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Generation³

von

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Prolog

„WAS HAST DU GETAN???? WAS ZUR HÖLLE HAST DU GETAN????“

Ich packte sie an den Schultern, schüttelte sie und schrie sie aus voller Kehle an. Tränen rannen über mein Gesicht, ich konnte sie nicht sehen, alles war völlig verschwommen, ich wusste nicht wie sie mich anschaute, ob sie erschrocken war oder ängstlich.
 

Ich hörte sie schluchzen.
 

„Was hast du getan…was hast du getan…“

Meine Stimme versagte, mein fester Griff löste sich, langsam ließ ich mich vor sie auf die Knie sinken und weinte.

Ich kauerte auf dem Boden und weinte, wie ich noch nie in meinem Leben geweint habe, mein Gesicht war völlig nass, meine Tränen tropften auf den Boden, mein Schmerz war unerträglich.

Mit einem Mal wurde sie brutal aus meinem Leben gerissen, ohne Vorwarnung, ohne dass ich mich darauf hätte vorbereiten können, ohne dass ich mich hätte verabschieden können…ohne Grund. Ohne richtigen Grund.
 

Doch, der Grund stand vor mir.
 

„Du bist Schuld, du bist an allem Schuld!“, schluchzte ich und hämmerte mit der Faust auf den Boden. Ich bekam fast keine Luft mehr, am liebsten würde ich jetzt auch sterben, aber mein Schmerz war grenzenlos.
 

Ich hörte ein letztes Echo ihrer Stimme in meinem Ohr...ein letztes Echo…das letzte Echo…
 

Ich stoppte.

Aus heiterem Himmel hörte ich auf zu weinen. Ich spürte die Blicke der anderen auf meinem Rücken. Langsam stand ich auf.
 

Ich drehte mich um.

Und blickte ihm in die Augen.
 

Ich sah ihr Haar in der Sonne glänzen…ich werde es nie wieder glänzen sehen…
 

Meine Wut war schier grenzenlos, mein ganzer Körper begann zu zittern. Ich wusste, dass ich jetzt in Raserei verfallen werde. Das erste und wahrscheinlich letzte Mal.
 

Ich spürte ihre Lippen auf den meinen…ich werde sie nie wieder küssen können…
 

Ich werde alle zur Hölle jagen!
 

Ich spürte den letzten Rest ihrer Wärme…ich werde keine Wärme mehr spüren können…
 

Meine Fingernägel gruben sich in meine Handinnenflächen. Wind strich durch mein Haar.
 

Ich spürte ihre Berührungen…ich werde niemanden mehr berühren können…
 

Plötzlich legte sich eine Art Orkan um mich, ich schrie, ich schrie meinen ganzen Schmerz hinaus, meine Stimme gab nach.
 

Ich roch ihr Parfum…ich werde es nie wieder genießen können…
 

Der Orkan verschwand und legte den Blick auf mich wieder frei.
 

Ich dachte an ihr Lächeln…ich werde es nie wieder sehen…
 

Ich spürte diese unendliche Kraft und diesen Zorn, die in meinem Körper pulsierten, sie wollen raus, sie wollen ihn!
 

Ich wollte ihr doch noch so viel sagen…es wird alles unausgesprochen bleiben…
 

Mein Blick fixierte ihn. Ich stürzte mich schreiend auf ihn, dazu bereit, alles hochgehen zu lassen…
 

Wie es soweit kam?

Tja…alles beruht auf einer Wendung in unser aller Leben. Wir waren normale, naja, fast normale Menschen, Jugendliche, mit Träumen, Wünschen und Hoffnungen. Wir wollten Freundschaft, wir wollten Liebe, wir wollten aber nicht um unser Leben kämpfen. Und um deren Leben.

Damals hätte ich mir diese Situation nie erträumt, ich hätte auch nicht ansatzweise daran gedacht, einmal so etwas mitzuerleben. Aber es kam nun mal so, daran können wir nichts mehr ändern. Es war nicht das Schicksal, das uns zusammenführte…auch wenn wir das zu Anfang glaubten.
 

Ich erzähle euch nun meine Geschichte. Unsere Geschichte…wie alles begann und wie alles endete.

Bis zu jenem Tag...

Kapitel 1 – Bis zu jenem Tag…
 


 

Shigeru gähnte ein letztes herzliches Mal, als er seine Schule betrat. In diesem Moment klingelte es, er würde abermals gerade rechtzeitig kommen, wahrscheinlich wieder der letzte, der in die Klasse kam. Er schlenderte die Treppen hinauf und bog um die Ecke, ein langer Flur lag vor ihm bis zu seinem Klassenzimmer, das sich im letzten Raum befand. Angeregt unterhielten sich noch zwei Mädchen vor ihrer Klasse, ein ‚Zuspätkommer’ schob sich an Shigeru vorbei und eilte in seine Klasse. Der Jugendliche betrat sein Klassenzimmer in dem, wie immer, der reinste Trubel herrschte, noch war kein Lehrer da, aber wie vermutet, war er der letzte, der in die Klasse kam.

Er ging zu seinem Platz, dritte Reihe Fensterseite, setzte sich und räumte seine Tasche aus.
 

„Hey, guten Morgen!“, wurde er von seinem Nebenmann begrüßt.
 

„Guten Morgen, Yamamoto!“, grüßte er die bekannte Stimme zurück, ohne von seiner Tasche aufzublicken. „Wie geht’s deiner neuen Festplatte?“
 

„Ich hab noch ein paar Probleme, aber die krieg ich schon noch hin.“, grinste der rothaarige. Er war der größte Computerfreak, den Shigeru kannte. Mathe und Elektronik waren sein Gebiet, bevor man jemand anderes fragte, fragte man den guten Yamamoto. Allerdings hatte er aufgrund seiner Interessen auch wenig für Mädchen übrig. Gut, er hatte schon die ein oder andere Freundin, aber wirklich was längerfristiges mit Schwärmerei und so war da nie dabei. Obwohl er eigentlich ein hübscher Kerl war, ziemlich groß gewachsen, leuchtend rotes Haar, tiefdunkle Augen, dazu noch intelligent, sympathische Ausstrahlung…ein richtiger Typ zum Anlehnen und Beschützen eben. Darauf stehen doch die Mädchen!?

Aber eine feste Freundin oder zumindest eine Flamme hatte er trotzdem nicht. Obwohl sich doch in diesem Alter fast alles nur um das andere Geschlecht dreht.
 

„Na, wenn du schon Probleme damit hast, wie würde das dann bei mir aussehen!?“, lachte Shigeru.
 

„Tjaaaa-“
 

„Hey, Shigeru!“ Takato schlug seine Hände auf den Tisch des blonden. „Hast du heute Zeit? Ich wollte vorbeikommen, wir könnten ja mal wieder ne Runde zocken!?“
 

„Rei ist heute nicht da.“, bemerkte Shigeru nur knapp und gelangweilt. Er hatte heute einfach keinen Bock auf ihn und Takato würde nie merken, dass ihn der blonde gerade schamlos anlog.
 

„Oh.“ Der dunkelhaarige war sichtlich enttäuscht. „Na dann…ein ander’ Mal!“

Mit diesen Worten verabschiedete er sich und ging zu seinem Platz.
 

Yamamoto fing an ungläubig zu lachen.

„Oh, mein Gott, was war das denn?“
 

„Er ist in Rei verknallt und kommt ständig am Tempel vorbei.“, antwortete er etwas genervt. „Zuerst hat er wenigstens noch Glücksbringer gekauft oder hat so getan als würde er beten, aber dann hat er herausgefunden, dass er, wenn er zu mir kommt, viel länger da bleiben und sie ansabbern kann.“

Yamamoto lachte lauthals.
 

„Und ich dachte, ich wär’ ein Freak!“

Shigeru nickte übereifrig.
 

„Ich habe nichts gegen ihn, aber wenn er mich einzig und allein nur wegen ihr besucht, komm ich mir schon etwas verarscht vor. Er macht ja nicht mal so, als würde er mit mir Zeit verbringen wollen.“

Immernoch ungläubig schüttelte Yamamoto den Kopf.
 

„Ruhe! Setzt euch!“ Auf Geheiß des Lehrers war es augenblicklich still und alle begaben sich auf ihre Plätze.
 


 

Manchmal sollte man Schule einfach verbieten, dachte sich Shigeru, als er dabei war das Schulgelände zu verlassen. Mit Sicherheit war er kein schlechter Schüler, aber momentan nervte ihn die Lernanstalt einfach nur. Er entdeckte eine kleine Gruppe Schüler, an denen er vorbei musste. Der blonde beschleunigte seine Schritte und hoffte inständig, dass er ihn nicht bemerkte. Als er an ihnen vorbei war atmete er schon auf, doch zu früh gefreut.
 

„Shigami!!“

Er reagierte nicht und ging einfach weiter, hoffte er würde von ihm ablassen, wenn er so tat, als würde er ihn nicht hören.
 

„Hey, Shigami!“

Hartnäckig, der Kerl.
 

„SHIGAMI!“

Shigeru hasste es, wenn er meinte, dass er einen Spitznamen aus seinem Vor- und Nachnamen basteln müsste. Er wirbelte herum.
 

„NENN MICH NICHT SO!“

Verdammt, jetzt hatte er es doch geschafft. Der Rufer kam auf Shigeru zugelaufen.
 

„Na, du hörst ja gar nicht gut, Alter!“

Alter?
 

„Was ist?“, fragte Shigeru genervt.
 

„Ich wollte mit dir über unser Projekt reden.“, begann sein gegenüber.
 

„Ahja…über was solltest du sonst mit mir reden wollen?“

Er knatschte mit dem Kaugummi und blickte Shigeru mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Shigeru verfluchte seinen Lehrer dafür, dass er ausgerechnet ihn, Takeshi Ishida, ihm zugeteilt hatte. Der größte Playboy und Herzensbrecher der Schule und wahrscheinlich der ganzen Stadt. Er war einen ganzen Kopf kleiner als Shigeru, sehr sportlich, hatte einen frischen gepflegten Kurzhaarschnitt und strahlend blaue Augen, sein goldblondes Haar schimmerte in der Sonne. Dazu hatte er die ‚Gabe’, wenn er mit Mädchen redete, so zu lächeln, dass diese reihenweise umfielen. Er spielte in der schuleigenen Fußballmannschaft und war dort erfolgreicher Stürmer. Wahrscheinlich deswegen so beliebt, da nahezu alle der Schule, vor allem die Mädchen, Fans der äußerst gutaussehenden und mehr als nur oft siegreichen Spieler waren.
 

„Naja, ich kann heute jedenfalls nicht kommen, um an dem Projekt zu arbeiten, mir kam kurzfristig was dazwischen.“, erklärte Takeshi.

Ach ne, dachte sich Shigeru und warf einen Blick an Takeshi vorbei auf das kleine Grüppchen, bei dem er zuvor stand. Ein paar Mannschaftskameraden inklusive Yanagiba, alle vermutlich mit Freundinnen unterwegs. Katsuja Yanagiba war der Mannschaftskapitän, ebenso beliebt bei dem anderen Geschlecht, ein Klassenkamerad von Shigeru und Takeshi und mit einem reichen, vermutlich verwöhntem, Püppchen zusammen, die bei der Schülerzeitung war. Ja, der angeblich beste Freund von Takeshi, jedenfalls ließ dieser alles darauf hinauslaufen, wenn nicht jeder, außer Yanagiba selbst, wüsste, dass er einfach nur hinter seiner Freundin her war und ihm deswegen den Honig um den Mund schmierte.
 

„Was dazwischen.“, wiederholte Shigeru tonlos. „Kurzfristig.“
 

„Ja, weißt du, es ist wichtig für das Turnier nächste Woche.“, erklärte er. Nächste Woche war zwar wirklich ein Turnier, aber Shigeru glaubte kaum, dass die alle eine Besprechung darüber halten werden, wenn die Freundinnen und Dates dabei waren.
 

„Na toll, Übermorgen ist Abgabe und ich habe morgen keine Zeit.“, erwiderte der blonde genervt. Er dachte sich schon, dass es so ausgehen würde. „Wir haben es bis heute aufgeschoben, weil du dauernd trainieren musstest!“
 

„Ich würde es ja morgen machen, aber leider liegt das ganze Zeug bei dir.“ Takeshi schaute mitleidig drein, grinste wie ein kleiner Welpe und zuckte die Achseln. Natürlich lagen alle Unterlagen bei Shigeru, da er sie ja auch rausgesucht hatte. Allein!

„Und morgen Abend haben wir ein internes Übungsspiel und du wohnst so weit weg…“
 

Shigeru rollte die Augen. Natürlich, der Stadtteil war ja auch so riesig, es gab keine Busse und auch keine Haltestelle direkt vor dem Tempel.

Takeshi erschlug ihn gerade mit einem Zaunpfahl, der danach schrie, dass er die ganze Arbeit alleine machen sollte, da ja der tolle Sportler keine ‚Zeit’ dafür hatte.
 

„Sicher.“, schnaufte er.
 

„Danke, Alter!“ Takeshi boxte Shigeru an die Schulter und lief zu den anderen zurück, machte mit einigen einen Handschlag, legte seinen Arm um die Hüfte eines Mädchens und lachte siegessicher, woraufhin die meisten einstimmten. Nur Yanagibas Freundin schaute etwas mitleidig zu Shigeru.
 

„Danke?“, murmelte der blonde und glaubte sich verhört zu haben. Er hatte kein Wort darüber gesagt, dass er das verdammte Projekt allein machen wollte.

Genervt trat er weiter seinen Heimweg an. Er fühlte sich wie der letzte Streber, obwohl es einige in der Stufe gab, die weitaus bessere Noten wie er hatten. Yamamoto, zum Beispiel.
 


 

Shigeru stieg die ewig lange Treppe hinauf zum Hikawa-Tempel. Er würde wahrscheinlich völlig außer Atem oben ankommen, wenn er diese nicht schon jahrelang täglich hinauf und hinab stieg.

Yuuichiro kehrte gerade den Tempelvorplatz. Shigeru begrüßte ihn und ging ins Haus. Als er sich noch die Schuhe auszog, konnte er schon Reis Freundinnen hören. Den Gedanken an Takeshi erfolgreich verdrängt, grinste er über deren Lerngruppe, die wohl eher lustig und albern als effektiv war. Ab und zu leistete Shigeru ihnen Gesellschaft, dann legte er sich auf Reis Bett und durchforstete ihre Mangas. Rei regte sich dann immer furchtbar auf, wenn er es sich in ihrem Bett gemütlich machte.

Shigeru fand es nur immer komisch, dass Minako und Bunny ihre Katzen mitbrachten. Selbst in der Schule sah er die Katzen oft umherstreunen.

Der Weg zu seinem Zimmer führte an Reis Zimmer vorbei. Dieses stand offen und man konnte hören, wie die Mädchen lauthals diskutierten. Kurz warf er ein ‚Hallo’ in den Raum und ließ den Blick von einer zur anderen schweifen. Die Mädchen saßen alle an dem mit Schulkram voll beladenen Tisch und blickten ihn an.
 

„Hallo, Shigeru!“, begrüßte ihn Bunny freundlich lachend. Dieses Mädchen war einfach immer gut gelaunt. „Hast du dich für nächste Woche eingetragen?“
 

„Öhm, nö. Ich ziehe es vor an dem Tag zu faulenzen und einfach nichts zu tun.“, grinste Shigeru zurück.
 

„Du machst nicht mal Dienst?“, fragte Minako etwas erstaunt.
 

„Nein…keine Lust. Ich streune lieber auf dem Schulgelände rum oder in der leeren Schule und langweile mich, wenn alle auf dem Sportplatz oder in der Sporthalle sind und die Mannschaften anfeuern. Macht eine von euch Dienst?“
 

„Nein, ich habe mich für Volleyball gemeldet.“, antwortete Minako.

Shigeru nickte verstehend. Er lehnte sich in die offene Tür.
 

„Makoto, Ami und ich machen Dienst.“, meldete sich Bunny zu Wort. „Wir haben es extra so gelegt, dass wir das Fußball-Turnier nicht verpassen.“

Wieder nickte der blonde und zog eine Augenbraue hoch.
 

„Hey, Rei, willst du nicht auch kommen und dir verschwitzte Jungs beim Ball-Hinterherrennen ansehen?“, fragte Shigeru mit leicht sarkastischem Unterton und verschränkte die Arme.
 

„Wir hatten es vor, ja.“, erwiderte diese knapp.
 

„Ihr hattet es vor??“ Er hatte irgendwie nicht mit einem ‚ja’ gerechnet und war leicht überrascht. „Wer ist ‚wir’?“
 

„In meiner Klasse gibt es kein anderes Thema mehr, als das Spiel.“, grinste Rei. „Natürlich kommen wir uns das Spiel anschauen.“
 

„Wieso sind alle so versessen darauf dieses verdammte Spiel zu sehen?“ Shigeru verstand die Welt nicht mehr. Er hatte das Gefühl, alles drehte sich nur noch um diesen bescheuerten Sport.
 

„Ein Name:“, antwortete Minako in schwärmerischem Ton. „Takeshi Ishida!“

Makoto und Bunny quietschten. Shigeru schaute sie mit undefinierbarem Blick an, der eine Mischung aus Ekel, Verwunderung und das-ist-nicht-euer-Ernst-? war.
 

„Hey Bunny, du hast doch einen Freund!“, bemerkte Ami empört.
 

„Na und, man darf doch wohl noch träumen.“, lachte Bunny.
 

„Ishida??“, wiederholte Shigeru angewidert und ungläubig. „Ihr steht auch alle auf diesen ekelhaften Kerl?“
 

„Ich nicht!“, kam es von Ami.
 

„Jaaa, er ist so süß und sportlich und sein Lächeln ist der helle Wahnsinn!“, schwärmte Minako. Makoto stimmte ihr mit geröteten Wangen zu.
 

„Und seine Augen erst!“
 

„Sein durchtrainierter Körper!“
 

„Und seine tollen Haare!“

Shigeru fuhr sich unweigerlich durch seine chaotische Frisur.
 

