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Hot N' Cold

(ehem. Melting)
von

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Fehler

Aloha he!
 

Liebe, liebe Leute...

Es tut mir so Leid! - Ehrlich. Dass es so lange gedauert hab, bis hier ein neues Kapitel hochgeladen wird. I'm sorry T_T

Ich weiß auch nicht, was dieses Jahr mit mir los war, aber dies hier ist das erste Kapitel, was mir wirklich wieder Spaß gemacht hat, zu schreiben.

So langsam verabschiedet sich mein Krea-tief wohl. Gott sei Dank.

Ich hoffe, ihr habt trotzdem noch Spaß beim Lesen :)
 

Kapitel 10: Fehler
 

Laut surrte der Heizstrahler und verströmte im ganzen Zimmer zunächst angenehm sommerliche, mittlerweile aber schweißtreibende, stickige Luft.

Bobby kam sich vor, als wäre er in der Sahara gelandet, nur ohne all den Sand.

Er hatte mal in einem Buch über Afrika gelesen, dass es dort bis zu 140°F heiß war, doch mittlerweile kam es ihm so vor, als wäre es in seinem und Johns Zimmer schon wesentlich heißer. Die Beschreibung eines Backofens kam ihm treffender vor.

Er hatte bereits seine eigene Körpertemperatur etwas abgesenkt, doch das spürte er mittlerweile kaum noch. Vielleicht war es auch die Nervosität, die ihm den Schweiß auf der Stirn trieb.

Sie konnten John nicht ewig in diesem Eisgefängnis lassen, doch Bobby hätte jeden Moment der Konfrontation am liebsten hinausgezögert, wenn nicht gleich umgangen. Doch ihm war klar, dass John weder vergessen haben würde, dass er ihn in Eis gefroren, noch dass er ihn geküsst hatte. Und er war sich nicht einmal sicher, was schlimmer für den Feuermutanten sein würde. Er fürchtete sich vor dessen Reaktion, die er sich bereits in den schlimmsten Facetten ausmalte. Ein wütender John konnte gefährlich sein; körperlich wie verbal – und beides konnte schmerzhaft sein.

Die Eisschicht auf Johns Körper begann langsam zu tauen. Immer mehr Tropfen bildeten sich an diversen Körperstellen, wie den Händen, dem Kinn und den Haaren und tropften immer schneller zu Boden, an dem sich schon eine sich weiter ausbreitende Pfütze im Teppich gebildet hatte.

Dennoch dauerte es länger, als Bobby bei dieser Hitze vermutet hätte.

„Das war wirklich eine gute Idee, Rogue“, hörte er Kitty neben sich sagen, die erleichtert aufseufzte. Trotz allen Streitereien, die sie mit John sonst immer hatte, sorgte sie sich um ihn. „Ich versteh wirklich nicht, wie dir das passieren konnte.“

Bobby brauchte eine Weile, bis er realisierte, dass sie damit ihn meinte.

Ihr Ton hatte weniger etwas Anklagendes, als dass er einfach nur verwundert klang. Dennoch traute Bobby sich nicht, ihr in die Augen zu schauen, sondern blickte zu einem unbestimmten Punkt dicht neben ihr.

„Ich auch nicht“, antwortete er leise und wusste selbst nicht, ob er damit die Vereisung oder den Kuss meinte. Vermutlich beides.

Kitty sagte nichts mehr, doch er bemerkte ihren verwunderten Blick auf sich.

Vermutlich hatte sie erwartet, dass er ihr nun erzählen würde, wie es überhaupt zu diesem „Unfall“ gekommen war. Doch er dachte nicht einmal daran, auch nur einer Menschenseele davon zu erzählen. Viel zu peinlich war ihm die Tatsache, dass er sich so hatte gehen lassen. Er, Bobby, der sonst immer so beherrscht war und den man selbst bei einem Streit lange reizen musste, bis er seiner Wut Luft machte und lauter wurde. Wäre es nur die Tatsache, dass er John in ein Eisgefängnis gesperrt hatte… nun, das wäre vermutlich nicht mal halb so pikant. Immerhin war Johns provozierende Art allseits bekannt und es würde wohl niemanden ernsthaft wundern, wenn man da mal die Beherrschung verlor.

