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Kyo's nächtliches Verschwinden

von

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Es war bereits Mitternacht, als Toru mit dem Lesen aufhörte und das Buch zurück ins Regal stellte. Sie war nun schrecklich müde und wollte gerade das Licht ausknipsen, doch ein seltsames Geräusch ließ ihr keine Ruhe. Besorgt stand sie nochmals auf und ging leise zum Fenster hinüber. Es war viel zu dunkel, um irgendwas genauer erkennen zu können. Toru konnte nur einen kleinen Schatten entdecken, der hinaus in den Wald lief. War es Yuki? Dachte sie zuerst – doch der Schatten war viel größer als der einer Ratte. Ihr nächster Gedanke fiel auf Kyo – das würde passen. Doch warum sollte er mitten in der Nacht weg wollen? Na ja, vielleicht war es auch nur eine streunende und hungrige Katze gewesen, die Unterschlupf gesucht hatte. Das musste es gewesen sein! Beruhigt ging Toru wieder zu Bett und schlief bald darauf ein.
 

Doch schon am nächsten Morgen schien sich der Verdacht, dass Kyo sich nachts wegschlich, zu bestätigen. Pünktlich um sechs Uhr wachte Toru auf und ging geradewegs zum Badezimmer. Doch es war abgeschlossen. Noch nie war jemand früher aufgestanden als sie, denn die anderen drei schliefen gerne länger. Während sie sich ihre Schuluniform anzog, schien sich im Badezimmer noch immer nichts zu bewegen. Keiner kam raus und man hörte kein Wasser, das aufgedreht wurde, oder sonst irgendein Geräusch. Langsam kam auch Yuki in die Nähe des Badezimmers und Toru erklärte ihm sofort, dass niemand heraus käme. »Guten Morgen, Yuki-kun! Das Badezimmer ist schon seit einer halben Stunde verschlossen und niemand kommt heraus!« Verschlafen sah er die besorgte Toru an und versuchte es mit lautem Klopfen – solange, bis sich derjenige melden würde. Nach einer Weile – es kam Yuki wie eine halbe Ewigkeit vor – hörte man ein komisches Schleichen und plötzlich öffnete jemand die Tür von innen – es war Kyo! »Kyo-kun!! Was ... wieso hast du so lange gebraucht? Was war denn los?«, löcherte Toru ihn sofort mit besorgten Fragen. »Ja, genau!«, beklagte sich nun auch Yuki. »Was soll der Blödsinn?« »... ich muss wohl ...«, Kyo gähnte, »... irgendwie eingeschlafen sein ...« Er stolperte in sein Zimmer hoch. »Aber sicher doch! Wie kann man beim Zähneputzen einschlafen!?«, beschwerte sich Yuki und zeigte auf die Zahnpastatube am Boden, aus der eine Menge Zahnpasta gequetscht worden war. Mit wütendem Murmeln, das wie »War der besoffen?« klang, hob Yuki die Tube auf und suchte nach seiner eigenen Zahnbürste.

Das Frühstück verlief auch höchst seltsam. Kyo schlief wieder ein und Shigure konnte ihn gerade noch wach rütteln, bevor sein Kopf in Richtung Marmeladebrot und Cornflakes gekippt wäre.

Auch in der Schule verlief es nicht besser. Kyo döste ständig ein, und als der Lehrer ihn aufforderte, zur Tafel zu kommen, stolperte er auch noch über den Papierkorb und knallte mit dem Kopf gegen die Wand. »Was ist denn mit dem los?!«, fragte Uo-chan, als er versuchte, mit halbgeschlossenen Augen ein Fenster zu öffnen und dabei hinauszufallen drohte. »Keine Ahnung... er ist schon den ganzen Tag so seltsam drauf«, antwortete Toru, die auch zu ihm rüber sah.
 

So ging das eine ganze Woche lang – jeden Tag. Er war völlig daneben und wollte nur noch schlafen. Nicht einmal Yuki konnte ihn umstimmen, egal wie sehr er auch versuchte, ihn zu beleidigen.