„Ihr wisst gar nicht was das für ein übler Typ ist.“, murmelte dieser und schüttelte nur den Kopf. Wieder vier potentielle Opfer. Er war froh, dass zumindest Ami noch bei Verstand war und setzte an, den Raum zu verlassen.
 

„Wo willst du hin?“, fragte Bunny. „Bleib doch noch hier.“
 

„Ach, ich hab’ noch ein Projekt zu machen.“, seufzte Shigeru und ging in sein Zimmer. Er hatte keinen Nerv den Mädchen beim Schwärmen zuzuhören, die wissen gar nicht, auf was sie sich bei Takeshi einlassen würden. Ächzend ließ er sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Shigeru hatte wohl noch eine lange Nacht vor sich, wenn er das verdammte Projekt fertig kriegen wollte.
 


 

Ein seltsames Geräusch ließ ihn hochfahren. Es kam von draußen, wo es mittlerweile stockdunkel war, nur die Schreibtischlampe erhellte den Raum. Shigerus müder Blick wanderte zu seinem Wecker, auf dem Nachttischschrank.

Punkt drei Uhr. Er war über dem Projekt eingeschlafen.

Auf seinem Schreibtisch herrschte das reinste Chaos und fertig war er noch lange nicht. Shigeru fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht, streckte sich und gähnte herzhaft. Er überlegte gerade schlafen zu gehen, als er im Augenwinkel plötzlich jemanden vor seinem Fenster stehen sah. Erschrocken fuhr er herum, sprang von seinem Stuhl auf und glaubte erst, seine Müdigkeit hätte ihn getäuscht, doch dort stand tatsächlich jemand. Noch bevor Shigeru überhaupt nur versuchen konnte zu erkennen, um wen es sich handelte, drehte sich die männliche Person, so viel konnte er vorab sehen, um und lief in das dunkle Waldstück. Die Nacht verschluckte ihn schnell.

Shigerus Herz schlug ihm bis zum Halse, er war wie erstarrt. Eine riesige Gänsehaut lief ihm den Rücken herunter. Wer zur Hölle streunte hier herum und glotzte in sein Fenster?

Trocken schluckte er und starrte immer noch aus dem Fenster. Seine Müdigkeit war wie weggeflogen. Der blonde lauschte. Nur das Ticken seines Weckers drang an sein Ohr.

Einen Moment lang überlegte er, ob er sich nicht schlafen legen, und den Vorfall einfach vergessen sollte, aber als er sein Bett betrachtete, das unter seinem breiten Fenster stand, verging ihm dieser Gedanke schnell wieder. Shigeru schluckte hart und stand immer noch regungslos im Zimmer, aus dem Fenster starrend.

Wieso musste sich auch ein verdammtes Waldstück auf dem Gelände befinden?

Es hatte keinen Zweck, er würde nicht eher Ruhe finden, bevor er nicht nachgesehen hatte, wer da draußen rumstreunte. Leise schlich er sich aus seinem Zimmer, vorbei an Reis, zum Besenschrank im Eingangsbereich, aus dem er sich einen Besen nahm und ihn kurzerhand zur potentiellen Waffe umfunktionierte. Shigeru stahl sich aus der Haustür. Der Mond schien hell vom Himmel herab und ließ sein Haar silbern leuchten.

Er begab sich, den Besen kampfbereit vor sich haltend, zu seinem Fenster. Es schien alles normal zu sein, in seinem Zimmer brannte noch immer das Licht und vor seinem Fenster ließen sich keinerlei Spuren, außer den seinen von jetzt, feststellen. Shigeru seufzte schon erleichtert auf. Alles doch nur ein Hirngespinst.
 

„Shige-RU!“

Er fuhr herum. Eine Stimme rief ihn, sie kam eindeutig aus der Richtung, in die die Person von eben gelaufen war. Sein Herz schlug wild in seiner Brust, seine Knie zitterten. Shigeru begriff erst jetzt, dass Mut bedeutete, wenn man sich seiner Angst stellt. Er schluckte und schritt langsam in das Waldstück. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, den Besen schützend vor sich haltend, und suchte wachsam nach dem Typen. Hier wollte ihm ein Scherzbold wohl unbedingt tierische Angst einjagen.
 

„Ok, genug amüsiert, das reicht jetzt! Es ist nicht mehr witzig!“ Shigeru hoffte, dem Kerl den Spaß zu nehmen. „Ich…kann Karate, ich würde dir nicht raten, dich mit mir anzulegen!“

Natürlich konnte er kein Karate, aber das wusste dieser Bursche ja nicht. Hoffte er. Naja, er kannte zwar seinen Namen, aber mit Sicherheit wusste er sonst nichts über ihn. Hoffte er. Es sei denn, wenn er ihn schon länger beobachtet und viele Informationen über ihn gesammelt hatte, wusste er mit Sicherheit, dass er keinen Kampfsport macht.

Shigeru schüttelte den Kopf.

„Ich sollte mir nicht selbst den Mut nehmen.“, murmelte er sich selbst zu und schritt weiter wachsam voran. Plötzlich huschte ein Schatten zwischen den Bäumen vor ihm hindurch. Erschrocken blieb er stehen.
 

„HE…HEY!!“, rief er mit etwas zittriger Stimme. Verdammt, du darfst keine Angst zeigen, fluchte er.
 

„SHIGERU!!“, schrie ihm plötzlich jemand ins Ohr.

Der blonde sprang zur Seite und presste sich geängstigt mit dem Rücken gegen den nächsten Baum, wobei er aus Schreck den Besen fallen ließ. Dieser lag nun außer Reichweite neben einem Kerl, vielleicht 18 Jahre alt, etwa so groß wie Shigeru selbst und sehr stämmig gebaut. Na toll, wozu hatte er sich den verdammten Besen mitgenommen, wenn er ihn eh im erstbesten Augenblick verliert?
 

„W-Was…Wer zur Hölle bist du?“
 

Der Kerl antwortete nicht, sondern blickte ihn nur finster an. Shigeru fiel auf, dass er ein Schwert auf dem Rücken trug und presste sich noch mehr an den Baum. Die harte Rinde drückte sich in sein Kreuz. Der blonde fürchtete nun ernsthaft um sein Leben, ein scheinbar Verrückter streunte nachts durch den kleinen Wald, war bewaffnet und hatte nichts Besseres zu tun, als ihm Angst einzujagen. Shigeru hielt die Luft an. Sein gegenüber rührte sich nicht. Angsterfüllt starrte Shigeru in seine Augen. Er fragte sich, was wohl Takeshi sagen würde, wenn er morgen erfährt, dass er das Projekt selbst fertig machen müsste.

Der Typ kam einen Schritt auf den blonden zu. Shigeru presste sich noch fester an den Baum, am liebsten würde er in diesen hineinkriechen. Erst jetzt bemerkte er, dass etwas seltsam war. Shigeru traute erst seinen Augen nicht, doch er bemerkte, dass er wirklich durch den Kerl hindurchschauen konnte, deutlich zeichnete sich die Umgebung hinter ihm in seinem Körper ab.
 

„Du-du bist ein-“
 

Mit einem Mal schnellte er zu Shigeru und fuhr scheinbar in diesen. Dem blonden blieb die Luft weg, er würgte und hustete, schnappte nach Sauerstoff und brach zusammen. Noch immer hustend lag er auf dem Boden krümmte und wälzte sich durch das Gras, bis er sich schließlich immer mehr beruhigte und letztendlich still im feuchten grün lag. Mit trübem Blick starrte er in die Baumkronen, durch die der Mond und die Sterne schimmerten. Er rollte sich zur Seite und versuchte sich aufzurichten, doch in seinem Kopf drehte sich alles, sein ganzer Körper zitterte und kalter Schweiß rann ihm die Stirn herunter. Shigeru stützte sich an einem Baum ab und fuhr sich mit der Hand an seine Stirn. Er atmete sehr schwer und hatte das Gefühl, dass er vor Schwäche keinen einzigen Schritt mehr gehen könnte. Langsam versuchte er sein Glück, doch seine Beine zitterten so stark, dass er sich nicht halten konnte und er schließlich wieder im Gras landete. Ohne Vorwarnung drehte sich sein Magen um und er ergab sich mit Leib und Seele…
 


 

Als der Wecker klingelte war sie schon längst hellwach und sich am Anziehen. Mit einem gezielten Schlag verstummte das Gerät und sie widmete sich weiter ihren langen Strümpfen, die sie bis über die Knie zog. Durch die Wand drang noch immer das Alarmgeräusch aus dem Nebenzimmer. Wie konnte man nur so schwer zu wecken sein? Aber Bunny schlief auch immer wie ein Stein. Gut gelaunt schnappte sich Rei ihre Schultasche, verließ das Zimmer und hämmerte im Vorbeigehen an Shigerus Zimmertür, in der Hoffnung, dass er vielleicht heute Morgen davon aufwachte. Wider erwarten hatte sie tatsächlich Erfolg damit, Shigeru regte sich und legte sich rum, stellte seinen Wecker aus und richtete sich auf. Er fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht, rieb sich sein Gesicht und stand auf.

Was für ein bekloppter Traum…

Im Halbschlaf zog er seine Schuluniform an, nahm seine Schultasche und schlurfte in die Küche zum Frühstücken.
 

„Guten Morgen…“, murmelte er.
 

„Mein Gott, wie siehst du denn aus?“, ertönte es von Rei, die sich die Frage nicht verkneifen konnte.
 

„Ich hab nicht gut geschlafen.“, brummelte Shigeru während er sich an den Tisch setzte und Cornflakes in eine Schüssel purzeln ließ.
 

„So siehst du auch aus.“, erwiderte die dunkelhaarige, während sie das Pausenessen zubereitete.
 

„Du bist wieder wirklich sehr aufbauend.“, grummelte er mit vollem Mund, während Rei summte. „Übrigens werde ich Takato heute nicht wieder hinhalten können.“

Irgendwie musste er sich ja rächen.
 

„Soll er doch kommen, wenn er will.“

Shigeru hielt inne und beäugte sie mit seltsamem Blick.
 

„Sag bloß, du magst ihn!? Das ist doch wohl nicht dein Ernst?“

Rei schüttelte energisch den Kopf.
 

„Nein, das nicht.“, antwortete sie und summte weiter, was Shigeru erst jetzt auffiel.
 

„Wieso bist du so vergnügt?“
 

„Nur so.“, erwiderte sie wieder knapp.

Shigeru verstand die Welt nicht mehr und wollte noch etwas erwidern, doch Rei stellte abschließend sein Bento auf den Tisch, verließ die Küche und ging ins Badezimmer. Der blonde fragte sich, ob Yuuichiro endlich ihr Herz erobert hatte und sich als ihren festen Freund bezeichnen durfte. Das war die einzige Erklärung, die er für ihre gute Laune hatte. Wer wäre nicht gut gelaunt, wenn man an einem schönen Frühlingstag eine neue Liebe fand?

Shigeru löffelte schnell seine restlichen Cornflakes und folgte Rei ins Badezimmer. Diese kämmte sich gerade die Haare und schien in Gedanken zu sein.
 

„Wie geht’s Yuuichiro?“, fragte er, während er seine Zahnbürste präparierte. Seine Neugierde war einfach viel zu groß, als dass er Rei so leicht davonkommen ließ.
 

„Keine Ahnung, frag ihn doch.“, erwiderte sie erneut nur knapp ohne den Blick zu heben.

Also doch nicht Yuuichiro.
 

„Dann…hast du einen anderen Freund!?“, fragte Shigeru mit Zahnbürste im Mund und versuchte es ganz beiläufig klingen zu lassen.
 

„Wieso anderer Freund?“ Rei legte die Bürste weg und ging wieder aus dem Badezimmer, in die Küche. Der blonde putzte schnell seine Zähne fertig und wollte ihr folgen, rannte fast in sie hinein, als sie mit ihrer Schultasche am Badezimmer vorbei in Richtung Eingangsbereich ging.
 

„Aber-“, fing Shigeru an und wollte sich ihr anschließen, wurde aber von Rei unterbrochen.
 

„Du solltest deine Haare kämmen.“, kicherte sie und wuschelte ihm durchs Haar, woraufhin er von der Tür aus einen Blick in den Spiegel warf und diese wieder etwas glatt strich.
 

„Die sind doch gut so.“, murmelte er vor sich hin und vergaß fast, dass er Rei ausquetschen musste.
 

Er schnappte sich sein Bento und seine Tasche und zog sich schnell seine Schuhe an. Rei war schon bei der Treppe, als Shigeru das Haus verließ. Er rannte quer über den Tempelvorplatz und holte sie erst in der Mitte der Treppe wieder ein.
 

„Was hast du es heute denn so eilig?“, fragte Shigeru, die immer noch vergnügt summende dunkelhaarige.
 

„Ist dir schon aufgefallen, dass wenn du mal nicht spät dran bist, mich morgens pausenlos mit Fragen löcherst?“, merkte Rei an.
 

„Was, wie kommst du denn darauf?“, erwiderte er und fing sich von ihr einen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen ein.
 

„Das ist gar nicht wahr! Ich will nur-“
 

„Guten Morgeeeen!“, rief Bunny, die mit den anderen am Fuße der Treppe wartete, den beiden zu. Auch die anderen grüßten sie.
 

„Guten Morgen!“, begrüßte Rei alle fröhlich lächelnd und ging munter vor.
 

„Hui, was ist denn mit der los?“, fragte Bunny. „Ist sie etwa mit Yuuichiro…?“ Sie grinste schelmisch. Shigeru nickte übereifrig.
 

„Jaaa, genau, genau das meine ich auch, aber sie will ja nicht sagen was los ist!“, beschwerte er sich.
 

„Heute ist so schönes Wetter, wer ist denn da nicht gut gelaunt?“ Makoto reckte sich der warmen Morgensonne zu.
 

„Shigeru!“, antwortete Minako und alle begannen zu lachen.
 

„Hey, das ist nicht witzig!“, wandte der blonde ein. Zusammen setzten sie ihren Weg zur Schule fort.
 

Noch war der Morgen völlig normal, wie jeder andere auch. Und noch ahnte Shigeru nicht, welche weitreichenden Folgen die letzte Nacht für ihn haben wird…

Erste Zeichen

Kapitel 2 – Erste Zeichen
 


 

„Das Programm wird für eine Sondermeldung unterbrochen!“
 

„Vor etwa einer Stunde tauchte am Hafen ein riesiges Monster auf! Augenzeugen berichten, dass es ‚aus dem nichts’ aufgetaucht und auch genauso wieder verschwunden ist. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, allerdings ist der angerichtete Schaden immens. Experten schätzen den Gesamtschaden auf etwa…“
 

Die Nachrichtensendung lief auf allen Kanälen hoch und runter. Ganze Familien hingen zu Hause vor dem Fernseher, Trauben bildeten sich vor den Schaufenstern, in denen haufenweise Werbefernseher standen und doch gab es einige, die nichts davon mitbekamen.

Shigeru lief völlig geschafft an einem Menschenauflauf, der an einem der besagten Schaufenster klebte, auf dem Weg nach Hause vorbei und bemerkte nicht, wie sich eine Person aus der Masse löste und ihm hinterherlief. Er holte zu ihm auf und begrüßte ihn.
 

„Daisuke!“, bemerkte der blonde mit müden Augen. „Was machst du denn hier?“
 

„Hast du das mitbekommen? Da hat vor einer Stunde ein riesiges Monster im Hafen gewütet, das ist unglaublich! Keiner weiß woher es kam und wohin es ging, weil es plötzlich weg war!“ Daisuke war völlig aufgeregt und gestikulierte wild.
 

„Wie kann ein riesiges Monster plötzlich auftauchen und wieder verschwinden?“, fragte Shigeru und gähnte.
 

„Das weiß keiner, es war einfach weg!“
 

„Aha.“, antwortete der blonde desinteressiert.
 

„Dich lässt das ja ganz schön kalt!“, bemerkte Daisuke verwundert. „Die Stadt könnte in großer Gefahr sein!“
 

„Wozu sollte ich mir denn Gedanken über ein verdammtes Monster machen, dass eh nicht mehr da ist!?“
 

„Es könnte wieder auftauchen…und dann vielleicht im Zentrum der Stadt, oder sogar am Hikawa-Tempel!“, antwortete der braunhaarige verheißungsvoll und versuchte Shigeru aus der Reserve zu locken.
 

„Ach was.“, tat dieser es jedoch ab.
 

„Hey, es waren schon öfter Monster am Tempel, das weißt du genau! Frag doch Yuuichiro!“
 

Shigeru stoppte an einer Fußgängerampel um die Straße zu überqueren.

„Wo willst du hin?“
 

„Crown.“
 

„Schon wieder? Irgendwann hast du dein ganzes Taschengeld verzockt!“
 

„Kümmer’ dich um deinen eigenen Kram, klar?“, fuhr Shigeru den größeren an. „Im Gegensatz zu dir mache ich nicht ständig blau um im Dojo abzuhängen!“

Er verwies auf Daisukes Trainings-Gi, den er auch jetzt trug. Dieser blickte ihn nur etwas betroffen und überrascht zugleich an.
 

„Ok, beruhig dich. Du musst ja nicht gleich so aggressiv werden!“ Eigentlich erwartete Daisuke eine Entschuldigung, aber als die Ampel auf grün schaltete und Shigeru unbeirrt seinen Weg fortsetzte ohne noch ein einziges Wort zu verlieren, ließ er verärgert von ihm ab. Immerhin kümmerte er sich um seinen Körper und tat etwas für seine Gesundheit!

Eigentlich wollte er ja mit Shigeru ein bisschen rumhängen, aber das verwarf er schnell wieder. Daisuke zuckte die Achseln und schlug den Weg zurück zum Schulgelände ein, um dort im Dojo noch etwas zu trainieren. Vielleicht traf er ja jemanden, mit dem er sich messen konnte.
 