Doch der Kuss…

Gott, was war da bloß in ihn gefahren gewesen? Was hatte er sich bloß dabei gedacht? – Gar nichts. Das war es ja. Hätte er dabei nur einmal sein Hirn genutzt, dann wäre ihm das nie passiert. Denn die Konsequenzen wären ihm dann klar gewesen. Früher oder später würde John fragen, warum er ihn geküsst hatte. Und was sollte er dann sagen? Die Wahrheit? Das wäre vermutlich das Sinnvollste, aber nichts wäre Bobby unangenehmer. John könnte ihn ablehnen, es als widerlich empfinden. Das stellte er sich viel schlimmer vor, als diese Gefühle auszuhalten, bis sie hoffentlich irgendwann wieder so schnell gehen würden, wie sie gekommen waren.

Die andere Alternative war, dass John ihn gar nicht drauf ansprach, sondern stattdessen ignorierte, ihm aus dem Weg ging und ihn mied. Sah auch nicht wirklich rosiger aus.

Wie Bobby es auch drehte und wendete, es stand einfach scheiße für ihn, um das jetzt mal mit aller Deutlichkeit zu sagen.

Gerade war er schon bereit, wieder in Selbstmitleid zu versinken, als er unterschwellig ein leises Klicken vernahm und doch – es überraschte ihn selbst – reagierte er instinktiv und ließ sich selbst zu Eis werden.

Dennoch reagierte er viel zu langsam, denn wie er Bruchteile einer Sekunde später feststellen musste, hatte ein Feuerball groß wie ein Medizinball ihn bereits erreicht und seinen linken Ärmel in Brand gesetzt, bevor dieser zu Eis hatte werden können. Er spürte, wie die oberste Eisschicht an seinem Körper bereits anfing, zu schmelzen, als er eine Art Mini-Blizzard auf seinen eigenen Arm lenkte, um diesen zu löschen. Nur Augenblicke später sah er bereits die nächste feurige Kugel auf sich zurasen kommen, doch diesmal war er schneller und wehrte sie mit seiner eigenen Kraft ab, auch wenn sie ihn ohnehin verfehlt hätte.

Er hörte Rogue neben sich aufschreien und blickte erschrocken zu ihr, bemerkte aber erleichtert, dass Kitty sie an sich gezogen und mit sich immateriell hatte werden lassen.

Nur zögerlich wagte er es, in die Richtung zu blicken, aus der die beiden Feuerbälle gekommen waren.

Was er erblickte, ließ seine Kehle trocken und rau werden, sodass er es fast als unmöglich empfand, zu schlucken.

Vor ihm stand John, kreideweiß im Gesicht, den Finger an das Rädchen seines Feuerzeugs gelegt und schwer atmend. Seine dunklen Augen blickten Bobby finster und wütend an; hatten ein Funkeln, das ihn fast schon dämonisch wirken ließ.

Seine sonstige Erscheinung wirkte, durchnässt wie er war, einfach nur jämmerlich. Ihm war anzusehen, dass er fror. An einigen Stellen war er nicht nur unglaublich blass, sondern sah fast aus wie ein Eimer voll Kalk. Seine Lippen waren bläulich. Die Haut hatte sich zusammengezogen und ließ sie unheimlich schmal wirken. Trotz seiner sichtlichen Bemühung um Stärke, zitterte er erbärmlich.

Bobby fühlte sich bei Johns Anblick von einer Woge der Schuld überrannt.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Kitty einige Schritte auf den Feuermutanten zuging. Fast hatte er gedacht, sie würde ihn wegen der Feuerbälle zurechtweisen, doch stattdessen sprach sie in den sanftesten Tönen zu ihm: „Gott sei Dank bist du da ja wieder raus. Wie geht’s dir jetzt, John?“

Bobby fand diese Frage ziemlich dumm, denn es war doch unübersehbar, wie schlecht es ihm ging.

John schien das ähnlich zu sehen, denn er beachtete Kitty nicht einmal.

„Drake!“, schnauzte er ihn plötzlich an. Seine Stimme klang gerissen und heiser, doch dadurch nicht minder bedrohlich. „Du… verdammtes Arschloch!“

Bobby war sich sicher, dass John einige viel härtere Worte auf der Zunge gelegen hatten, doch der Kleinere schien sie nicht fokussieren zu können.

Er hatte das Gefühl, sein Magen würde sich zusammen ziehen. Sein Herz klopfte wie wild an seine Brust. Er wollte John beruhigen, ihm etwas sagen, irgendetwas, das vielleicht erklären würde, was er getan hatte. Spätestens jetzt wünschte er sich, Kitty und Rogue würden aus dem Raum verschwinden, auch wenn sie ihm noch so sehr geholfen hatten.