»Was hat er bloß? Ist er krank?«, fragte Shigure während des Abendessens. »Er hat nur noch wenig Appetit und schläft die halbe Zeit. Sehr seltsam...« Keiner sagte etwas und es war merkwürdig still. »Liebeskummer«, seufzte Yuki-kun nach längerem Überlegen und nahm sich noch eine Portion von Torus leckerem Essen. Shigure brüllte lachend los. »Liebeskummer?? Kyo? Das ist nicht dein Ernst!« Yuki verdrehte die Augen und aß schweigend weiter. »Wieso nicht?«, fragte Toru und nahm Yukis Kommentar sehr ernst. Shigure sah sie überrascht an. »Kann ja sein«, änderte Shigure nun seine Meinung und unterdrückte sein Lachen. »...aber die Auserwählte tut mir jetzt schon Leid!« Erneut fing er laut zu lachen an.
 

In dieser Nacht konnte Toru nicht einschlafen. Sie fragte sich ständig, was mit Kyo los sei. Diese Frage beschäftigte sie, doch sie wurden erneut von einem auffallenden Geräusch gestört. Wieder schlich sie sich zum Fenster und starrte neugierig in die Dunkelheit hinaus. Ein kleiner, ziemlich wackeliger Schatten, stolperte in den Wald hinaus. Diesmal konnte Toru nicht tatenlos zusehen. Sie schnappte sich ihren Mantel, zog sich ihre Schuhe an und öffnete leise die Haustür. Mit kaum hörbaren Schritten ging sie rasch in den finsteren Wald hinein. Sie hatte überhaupt keine Orientierung und lauschte angestrengt den verschiedenen Geräuschen um sie herum. Dann, ganz plötzlich, vernahm sie ein schwaches Miauen in der Ferne. Es schien unweit von ihr entfernt zu sein. So leise und so schnell sie konnte, lief sie in die Richtung, aus der aus das Miauen zu hören war. Sie konnte nicht mehr weit davon entfernt sein, denn es wurde immer lauter. Durch die dichten Äste der großen, smaragdgrünen Tannen fiel ab und zu ein silbernes Licht hindurch. Es war Vollmond und so war der Wald teilweise nicht ganz so finster, wie man zunächst glaubte. Dann, hinter einer ziemlich großen Tanne, erkannte Toru etwas, das Ähnlichkeit mit einer Katze hatte – einer orangefarbenen Katze. Kein Zweifel, es war Kyo! Aber er war nicht allein. Vier kleine und ziemlich ver-spielte Kätzchen hopsten tollpatschig um ihn herum. Eines biss ihm ins Ohr, während ein anderes an seinem Schwanz kaute.

Warum spielte er das Kindermädchen für diese Kätzchen? Wollte er etwa eine Familie gründen? Und wo ist die Mutter? Diese Gedanken schwebten Toru ständig im Kopf herum. Unauffällig versuchte sie, sich wieder zum Haus zu schleichen, ehe Kyo nachkam. Etwas verwirrt öffnete sie die Haustür und schlich sich langsam in ihr Zimmer hoch.
 

Am nächsten Tag fing das Theater schon wieder an. Kyo war völlig erschöpft. So sehr, dass er sogar den Wecker überhörte und weiterschlief. Es war zwar keine Schule, aber er stellte sich trotzdem den Wecker, damit er nicht zu lange schlief und Torus herrliches Frühstück versäumte.

»Wo ist denn der Thunfischaufstrich von gestern? Und der Vanillepudding ist ja auch weg!«, murmelte Yuki etwas verärgert, als er sich etwas zum Essen machen wollte. Er blickte verdächtig in Shigures Richtung, der die Zeitung durchblätterte. »Sag mal, Shigure«, begann Yuki, »du weißt nicht zufällig, wer das alles aufgefuttert hat, oder?« Shigure blickte auf und sah ihn mit fragendem Gesichtsaudruck an. »Nein, keine Ahnung. Warum fragst du ausgerechnet mich? Ich habe nur das letzte Stück Torte, das Joghurt, die Banane und den Auflauf gegessen. Frag doch mal Kyo.« Er widmete sich wieder ganz der Zeitung zu.