 

Er packte sie von hinten und wollte sie zu Boden zwingen, doch unerwartet rammte sie ihm ihren Ellbogen in den Bauch, woraufhin er seinen Griff lockerte, sie diese Chance nutzte und seinen Angriff mit einem gekonnten Schulterwurf erfolgreich konterte.
 

„Hey, gar nicht schlecht.“, keuchte Daisuke begeistert als er wieder aufstand und sich in Kampfbereitschaft begab. Der Ärger von vorhin war wie verflogen.
 

„Mich sollte man eben nicht unterschätzen!“, grinste Hinagiku außer Atem und war bereit, seinen nächsten Angriff abzuwehren.
 

„Echt, ich hab noch nie gegen jemanden gekämpft, der so stark ist. Und du bist nur ein Mädchen!“
 

„Ach, glaubst du Mädchen können mit Jungs nicht mithalten?“
 

Daisuke schlug zu, Hinagiku wehrte ab, dann versuchte er mit einem Tritt sein Glück, doch sie duckte sich unter diesem weg und zog geschickt Daisukes Standbein weg, woraufhin er wieder zu Boden segelte.
 

„Doch, jetzt glaube ich das!“, antwortete der braunhaarige enthusiastisch, als er auf dem Rücken lag und sie von unten her angrinste. „Du bist Wahnsinn!“

Hinagiku fühlte sich sehr geschmeichelt, ihr Herz machte einen kleinen Satz. Daisuke stand auf und sie blickten sich lange und intensiv an. Doch das piepende Geräusch aus Hinagikus Sporttasche zerstörte diesen Moment. Sie lief zu dieser herüber, kramte darin und suchte ihre Uhr.
 

„Ok, ich muss weg. Ich treffe mich noch mit meinen Freundinnen! Ich bin schon spät dran, ich habe keine Zeit mehr mich umzuziehen.“ Sie packte ihre Tasche, zog sich ihre Schuhe an und drehte sich zu Daisuke um.
 

„Trainierst du hier öfter?“
 

„Jeden Tag.“, antwortete Daisuke und lächelte freundlich.
 

„Dann…sehen wir uns!“, lächelte Hinagiku zurück und wollte rückwärts das Dojo verlassen, stieß dabei jedoch gegen den Türrahmen. Kurz lachte sie verlegen, drehte sich dann schnell um und verließ den Trainingsraum.

Die letzten Monate vernachlässigte Hinagiku das Training ziemlich, doch ab jetzt möchte sie wieder öfter trainieren gehen. Vielleicht jeden Tag.
 

Daisuke grinste ihr immer noch hinterher. Er nickte zufrieden und seine braunen Augen leuchteten. Das war das beste Training, das er seit Monaten hatte. Wenn er jetzt öfter mit Hinagiku trainieren würde, könnte er sich schnell verbessern und gleichzeitig müsste er sich nicht mehr mit den anderen Luschen rumärgern, die nicht gegen ihn ankamen.
 


 

„Komm schon, komm schon, komm schon, KOMM DOCH SCHON!!!“, schrie Shigeru seine Videospielfigur an, während er wild auf den Tasten rumhämmerte und am Joystick zerrte, doch kurz vor dem Ziel wurde sie getroffen und starb.
 

„Ach, VERDAMMTER MIST!!“ Er schlug mit den Fäusten auf den Apparat und fluchte vor sich hin. Jemand räusperte sich hinter ihm, worauf der blonde nicht reagierte.
 

„Entschuldigung?“ Jemand tippte ihn an die Schulter. Shigeru drehte sich um. Es war ein Mitarbeiter der Spielhalle.
 

„Entschuldige bitte, aber könntest du das Crown verlassen?“
 

„Was?“
 

„Zum einen solltest du mit dem Spielen aufhören, weil du viel zu wütend bist und zum anderen fühlen sich andere durch dein Geschrei und Gefluche wirklich belästigt. Du kannst wieder kommen, wenn du dich abgeregt hast.“ Der Mitarbeiter blickte Shigeru erwartungsvoll an und erst jetzt bemerkte er, dass er von den anderen Leuten verärgert angesehen wurde. Kurz überlegte er, etwas zu erwidern, doch dann schnappte er sich seine Tasche und verließ wutentbrannt die Spielhalle, wobei er noch demonstrativ den Mitarbeiter mit der Schulter anrempelte.
 

Fluchend ging er zur nächsten Fußgängerampel und trat sauer gegen diese, doch erwartete er eigentlich nicht, dass sein Tritt deren Stange aus dem Boden riss und sie krachend auf die Straße kippte, woraufhin einige Autos scharf bremsen mussten und so Auffahrunfälle nicht zu vermeiden waren. Erschrocken sprang Shigeru zurück. So feste war sein Tritt doch gar nicht, dass er eine ganze Ampel mit Leichtigkeit und mitsamt Kabeln, aus dem Boden reißen konnte!

Der blonde blickte sich mit Herzklopfen nach den anderen Fußgängern um, die schon neugierig um ihn herum standen und die Ampel fragend betrachteten, viele fragten, was passiert sei. Shigeru zog es vor schnell das Weite zu suchen, bevor ihm noch jemand die Schuld geben und mit dem Finger auf ihn zeigen konnte.
 


 

Minako riss außer Atem die Tür zu Reis Zimmer auf und purzelte mit Artemis herein.
 

„Da bist du ja endlich!“, meckerte Rei und verschränkte die Arme. „Wenn Bunny nicht zu spät ist, kommst du zu spät, das ist doch nicht zum Aushalten!“
 

„Hey!“, beschwerte sich Bunny.
 

„Tut mir leid, aber ich habe einen guten Grund!“, erwiderte Minako ernst, worauf Artemis ihr zustimmte und in fragende Gesichter blickte. Eigentlich dachte er, dass sie alle schon bescheid wüssten.
 

„Habt ihr es noch nicht gehört?“, fragte er in die Runde.
 

„Was denn gehört?“, wollte Ami wissen.

Minako eilte zu Reis Fernseher und schaltete diesen ein.
 

„Es ist auf jedem Sender, schon wieder ein Monster!“
 

„Schon wieder?“, fragte Luna verwirrt. „Was meinst du mit ‚schon wieder’?“
 

„Habt ihr es nicht mitbekommen?“ Die erstaunte Minako blickte in die immer noch fragenden Gesichter ihrer Freundinnen, während ein Bericht über ein weiteres Monster in Tokyo im Fernseher lief. Sie dachte eigentlich, dass es zumindest Luna wüsste.
 

„Ihr habt es wirklich nicht mitbekommen? Ein riesiges Monster ist im Hafen aufgetaucht, hat ein bisschen rumgewütet und ist dann wieder verschwunden! Und gerade eben ist schon wieder eins vor dem Krankenhaus aufgetaucht! Aber das war auch nicht besonders lange da.“, erklärte die 16-jährige in aller Kürze.
 

„Wohin verschwanden sie?“, fragte Ami.
 

„Das weiß keiner. Die Monster tauchen plötzlich auf und sind genauso schnell wieder weg.“, fügte die weiße Katze hinzu.
 

„Das ist aber seltsam.“, merkte Makoto nachdenklich an. „Glaubt ihr, das sind neue Feinde?“
 

„Vermutlich.“, antwortete Artemis. „Wir sollten der Sache auf jeden Fall auf den Grund gehen, bevor noch etwas Ernsthaftes passiert.“ Alle stimmten ihm zu.
 

„Aber seltsam ist es schon.“, begann Ami. „Es war so lange still, dass ich schon dachte, wir hätten alle, die die Erde bedrohen, besiegt.“
 

„Schön wär’s!“, seufzte Makoto.
 

„Wir sollten uns an den beiden Orten vielleicht mal umsehen.“, schlug Luna vor. „Am besten trennen wir uns und treffen uns später wieder hier.“
 

„Jaaaa, keine Lerngruppe heute!!“, jubelte Bunny und fing sich von allen einen mahnenden Blick ein.
 

„Bunny, das ist kein Spaß!“, ermahnte Luna sie auch.
 

„Tut mir leid.“, entschuldigte sie sich. „Aber heute habe ich wirklich keinen Nerv zum Lernen.“
 

„Den hast du nie!“, erwiderte Rei barsch.
 

„Meine Schuld ist das aber nicht!“ Bunny verschränkte die Arme.
 

„Ach, soll das etwa meine Schuld sein!?“
 

„Wessen Schuld sollte-“
 

„Hört auf!“, unterbrach Luna die beiden mit lauter Stimme und sprang auf Reis Bett. „Die Lage ist ernst! Wir sollten keine Zeit verlieren, damit riskieren wir nur das Leben aller Menschen in der Stadt!“

Die schwarze Katze hatte nun wieder die Aufmerksamkeit aller.

„Ok, wir teilen uns auf. Rei, Bunny, ihr kommt mit mir! Wir gehen zum Krankenhaus und ihr anderen geht zum Hafen! Wir müssen nach Spuren und verdächtigen Personen suchen. Heute Abend treffen wir uns dann wieder hier!“
 

„Verstanden!“

Die Mädchen standen eilig auf und machten sich auf den Weg.
 


 

„Hey, Leute!“, begrüßte Hinagiku abgehetzt ihre Freundinnen und gesellte sich zu ihnen. Diese waren schon halb fertig mit ihren Eisbechern.
 

„Hallo, Hinagiku.“, begrüßte Momoko sie etwas verwundert.
 

„Hast du trainiert?“, fragte Yuri mit Blick auf den Karateanzug ihrer Freundin.
 

„Ja, ich werde ab jetzt wieder öfter trainieren.“, antwortete sie rotwangig und blickte angestrengt in die Eiskarte.

Die anderen tauschten einen Blick aus.
 

„Wo waren wir?“, versuchte Scarlet das Gespräch wieder aufzunehmen, während sie in ihrem Eisbecher herumstocherte.
 

„Bei den Sailor Kriegerinnen.“, antwortete Momoko. Hinagiku wurde hellhörig.
 

„Wer sind die Sailor Kriegerinnen?“
 

„Das wissen wir auch nicht so genau.“, antwortete Yuri. „Sie wurden in Zusammenhang mit diesen Monstern in den Nachrichten erwähnt.“
 

„Du meinst, sie haben etwas mit den Monstern zu tun?“, harkte sie nach.
 

„Nein, es war eher ein indirekter Hilferuf an sie. Wir haben nur noch nie etwas von diesen Sailor Kriegerinnen gehört, deswegen finden wir es seltsam, dass sie um Hilfe gebeten werden.“, erläutete Scarlet.
 

„Vielleicht ist es ein Geheimbund!?“, vermutete Hinagiku.
 

„Wir glauben eher, dass es möglicherweise auch Mädchen wie wir sind.“, meinte Yuri. Hinagiku nickte.
 

„Böse sind sie bestimmt nicht. Vielleicht können wir uns sogar mit ihnen zusammen tun!? Stellt euch das mal vor!“, träumte Momoko während sie ihren Eisbecher in sich hinein schaufelte.
 

„Ja, aber zuerst müssten wir sie überhaupt mal treffen!“, erwiderte Yuri. „Wie stellst du dir das vor? Wir werden ihnen wohl kaum einfach so über den Weg laufen!“

In diesem Moment liefen Bunny, Rei und Luna an dem Eiscafé, das auf dem Weg zum Krankenhaus lag, vorbei.
 


 

Vor dem Krankenhaus war der reinste Trubel. Polizisten, Feuerwehrleute und Reporter mit ihren Kamerateams untersuchten alles aufs Genaueste. Viele Schaulustige standen hinter einem Absperrband und beobachteten sie bei ihrer Arbeit.
 

„Na toll, so können wir nie ungestört nach Hinweisen suchen.“, fluchte Bunny, als sie vor einem Absperrband zum Stehen kamen und den Beamten nur von weitem beim Arbeiten zusehen konnten.
 

„Wir müssen irgendwie da rein.“ Luna suchte nach einer Möglichkeit, unbehindert das Gelände zu betreten.
 

„Wir müssen wohl heute Nacht wiederkommen.“, schlug Rei stattdessen vor.

Hartnäckig suchte Luna noch immer einen Weg unentdeckt zu bleiben, doch sie mussten vorerst auf ein anderes Mittel zurückgreifen, dass ihr Weg hierher nicht völlig umsonst war.
 

„Rei, kannst du nicht versuchen eine böse Aura zu erspüren?“, bat die kluge Katze. Die angesprochene nickte, schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie fühlte alles Mögliche, nur keine bösen Aktivitäten. Rei strengte sich mehr an, da sie sich, ebenso wie Luna, fast sicher war, dass es hier irgendeinen Hinweis geben musste. Und tatsächlich spürte sie plötzlich eine seltsame Aura, nur kam diese nicht aus der Nähe des Krankenhauses und war auch nicht böse.
 

„Ich spüre eine Aura!“, berichtete sie, während sie noch immer die Augen geschlossen hielt und nach dem Aufenthaltsort sondierte.
 

„Woher kommt sie?“, wollte Bunny aufgeregt wissen. Sie hatte nicht so schnell mit einem Erfolg gerechnet.
 

„Sie kommt…“ Rei hatte große Mühe die Aura nicht zu verlieren, da sie zunehmend schwächer wurde. „…aus dieser Richtung!“ Sie deutete in eine Nebenstraße, woraufhin sie sich dorthin begaben. Rei führte Luna und Bunny in eine kleine Gasse, von der aus sie in den Hinterhof eines heruntergekommenen Hotels schlüpften, der auf der gegenüberliegenden Seite wieder zu einer Hauptstraße führte.
 

„Hier stinkt’s!“, Bunny hielt sich geekelt die Nase zu und betrachtete sich den schmutzigen Hof, auf dem der meiste Müll nicht in dem dafür vorgesehenen Container, sondern überall sonst landete.

Vorsichtig suchten sie nach einer Spur. Bunny schob einige Müllsäcke beiseite und wurde von Shigeru, der dahinter kauerte, völlig erschreckt. Sie schrie auf, woraufhin auch er schrie und aufsprang.
 

„Erschreck mich nicht so, verdammt noch mal!“, beschwerte er sich bei Bunny.

Rei betrachtete ihren Mitbewohner, der nicht nur völlig gehetzt aussah, sondern zudem noch von unten bis oben dreckig war.
 

„Was machst du denn hier?“, fragte die dunkelhaarige verwirrt. „Und wie siehst du überhaupt aus?“
 

„Ich, ähm…ich bin nur…ich hab’…“ Shigeru wusste nicht, was er ihr sagen sollte. Etwa, dass er sich hier versteckte, weil er Angst hatte, dass ihn jemand gesehen haben könnte, als er eine Ampel mit einem bloßen Tritt umwarf? Er entschied sich, das unter keinen Umständen irgendjemandem zu erzählen. Man würde ihn für verrückt erklären. „Ähm…hey, was geht dich das eigentlich an!? Ich kann auch fragen, warum ihr hier im Müll wühlt!“

Rei, Bunny und Luna blickten ihn alarmiert an. Dass sie auf der Suche nach Hinweisen zu diesem Monster waren, musste er ja nicht unbedingt wissen.
 

„Wir…wühlen nicht im Müll. Wir…machen nichts.“, meinte Bunny und zuckte die Achseln.
 

„Seht ihr…ich mache auch nichts.“, erwiderte Shigeru unschuldig. Kurz standen sie sich unbeholfen gegenüber und schauten in verschiedene Richtungen.
 

„Ok.“, versuchte Rei die Situation abzuschließen.
 

„Ok.“, wiederholte Shigeru genauso abschließend.
 

„Wir…sehen uns dann zum Abendessen?“, fragte sie, als sei nichts gewesen.
 

„Ja, Abendessen.“, nickte der blonde. Unbeholfen kratzte er sich am Arm.
 

„Abendessen.“, wiederholte Rei.
 

„Bis, ähm…dann heute Abend.“, verabschiedete sich Shigeru.
 

„Bis heute Abend.“, wiederholte sie nochmals, woraufhin der 18-jährige den Hinterhof erst gehend, dann immer schneller werdend, in die eine Richtung und Rei, Bunny vor sich her schiebend, in die andere Richtung verließ.
 

„Was war das denn?“, fragte Bunny etwas verunsichert über Shigerus Anwesenheit in diesem Hinterhof. „Wieso sitzt er zwischen Müllsäcken rum?“
 

„Keine Ahnung, aber ich glaub’ ich will das auch gar nicht wissen.“, erwiderte Rei und bog auf den Bürgersteig. „Er…ist eben seltsam.“

Sie kannte ihn jetzt schon so viele Jahre, aber manchmal wurde sie einfach nicht schlau aus ihm.
 

„Vergesst nicht, warum wir hier sind!“, ermahnte Luna die beiden.
 

„Stimmt.“, erwiderte Bunny. „Wir müssen Spuren suchen!“
 

„Rei, spürst du die Aura noch?“
 

„Nein…tut mir leid, ich hab sie verloren. Dieser Trottel hat alles kaputt gemacht!“, knurrte sie.
 

„Das macht nichts. Geht ihr zurück zum Tempel, ich denke nicht, dass ihr euch jetzt hinter die Absperrung schmuggeln könnt. Ich komme alleine wohl besser voran.“, schlug die schwarze Katze vor. „Wenn ich etwas Verdächtiges entdecke, können wir heute Nacht wieder zurückkommen!“
 


 

„Was soll das heißen, er ist weg?“, fragte Takeshi seinen Mannschaftskameraden leicht gereizt. Sein gegenüber stand völlig außer Atem, die Hände in die Knie gestützt, vor ihm. Er war wohl die ganze Strecke von dem Haus seines Teamkameraden bis zum Sportplatz der Oberschule, wo sich die Mannschaft zum trainieren verabredet hatte, gerannt.
 

„Wir haben abgemacht, dass ich ihn abhole.“, erzählte er keuchend. „Aber seine Eltern haben gemeint, dass er heute nicht aus der Schule kam. Dabei hab ich heute Mittag noch gesehen, wie er ins Haus ging!“

Mittlerweile hatte sich die ganze Mannschaft um ihn versammelt und hörten gebannt zu.
 

