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Nur zu Besuch

AkuRoku
von

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Nur zu Besuch

Mit einem leisen Klicken fällt die Tür ins Schloss, als ich meine Wohnung verlasse und mich mit langsamen Schritten auf den Weg mache, und ich muss meinen Schal enger um meinen Hals ziehen und die Hände tiefer in den Taschen meiner Jacke vergraben, als ein eisiger Windstoß an mir vorbeirauscht, die wenigen, vom Herbst übriggebliebenen Blätter umherwirbelt, sie durch die Luft tanzen lässt, mit ihnen spielt, bis er schließlich vorbeigezogen ist und sie langsam und gemächlich wieder zu Boden segeln.

Aber selbst die Kälte, die zunehmend kahl werdenden Bäume und das Glänzen gefrorener Tautropfen auf den Grashalmen, die den anstehenden Winter ankündigen, halten mich nicht davon ab, Tag für Tag diesen langen Weg zu gehen, nur um dich zu besuchen, einige wenige Minuten bei dir zu stehen, um wenigstens für einen kleinen Augenblick das Gefühl zu haben, du wärst bei mir, um mir für einen kurzen Moment vorstellen zu können, in deine leuchtenden, smaragdfarbenen Augen zu sehen, deren Blick oft viel mehr gesagt hat als tausend Worte ...nur um für den Bruchteil einer Sekunde deine Nähe zu spüren.

Vielleicht ist dies alles auch nur reine Einbildung, meine grenzenlose Fantasie, die mir mit meinen Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten nur einen Streich spielen will, denn du bist gegangen, gegangen für immer und wirst auch nie mehr zurückkehren, hast mich hier zurück gelassen in dieser kalten, einsamen und öden Welt, und dennoch glaube ich fest daran, dass du in Momenten wie diesen bei mir bist, für niemanden sichtbar, aber doch irgendwie da, um meinem grauen, tristen und immer gleichen Alltag ein wenig Farbe zu schenken.

Und diese Augenblicke sind es, in denen du mich in meinem sonst so trostlosen, leeren Leben zu einem Lächeln verleitest und mir die Gewissheit gibst, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen, in manchen Momenten vielleicht sogar wieder glücklich zu sein - einfach leben zu können, statt mich von der immer wiederkehrenden Welle an Erinnerungen der Vergangenheit mitreißen zu lassen, in einen Strom aus bittersüßen Memoiren zu versinken, bis ich daran zerbreche.
 

‚Immer wenn ich dich besuch, fühl ich mich grenzenlos,

alles andere ist von hieraus so weit weg.

Ich mag die Ruhe hier, zwischen all den Bäumen,

als ob es den Frieden auf Erden wirklich gibt.’
 

Tief im Meer der Erinnerungen an unsere gemeinsamen Stunden, an die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, versunken, verloren in der Erinnerung an das Gefühl von trauter Zweisamkeit und der Geborgenheit, die du mir gabst, wenn du bei mir warst, schreite ich den schmalen Weg entlang, der mich zu dir führt, den Blick starr auf einen unsichtbaren Punkt auf dem Boden vor mir gerichtet, während ich das Knistern der Blätter unter meinen Füßen, das Rauschen der Kronen der Bäume, die den Wegrand umgeben und das Zwitschern der letzten Vögel nur vage wahrnehme.

Jeden Morgen führt mich dieser Weg zu dir, jeden Tag, unabhängig davon, ob draußen siedende Hitze oder Minusgrade herrschen, ob es regnet oder schneit, alles nehme ich in Kauf, wirklich alles, nur um zu dir kommen zu können, um für wenige Minuten dort stehen zu können, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen, bis ich manchmal nicht mehr weiß, was Traum und was Wirklichkeit ist.
 

Es fühlt sich schon fast wie eine Verpflichtung an, dich zu besuchen, als hätte ich dir das stumme Versprechen gegeben, jeden Tag diesen Weg anzutreten, immer und immer wieder aufs Neue dort zu stehen und manchmal auch einige Blumen auf die kalte, graue Steinplatte vor mir zu legen, in Gedanken an alte Zeiten zu schwelgen, in denen unsere kleine Welt noch in Ordnung war, als es nur uns beide dort gab. Doch diese Welt existiert nicht mehr, sie ist mit dir gegangen, und alles was mir davon geblieben ist, sind die schwachen Erinnerungen, die mich wissen lassen, dass es sie jemals gab.

Vielleicht versuche ich hiermit einfach, mich dafür zu entschuldigen, dass ich damals nichts getan habe, dass ich nur still dort gesessen habe, dass ich dir nicht geholfen habe – dass ich dich einfach habe gehen lassen, ohne ein Wort der Verabschiedung.

Vielleicht...

Dabei weiß ich doch ganz genau, dass es dafür keine Entschuldigung gibt, dass es unverzeihlich ist, was ich dir angetan habe, was ich mir schlussendlich selbst angetan habe - denn ich allein bin Schuld daran, dass du unsere kleine Welt, dass du mich verlassen musstest.
 

