dass Italien nicht die Hauptstadt von Europa ist.
 

Aus dem Augenwinkel betrachtete ich meine „Klassenkameraden“. Zwei warteten auf den Lehrer, einer schlief, die Stirn auf die Bank stützend, zwei tauschten sich über den neusten Stoff auf dem Drogenmarkt aus und der letzte schien diesen bereits getestet zu haben. Ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine große schwarze Spinne, die sich in einer Ecke häuslich niedergelassen hatte. Spinnen sind faszinierende Tiere, ihre langen behaarten dünnen Beine, die Fassettenaugen und die kleinen spitzen Schneidezähne machten sie zu Miniaturmonstern. Als sie ihre dritte Fliege gefangen und eingesponnen hatte, stand ich auf und verlies unbemerkt das Zimmer. Der Lehrer würde eh nicht mehr kommen. Verständlich eigentlich. Die Schüler schwänzten eh ständig, warum also auch nicht einmal der Lehrer?

Das es in Shadedawn überhaupt noch Lehrer gibt, ist eh ein Wunder.
 

Meine Schritte lenkten mich über den kleinen Platz mit den vielen Schlaglöchern. Schulhof nennen sie ihn, umrandet von einer zwei Meter hohen Mauer, wirkt er wie eine kleine Welt für sich. Jeder der Mauersteine ist wie eine Regel, ein eisernes Gesetz, das einem die Freiheit raubt. Vor dieser scheinbar uralten Wand kommt man sich klein und unbedeutend vor. Einer von vielen Gefangenen in diesem kleinen isolierten Universum.
 

All in all you’re just another brick in the wall.
 

Ich lies die Mauer hinter mir und bahnte mir einen Weg durch die Trümmer der umliegenden Häuser. Schwerer weißer Nebel schlängelte sich über den Boden, verdichtete die Luft und nahm mir die Sicht. Ich hatte es nich nötig, mich an der Umgebung zu orientieren, ich wusste genau wo ich war. Gerade als ich aus den Trümmerresten stieg, hörte ich einen durchdringenden Schrei. Grell und laut hätte er einem Fremden sicher einen Schauer über den Rücken gejagt. Aus dem Augenwinkel heraus fand ich seine Ursache. Drei ältere Jungen mit einem fiesen Lächeln auf den Lippen zogen ein Mädchen in eine dunkle Gasse. Sie schlug um sich, versuchte verzweifelt, sich aus dem Griff ihrer Entführer zu befreien, kratze und trat nach ihnen. Ihre langen Haare flogen wild um sie und ihre Augen spiegelten ihre Panik wieder. Doch ihre verängstigten Schreie und verzweifelten Hilferufe liesen die Übeltäter nur schadenfroh auflachen. Schon trübten sich ihre Augen und wurden von einem Tränenschleier überzogen.

Wie dumm sie doch war. Wie schwach.

Angst. Genau das wollten diese Typen doch sehn.

Gefühle sind immer ein Zeichen von Schwäche. Sie sind ganz und gar nutzlos.
 

Verächtlich schüttelte ich den Kopf und ging weiter. Die Schreie verhallten in den leeren Gassen und wurden vom Nebel verschluckt. Angenehme Stille breitete sich aus. Tief atmete ich die kalte, von dichten Nebelschleiern durchzogene Luft ein.

Entspannt schloss ich kurz die Augen. Wie ich die vollkommene Stille doch liebe.

Ich spürte einen kalten Tropfen auf meiner Wange. Langsam lief er auf meiner Haut herunter, tropfte von meinem Gesicht. Fast wie eine Träne. Immer mehr Tropfen benetzten mein Gesicht, bis schließlich der Regen kein Ende mehr finden wollte. Ich blickte zum Himmel.

Es würde den Rest des Tages und die ganze Nacht durch regnen. Vielleicht auch morgen noch.

Mit dem Gesicht zum Himmel erhoben blieb ich stehn, mitten in einer engen kleinen Gasse. Der Regen durchweichte meine Kleidung, meine Haare. Eisige Kälte legte sich auf meine Haut. Ich könnte ewig so stehen bleiben. Völlige Ruhe, nur das gleichmäßige plätschern des Regens.
 


 

Kleines Lexikon
 

all in all you're just another brick in the wall ~ ein wahnsinnig tolles Lied von Pink Floyd, alt, aber toll :) ihr kennt den Song bestimmt *we don't need no education*
 

ich hoffe das kapi gefällt! ~kommis büddö!~

*kekse verteil*



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  AILE
2008-07-03T18:37:24+00:00 03.07.2008 20:37
oh mann... wenn ich mir deine ff so durchlese muss ich echt noch viel an meiner verbessern... hab auch grade eine am laufen... ist aber im gegensatz zu deiner echt süß und harmlos... ^^;
den rest les ich heute auch noch! yoh!
*knuddel*_____________*
Von: abgemeldet
2008-04-25T18:16:57+00:00 25.04.2008 20:16
ouh ich werd da richtig nachdenklich von :D
am anfang fand ich das ständige wechseln der zeiten etwas komisch, aber es passt trotzdem. ^^
sehr schön und flüssig geschrieben. und kalt. es berührt mich ziemlich und das ist ja das wichtigste an einer geschichte ^^

lg hitomii-chan
Von:  Jimmey
2008-04-23T17:29:20+00:00 23.04.2008 19:29
heyyyy du^^
das ist ja ein tolles kapitel!
nicht, dass die anderen schlecht wären, nur dieses ist besonders schön *.*
und danke, für die erwähnung im letzten kapitel!!!
die geschichte ist wunderbar

LG
Tete


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