„Er ist der beste Mittelfeldspieler, er kann nicht einfach so verschwinden!“, erwiderte Takeshi laut.
 

„Hey, beruhig’ dich mal, ich glaube das Spiel ist jetzt zweitrangig!“, ermahnte Yosuke ihn.
 

„Er hat Recht, das ist eine ernste Angelegenheit, wenn er grundlos verschwunden ist.“, schaltete sich Katsuja ein.
 

„Vielleicht ist er weggelaufen.“, vermutete ein anderer Spieler. „Hat er darauf vielleicht irgendwann mal angespielt?“
 

„Nein.“ Der Freund des Vermissten schüttelte den Kopf. „Er war ganz normal. Wie immer. Er hatte sich sogar noch auf das Spiel gefreut!“

Kurz schwiegen die Sportler betroffen.
 

„Wir können jetzt aber auch nichts tun.“, warf ein anderer resigniert ein. „Wir können nur hoffen, dass es sich um ein Missverständnis handelt und er bald wieder auftaucht.“
 

„Er hat Recht…“, stimmte ein anderer zu. „Lasst uns weiter trainieren, das Turnier wird so schon hart genug.“

Alle setzten sich in Bewegung um ihr Übungsspiel fortzusetzen. Nur Yosuke und Katsuja warfen sich einen vielsagenden Blick zu.
 


 

Der rothaarige stieg die langatmige Treppe zum Hikawa-Tempel hinauf. Er verfluchte jedes Mal dieses ewige Treppengesteige und würde hier am liebsten einen Fahrstuhl oder Lift einbauen lassen. Vielleicht würde der Tempel dann auch mehr Besucher haben. Obwohl er ja eigentlich schon ziemlich gut besucht war. Aber wahrscheinlich gehören die ewig langen Treppen zum Flair des Tempels und waren im Grunde unabdingbar.

Oben angekommen sah es ziemlich verlassen aus. Normalerweise kehrte immer jemand den Vorplatz, oder Mädchen rannten umher und beteten aufgeregt für ihre Liebe. Eine solche Stille wie jetzt war ganz und gar nicht normal. Nicht mal Yuuichiro war irgendwo zu sehen.

Yamamoto kratzte sich am Hinterkopf und beschloss Shigeru in seinem Zimmer zu suchen. Er läutete an der Haustür, doch selbst nach längerem Warten und wiederholtem Klingeln öffnete niemand die Tür. Der Computerfreak entschied sich heute mal besonders aufdringlich zu sein und schlich sich um das Haus herum zu Shigerus Zimmer. Immerhin waren sie ja verabredet, vielleicht hatte sein Kumpel die Klingel einfach nur nicht gehört. Vorsichtig lugte er in das Zimmer des blonden, doch auch hier war keine Spur von irgendjemandem zu sehen. Ungewöhnlich war es schon, sonst war zumindest Reis Großvater da.

Da musste er wohl seine Pläne kurzerhand umschmeißen und seinen Besuch im Elektronikfachgeschäft vorziehen.

Gerade als Yamamoto wieder die Treppe erreichte, kamen ihm Rei und Bunny entgegen.
 

„Hi, wisst ihr wo Shigeru ist? Wir waren verabredet, aber er ist nicht da…“, harkte er bei den beiden nach, in der Hoffnung endlich über dessen Verbleib aufgeklärt zu werden.

Bunny und Rei tauschten einen Blick und waren sich wortlos einig, dem rothaarigen nichts über deren Begegnung mit Shigeru zu erzählen.
 

„Ach, der?“, lachte Bunny unsicher. „Der ist…irgendwo.“
 

„Irgendwo?“ Yamamoto hob eine Braue und blickte die beiden fragend an. Falls es eine Ausrede sein sollte, war sie nicht besonders gut.
 

„Ja, irgendwo und nirgendwo!“, bestätigte die dunkelhaarige und ging auf Bunnys Spiel ein. „Der streunt doch überall rum.“

Der rothaarige blinzelte ein paar Mal.
 

„Sag bloß, du warst noch nie nirgendwo!?“, fragte Bunny gespielt fassungslos.

Yamamoto blickte die beiden immer noch fragend an und konnte sich beim besten Willen kein Lachen abringen, falls das witzig sein sollte.
 

„Ihr wisst, dass ihr gerade nicht sehr ernst zu nehmen seid!??“

Rei nickte seufzend und kratzte sich am Kopf.
 

„Hör zu, Shigeru ist im Moment-“, begann sie, wurde jedoch von Yamamoto unterbrochen.
 

„Aggressiv? Aufbrausend? Nicht bei Verstand?“, beendete er ihren Satz.
 

„Eigentlich wollte ich ‚seltsam’ sagen…“ Rei blickte den großen Kerl verwirrt an. Sie spielte doch eigentlich nur auf die Situation von vorhin an, er schien aber schon weitaus mehr erlebt zu haben.

Yamamoto seufzte.
 

„Naja…er hat sich die letzten Tage arg verändert.“, begann er zu erzählen. „Zum einen ist er total unausgeschlafen und zum anderen geht er immer gleich an die Decke, wenn man etwas zu ihm sagt.“
 

„Jeder hat mal eine schlechte Phase.“, versuchte Bunny sein Verhalten zu erklären. „Das ist völlig normal.“
 

„Er hat heute eine Tür aus der Angel gerissen!“, erwiderte Yamamoto, hob beide Augenbrauen und war gespannt, wie Bunny das erklären wollte.
 

„Gehen wir doch lieber rein, dort können wir besser reden.“, schlug Rei vor, als sie das hörte. Hier ging schon so viel Seltsames vor, da wunderte sie es kaum, dass sich auch die Menschen veränderten. Sie begaben sich in ihr Zimmer um dort ungestört weiterzureden.
 

„Wie konnte er eine Tür aus der Angel reißen?“ Die dunkelhaarige versuchte wieder das Gespräch aufzunehmen, während sie sich auf ihr Bett sinken ließ.
 

„Ich hab keine Ahnung.“ Der rothaarige zuckte mit den Schultern. „Es wär’ ja was anderes gewesen, wenn die Schule ein altes verfallenes Gebäude wäre, aber…“ Er brach ab.

Rei und Bunny nickten verstehend.
 

„Das passt gar nicht zu ihm.“, fuhr Yamamoto fort. „Er ist normalerweise die Ruhe selbst und lässt sich durch nichts provozieren, aber heute hatte er sogar ein Mädchen angeschrien, weil sie ihn aus Versehen angerempelt hat. Ich weiß nicht was mit ihm los ist.“

Er blickte hilfesuchend zu Rei.

„Du kennst ihn so lange und er wohnt sogar hier…weißt du nicht, was er haben könnte? Hat er vielleicht Liebeskummer? Oder irgendwelche Schwierigkeiten?“
 

Doch diese musste zugeben, dass ihr sein verändertes Verhalten noch gar nicht bewusst aufgefallen war. Aber sie hatte ihn auch die letzten Tage kaum gesehen. Sie konnte als Antwort nur den Kopf schütteln.

„Tut mir leid, ich…weiß nicht was mit ihm ist.“
 

Yamamoto nickte verstehend.

„Ok…ich hoffe, er wird bald wieder normal.“

Das Spiel beginnt

Kapitel 3 – Das Spiel beginnt
 

Die Tage bis zum Sportfest vergingen. Noch immer wurde von Monstern berichtet, die in regelmäßigen Abständen die Stadt heimsuchten, aber bis jetzt haben die Sailor Kriegerinnen sowie die Liebesengel mit noch keinem kämpfen können. Auch gab es keinerlei Hinweise woher diese kamen und wohin sie gingen. Nicht einmal ein etwaiger Anführer machte auf sich aufmerksam, was ziemlich ernüchternd war.

Viele Menschen waren in Aufruhr wegen dieser Monster, andere wiederum nahmen diese nicht ernst, da sie scheinbar nur an ausgewählten Orten auftauchten, wiederum andere hielten das Ganze für ein abgekartetes Spiel. Dementsprechend wurde auch das Sportfest nicht abgesagt, obwohl es den Anschein hatte, dass es für so manche Mannschaft eine katastrophale Wendung nehmen könnte.
 

„Was ist denn hier los?“, fragte Takeshi, der spät dran und deswegen umso mehr über die spärliche Besetzung des Fußball-Teams überrascht war. Hatte er doch eine hochmotivierte und vollständige Mannschaft erwartet, bevor er den Umkleideraum betrat.
 

„Sind wohl noch mehr spät dran.“, meinte er dann unbefangen und legte seine Tasche ab, um sich umzuziehen.

Stille.

Der Playboy blickte in die Runde, in demotivierte und unvergnügte Gesichter. Langsam dämmerte es ihm.
 

„Das…ist doch wohl nicht alles?“, fragte Takeshi leicht beunruhigt und deutete in die Runde. „Sagt mir, dass noch mehr kommen werden oder dass sie sich schon draußen aufwärmen!“

In diesem Moment betrat der Mannschaftskapitän die Umkleide. Der gold-blonde drehte sich zu ihm um.
 

„Katsuja! Was ist hier los?“

Dieser beachtete seine Frage nicht und ging in die Mitte des Raumes.
 

„Der Schulleiter will das Spiel nicht absagen, da wir nur gegen eine Mannschaft spielen werden, die er heute Morgen noch gefunden hat!“, erklärte er.
 

„Was, wieso absagen?“ Takeshi verstand die Welt nicht mehr.
 

„Wenn du dich umschaust, siehst du, dass wir nur zu sieb’t sind!“, warf Yosuke ein.
 

„Aber…wo sind die anderen?“
 

„Weg.“, antwortete einer der Spieler düster.
 

„Sie sind wie vom Erdboden verschluckt.“, antwortete Katsuja. „Genau wie bei den anderen Mannschaften! Alle sagten ihre Teilnahme auf Grund des Mangels an Spielern ab. Da wir aber bis gestern noch relativ vollständig waren, hat der Schulleiter eine Mannschaft gesucht, gegen die wir dennoch spielen könnten, damit das Turnier nicht völlig ausfällt. Mit Mühe hat er eine gefunden, gegen die wir heute antreten können.“
 

„Ach ja? Und wie stellt er sich das vor? Sollen wir mit sieben Leuten gegen eine vollständige Mannschaft antreten?“, fragte einer der Spieler erbost.
 

„Er will nicht, dass uns der Spaß verdorben wird, deswegen hat er noch eine Mannschaft gesucht!“, antwortete Katsuja bestimmt. „Du könntest wenigstens etwas dankbar sein!“
 

„Dankbar? Jeden Tag verschwinden Menschen spurlos, immer wieder tauchen gefährliche Monster auf und keiner stellt sich ihnen in den Weg! Und da sollen wir dankbar sein, dass unser werter Herr Schulleiter so macht als sei alles normal?“ Er blickte Katsuja ungläubig an und schüttelte den Kopf. Dann nahm er seine Tasche und verließ die Umkleide. Kurz herrschte Stille.
 

„OK.“, begann der Kapitän und drehte sich zu den anderen um. „Will noch jemand gehen und den ganzen Schülern dort draußen den letzten Spaß an diesem Sportfest verderben?“

Keiner rührte sich.
 

„Oder wollen wir dieses Angebot annehmen und für unsere Schule und für unsere verschwundenen Kameraden unser bestes geben?“, fuhr er fort.

Einige nickten unsicher.
 

„Ich kann euch nicht hören!“
 

„Ja.“, meinte einer.
 

„Was ‚ja’?“, fragte Katsuja laut.
 

„Ja, wir wollen unser bestes geben!“, riefen einige.
 

Wollen wir unser bestes geben?“, fragte er wieder laut.
 

„Ja, wir wollen unser bestes geben!“, stimmten jetzt alle ein.
 

„Gut, dann geht ihr jetzt dort raus und macht euch warm! Um den Rest kümmern sich Takeshi und ich!“

Alle verließen wie ihnen geheißen die Kabine. Takeshi blickte ihnen zufrieden hinterher und klopfte Katsuja auf die Schulter.
 

„Alter, in solchen Momenten weiß ich immer warum du Captain bist! Deine Gabe zu motivieren ist unglaublich! Aber was machen wir jetzt? Wir können nicht mit sechs Leuten spielen.“
 

„Nimm du dir die Tasche mit den Ersatztrikots. Wir gehen jetzt noch ein paar Spieler werben!“ Katsuja schritt voran und verließ die Kabine, gefolgt von Takeshi.
 


 

„Hi, Mädels!“, begrüßte Yamamoto Bunny, Ami, Makoto und Minako, die auf der Wiese am Spielfeldrand saßen und den Spielern beim Aufwärmen zusahen, und gesellte sich zu ihnen.
 

„Wie sieht’s aus, wo ist die gegnerische Mannschaft?“, fragte er um ein Gespräch zu beginnen.
 

„Die ist noch nicht da.“, antwortete Ami, da die anderen drei zu abgelenkt von ihrer Suche nach Takeshi Ishida waren.
 

„Oh, sieh mal, sieh mal, da ist er!!“, quietschte Minako und krallte sich in Bunnys Arm. Takeshi wanderte mit Katsuja am Spielfeldrand entlang. Ab und zu blieben sie bei einigen Kerlen stehen und redeten mit ihnen, woraufhin diese nur immer den Kopf schüttelten.
 

„Was machen die denn?“, wollte Makoto wissen und versuchte an ihrer Gestik zu erkennen, was sie sprachen.
 

„Mich wundert es, dass die mit so wenigen Spielern überhaupt antreten wollen!“, meinte Yamamoto vewundert. „Ich hätte das Spiel abgesagt.“
 

„Wir sind froh, dass wir überhaupt verschwitzte Jungs sehen können!“, erwiderte Bunny.
 

„Jaa, und hauptsache Takeshi ist dabei!“, schwärmte Makoto.
 

„Ich wette, du traust dich nicht ihn um ein Date zu bitten!“, forderte Minako sie heraus.
 

„Um ein Date?“ Makoto lief bei der Vorstellung schon völlig rot an. „Na-natürlich trau ich mich das!“
 

„Tust du nicht!“
 

„Tu ich wohl!“
 

„Tust du nicht!“, trällerte Minako erneut.
 

„Doch, das tu ich!“, verteidigte sich Makoto.
 

„Gut, dann kannst du es ja jetzt beweisen, sieht so aus, als würde er herkommen!“ Die blonde deutete nach vorn. Katsuja kam mit Takeshi und zwei anderen im Schlepptau auf sie zu. Makoto lief noch roter an.
 

„Da seid ihr ja!“ Rei und Shigeru stießen zu ihnen, gerade als auch die beiden Fußballer bei ihnen ankamen.
 

„Hallo!“, begrüßte Katsuja sie alle freundlich. „Yamamoto, Shigeru, gut, dass wir euch hier treffen!“

Die beiden tauschten einen verwirrten Blick aus.
 

„Wollt ihr euch für die Ehre der Schule einsetzen?“, fragte der Kapitän.

Wieder tauschten sie einen Blick aus. Daisuke, der mit Takuro Amano hinter Takeshi und Katsuja stand, grinste.
 

„Jaa, sicher!“, antworteten die Angesprochenen noch immer von nichts ahnend.
 

„Gut!“, freute sich Katsuja. „Willkommen im Team! Kommt euch gleich warm machen! Fehlt jetzt nur noch einer…“

Damit ging er wieder, auf der Suche nach dem letzten potentiellen Opfer.

Noch bevor die beiden realisierten, was geschah, drückte Takeshi jedem ein Trikot in die Hand.
 

„Umziehen könnt ihr euch in der Umkleidekabine!“ Somit folgte er Katsuja.

Daisuke fing laut zu lachen an.
 

„Mieser Trick is’ das, nich’ wahr? Ich bin auch drauf reingefallen!“ Demonstrativ zeigte er sein Trikot mit der Rückennummer 18. Shigeru blickte noch immer ungläubig auf seines.
 

„Ich kann gar kein Fußball spielen!“, jammerte Takuro. „Ich bin eine Niete in Sport!“
 

„Tja, Shigeru, erst wolltest du dir das Spiel nicht ansehen und jetzt musst du sogar selbst mitspielen!“, neckte Rei ihn und stieß ihm in die Rippen. „Das ist wohl die Ironie des Lebens!“

Shigeru schaute sie schmollend an.
 

„Das ist nicht witzig!“, grummelte er. Rei lachte ihn an. „Hör’ auf zu lachen!“

Die dunkelhaarige musste noch mehr lachen.
 

„Viel Glück!“, wünschte sie ihm lachend.
 

„Hör’ auf dich über mich lustig zu machen!“, knurrte der blonde.
 

„Nein, das meine ich ernst.“, beteuerte Rei und fing sich wieder. „Viel Glück!“
 

Leicht verwirrt darüber ob sie das nun wirklich ernst meinte oder ihn doch nur veräppelte, und etwas rotwangig vor Ärger betrachtete er sie, ließ dabei seinen Blick unbewusst über ihren Körper schweifen und blieb schließlich auf ihren Beinen hängen. Lange Beine. Kurzer Rock. Shigeru fragte sich, warum der Rock der Schuluniform einer Schülerin einer privaten religiösen Mädchenschule kürzer war, als der der Mädchen einer öffentlich-gemischten.
 

„Hey, Leute! Jetzt geht euch schon umziehen!“ Takeshi riss Shigeru aus seinen Gedanken, der sich schwer ertappt fühlte und sich ein bisschen schämte Rei so begafft zu haben, und schob die vier Jungs in Richtung Umkleide. „Wir müssen euch noch einen Crash-Kurs verpassen!“
 

Nachdem sich die Jungs umgezogen hatten und auch Takato, als letzter fehlender Spieler, zu ihnen gestoßen war, beobachteten Takeshi und Katsuja ihre Aushilfen beim Aufwärmen. Takuro war nach einer Runde um den Sportplatz schon völlig außer Atem, Yamamoto hatte noch kein einziges Mal den Ball getroffen, Takato traf diesen zwar, nur schoss er in jede erdenkliche Richtung außer in die, in die er schießen sollte und Shigeru stand missmutig in der Gegend herum. Der einzige, der Potential hatte, war Daisuke. Gekonnt erzielte er ein Tor, das nicht einmal Yosuke halten konnte.
 