„Wie konntest du es wagen… wagen ! … mich – mich! … in Eis einzufrieren?!“, zischte John zornig und drehte erneut das Rädchen seines Zippo-Feuerzeugs®, um eine weitere kleine Flamme zu entzünden und in seiner Hand wachsen zu lassen, bis sie ungefähr so groß wie seine Handfläche war und neben seinem Gesicht in der Luft schwebte. „Und glaub bloß nicht, dass ich vergessen hab, was vorher passiert ist!“

Bobby schluckte und sein Hals fühlte sich an, wie von tausend kleinen Rissen durchzogen. Er kam sich vor, als wäre er in einem schlechten Film. Nur leider war es real.

„John, bitte, lass mich…“, begann er vorsichtig und ging einen Schritt näher auf den anderen Jungen zu. „Lass mich das erklären.“

Seine Stimme war kaum mehr als ein leises Murmeln und er war sich nicht sicher, ob überhaupt jemand ihn verstanden hatte.

Je näher er John kam, desto irritierter wurde dessen Blick und er wich schließlich einen Schritt zurück.

„Vergiss es, Drake!“, wehrte er ab und seine Stimme kochte vor Wut. „Du packst mich nicht noch mal an!“

Er wich weiter von Bobby zurück und wandte sich von diesem ab. Der Feuerball, der neben seinem Gesicht geschwebt hatte, raste in Richtung Bobby los, knapp an dessen Kopf vorbei und verpuffte schließlich hinter diesem in der Luft.

Er wollte einfach nur noch raus hier.

Weg von Bobby, weg von den Mädels. Das wurde ihm hier alles zu viel.

Er wollte keine Erklärungen, keine Entschuldigungen hören. Er war wütend und das, wie er fand, durchaus zu Recht.

Mit großen Schritten wandte er sich der Tür, die aus seinem und Bobbys Zimmer führte, zu. Er merkte, wie ihm wieder ein wenig schwindelig wurde. Sein Gang wurde schwankend. Sein Kopf schmerzte heftig; instinktiv griff er sich an die Stirn. Seine Beine fühlten sich an als wären sie aus Wackelpudding und das Atmen fiel ihm zusehends schwerer. Seine Sicht verschwamm und klärte sich wieder, nur um wieder zu verschwimmen. Abstützend versuchte er, an der nächstgelegenen Wand Halt zu finden, doch die Kräfte schienen immer schneller aus seinem Körper zu schwinden.

Bevor er noch die stützende Wand erreichte, wurde ihm plötzlich schwarz vor Augen und er kippte um.

Das Letzte, was er hörte, war, wie mehrere Stimmen seinen Namen riefen.
 

Kaum eine halbe Stunde später konnte Bobby sehen, wie sich die schweren Türen zur Krankenstation vor seinen Augen verschlossen und ihm den Blick auf John verweigerten.

Rogue hatte darauf bestanden, Storm zu rufen und wahrscheinlich hatte sie gut daran getan. John sah fürchterlich aus. Sein Zustand war einfach erbärmlich.

Storm war zunächst sehr erschrocken gewesen, als sie das Zimmer betreten und den Feuermutanten kraftlos am Boden hatte liegen sehen.

Bobby hatte immer noch das Gefühl, ihren fragenden Blick auf sich zu spüren. Doch sie hatte kein Wort ihm gegenüber verloren; nicht gefragt, was passiert sei oder um eine Erklärung gebeten, wie es soweit hatte kommen können.

Darüber war Bobby sehr dankbar.

Er hätte auch nicht gewusst, was er ihr hätte sagen sollen.

Die Wahrheit? Konnte er nicht.

Zum einen war es ihm peinlich, erklären zu müssen, dass er Gefühle für John hegte, die seiner Meinung nach nicht da sein sollten, und er ihn aus reiner Nicht-Beherrschung heraus geküsst hatte. Zum anderen wusste er nicht einmal selbst, wieso ihm die Kontrolle so entglitten war, wieso er sich so hatte von seinen Gefühlen leiten lassen.

Vielleicht hatte Storm irgendwie gespürt, dass dies kein Thema war, über das er vor Rogue, Kitty und Wolverine – den Storm dazu gerufen hatte, um John zu tragen – diskutieren wollte. Weibliche Intuition oder so.