‚Es ist ein schöner Weg, der unauffällig zu dir führt.

Ja, ich hab ihn gern, weil er so hell und freundlich wirkt.’
 

Wie schon so oft habe ich plötzlich das Gefühl, deine Stimme zu hören, als stündest du direkt neben mir und würdest versuchen, mir in deinem typischen Ton einzureden, dass das alles nicht meine Schuld gewesen ist, dass es einfach so bestimmt ist, dass ich mein Leben ohne deine Nähe leben muss, dass dies nun mal dein Schicksal ist und daran niemand Schuld trägt, und würde ich dir widersprechen wollen, hättest du jedes meiner Widerworte bedeutungslos gemacht, jeden kleinsten Zweifel beseitigt, bis auch ich der festen Überzeugung bin, frei von Schuld zu sein.
 

Aber so ist es nicht, du stehst nicht neben mir, deine Stimme ist nicht da, überzeugt mich nicht von meiner Unschuld und so bleibe ich bei meinem Entschluss, dass ich der einzige Verantwortliche dafür bin, dass du mich verlassen hast, dass du nicht mehr hier bist, und das für immer.
 

Mit dieser Überzeugung schreite ich auf meinem Weg zu dir weiter voran, mit den Gedanken immer wieder in alte Zeiten abschweifend, versuche mir vorzustellen, wie wir zusammen, in schwindelerregender Höhe auf der Brüstung des großen Bahnhofsturms sitzen, während wir beide stillschweigend unser Meersalzeis essen und das Farbenspiel des Sonnenuntergangs betrachten, bis du plötzlich das Wort ergreifst:
 

„Wunderschön...“

„Ja... ich liebe den Sonnenuntergang hier...“

„Sonnenuntergang? Wer redet hier vom Sonnenuntergang? Ich meinte dich...“
 

Hastig drehe ich den Kopf zur Seite und starre dich entgeistert an, spüre wie mir das Blut zu Kopf steigt und ich wahrscheinlich gerade knallrot werde, merke erst jetzt, dass dein Blick schon die ganze Zeit auf mir ruht, während sich auf deinem Gesicht dein typisches, hämisches Grinsen abzeichnet.

Dieses Mal sehe ich in ihm jedoch noch etwas anderes, etwas sonst nie da gewesenes, etwas, das in meinem Bauch, in meinem ganzen Körper ein angenehmes Kribbeln auslöst... so etwas wie Liebe.

Verwirrt schaue ich dir in die Augen und in dem Moment, als sich unsere Blicke treffen, jagt erneut ein warmer Schauer meinen Rücken hinunter, dein Blick fesselt mich, ich versinke im strahlenden Grün deiner Augen, vergesse alles um mich herum und realisiere nur am Rande meines Verstands, wie du an mich heran rückst, deine Arme sich um meinen Körper schließen, mich an dich drücken, wie dein warmer Atem meine Haut streift, eine deiner feuerroten Haarsträhnen mein Gesicht kitzelt, und erst als deine warmen Lippen leicht über die Meinen streichen und sie schließlich zu einem sanften Kuss versiegeln, kehre ich in die Realität zurück, erwache aus meiner Trance und reiße die Augen auf, doch du merkst nichts davon, hast die Augen geschlossen und bist bereits völlig in der Berührung versunken, so senke ich ohne weiter darüber nachzudenken langsam meine Lider, bewege meine Lippen etwas unsicher gegen deine und als du vorsichtig mit deiner Zunge über meine Unterlippe streichst, öffne ich meinen Mund ohne zu zögern einen Spalt breit und gewähre dir Einlass. Immer mehr verliere ich mich in den zärtlichen Berührungen unserer Lippen und langsam finden auch meine Arme den Weg um deinen schmalen Körper, als ich von weit entfernt wieder das Rauschen der Zweige und das Knistern des Laubs vernehme...
 

...Zweige? Laub? Wo... bin ich? Und wo bist du?

Verwirrt mustere ich meine Umgebung und stelle mit wachsender Enttäuschung fest, dass ich mich nicht auf dem Bahnhofsturm befinde, dass ich nicht in deinen Armen liege, nicht gerade während des Sonnenuntergangs von dir geküsst werde, sondern hier stehe, allein, mitten im Wald, um mich herum nichts als Bäume, Gestrüpp und verwilderte Wiesen und der schmale Pfad, der mich hier her geführt hat.

Und vor mir der kalte graue Stein, auf dem undeutlich dein Name eingemeißelt steht.
 

‚Ich habe Blumen mit, weiß nicht, ob du sie magst.

Damals hättest du dich wahrscheinlich sehr gefreut.

Wenn sie dir nicht gefallen, stör dich nicht weiter dran.

Sie werden ganz bestimmt bald wieder weggeräumt.’
 