„Wir sind geliefert.“ Takeshi konnte nur noch ironisch grinsen. Am liebsten würde er sich weinend in eine Ecke setzen.
 

„Ich weiß.“, antwortete Katsuja resigniert. „Wo ist eigentlich die andere Mannschaft?“

Er blickte sich fragend um.
 

„Wenn die nicht kommen, werden wir uns wenigstens nicht blamieren.“, meinte Takeshi schulterzuckend.
 

„Hey Jungs!“ Drei Mädchen kamen aufgeregt auf die beiden Fußballer zugelaufen.
 

„Ach, sieh mal an…die kuriosen Drei!“, scherzte Takeshi mit einem schiefen Grinsen. „Was wollt ihr heute wieder wissen? Was wir gefrühstückt haben? Oder welche Unterwäsche wir tragen?“
 

„Nein, das wollen wir ganz bestimmt nicht wissen!“, fuhr Hinagiku den größeren an.
 

„Wir wollten euch nur viel Glück wünschen!“, erklärte Yuri sanftmütig und widmete sich Katsuja, während Momoko nach ihrem Yosuke rief, der noch immer mit Daisuke Torschüsse übte. Als er seine Freundin hörte, wies er den braunhaarigen an zu stoppen und folgte ihrem Rufen. Momoko umarmte den Torhüter stürmisch und sie turtelten, wie immer. Katsuja fragte sich, wie die beiden angesichts der Lage so unbesorgt sein konnten. Immerhin wussten sie noch immer nicht, mit wem oder was sie es zu tun hatten, nur, dass ständig Monster auftauchten und Leute spurlos verschwanden.

Daisuke stieß zu ihnen und suchte Katsujas Aufmerksamkeit.
 

„Hey, wir fangen jetzt an!“ Er deutete hinter sich auf den Schiedsrichter, der erwartungsvoll zu dem Grüppchen blickte.
 

„Wer ist das denn?“, fragte Takeshi verwundert. „Ich dachte Moriyama pfeift heute!“

Der braunhaarige zuckte nur unwissend die Schultern, während der Schiedsrichter wieder alle Spieler dazu aufrief, sich aufzustellen.
 

Shigeru fluchte innerlich. Nicht nur, dass er dazu verdonnert wurde mitzuspielen, jetzt musste er auch noch den Anstoß machen! Dabei hatte er sich extra wenig Mühe beim Aufwärmen gegeben, in der Hoffnung vielleicht doch noch gegen jemand anderes ausgetauscht zu werden. Aber wo zur Hölle war diese andere Mannschaft? Erst hetzt der Schiedsrichter rum, dass sie sich bereit machen sollten und jetzt kommen ihre Gegner nicht bei! Und der Schiedsrichter selbst ist auch verschwunden!

Er blickte rechts und links neben sich. Takuro und Takato sahen auch sehr angespannt aus.
 

Die Sailor Krieger saßen mit den Liebesengeln gemeinsam am Spielfeldrand und erwarteten gespannt den Beginn des Spieles. Eigentlich war es nur ein dummer Zufall, dass sie dort zusammen im Gras hockten, da sich eine Klassenkameradin von Rei, Scarlet, zu dieser gesellte und später die anderen drei dazu stießen.

Der Schiedsrichter lief wieder auf das Spielfeld. Einige Meter hinter ihm folgte eine Mannschaft, die nicht besonders stark wirkte. Sie stellten sich auf und ein Kerl, der einen ganzen Kopf kleiner als Shigeru war und nicht gerade so aussah, als würde er oft Sport machen, stand ihm gegenüber. Er war zwar klein, aber ein richtiger Schönling, hatte strahlende dunkle Augen und hellbraunes Haar.

Der blonde betrachtete sich die anderen Spieler. Seltsame Mannschaft, es schienen so gut wie alle Altersklassen vertreten zu sein und sogar zwei Mädchen waren aufgestellt. Shigeru blickte hilfesuchend zu Katsuja. Ihre Mannschaft wird wohl nicht der Hammer sein, aber sie konnten doch wohl nicht gegen Mädchen spielen! Zumal das eine höchstens zwölf Jahre alt war, klein und schmächtig, man wollte es eher beschützen, als gegen es anzutreten.

Der Schiedsrichter wies Shigeru an sich bereit zu machen und nach dem Anpfiff spielte dieser zu Takeshi, der mit Leichtigkeit an den Spielern der gegnerischen Mannschaft vorbeilief und auf das Tor zustürmte. Kaum einer der Gegner bewegte sich. Seine Mitspieler sahen allesamt ziemlich verwirrt aus und keiner wusste so recht, ob das alles nur ein schlechter Scherz war.

Der kleinere Kerl, der Mittelfeldspieler zu sein schien, rührte sich nicht vom Fleck. Shigeru fiel auf, dass er eine Uhr trug, die ziemlich teuer aussah und mit Sicherheit allen möglichen technischen Schnick-Schnack hatte. Der braunhaarige blickte abwartend auf diese, er schien sich das Ende des Spieles herbeizusehnen, obwohl es doch erst angefangen hatte. Tolle Mannschaft, die der Direktor da angeschleppt hat, dachte sich Shigeru. Im Grunde freute er sich irgendwie doch mitspielen zu können, auch wenn er das vor anderen nie zugeben würde, und war schon etwas enttäuscht.

Mittlerweile war Takeshi beim Tor angelangt. Es war alles viel zu einfach, das machte ihm keinen Spaß! Er setzte an um zu schießen und war sich eines Tores vollkommen sicher, doch noch während er ausholte, bewegte sich der Torhüter schon in die linke Richtung, in die der blonde auch tatsächlich schoss. Mit Leichtigkeit konnte er den Ball halten.
 

„Ok.“, murmelte der Mittelspieler und wandte seinen Blick von der Uhr ab. Er drehte sich zu seinen Mitspielern um. „Los geht’s!“
 

Der Torwart warf den Ball einem Spieler zu, der nach vorne lief. Plötzlich setzten sich alle Spieler in Bewegung. Etwas irritiert blickten Katsuja, Yamamoto und Takato dem Schauspiel zu und auch die Zuschauer waren überrascht.
 

„Erst keine Reaktion und jetzt kommen alle, oder wie!?“, knurrte Daisuke und lief auf den Ballbesitzer zu um ihm das Leder zu entwenden. Geschickt trickste er diesen jedoch aus und passte auf das kleine Mädchen, das auf Yamamoto zulief. Dieser glaubte nicht richtig zu sehen und wusste schon gar nicht, was er machen sollte, er wollte doch keinem unschuldigen Mädchen den Ball wegnehmen, zumal sie ihm höchstens bis zur Hüfte ging. Auch die anderen Spieler schauten verdutzt zu, keiner wollte sich in seiner Lage befinden. Der braunhaarige Mittelfeldspieler lief neben dem Mädchen her und auch auf Yamamoto zu, dieses gab ihm eine perfekte Vorlage, woraufhin er mit voller Wucht schoss, direkt ins Gesicht des rothaarigen, der der unerwarteten Attacke nicht mehr ausweichen konnte. Benommen fiel er zu Boden, während das Spiel ungestört weiter ging.
 

„Hey! HEEEY!!!“, schrie Takeshi. „DAS WAR EIN FOUL!!!“ Er blickte erwartungsvoll zum Schiedsrichter, der jedoch nur die Schultern zuckte.
 

„Ich habe nichts gesehen, das Spiel geht weiter!“
 

„Aber…Sie sehen doch wie er am Boden liegt!“, erwiderte Takeshi empört. Mittlerweile hat sich die halbe Mannschaft um Yamamoto versammelt.
 

„Es war mit Sicherheit nur ein Versehen.“, tat er es nur ab und schob seine Brille hoch.
 

„Dann lassen Sie uns das Spiel wenigstens kurz unterbrechen!“

Der Schiedsrichter schüttelte nur desinteressiert den Kopf.

Takeshi knurrte. Der Kerl war sicherlich bestochen worden.
 

Die Spieler halfen Yamamoto auf, der sich mit einer Hand nur Mund und Nase zuhielt und schmerzerfüllt stöhnte.
 

„Es geht schon.“, meinte er und wurde von den anderen losgelassen. Der rothaarige spürte eine warme Flüssigkeit unter seiner Hand und musste gezwungenermaßen schauen ob es Blut war, auch wenn es eigentlich nichts anderes sein konnte. Als er die rote Flüssigkeit auf seiner Hand erblickte wurde ihm schummrig.
 

„Oh…Blut…“ Er verdrehte die Augen und sackte wieder zusammen. Die anderen waren erschrocken. In diesem Moment stießen Takeshi und Shigeru, der sich sofort zu seinem Kumpel runterkniete, zu ihnen.
 

„Er-er ist wieder umgekippt!“, berichtete einer besorgt. Shigeru entdeckte sein Nasenbluten.
 

„Er kann kein Blut sehen!“, erklärte er. „Dann wird er immer ohnmächtig!“

Die gegnerische Mannschaft jubelte. Ein Tor war gefallen, aber das war auch im Angesicht von Yamamotos Verletzung kein Wunder. Wahrscheinlich umringten die meisten Spieler den Verwundeten und kaum einer konnte die Gegner vom Tor fern halten.
 

„Wir schaffen ihn vom Platz!“, boten Takato und Takuro an, legten die Arme des rothaarigen um ihre Schultern und trugen ihm vom Platz.
 

„Kleiner Mistkerl!“, knurrte Shigeru und hielt Ausschau nach dem Mittelfeldspieler. Dieser lief gerade zurück auf seine Position und grinste den blonden überheblich an. Shigeru ballte eine Faust. Er spürte wie es in ihm brodelte und presste seine Kiefer zusammen, verfolgte den kleineren mit seinem Blick, stand auf und lief ihm hinterher.
 

„Hey, du Mistkröte!“

Der braunhaarige drehte sich um und lief ein paar Schritte rückwärts, stoppte dann als er Shigeru sah. Dieser schubste ihn leicht.
 

„Was sollte das denn? Das war doch Absicht! Spielen wir heute etwa unfair!?“

Der gegnerische Spieler zuckte die Achseln.
 

„Der Schiedsrichter hat nichts gesehen!“ Er fing wieder an zu grinsen. „Also…ist nichts geschehen!“

Der blonde spürte wie sich seine Muskeln zunehmend unangenehm anspannten, seine Faust zuckte und zitterte. Währenddessen wurde das Spiel fortgesetzt, Katsuja war in Ballbesitz, doch ein Spieler nahm ihm diesen geschickt weg.
 

„RYOICHI!“

Der Mittelfeldspieler blickte zu dem Rufer, der ihm den Ball abspielte. Gekonnt nahm er diesen an und stellte seinen Fuß auf diesen. Shigeru starrte auf das runde Leder und dann zu diesem Kerl. Seltsamerweise setzte sich dieser allerdings nicht in Bewegung um auf das Tor zuzustürmen, sondern grinste den blonden nur provozierend an.
 

„Willst du nicht den Ball? Oder glaubst du, du kommst nicht gegen mich an?“ Der braunhaarige zog eine Schnute und machte sich lächerlich über Shigeru.

Diesem platzte jetzt der Kragen! Er musste sich doch nun wirklich nicht von so einem Blödmann veralbern lassen! Shigeru schubste sein gegenüber weg, der dadurch hart zu Boden fiel, und setzte an um zu schießen, er wollte seine ganze Kraft in diesen Schuss legen, ihm war es egal wohin er schoss, er musste nur seiner grenzenlosen Wut Luft machen, die dieser Kerl provoziert hatte, sie musste raus, sonst würde er platzen. Er fühlte diese unglaubliche Energie in sich, sie pulsierte und schrie nach Freiheit, einfach nur hinaus, egal wohin oder wie, hauptsache weg!

Shigeru schrie und schoss. Der Ball zischte ab, einzelne Grashalme wirbelten in der Luft. Das Leder schoss mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit auf das Tor zu und schien dieses auch mit Leichtigkeit zu erreichen, obwohl sich Shigeru an der Mittellinie und somit nicht einmal annähernd in der Nähe des Tores, befand. Einige Spieler duckten sich weg, so auch der Torwart. Unaufhaltsam flog der Ball in einer geraden Linie ins Netz und zerriss dieses.

Der Torwart blickte zu dem Loch, er roch den verschmorten Geruch des Leders und des Synthetikstoffes des Netzes.

Shigeru weitete die Augen als er die Auswirkung seines Schusses sah. Es herrschte völlige Stille, unter den Mannschaften, wie auch unter den Zuschauern. Nur der Pfiff des Schiedsrichters durchschnitt die Szenerie, er kam zu Shigeru und dem noch immer auf dem Boden liegenden Ryoichi gelaufen und hob die rote Karte.
 

„Platzverweis für Nummer 24!“ Der schwarzgekleidete deutete zum Spielfeldrand.

Mit offenem Mund starrte Shigeru zu diesem. Nach einigen Sekunden schüttelte er nur den Kopf und verließ langsam das Feld, während ihm seine Mannschaft und die Zuschauer ungläubig hinterher starrten. Nur das gegnerische Team mitsamt Schiedsrichter schienen unbeeindruckt von diesem Vorfall. Ein großer, blonder und sehr schlaksiger Bursche half Ryoichi auf. Dieser warf nur einen Blick auf seine Uhr.
 

„Das Spiel hat soeben begonnen!“, lächelte er zufrieden und schaute Shigeru triumphierend hinterher.
 


 

Es war schon mitten in der Nacht und seine Nase tat ihm immer noch weh. Mittlerweile war der Schmerz sogar bis in seinen Kopf gestiegen, aber das konnte auch gut davon kommen, dass er mal wieder viel zu lange am PC gearbeitet hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon weit nach ein Uhr war. Er fluchte leise vor sich hin und beschleunigte seine Schritte. Gott sei Dank wohnte er nicht mehr bei seinen Eltern, die würden ihm den Kopf abreißen, wenn er ohne bescheid zu sagen, mitten in der Nacht nach Hause käme, wo doch ständig diese Monster auftauchten.

Jeder Schritt hallte von den Hauswänden wider. Von weitem konnte er schon sehen, dass ihm jemand entgegen kam. Kurz war ihm etwas mulmig zumute, aber dann konnte er eine Frau erkennen, die eigentlich recht harmlos aussah. Unbeirrt kamen sie aufeinander zu, beachteten scheinbar den jeweils anderen nicht und gingen in dem Lichtkegel einer Straßenlaterne aneinander vorbei. Erst ein paar Meter weiter musste Yamamoto stoppen. Etwas rotwangig drehte er sich zum ersten Mal in seinem Leben nach einem Mädchen um und konnte sie noch in eine andere Straße einbiegen sehen. Sein Herz klopfte wild in seiner Brust, so etwas hatte er noch nie erlebt und erst Recht hatte er noch nie eine solche Schönheit gesehen. Selbst in dieser Dunkelheit leuchtete ihr tiefrotes Haar, Yamamoto war hin und weg. Er fragte sich, was sie um diese Uhrzeit hier draußen suchte, da es doch ganz und gar nicht sicher war, nicht nur wegen den Monstern, auch wegen Kriminellen. Wäre sie nicht in die Seitenstraße eingebogen, wäre er ihr mit Sicherheit gefolgt und hätte ihr angeboten, sie in seinem Schutz sicher nach Hause zu begleiten. Kurz überlegte er auch noch ihr hinterher zu laufen, doch dann seufzte er und ließ von dem Gedanken ab. Mit Sicherheit war sie schon längst weg.

Yamamoto drehte sich wieder um, um seinen Weg nach Hause fortzusetzen, doch er war etwas irritiert, als er plötzlich eine völlig andere Umgebung vor sich hatte. Er stand auf einmal nicht mehr auf dem Bürgersteig einer breiten, hell erleuchteten Straße, sondern in einem breiten schmierigen Hinterhof. Verwirrt drehte er sich um, doch direkt hinter ihm war plötzlich die riesige Hauswand eines Fabrikgebäudes. Etwas erschrocken wich er von dieser zurück.
 

„Was zum…?“
 

Ein helles Licht erhellte die Gasse. Der rothaarige blickte in den Himmel und wurde geblendet. Erst dachte er, es sei ein UFO, doch dann konnte er erkennen, dass sich der Himmel förmlich auf tat und ein riesiges Loch freilegte. Ein starker Wind kam auf und Yamamoto hob schützend seinen Arm. Alles in ihm sagte, dass er so schnell wie möglich von hier verschwinden sollte, aber er war wie erstarrt und blickte gebannt in das Loch, neugierig darauf, was als nächstes geschieht. Das Licht wurde strahlender und formte sich zu einer Säule, die bis vor Yamamoto auf den Boden reichte. Der Wind war plötzlich weg, es herrschte vollkommene Stille. Gebannt blickte der rothaarige in die helle Säule, einzelne Lichtpartikel schienen umherzufliegen und sich zu etwas zu formen. Erst langsam, doch dann flogen sie immer schneller aufeinander zu, sie färbten sich währenddessen in verschiedene Farben, grün, rot, grau, doch die meisten waren pechschwarz. Der 18-jährige wich einige Schritte zurück, bis er an der kalten Mauer des Fabrikgebäudes zum Stehen kam. Mit offenem Mund betrachtete er das Schauspiel. Sein Gefühl wurde immer schlechter, besonders als sich die Lichtsäule in den Himmel zurückzog, sich das Loch wieder zu tat und vor ihm ein riesiger schwarzer Dinosaurier, mit tiefblauen Augen, elfenbeinfarbenen riesigen Klauen, die mit einer Art Metallplatte besetzt waren, stand. Riesige Lederriemen wickelten sich um die Unterarme des Monsters und zwei gigantische Zähne traten aus seinem Maul.
 