»Gibt es irgendein Problem?«, fragte Toru, die gerade vom Einkaufen zurückkam.

»Nicht direkt, aber-« Yuki unterbrach und schaute neugierig auf Torus Einkaufstüte. »Es fehlen einige Dinge im Kühlschrank. Weißt du, wo die hingekommen sind?«, beendete er seinen Satz. Sie stellte die Tüte ab und warf einen Blick in den halbleeren Kühlschrank. »Nein, ich habe gestern nichts mehr genommen. Vielleicht weiß Kyo irgendetwas. Schläft er immer noch?« »Hm, ja, ja... er schläft immer noch«, antwortete Shigure abwesend und war ganz in seine Zeitung vertieft. Yuki warf die Kühlschranktür zu. »Wie kann man nur so lange schlafen?! Es ist ja schon bald Mittag! Ich geh ihn jetzt wecken!«, beklagte er sich und ging die Treppe hoch. Kurz darauf war ein lauter Schrei von oben zu hören. Toru fielen die Karotten aus der Hand, und Shigure sah erschrocken auf. Dann hörten sie, wie laut stampfende Schritte immer näher kamen – es war Yuki. »Ich werde noch verrückt!«, schnaufte er. »Was ist denn passiert? Hat sich Kyo in einen Regenwurm verwandelt, oder was?«, kicherte Shigure und legte die Zeitung gespannt auf den Tisch. »Ach was! Er sitzt auf dem Bett und um ihn herum springen kleine Katzen! Vier Stück! Sein Zimmer ist völlig verwüstet, und dieser Trottel sitzt im Halbschlaf am Bett und füttert sie mit Vanillepudding!« Toru rannte schnell hoch, gefolgt von Yuki und Shigure. Tatsächlich hüpften vier Katzenkinder in Kyos Zimmer herum – es waren dieselben, die Toru auch im Wald gesehen hatte. »Kyo, was soll das denn?«, fragte Shigure als Erster. »Was?!«, schnauzte Kyo zurück und war halbwegs wach geworden. »Na, wieso sagst du uns denn nicht, dass du Vater geworden bist! Meinen herzlichen

Glückw-« Doch Kyo unterbrach Shigure, der ihm gerade die Hand schütteln und ihm gratulieren wollte. »Red keinen Unsinn!«, murmelte er verlegen.

»Dann fang mal an zu erklären«, ergriff Yuki das Wort. »Was um alles in der Welt machen diese Katzen hier?« »Das sind doch nicht meine!«, fauchte Kyo ihn an. »Wie soll ich sagen...« Sein Gesicht überzog eine gewisse Röte. Er streichelte eines der Kätzchen. »Ich war mal im Wald, weil ich meine Ruhe haben wollte«, begann er zu erzählen. »Und als ich so nachdachte, rannte ein Mädchen in mich. Sie war etwa acht Jahre alt. Als sie mich als Katze sah, tat ich ihr so Leid, denn sie dachte wohl, das wäre eine Krankheit. Daraufhin hat sie mich zu diesen kleinen Kätzchen gebracht, die im dichten Gestrüpp versteckt waren. Sie lief weg, und ich blieb eine Weile bei ihnen, bis ich mich wieder zurück verwandelt habe (zum Glück waren meine Klamotten nicht weit weg...). Als sie zurückkam, bat sie mich, auf diese Katzen aufzupassen, denn sie zog von hier weg. Noch bevor ich etwas antworten konnte, lief sie wieder davon und von da an habe ich sie nicht mehr gesehen.« Toru hatte großes Mitleid mit den Kätzchen.

»Haben sie denn keine Mutter mehr?«, stotterte sie und nahm eines in ihren Arm.