Behutsam lege ich die Blumen in meiner Hand auf die Steinplatte, darauf bedacht, sie nicht zu verletzen, weil es schöne Blumen sind, Lilien, sie hätten gut zu dir gepasst, denn ihre Blüten sind feuerrot, wie deine Haare es waren, und ihre Blätter strahlen leuchtend grün, so wie deine Augen es jedes Mal getan haben, wenn sie mich erblickten.

Und als die Blumen den Stein berühren spüre ich für einen winzigen Augenblick deine Wärme, als ob du mich für einen kurzen Moment in deine Arme geschlossen hättest, um mir ein lautloses ‚Danke’ zu vermitteln.

„Gern geschehen...“, murmele ich vor mich hin, darauf hoffend, dass meine Stimme dich irgendwie erreicht, als eine einsame Träne meine Wange hinabrinnt und auf die Inschrift deines Namens tropft.
 

‚Wie es mir geht, die Frage stellst du jedes Mal.

Ich bin okay, will nicht, dass du dir Sorgen machst.
 

Und so red ich mit dir wie immer,

so als ob es wie früher wär,

so als hätten wir jede Menge Zeit.

Ich spür dich ganz nah hier bei mir,

kann deine Stimme im Wind hörn.

Und wenn es regnet, weiß ich, dass du manchmal weinst.

Bis die Sonne scheint.

Bis sie wieder scheint.’
 

Für den Bruchteil einer Sekunde habe ich das Gefühl, deine Stimme zu hören, dein Flüstern, das so oft mein Ohr erreichte, im Wind zu vernehmen, bis mir wieder bewusst wird, dass das unmöglich ist, dass deine Stimme für immer verstummt ist, dass ich sie nie wieder hören können werde...

...zumindest nicht in diesem Leben.

Aber ich genieße diese Momente, in denen ich hier stehe, in denen ich glaube, dich zu hören, deinen unverwechselbaren Duft, der mich immer ein wenig an Asche erinnert hat, einzuatmen, dich zu spüren.

Momente, in denen unsere Welt fast wieder so ist, wie sie einst existiert hat.
 

Doch immer, wenn ich den Weg zurück in die reale Welt finde, eine Welt ohne dich, stehe ich wieder kurz davor, an der unendlichen Leere, die du in meinem Herzen hinterlassen hast, zu zerbrechen, und nur der eine Gedanke, dass ich nicht allein bin, dass du immerzu bei mir bist und dass auch du einsam bist, mein Leid teilst, lässt mich an der Hoffnung festhalten, dass wir uns eines Tages wiedersehen.
 

Und das werden wir, versprochen.
 

’Und so red ich mit dir wie immer

und ich verspreche dir

wir haben irgendwann wieder jede Menge Zeit.

Dann werden wir uns wiedersehen,

du kannst dich ja kümmern wenn du willst,

dass die Sonne an diesem Tag auch auf mein Grab scheint.

Dass die Sonne scheint.

Dass sie wieder scheint.’
 

Bevor ich den langen Rückweg antrete und mich wieder dem grauen Alltag hingebe, flüstere ich meinen letzten Gedanken in den Wind – in der Hoffnung, dass er meine Worte bis zu dir hin trägt.
 

„Denn ich liebe dich, Axel.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  TKTsunami
2012-06-18T12:34:50+00:00 18.06.2012 14:34
Voll schön *schnurr*
Aber traurig~
Aber diese Gedanken...
*vollkommen in stillen schärmen vertieft*

TK was here
Von:  rayni4
2008-03-19T17:41:10+00:00 19.03.2008 18:41
TT.TT
*heul*
nein wie konntest du ....
jetzt bin ich wieder depressiev ....
du hast zu meinem lieblichgslied geschrieben .....
*heul*
na toll....
jetzt ist alles zu spät ... ich mach jetzt den pc aus und geh ins bett ....
und da komm ich nicht mehr raus, bis ich meine depressieve phase hinter mir habe und das kann eine weile dauern ...
also danke auch ...


aber trotzdem mega geil geschrieben ...
einfach umwerfend ....
*heul*
es hat mich wirklich sehr getroffen .....
AkuRoxu sind so oder so die besten, aber du kannst wirklich mega gut schreiben ...
wäre es doch bolß nicht so depressiev ....
aber trotzdem einfach der hamma ...
//ich glaube ich wiederhole mich//
.....
//egal !!!///
der hamma ....
einfach geil ....



mal schauen ob du noch andere ff's hast....
hoffentlich sind die nicht so depressiev .....
naja mal schauen ^^

roxy
Von:  craig
2008-03-19T14:20:54+00:00 19.03.2008 15:20
T____T waaaaaah~
wie süüüüß~
und so traurig~
du hast das richtig lebendig geschrieben!
*snief**heul*
das Paaring ist so hammer
TT__TT wie du das alles beschrieben hast und so..
einfach mega geil~


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