Vor Schreck zitterte Yamamoto am ganzen Leib. Er konnte nicht glauben, was da eben geschah und schon gar nicht, dass eines dieser berühmt berüchtigten Monster vor ihm stand. Stoßweise atmete er und betete zu allem was ihm lieb und heilig war, dass es ihn nicht bemerkt hatte, doch dann würde es ihn wohl kaum so eindringlich anstarren. Langsam beugte es sich zu ihm herunter, legte den Kopf schief und betrachtete ihn mit einem Auge, das größer war als Yamamotos Kopf, wich dann ein kleines Stück zurück, nur um ihn dann zu beschnuppern. Stoßweise sog es seinen Geruch ein, nur um dann mit einem Mal auszuatmen und den rothaarigen mit Rotze voll zu sauen.

Verkrampft stand er an der Wand und hatte das Gefühl, dass dieser Dino, es hatte zumindest den Anschein, dass es einer war, ihm nichts tun würde, als es sich wieder aufrichtete. Es knurrte leicht und fixierte den rothaarigen. Plötzlich holte es jedoch mit dem Arm aus und ließ seine Krallen in die Stelle, an der Yamamoto stand, versinken, woraufhin das gesamte Gebäude laut zusammenbrach. Das Monster knurrte wieder und zog seinen Arm kräftig wieder zurück, wodurch es die eingebrochenen Teile des Hauses mitriss und gegen das gegenüberliegende Hochhaus schleuderte, das einen beträchtlichen Schaden davontrug. Es schnupperte an den Trümmern des zerstörten Gebäudes. Allerdings witterte es Yamamotos Geruch aus einer Gasse. Das riesige Monster schnüffelte weiter, es war sich sicher, dass er in der Gasse war, doch konnte es ihn nirgendwo entdecken. Es brüllte laut, woraufhin sich der hinter einem Müllcontainer kauernde Yamamoto sehr erschrak. Er hielt die Luft an, befürchtete aber, dass das Ungeheuer seinen schnellen Herzschlag hören oder seine Angst riechen konnte. Der 18-jährige hielt sich den Mund zu und hörte in die aufkeimende Stille. Er hörte es atmen und sich bewegen, doch hoffte er inständig, dass es weggehen würde. Gedanklich bat er alle Götter um sein Überleben und kniff die Augen zusammen.
 

Er hörte nur noch wie das Monster sehr viel Luft einzog, diese kurz anhielt und mit einem Feuerschwall ausstieß. Yamamoto presste sich noch enger an den Container und hob schützend seine Arme vor sein Gesicht. Er hörte wie sich das Metall des Containers unter der großen Hitze verbog, der verschmorte Geruch verkohlten Mülls stach in seine Nase und er hatte das Gefühl unter der Hitze zu verbrennen. Der Feuerschwall hörte plötzlich auf und Yamamoto glaubte nicht, dass er noch lebte. Zwar durchaus mit zitterndem Körper und mittlerweile vor Angst ausgesetztem Herzen, aber er lebte und war weitesgehend unverletzt.

Das Monster rammte unverhofft seine Krallen hinter Yamamoto in den Müllcontainer und Boden und scharte diesen weg, legte somit den Blick auf Yamamoto frei, der ängstlich rückwärts von dem Ungeheuer weg kroch und holte wieder aus um ihm endlich den Garaus zu machen. Der rothaarige sah sein Leben als so gut wie beendet an, doch wieder tat sich der Himmel auf, wieder stieß eine Lichtsäule zum Boden hinab, hüllte das Monster ein und löste es wieder in Lichtpartikel auf, noch bevor es Yamamoto erreichen konnte. Das Loch verschwand und alles war, als wäre nie etwas geschehen. Der Computerfreak starrte ungläubig in den Himmel, konnte sich weder rühren noch einen klaren Gedanken fassen. Er hätte nie gedacht, dass er jemals einem dieser Monster begegnen würde und dann auch noch gleich einem so großen. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, in welcher Gefahr sich die ganze Stadt eigentlich befand, es könnten jederzeit von überall her Monster angreifen. Er verstand jedoch nicht, warum es wieder verschwand. Beabsichtigt war es jedenfalls nicht. Doch genau das rettete ihm das Leben.

Noch immer zitternd stand Yamamoto auf. Er wollte nur noch so schnell wie möglich in seine Wohnung oder wohin auch immer, hauptsache nur weg von hier.
 


 

Zur selben Zeit, in einem anderen Teil der Stadt, fand ein erbitterter Kampf zwischen den Sailor Kriegerinnen und einem weiteren Monster statt. Es war knapp zwei Meter groß, hatte eigentlich die Proportionen und die Statur eines normalen Mannes, bis auf den Unterschied, dass sein ganzer Körper in Flammen eingehüllt war und es dementsprechend einen großen Teil der Umgebung schon in Brand gesteckt hatte. In den Nahkampf konnte das Sailor Team nicht übergehen, da sie Gefahr liefen schwere Verbrennungen zu erleiden, Mars’ Ofuda verbrannte auch einfach nur, ihre Feuerringe und ihr Feuerball kräftigten das Monster bloß und die Attacken der anderen zeigten auch wenig Wirkung, bis auf Merkurs Wasserstrahl, dem das Monster jedoch flink ausweichen konnte. Umzingelt von den tapferen Kriegerinnen stand es kampfbereit in der Mitte und beobachtete sie mit seinen lila-glänzenden Augen. Sein Feuer loderte unaufhörlich und erhellte die Umgebung.

Jupiter war sich nicht sicher, ob sie dieses Monster jemals besiegen konnten, seine Ausdauer schien unerschöpflich zu sein. Während alle schon ziemlich angeschlagen aussahen, kämpfte es noch wie zu Beginn des Gefechts. Sie fühlte sich ziemlich machtlos, da sie es nicht einmal von nahem bekämpfen konnte, aber sie wollte auch auf gar keinen Fall in der Haut von Mars stecken, die dem Monster sogar mit einer Attacke Kraft gab, woraufhin es sich gehässig grinsend bedankte.

Das Monster glitt auf Sailor Moon zu und versenkte seine Faust im Boden, als diese ungeschickt auswich und hinfiel. Diese Chance nutzte Venus und fesselte es mit der Feuerherzenkette, woraufhin es sich mit aller Kraft wehrte und sie sich kaum auf den Beinen halten konnte.
 

„LOS, MERKUR!“

Sie war deren einzige Hoffnung, die letzte Chance die ihnen noch blieb: Ein direkter Treffer des Wasserstrahls. Ansonsten hatten sie schon so gut wie alles versucht und müssten danach fast schon aufgeben, da das Monster unbesiegbar erschien.

Sailor Merkur beschwor einen gewaltigen Wasserstrahl herauf und schickte diesen direkt auf das brennende Ungetüm. Zischend prasselte das kühle Nass auf es ein, Wasserdampf vernebelte alles und Venus hatte immer größere Mühe das Monster noch festzuhalten. Mit einem Mal wurde sie von den Beinen gerissen, das brennende Etwas sprang hoch in die Luft und griff Merkur an, die hart ausweichen musste. Erst hatte es den Anschein, das Monster sei geschwächt, es machte einen Buckel und seine Flammen loderten nicht mehr so stark, doch mit einem Aufschrei bäumte es sich auf und schickte Stichflammen in alle Richtungen.
 

Es hatte gar nichts gebracht.
 

Das Monster war nicht einmal ansatzweise erschöpft, die Sailor Kriegerinnen hingegen sehr.
 

„Was sollen wir nur tun, es hat alles keine Wirkung!?“, fragte Venus verzweifelt und sprach somit allen aus der Seele. Sie versuchte es mit dem Halbmondstrahl und hatte große Mühe diesen heraufzubeschwören, doch als er auf das Monster traf, versank er nur in dessen Körper.

Venus sackte schwer atmend in die Knie. Ein Blick in die Gesichter ihrer Mitstreiterinnen verriet ihr, dass diese auch nicht mehr lange durchhalten konnten.

Mars überlegte sich einen letzten Versuch zu starten. Vielleicht konnte man doch Feuer mit Feuer bekämpfen, wenn sie es schaffte, dass sich das Monster zu sehr mit Energie auflädt, könnte es möglicherweise ‚überhitzen’. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich darauf das Ungeheuer mit ihrem Feuer vollzupumpen. Dazu brauchte sie aber eine Menge Kraft.
 

„MARS!“, riefen die anderen mitten in ihrer Konzentrationsphase und sie riss die Augen auf, erblickte nur noch das Monster, das sich mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu bewegte, doch sie war zu erschrocken um auszuweichen. In letzter Sekunde versank eine lange Stange, der mit pfeifender Geschwindigkeit von dem Dach einer der umliegenden Lagerhallen herabgeworfen wurde, im Körper des Monsters, das aufschrie, zu Boden fiel und direkt vor Mars zum Liegen kam. Diese trat einige Schritte zurück und blickte erschrocken auf das Ungeheuer, das sich wandte und winselte und versuchte die Stange aus seinem Rücken zu ziehen.

Sailor Moon blickte auf das Dach, um ein ihr bekanntes Gesicht auszumachen, aber zu ihrer Verwunderung konnte sie keinen Tuxedo Mask mit Umhang und Zylinder erkennen, sondern nur die Umrisse eines anderen Kerls, der in diesem Moment vom Dach sprang und neben dem Monster landete. Dieses erhob sich augenblicklich, wollte ihn greifen, doch er wich unbeeindruckt aus, griff das Monster an der im Rücken steckenden Stange und schleuderte es zu Boden. Etwas benommen stand es wieder auf und blickte den Kämpfer wütend an. Es streckte seinen Arm nach vorne aus und schoss eine Feuerkugel ab, über die er mit einem gekonnten Salto hinweg sprang. Noch in der Luft zog er sein Schwert, das er auf dem Rücken trug, und kaum hatte er den Boden berührt, machte er einen Satz nach vorne und kam hinter dem Monster zum Stehen, das Schwert vor sich haltend. Weder das Ungeheuer noch er rührten sich, bis es sich plötzlich in kleine Partikel auflöste. Der Retter der Sailor Kriegerinnen ließ sein Schwert zurück in die Scheide gleiten und drehte sich zu den Mädchen um, blickte von einer zu anderen.
 

„Alles in Ordnung?“, fragte er ruhig in die Runde, woraufhin er als Antwort ein Nicken erhielt.
 

„Gut.“ Er klopfte sich den Ärmel seiner dunkelblauen Jacke ab, an dem sich einige Schmorspuren befanden. Die Sailor Kriegerinnen schauten ihn gebannt an. Sie kämpften schon so lange gegen dieses Monster und er kam und erledigte es mit nur wenigen Handgriffen.
 

„Wer bist du?“, wollte Sailor Moon wissen.
 

„Mein Name ist Trunks.“, antwortete er seelenruhig. „Und ihr seid die Sailor Kriegerinnen.“

Wieder blickte er von einer zur anderen. Und wieder erntete er nur ein Nicken.
 

„Geht nach Hause!“, meinte er zu ihnen. „Der Kampf war schwer genug für euch.“
 

„Hast du uns etwa beobachtet?“, fragte Jupiter leicht säuerlich. Sie sind alle fast drauf gegangen und er hatte nichts Besseres zu tun, als sie die ganze Zeit zu begaffen und erst im allerletzten Moment einzugreifen?
 

„Vielleicht.“, antwortete er nur knapp, sprang zurück auf das Dach und auf der anderen Seite wieder herunter. Die fünf Kriegerinnen starrten ihm gebannt hinterher.
 

„Wer zur Hölle war das?“, kam es von Venus.
 

„Keine Ahnung, aber ihm haben wir unser Leben zu verdanken.“, antwortete Merkur.

Sailor Mars war noch immer benommen von dem Schock des auf sie zufliegenden Monsters und diesem Trunks, der sie gerettet hat.
 

„Was er auch immer im Schilde führt, ich muss ihm Recht geben: Lasst uns nach Hause gehen, das war genug für eine Nacht!“, merkte Jupiter an. Alle stimmten dem zu und so verließen Merkur mit Jupiter, Venus mit Sailor Moon und Mars alleine, in verschiedene Richtungen den Kampfplatz, der überall Brandspuren aufwies.
 

Der Tempel war nicht weit weg von hier.

Die dunkelhaarige schlüpfte zwischen zwei Gebäuden hindurch um ihren Weg abzukürzen und sich unbeobachtet zurückverwandeln zu können. Gerade als sie die Hälfte der engen Gasse passiert und wieder zu Rei werden wollte, hörte sie ein Geräusch hinter sich. Kampfbereit drehte sie sich um, doch niemand war zu sehen. Mars lief ein leichter Schauer über den Rücken. Einige Sekunden verharrte sie und beschloss dann, dass es wahrscheinlich nur eine streunende Katze oder ein anderes Tier war. Sie drehte sich wieder um und blickte Trunks, der dicht hinter ihr stand, direkt ins Gesicht. Leicht erschrocken trat sie einige Schritte zurück und wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Erst dachte sie, er sei ein neuer Verbündeter, doch jetzt hatte sie den Verdacht, dass er vielleicht doch ein Feind sein könnte. Wahrscheinlich vertraute sie ihm zu schnell.
 

Trunks legte eine Hand auf das kalte Gemäuer des einen Hauses und trat näher an Sailor Mars heran.
 

„Was willst du von mir?“, fragte diese bestimmt.

Er kam noch ein Stück näher, sie wich wieder zurück.
 

„Komm mir nicht zu-“
 

„Ich tue dir nichts!“, unterbrach Trunks sie mit ruhiger Stimme. „Ich möchte nur meinen Dank abholen!“
 

„Deinen Da-“
 

Noch bevor Mars ihren Satz beenden konnte, griff er sie an ihren Handgelenken, hielt diese neben ihrem Kopf an die Wand, presste ihren Körper mit dem seinen an die Hauswand, beugte sich zu ihr herunter und legte seine Lippen zärtlich auf ihre.

Mars riss erschrocken die Augen auf, während er sie mit geschlossenen Augen küsste. Sie erwiderte seinen Kuss nicht, aber sie wehrte sich auch nicht sonderlich, sie konnte vor Schreck einfach nichts tun. Die dunkelhaarige hatte alles Mögliche erwartet, einen Kuss jedoch ganz und gar nicht.

Langsam löste er seine Lippen wieder von ihren und ließ bedächtig ihre Handgelenke los. Sie blickte ihn geschockt an. Trunks trat einen Schritt zurück, trennte seinen Blick aber nicht von ihr. Erst nach einigen Sekunden, die Mars wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, unterbrach er den Blickkontakt und verließ die kleine Gasse in die Nacht hinein, ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen und ließ sie verwirrt zurück.

Sailor Mars war wie angewurzelt. Ihr Herz klopfte wild und ihr Atem ging schnell.

Das Echo von Trunks Stimmte hallte in ihren Gedanken wider.

‚Ich möchte nur meinen Dank abholen!’

Ihren vermeintlichen Dank an ihn?

Sailor Mars schüttelte den Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können und trat benommen weiter den Heimweg an.
 

Rei schloss erleichtert die Haustür hinter sich, lehnte sich mit dem Rücken gegen diese und schloss die Augen. Sie verharrte einige Sekunden so.

Sie schaute zur Decke. Weiß.

Ihr Blick wanderte zu ihren Füßen.

Rei dachte an das Monster. Und an seinen Angriff. An ihn wie er sie rettete. Und wie sie sich bedanken musste.

Zaghaft strich sie mit zwei Fingern behutsam über ihre Lippen. Sie wusste nicht warum, aber Tränen bildeten sich in ihren Augen. Rei blinzelte, versuchte gegen den Drang zu weinen anzukämpfen, wollte den Kloß in ihrem Hals herunterschlucken und sie schien auch zu siegen, aber dann brach sie plötzlich völlig in Tränen aus. Sie ließ sich an der Tür herunter gleiten, zog ihre Knie an, schlang ihre Arme um diese und wog sich selbst, während sie still und allein vor sich hin weinte, ohne auch nur den geringsten Grund zu wissen warum.

Erkenntnis

Kapitel 4 – Erkenntnis
 


 

Das laute Zwitschern der Vögel drang an sein Ohr und ein sanfter Windhauch strich an seiner Wange vorbei. Grummelnd zog er die Bettdecke tief in sein Gesicht. Die Vögel begannen einen penetranten Sing-Sang und er konnte deutlich den Flügelschlag einiger hören, als sie wegflogen. Er hatte das Gefühl in der Wiese vor seinem Fenster zu liegen.

Mit noch immer geschlossenen Augen legte er sich brummelnd rum um sich zu versichern, dass er tatsächlich noch in seinem Bett lag, doch ein seltsames Klimpergeräusch weckte seine Aufmerksamkeit. Er spürte etwas Kühles an seinem Bein.
 

Komisch…
 

Er bewegte sich wieder, legte sich auf die Seite und spürte nun auch an seinem Arm diese Kühle. Langsam öffnete er die Augen und blickte regungslos auf seine Bettdecke. Schien alles normal. Vorsichtig tastete er sich unter der Decke nach diesem kühlen Ding. Er vermutete, dass es sein Handy war, wäre nicht das erste Mal, dass es unter seiner Decke lag. Aber er musste feststellen, dass es auf keinen Fall sein Handy sein konnte, er hatte etwas Flaches und Glattes zwischen den Fingern, es war irgendwie scharfkantig und eckig.

Verwundert fischte er es unter der Decke raus und betrachtete es. Es war eine Glasscherbe!

Der blonde fragte sich wo die herkam, als ihm auffiel, dass der Boden vor seinem Bett voll mit Glasscherben war. Verwirrt setzte er sich hastig auf und ein scharfer Schmerz zog sich durch sein Bein. Schnell schlug er seine Decke zurück und musste geschockt feststellen, dass sein Bett voll mit Glasscherben war! Sein Bein blutete, er hat sich eben geschnitten.

Aber wie zur Hölle kamen die Scherben in sein Bett?? Als er schlafen ging waren die noch nicht da! Ein leichter Wind fuhr ihm durchs Haar.