»Was weiß ich... ich bin nur jede Nacht zu ihnen gegangen und habe sie gefüttert. Diesmal sind sie mir gefolgt.« »Kyo – die Katzenmutter«, lachte Shigure laut los und konnte sich nicht beruhigen. »Ich hab dich gesehen!«, platzte es aus Toru heraus. »Ich... ich bin dir gefolgt und hab dich gesehen...«

Kyos Gesicht wurde purpurrot. »Was?!! Du hast mich beobachtet!? Was soll das denn!?«, regte er sich auf. Toru murmelte nur etwas, das wie »Tut mir leid« klang. »Aber wie... wie hast du dich denn verwandelt?«, sprudelte es nun aus ihr heraus, um die Stille zu unterbrechen. »Denk doch mal nach! Wir verwandeln uns ja auch, wenn unsere Körper schwach sind. Und da ich so selten etwas gegessen habe und mich das Aufstehen mitten in der Nacht erschöpfte, habe ich mich von allein ver-wandelt. In der Schule hatte ich noch großes Glück, dass ich normal geblieben bin...«, erklärte er. »Aber wer behält nun die Kätzchen?«, fragte Toru besorgt. Plötzlich klingelte es an der Tür. »Ich mach schon auf!«, rief Toru und lief die Treppe hinunter. Als sie die Tür öffnete, stand ein kleines Mädchen vor ihr. Sie sah Toru mit großen Augen an und machte einen schüchternen Eindruck.

»Ist... ist Kyo da?«, fragte sie. Noch bevor Toru antworten konnte, kam auch schon Kyo zur Tür – mit den vier Kätzchen auf dem Arm. »Du bist’s!«, sagte er.

»Ah, meine lieben Kätzchen!«, rief das Mädchen und nahm sie ihm ab. »Danke, Kyo, danke! Aber du musst dich nicht mehr um sie kümmern. Wir bleiben nämlich doch hier. Wie geht es deiner Katze? Dieser orange-farbenen Katze, meine ich.«

Kyo starrte sie verwirrt an. »Na ja, als ich damals im Wald in dich gelaufen war, warst du weg und eine Katze war da. Ich habe sie solange zu meinen eigenen gebracht, bis du wieder da warst.« Das Mädchen strahlte ihn an. »Ach, meine Katze... ja, ihr... geht’s gut«, stotterte Kyo und schien noch ein wenig durcheinander zu sein. Etwas verlegen sah er zu Toru, der es genauso erging wie ihm. »Das ist ja schön! Ich muss dann wieder los. Meine Mutter wartet schon. Bis bald, Kyo!«, verabschiedete sie sich und stieg in das Auto ein, das vor dem Haus parkte. Kyo schloss daraufhin die Tür hinter sich. »Sie... sie dachte nicht mal daran, dass ich die Katze war?! ...hab ich’n Schwein...«, seufzte er erleichtert.
 

Am Abend saß Kyo vor dem Haus und starrte in den Wald. »Vermisst du sie?«, fragte Toru und setzte sich neben ihn. »Was? Nein, wieso sollte ich? Die waren doch nur lästig«, antwortete er. Toru musste lachen. Sie wusste genau, dass er die kleinen Katzen gern hatte. Denn auch ein stures Herz hat Gefühle, und manchmal schließt es auch vier kleine Kätzchen in sich ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Anello
2008-03-28T20:57:12+00:00 28.03.2008 21:57
Das ist aber wirklich eine so schöne Geschichte! Ich würde mich auch riesig über eine Fortsetzung freuen!!!
Anello
Von:  Gessilein
2008-03-24T12:32:56+00:00 24.03.2008 13:32
die story ist wirklich zuckersüß und gut geschrieben
*Gg+ würde mcih auf ne fortsetzung freuen.
Von: abgemeldet
2008-03-20T08:44:05+00:00 20.03.2008 09:44
Hahahaha *lächel* kompliment miki XD die Geschichte ist echt toll! Ich liebe Kyo einfach *_* und das mit den Kätzchen war ne tolle idee! Super süße Geschichte


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