Shigeru wirbelte zum Fenster. Es war eingeschlagen!

Er sprang aus dem Bett und landete mit den Füßen auf noch mehr Glasscherben, die vor seinem Bett lagen und ließ sich mit schmerzverzerrtem Gesicht umfallen. Behutsam wischte er die Glassplitter von seinen Füßen.
 

Irgendwer war eingebrochen, er schnappte sich sein Handy und wollte schon die Polizei rufen, bis er plötzlich inne hielt. Sein Laken war dreckig! Shigerus Blick wanderte an ihm herunter auf seine Füße. Sie sahen aus, als sei er barfuß durch den Dreck gelaufen.
 

Was geht hier vor…?
 

„Ok, es muss eine logische Erklärung geben!“, versuchte er sich selbst zu beruhigen und suchte nach Hinweisen.
 

Er blickte noch einmal von seinen Füßen, zum Bett und zu seinem Fenster.

Da die Scherben in seinem Zimmer lagen, und nicht draußen, wurde es von außen eingeschlagen, das stand schon mal fest.

Ok, jetzt zu den Scherben. Eigentlich hatte er ja im Bett gelegen, deswegen müssten sie auf der Bettdecke liegen und nicht drunter. Theoretisch war er zu dem Zeitpunkt als das mit dem Fenster geschehen ist, nicht im Bett, aber das war ja eigentlich total lächerlich, er war ja kein Schlafwandler oder so.

Shigeru lachte über sich selbst. Doch auf einmal stoppte er ernüchtert und blickte wieder auf seine dreckigen Füße.
 

Er war doch etwa kein Schlafwandler!?
 

Der blonde hatte die Befürchtung, dass er selbst in seinem eigenen Zimmer eingebrochen war, um sich in sein Bett zu legen. Aber wie kam er raus? Er kratzte sich am Kopf und beschloss erst einmal zu duschen und sich etwas einfallen zu lassen, wie er das Reis Großvater erklären könnte, ohne dass er verrückt klang.
 

Als er aus der Dusche stieg wickelte er ein Handtuch um seine Hüften, stützte seine Hände auf das Waschbecken und betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Er sah müde und geschafft aus, hatte trübe Augen, die normalerweise strahlend blau sein sollten, und blickte drein, als sei er gerade von den Toten wiederauferstanden. Seine nassen Strähnen hingen ihm in die Augen und ließen ein paar Wassertropfen in sein Gesicht fallen, die sich an seine Haut schmiegten und ihren Weg zu seinem Kinn suchten, von wo aus sie abtropften.

Shigeru kniff die Augen zusammen. Er fühlte sich, als hätte er kein Auge zugetan und er war auch noch immer müde, die eiskalte Dusche hatte überhaupt nichts gebracht.

Der blonde beugte sich herunter über das Waschbecken, füllte seine Hände mit kaltem Wasser und erfrischte sein Gesicht, in der Hoffnung, doch noch etwas wacher zu werden. Als er wieder in den Spiegel aufblickte, erstarrte er. Hinter ihm stand ein großer männlicher Engel, mit einem goldenen Stab, orange-blonden langen Haaren, strahlend weißen Flügeln und einer Art Helm, der seine Augen verdeckte. Shigeru wirbelte herum, doch hinter ihm war nichts.

Langsam wandte er sich wieder seinem Spiegelbild zu, doch fand er dieses nun alleine vor. Der Engel war weg.

Naja, wenigstens war er durch den Schock jetzt wach. Aber so konnte es nicht weiter gehen. Die seltsamen Vorfälle um ihn häuften sich in letzter Zeit zunehmend. Er musste dringend mit jemandem darüber reden, am besten jemand, der ihm auch gleich noch sagt, dass er nicht verrückt war. Der blonde beschloss Yamamoto einen Besuch abzustatten.
 

In dem vornehmen Wohnblock herrschte wie immer absolute Stille. Keine kreischenden Kinder, die auf den Fluren spielten, keine genervten Eltern, die diese schreiend um Ruhe baten und auch keine Jugendlichen, die von der Party des Vorabends erwachten. Es hatte schon seine Vorteile, wenn man reiche Eltern hatte, die ihrem Sohn eine Eigentumswohnung finanzierten, die natürlich die besten Maßstäbe hatte und selbstverständlich in einem der sichersten Stadtteile untergebracht war.

Da lagen schon Welten zwischen Yamamotos und Shigerus Eltern. Der blonde seufzte und klingelte an der unter dem Namensschild angebrachten elektronischen Klingel, wartete vor der Tür, doch nichts regte sich im inneren. Shigeru klingelte ein weiteres Mal und schaute auf seine Uhr. Yamamoto musste wach sein, es war ja schon fast Mittag. Nervös scharrte er mit dem Schuh auf der Fußmatte, vor der Wohnung des rothaarigen. Shigeru klingelte ein weiteres Mal.
 

„Komm’ schon, Yama, es ist dringend!“
 

Er klingelte ein paar Mal hintereinander, als die Tür der gegenüberliegenden Wohnung geöffnet wurde und eine Frau mit einem Stapel alter Zeitungen hinaustrat. Neugierig blickte sie zu Shigeru und legte die Zeitungen neben ihrer Tür ab.
 

„Yamamoto ist nicht da!“

Shigeru schaute die Frau verwirrt an.
 

„Wie…er ist nicht da?“, fragte er. Yamamoto war immer da.
 

„Er war heute Morgen schon früh weg und trifft sich mit einem Mädchen!“ Die Frau kicherte mädchenhaft.
 

„Er…trifft sich…mit einem…Mädchen???“ Shigerus Verwirrung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Nein, er trifft sich nicht mit einem Mädchen!“, lachte er unsicher und schüttelte ungläubig den Kopf. Die einzigen Dates, die Yamamoto hatte, waren die mit seiner Computersoftware.
 

„Doch, das hat er gesagt, ich habe ihn als er gehen wollte auf dem Gang getroffen.“, erläuterte die Frau und blickte Shigeru verwirrt an. „Er schien sehr fröhlich zu sein.“
 

„Nein…nein! Er trifft sich nicht mit einem Mädchen!“, wiederholte dieser und schüttelte energisch den Kopf. Die Frau fand sein Verhalten wirklich sehr sonderbar, doch dann dämmerte es ihr langsam.
 

„Oh…oh, achso.“ Ihr Blick wandelte sich von verwirrt zu mitleidig. „Ist dein Freund etwa wieder an das andere Ufer geschwommen?“
 

„Ufer? Was für ein Ufer?“ Nun war Shigeru an der Reihe verwirrt zu sein.
 

„Hattet ihr etwa Streit?“, fragte die Frau. Aus ihrer Stimme schwang großes Mitleid.
 

„Ähm…nein, wir hatten keinen Streit!“, erwiderte Shigeru bestimmt, war jedoch leicht verdutzt.

Die Frau nickte mitfühlend.
 

„Ich sehe schon, du hattest eine harte Nacht hinter dir, du hast sicher kaum geschlafen, so wie du aussiehst!“ Sie trat näher, legte ihre Hände auf seine Wangen und blickte ihm mütterlich besorgt ins Gesicht.
 

„Ähm…was, aber-“
 

„Mach dir keine Gedanken. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Jetzt erscheint dir die Welt noch hart und böse, aber du findest jemand neues.“ Sie schob Shigeru in Richtung Fahrstuhl und betätigte den Knopf. „Am besten ziehst du dir etwas Hübsches an, gehst heute Abend schön aus und du wirst sehen, es gibt noch viel mehr hübsche Männer, die auf einen blonden Jüngling wie dich stehen!“
 

„Wie bitte?“

Der Fahrstuhl ging auf und die Frau schob den 18-jährigen hinein.
 

„Du wirst ihn schnell vergessen.“ Sie nickte und lächelte ihn gütig an.
 

„Was? Aber…?“ Shigeru weitete die Augen. „Aber…aber…aber ich bin doch nicht schwul!“
 

„Nein, natürlich nicht.“, lächelte die Frau immer noch mitfühlend, als sich die Fahrstuhltür wieder schloss.
 

„Etwas…Hübsches?“, wiederholte Shigeru, als der Fahrstuhl wieder nach unten fuhr.
 


 

Gelangweilt schlürfte Takeshi an seiner Cola und fragte sich, was ihn geritten hatte, sich ausgerechnet mit ihr zu treffen. Er hätte genug andere Dates für heute haben können, aber er hat sich für sie entschieden. Er blickte zu Makoto, die ihm schüchtern gegenübersaß, auf den Tisch starrte und noch gar nichts gesprochen hatte. Jedesmal wenn er etwas sagte, lief sie knallrot an und nickte nur, auch wenn es eine Frage à la ‚Was machst du heute Abend noch?’ war. Vielleicht hatte er sich für ein Treffen mit ihr entschieden, weil sie anders war, als die anderen Mädchen, die er sonst ausführte, sie sah aus, als könnte sie sich selbst verteidigen und wäre nicht auf die Hilfe eines Mannes angewiesen, sie war größer und kräftiger als die anderen Mädchen und eigentlich hatte er den Eindruck, dass sie selbstbewusst war, doch wie er sie jetzt so vor sich sitzen sah, sah sie eher unsicher aus.

Er beschloss für sich, dass es bei diesem einen Date bleiben würde, aber irgendwie musste er die Stimmung auflockern. Und wie macht man das am Besten, wenn man kein Gesprächsthema hatte? Man redet über andere, die in der Nähe waren. Takeshi ließ den Blick durch das Café schweifen. Da war ein Mädchen mit einem ziemlich kurzen Rock! Aber das war wohl nicht das richtige Thema für Frauengesellschaft. Ein Typ lief an ihnen vorbei, der wahrscheinlich gerade von der Toilette kam und vergessen hatte, den Reißverschluss seiner Hose zu schließen. Einen kurzen Moment lang überlegte Takeshi einen Witz darüber zu reißen, aber er hielt das auch nicht für das Richtige. Hilfesuchend blickte er zu den Menschen, die am Café auf dem Gehweg vorbeiliefen. Ein vollbepackter Typ tapste wackelig zwischen der Menge durch, der würde sicher gleich seine Ladung verlieren. Takeshi grinste.
 

„Hey, Makoto, sieh mal dieser Typ da, der da geht!“ Er deutete auf ihn, Makoto blickte sich um und hatte eigentlich Mitleid mit ihm, das was er trug sah teuer aus. Sie wusste nicht was sie sagen sollte, sie wusste nur, dass Takeshi erwartete, dass sie lachte. Aber sie konnte nicht darüber lachen, irgendwie musste sie ausweichen.
 

„Ähm…und, wer ist das?“, fragte sie stattdessen, was sie im Nachhinein ziemlich blöd von sich fand, aber im Grunde wollte sie ja auch nicht nur schweigend vor Takeshi sitzen. Er langweilte sich bestimmt. Aber Makoto konnte einfach nichts tun, sie stand völlig neben sich, hatte sie doch ihre Gefühle für den Fußballer deutlich unterschätzt und war dementsprechend sehr nervös.
 

„Keine Ahnung, ich kenne ihn nicht.“ Der Sportler zuckte die Schultern. „Ich kann ihm aber einen Namen geben, ich nenne ihn…YAMAMOTO!“
 

„Yamamoto? Heißt so nicht der Freund von Shigeru?“, fragte Makoto leicht verwirrt, sie verstand den Witz einfach nicht.
 

„Nein, nein, nein! Da, Yamamoto!“ Takeshi starrte völlig aufgeregt in die Richtung des rothaarigen.

Wieder blickte sich Makoto um und konnte ihn auch ausmachen, war ja nicht besonders schwer bei seiner auffallenden Größe, aber was daran so besonders sein sollte, dass er durch die Stadt ging…?
 

„Ja…und?“
 

Takeshi wirbelte mit empörtem Blick zu Makoto.

„Er, er, er…er hat ein Mädchen bei sich! Und hat den Arm um sie gelegt!“
 

Die 16-jährige verstand das Problem nicht. Gerade hatte sie das Gefühl, dass sich Takeshi lieber mit Yamamoto hätte treffen sollen als mit ihr. Aufgeregt sprang ihr gegenüber auf und hielt Ausschau nach dem Computerfreak, bis er mit dem Mädchen im Kino auf der anderen Straßenseite verschwand. Er verschränkte die Arme. Der rothaarige sah fröhlich aus, er schien Spaß auf seinem Date zu haben, im Gegensatz zu ihm und er war der größte Playboy der Schule, er hatte immer Spaß!
 

„Du, Makoto…“ Er drehte sich zu ihr um und erntete einen fragenden Blick. „Vielleicht sollten wir unser Treffen hier lieber abbrechen!“

Makoto stand erschrocken auf.
 

„Was, wieso denn?“
 

„Naja, weil…weil…Du bist nicht mein Typ! Wir haben einen völlig verschiedenen Charakter und sieh uns doch mal an!“

Er wies hektisch von ihr zu ihm. Erst jetzt bemerkte Makoto, dass sie einen ganzen Kopf größer war als Takeshi.
 

„Nenn mich altmodisch, aber ich fühle mich nicht als Mann wenn die Frau größer ist als ich! Ich…ich komm mir dann so…schwach vor!“
 

Das versetzte Makoto einen harten Stich. Ihr Herz zog sich zusammen. Sie bekam nicht einmal mehr mit, wie er sich schnell verabschiedete und sie einfach ohne ein weiteres Wort stehen ließ.
 

Gestresst flüchtete Takeshi schon fast vor Makoto und rempelte dabei aus Versehen jemanden an. Als er die Person anblickte um sich zu entschuldigen, lief ihm nur ein Schauer über den Rücken. Er hatte noch nie eine solche Kälte bei jemandem gespürt. Obwohl sein gegenüber eine Sonnenbrille trug, wusste er, dass auch seine Augen so kalt wie seine restliche Ausstrahlung, und wahrscheinlich auch seine Seele, waren. Das einzige was positiv an diesem erschien, war sein goldblondes längeres gepflegtes Haar.

Takeshi war wie erstarrt, er konnte sich nicht entschuldigen, weil er einfach nicht fähig war, überhaupt irgendetwas zu sagen. Der Sonnebrillenträger vergrub seine Hände noch tiefer in seiner Hose und ging cool davon.
 


 

„Sowas von unhöflich!“ Minako war außer sich, als Makoto ihren Freundinnen von ihrem Treffen erzählte. „Und der soll der größte Casanova sein!?“

Die blonde war sichtlich enttäuscht, sie hatte ziemlich hohe Erwartungen und eine Wunschvorstellung von dem Kerl, die nun gänzlich zerstört wurden.

Makoto war betrübt. Dass ausgerechnet Takeshi selbst, sie auf den Boden der Tatsachen zurückholt, hätte sie niemals erwartet. Sie fühlte sich unweiblich und ungeliebt. War sie so männlich, dass er sich nicht Manns genug fühlt? Die Sailor Kriegerin grummelte vor sich hin.

In dem Moment musste Rei wieder an den Kuss denken. Sie hatte ihren Freundinnen nichts davon gesagt, sie wusste nicht, was sie davon halten sollte und erst recht nicht, was sie davon halten würden.
 

„Ach, wisst ihr was?“ Die anderen hoben neugierig die Köpfe. „Ich vergesse das Lernen und gehe ins Dojo trainieren!“

Ja, genau dort wollte sie hin. Ins Dojo in dem die Männer groß und kräftig waren und sich von einer starken Frau nicht einschüchtern ließen. Sie wartete keine Reaktion ab, sondern verließ augenblicklich Reis Zimmer. Bunny wollte ihr folgen, doch Minako hielt sie zurück und schüttelte nur sachte den Kopf.

Kaum war Makoto draußen, kam Shigeru aufgeregt reingestürmt.
 

„Oh mein Gott! Es ist etwas Unglaubliches passiert! Rei, du musst sofort mitkommen!“

Er schnappte sie am Handgelenk und wollte sie nach draußen ziehen, aber Rei wehrte sich.
 

„Was ist denn los? Wohin soll ich mitkommen?“
 

„Wir haben keine Zeit, komm’ schon, ich erklär’s dir unterwegs!“ Er wollte sie wieder mitziehen, doch die dunkelhaarige ließ sich nicht darauf ein und wehrte sich wieder.
 

„Nun, komm’ schon!“
 

„Nein, erklär mir erst was los ist!“, forderte sie. Sie fürchtete, dass ein Monster aufgetaucht und Shigeru einfach nur schaulustig war, doch sie müssten versuchen es aufzuhalten.
 

„Ich hab’ eben Takeshi in der Stadt getroffen…“, begann Shigeru, woraufhin Minako schnaufte. „…und der hat mir erzählt, dass er Yamamoto gesehen hat. Mit einem Mädchen!“
 

„Na und? Jeder darf sich mit einem Mädchen treffen, wieso sollte er nicht auch?“, erwiderte Rei mit einer hochgezogenen Augenbraue.
 

„Natürlich. Aber Yamamoto hat sich kaum für Mädchen interessiert. Und zwar so wenig, dass seine Nachbarin dachte, er würde auf Kerle stehen!“
 

Rei überlegte. Shigeru hatte schon irgendwie recht, in den ganzen Jahren, in denen er und Yamamoto befreundet waren, hatte er nie ein einziges Wort über Mädchen verloren. Er war zwar immer nett zu ihr und ihren Freundinnen, aber geflirtet oder so hatte er nie, im Gegensatz zu anderen, die Shigeru besuchten.
 

„Und…wo sind die beiden jetzt?“, fragte Rei und versuchte es so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.
 

„Takeshi meinte, sie seien im Kino.“, erwiderte Shigeru mindestens genauso beiläufig. Mittlerweile wusste er genau, wie er Reis Neugierde wecken konnte und grinste innerlich. Er konnte förmlich sehen, wie ihre Gedanken hinter ihrer Stirn rasten. Sie konnte es wahrscheinlich vor Neugierde kaum noch aushalten.
 

„Wir würden ja nicht schnüffeln!“, meinte sie unschuldig. Shigeru schüttelte spielerisch den Kopf.
 

„Wir wollen uns einfach einen Film ansehen!“, rechtfertigte Rei ihre folgenden Taten. Der blonde nickte lächelnd.
 

„Ok, lass und gehen!“ Sie schob ihn aus ihrem Zimmer und ließ Minako, Bunny und Ami alleine, die ihnen nur verdutzt hinterher blickten.
 

„Na toll…“, begann Minako. „Die haben uns völlig vergessen!“
 

„Und was machen wir jetzt?“, wollte Bunny wissen
 

„Wir lernen.“, antwortete Ami lächelnd und schlug ihr Mathebuch auf. Bunny hingegen schlug ihren Kopf auf den Tisch.
 


 

Makoto schlug mit aller Kraft zu. Ihre Wut auf Takeshi war grenzenlos, am liebsten würde sie ihn zum Mond schießen. Er wusste doch schon vorher, dass sie so groß war, wieso kam er dann auf einmal mit dieser Ausrede? Ein weiterer Schlag Makotos ließ Daisuke inne halten.
 

„Hey, Stopp, Stopp!“ Abwartend, ob Makoto auch wirklich aufhörte, hielt er die Polster noch vor sich, legte sie dann aber weg.
 

„Was ist los?“, fragte Makoto. Sie dachte, sie hätte einen Fehler gemacht und dass Daisuke sie nun verbessern wollte.
 

„Genau das wollte ich dich fragen!“ Er blickte sie erwartungsvoll an. „Du bist so sauer, dass du dich völlig verausgabst, sieh dir nur mal deine Hand an!“

Ohne Vorwarnung griff er Makotos Hand und verwies auf ihre Knöchel, die schon wund geschlagen waren. Ihr war das gar nicht aufgefallen.
 

„Weißt du, wenn du über irgendetwas wütend bist, dann hilft reden meistens besser als Kampfsport. Und weil du dich nicht auf den Sport, sondern auf deinen Zorn konzentrierst, werden deine Schläge unpräzise, weil du innerlich viel zu aufgewühlt bist!“ Er hielt noch immer ihre Hand und blickte ihr eindringlich in die Augen.

Makoto war hin und weg. Er schien so besorgt und weise, zudem war er größer als sie und kräftig, das genaue Gegenteil von Takeshi, in jeglicher Hinsicht. Daisuke würde sie sicher nicht mit so einer dummen Ausrede abblitzen lassen. Makotos Teint nahm einen leichten Rosa-Ton an. Sie wollte gerade etwas sagen, als Hinagiku unerwartet hereinspazierte. Erschrocken zog die braunhaarige ihre Hand zurück. Sie fühlte sich ertappt, auch wenn im Grunde nichts Weltbewegendes geschah, außer dass sie sich vielleicht dabei war in Daisuke zu verknallen.
 

„Was ist hier los?“, kam es von Hinagiku prüfend, aber nicht vorwurfsvoll.
 

„Ach, da bist du ja endlich, ich warte schon die ganze Zeit!“ Daisuke ging auf die 16-jährige zu und Makoto könnte sich selbst erschlagen. Das war wohl seine Freundin!

Er machte eine Handbewegung zu Makoto.
 

„Das ist Makoto, sie hat echt was hinter ihren Schlägen, ihr solltet vielleicht mal miteinander trainieren.“, schlug er vor. Hinagiku blickte an ihm vorbei auf Makoto, die unbehaglich im Dojo stand. Doch bevor sie antworten konnte, schaltete sich die braunhaarige ein.
 

„Heute nicht, ich muss los!“ Sie schnappte sich ihre Tasche und verließ mit hochrotem Kopf den Trainingsraum.
 

„Ok, bis dann!“, verabschiedete sich Daisuke und winkte ihr kurz zu.

Hinagiku blickte mit in die Hüften gestemmten Händen hoch zu Daisuke. Sie wusste nicht, was sie von der Situation eben halten sollte. Er hat eindeutig ihre Hand gehalten, das hat er bei ihr noch nie gemacht! Hinagiku wusste, dass sie ihn mochte, aber ihm konnte man beim besten Willen nicht ansehen, in wie Fern er sie mochte…aber anscheinend hatte sie Konkurrenz. Erwartet hatte sie es eigentlich nicht, da sich Daisuke ja fast ausschließlich im Dojo aufhält und hier auch nur in den seltensten Fällen Mädchen vorbeikamen, aber sie hätte es sich denken können.
 


 

Im dem Vorraum des Kinos roch es penetrant nach Popcorn. Es herrschte vollkommene Stille. Keine Menschenseele war da, anscheinend liefen in allen drei Kinosälen bereits Filme, die mit Sicherheit noch länger als eine halbe Stunde laufen würden.
 

„Was machen wir jetzt?“, flüsterte Rei. „Wir können uns ja schlecht auf Verdacht in irgendeinen Kinosaal rein schleichen!“

Shigeru überlegte. Warum eigentlich nicht? Er schaute sich nachdenklich auf einem kleinen Fernseher, der über der Kasse hing, die Titel der Filme, die in den einzelnen Kinosälen liefen, an.
 

„In welchen Film würdest du mit deinem neuen Freund gehen?“, fragte er bestimmt, immer noch den Blick auf den Monitor gerichtet, im Gegensatz zu Rei, die sich den Vorraum genau betrachtete. Irgendwie erwartete sie, dass hier Mitarbeiter waren, aber es war niemand zu sehen. Nicht mal am Kartenverkauf oder am Süßigkeitenstand.
 

„Naja…keine Ahnung, in einen Liebesfilm wahrscheinlich!?“, spekulierte Rei. Shigeru nickte verstehend.
 

„In welchen würdest du denn gehen?“, fragte sie ihn zurück.
 

„Horrorfilm.“
 

„Horrorfilm?“, fragte Rei etwas ungläubig und blickte ihn an. Shigeru schien von der unromantischen Sorte zu sein, wenn’s um Mädchen geht. „Und wenn sie keine Horrorfilme mag?“
 

„Dann hat sie eben Pech!“

Rei machte große Augen. Sie hätte nie erwartet, dass er so egoistisch sei.
 

„Du bist aber fies!“
 

„Nein, es läuft im Moment in keinem der Kinos ein Liebesfilm.“ Er deutete auf den kleinen Bildschirm. „In dem einen läuft ein Action-Film, in dem anderen eine Dokumentation und im dritten ein Horrorfilm!“
 

„Horrorfilm!“, stimmte Rei dann zu und verwarf ihre Theorie vom unromantischen und egoistischen Shigeru. Dieser schaute sich prüfend um, nahm ihr Handgelenk und zog sie geduckt hinter sich her.
 

„Schleichen wir uns etwa rein?“, flüsterte Rei etwas schockiert.
 

„Klar, was denn sonst?“

Sie schlichen sich an der unbesetzten Kasse vorbei und bogen in den kurzen Gang, der zu Kino drei führte. Vorsichtig öffnete Shigeru die große Tür, steckte den Kopf kurz in den Saal um nach einem Angestellten Ausschau zu halten und schlüpfte dann mit Rei in den dunklen Raum, in dem der Film schon in vollem Gange war. Sie stahlen sich in die leere hintere Reihe und setzten sich, tief in den Sitz geduckt.
 

„Ok, jetzt müssen wir nur noch Yamamoto finden!“

Shigeru linste über die Rückenlehne des Sitzes vor ihm. Er musste einfach nur jemand großes finden, dass er nur die Umrisse der Personen sah, machte also nichts. Prüfend ließ er den Blick durch den Saal schweifen. Voll war es nicht gerade, aber ihm fiel niemand auf, der aus der Menge ragte.
 

„Wow!“, kam es von Rei neben ihm. Sie starrte gebannt auf die Leinwand.
 

„Hey, helf mir Yamamoto zu suchen, ich find ihn nicht!“
 

„Aaach, vergiss Yamamoto, ich wollte den Film hier schon eine Ewigkeit sehen!“, erwiderte sie, ohne den Blick von der Leinwand zu lösen. „Aber Bunny ist so ein Angsthase!“

Shigeru schüttelte den Kopf. Auf Rei war auch kein Verlass mehr, immerhin kamen sie hier her, um Yamamoto hinterher zu spionieren, sie hatten sich extra ohne zu bezahlen in den laufenden Film geschlichen und jetzt…Shigeru musste zugeben, dass sie beide völlig wahnsinnig waren. Er schlich tatsächlich seinem besten Freund hinterher! Wie tief war er eigentlich gesunken? Der blonde blickte neben sich, Rei hing halb liegend im Sitz und sah jetzt überraschenderweise ziemlich gelangweilt aus.
 

„Was ist, ich dachte den Film hättest du noch nicht gesehen?“, flüsterte er.
 

„Ja, aber ich wollte ihn eigentlich von Anfang an sehen und nicht von der Mitte!“, nuschelte sie und verschränkte die Arme.

Shigeru legte sich so wie sie auch zurück in den Sitz. Er beschloss, dass sie mit den anderen Kinobesuchern rausgehen wenn der Film zu Ende war, damit sie nicht auffielen.
 

Rei seufzte. Ihre Gedanken waren dabei abzuschweifen und sie wusste genau wo das endete: Bei dem Kuss. Aber wie konnte er sie auch einfach so küssen? In einer dämlichen Gasse, nachdem sie sich zum ersten Mal gesehen haben? Es machte sie wütend und traurig zugleich. Und deprimiert war sie auch. Ok, das hörte sich ziemlich komisch an und war auch etwas verwirrend, da sie eigentlich noch nie einen Kuss bedauert hat. Vielleicht war sie nicht über die Tatsache geküsst worden zu sein traurig, sondern eher darüber, von wem der Kuss kam. Irgendwie machte sich ein unterschwelliges Gefühl breit, dass sie eine genaue Vorstellung hatte, von wem sie geküsst werden will. Allerdings wusste sie nicht von wem. War es Yuuichiro? Sie kannte ihn jetzt schon so lange, aber wirklich etwas Ernsthaftes hatte sich nie entwickelt. An manchen Tagen hatten sie etwas rumgeturtelt, sie hatte ihn auch schon zum Einkaufen mitgeschleppt und zusammen aus waren sie auch schon öfter. Er war ja auch ein wirklich lieber Kerl, aber…irgendetwas fehlte. Sie wusste nicht was, aber es fehlte. Plötzlich kam ihr wieder der Gedanke an den Moment, in dem sie an der Haustür vor sich hin weinte. Einfach nur weinte. Warum weiß sie immer noch nicht. Ja, natürlich wegen dem Kuss, aber warum? Er war nicht einmal etwas Besonderes, mit Zunge oder so, nein, er hat einfach nur seine Lippen für einen Moment auf ihre gedrückt.

Rei grummelte. Wenn sie noch länger darüber grübelte, würde sie Kopfweh bekommen.
 

„Über was denkst du nach?“ Shigerus Stimme riss sie völlig aus ihren Gedanken.

Rei blickte ihn an. Was sollte sie ihm jetzt sagen? Dass sie gestern Nacht als Sailor Mars gegen ein Monster gekämpft hatte, sie ein geheimnisvoller Kerl namens Trunks gerettet und sie geküsst hatte und sie jetzt völlig verwirrt über das Chaos ihrer Gefühle ist? Nein, sie musste etwas anderes sagen. Was würde ihn von seiner Frage ablenken? Wenn sie ihm eine Gegenfrage stellt, die er nicht beantworten will!
 

„Ich könnte dich auch fragen, was mit dir los ist!?“, erwiderte sie teils aus Neugierde, teils als Ablenkungsmanöver. Shigeru konnte schon hartnäckig sein, wenn er etwas wollte.

Der blonde sah verwirrt aus.
 

„Ich…weiß nicht was du meinst.“
 

„Naja…die letzten Tage hast du dich ziemlich schnell in eine Richtung verändert, die gar nicht zu dir passt!“ Ja, sie hatte es geschafft ihn abzulenken und konnte nebenbei auch noch die Frage klären, warum er so seltsam war.

Shigeru blickte sie immer noch verwirrt an.
 

„Du hast bei dem Fußballspiel von der Mittellinie aus ein Loch in das Netz des Tores geschossen!“, erwiderte Rei nur mit einem Gesichtsausdruck, der ein ‚Das ist doch vollkommen logisch!’ aufwarf. Der blonde brach den Blickkontakt ab und sah zu Boden. Rei wusste nicht, ob es ihm peinlich war oder ob er einfach nur ausweichen wollte. Er schwieg. Nach einigen Momenten, wusste sie, dass er nicht mehr darauf antworten wird.

Der Abspann des Films setzte ein und das Licht ging langsam wieder an. Die Leute standen auf und verließen langsam den Saal. So ziemlich als letzte gingen auch Shigeru und Rei raus.
 

Im Gegensatz zu vorhin, war der Vorraum jetzt brechend voll und die Kasse besetzt. Mit seltsamem Blick beäugte die Kassiererin Rei und Shigeru, oder kam es ihnen auf Grund ihres schlechten Gewissens nur so vor? Der blonde kratzte sich unsicher am Hinterkopf und vergrub dann seine Hände in den Hosentaschen.

Ihm war das mehr als nur unangenehm über dieses verfluchte Fußballspiel zu reden. Eigentlich wollte er es so schnell wie möglich verdrängen, aber…was soll’s.
 

„Es ist komisch, aber du bist die erste, die mich darauf angesprochen hat!“, begann er und fixierte den Blick auf dem Boden. Er wartete kurz, aber Rei erwiderte nichts. Zum Glück! Shigeru seufzte.
 

„Ich weiß auch nicht genau, was da passiert war.“, fuhr er fort. „Da war dieser kleine Idiot, der meinte Yamamoto mit Absicht ins Gesicht schießen zu müssen und dann hat er mich zur Weißglut getrieben und ich musste einfach diese ganze angestaute Wut rauslassen und hab mit aller Kraft geschossen.“

Schon beim Erzählen bekam er wieder diese Wut. Shigeru blieb stehen und schaute Rei an, die ihm nicht desinteressiert zuhörte.
 

„Ich…weiß nicht was mit mir los ist im Moment, aber-“
 

„Hey, was macht ihr denn hier?“ Gerade kam Yamamoto mit einem Mädchen aus dem Gang zu Kino zwei, neben dem Shigeru und Rei standen. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, warum sie im Grunde hier waren! Shigerus Blick schnellte zu dem Mädchen. Sie war etwa so groß wie Rei, hatte tiefrotes mittellanges Haar und ein äußerst hübsches Gesicht. Ihre dunklen grauen Augen fielen ihm sofort auf.
 

„Scarlet!?“, kam es von Rei nur überrascht.
 

„Oh, ihr kennt euch?“, fragte Yamamoto lächelnd und blickte zwischen den beiden hin und her.
 

„Ja, wir sind in einer Klasse.“, erklärte die dunkelhaarige. „Sie war doch mit zu dem Fußballspiel!“
 

„Wirklich?“ Yamamoto blickte nun fragend zu Scarlet, die nickte.
 

„Ja, du warst doch der, der ohnmächtig war, nach zehn Minuten!?“, merkte sie lachend an und stieß ihm mit dem Ellbogen in die Rippen, woraufhin er auch lachte und sie von hinten umarmte, dann fingen beide an rotwangig zu kichern. Rei und Shigeru tauschten einen unsichreren und unangenehm berührten Blick aus. Die anderen beiden bemerkten diesen, Yamamoto unterbrach augenblicklich die Umarmung, räusperte sich und trat einen Schritt von Scarlet, die peinlich berührt auf den Boden blickte, weg.
 

„Ähm…und ihr beide?“, fragte Yamamoto und kratzte sich am Hinterkopf. „In welchem Film ward ihr?“

Wieder tauschten sie einen Blick aus.
 

„Wir waren in dem Horrorfilm!“, antwortete Rei schnell. Es war ja nicht gelogen, sie waren wirklich in dem Horrorfilm, zwar erst gegen Ende und eigentlich auch nur, weil sie Yamamoto und Scarlet dort vermutet hatten, aber das musste ja nicht unbedingt erwähnt werden.
 

„Und ihr?“, wollte Shigeru wissen. Die beiden liefen augenblicklich mehr als nur rot an, der blonde glaubte, er hätte zwei Ampeln vor sich, und schauten in verschiedenen Richtungen, sogar Shigeru lief rot an, aber das eher, weil er sich unweigerlich vorstellen musste, was da während des Films gelaufen sein könnte. Und das auch noch bei Yamamoto…die Realität, dass sein Kumpel jetzt eine Freundin hatte, erschlug ihn gerade.
 

„Wir waren in der Doku…Ameisen sind wirklich sehr interessant…“, antwortete Yamamoto, mit immer noch hochrotem Kopf, verlegen. „Ähm, wir müssen dann mal los. Wir wollten noch in diese Ausstellung gehen, die schließt in einer Stunde.“

Shigeru nickte nur abwesend. Sie verabschiedeten sich und verließen das Kino schon fast fluchtartig. Verdattert blickten Rei und Shigeru ihnen hinterher. Kurz tauschten sie einen Blick aus und zuckten gleichzeitig die Schultern.
 

„Lass’ uns nach Hause gehen.“, schlug die dunkelhaarige vor. Der 18-jährige nickte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dedenne
2008-03-19T20:18:04+00:00 19.03.2008 21:18
Was für ein sehr vielversprechender Prolog.

*.*
*dich lob*

Ich finde, er hört sich sehr gut an und macht Lust auf mehr. ^^
Bin sehr gespannt, worum es denn eigentlich geht.

Wer ist diese Person, die gestorben ist?
Und wer ist diese Person, die daran Schuld ist?
Und...wer ist der Ich-Erzähler?

Ich hoffe doch, das diese Fragen bald geklärt werden ^^
*gespannt ist*
Ich werde deine FF auf jedem Fall weiterverfolgen ^^

Ich sehe, du hast als Themen auch Wedding Peach und Digimon.
Bin wirklich gespannt, wie es weitergehen wird.
Also...nur weiter so!^^


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