Vielleicht aber auch hatte sie für sich entschlossen, dass die genauen Hintergründe sie nichts angingen. Vielleicht wusste sie, dass es bei Bobby schon viel verlangte, damit er sich selbst vergaß. Er war nicht so leicht reizbar wie John, dem in der Vergangenheit schon häufiger die Kräfte durchgegangen waren und der nicht selten zu seiner großen Klappe auch seine Mutation nutzte, um sich durchzusetzen oder einfach – wie er es nannte – „seiner Meinung Nachdruck zu verleihen“. Oder vielleicht einfach auch, weil er manchmal ein richtiger Mistkerl sein konnte.

Offenbar jedenfalls hielt Storm Bobby nicht für einen solchen „Mistkerl“. Zwar bezweifelte Bobby, dass sie nicht doch irgendwann das Gespräch mit ihm suchen würde, doch sie schien nicht wütend auf ihn zu sein. Zumindest noch nicht.

Vielleicht war das auch nur die Ruhe vor dem großen Storm-Sturm. Wenn dem so wäre, könnte sich bald die ganze Umgebung um das Institut herum auf große Unwetter einstellen. Oder so ähnlich. Welch blöder Gedanke eigentlich.

Storm war kein Kleinkind, das seine Kräfte nicht unter Kontrolle haben und von seinen Gefühlen trennen können würde. Dachte Bobby so.

Na ja, vielleicht war dem so.

Doch von all den ganzen „Vielleichts“ und der Nachdenkerei bekam er schon Kopfschmerzen. Und bringen tat es auch nichts.

Es nahm ihm nicht die Unsicherheit und auch nicht das schlechte Gewissen; ebenso wenig den Scham, dass ihm so etwas passiert war.

Seufzend drehte er sich langsam von dem Edelstahltor weg und begab sich zu den Aufzügen, die zurück in die oberen Stockwerke des Internats führten.

Nun lag John in einer Wärmetruhe. Logan hatte gemeint, es hätte ein bisschen was von Schneewittchen, doch Bobby hatte das nicht sonderlich lustig gefunden.

Johns Haut war nicht weiß wie Schnee; sie hatte eher einen Graustich, als ob man durch den Schnee noch eine Prise Asche gezogen hätte.

Für Bobby hatte er fast tot ausgesehen, hätte er nicht noch das stetige, wenn auch schwache Heben und Senken der Brust gesehen, das ihm versicherte, dass John noch atmete. Seine Haut hatte geglüht und war von einem glänzenden Schweißfilm überzogen gewesen. Laut Storm hatte er ziemlich hohes Fieber und war sehr schwach. Ein paar Körperstellen waren definitiv unterkühlt und würden auch sicher noch einige Tage schmerzen.

Doch er war nicht in Lebensgefahr und dank seiner übermenschlichen Kraft würde er all dies vermutlich ohne Folgeschäden wegstecken.

Das hatte Storm Bobby noch gesagt, ihm dabei auf die Schulter gefasst und zuversichtlich gelächelt, ehe sie ihn rausgeschickt hatte.

In gewisser Weise hatte Bobby das erleichtert. Würde John durch seine Aktion ernsthafte Schäden nehmen, würde er sich das nie verziehen.

Doch trotzdem fühlte er die Schuld schwer auf seinen Schultern lasten.

Innerhalb kürzester Zeit hatte er John zwei Mal mit seinen Kräften so stark geschwächt, dass er auf die Krankenstation des Instituts bzw. ins Krankenhaus musste.

Es war nicht so, dass es in der Vergangenheit nicht ein dutzend Vorfälle gegeben hätte, bei denen es umgekehrt gewesen war.

Bobby erinnerte sich noch gut an seine Ankunft in Xaviers Schule.

Er war verängstigt und vollkommen durcheinander gewesen. Er hatte Kräfte an sich entdeckt, von denen er nicht wusste, dass er sie auch kontrollieren konnte (wie ihm der Vorfall heute gezeigt hatte, konnte er das offensichtlich doch nicht so sehr, wie er die Jahre über bei Xavier gelernt hatte). Noch dazu hatte er immer „normal“ sein wollen. Wie jeder andere Junge in Boston. Vielleicht hätte er im Schulteam Basketball gespielt oder wär in einen Musikkurs gegangen. Irgendwie so was. Doch ganz bestimmt hatte er kein Mutant mit der Fähigkeit, Eis erschaffen und formen zu können, werden wollen.

Und dann war er auch noch ausgerechnet mit John in ein Zimmer gesteckt worden.

Schon auf dem Flur, als er von Xaviers Büro auf Einlass gewartet hatte, hatte ein Junge ihn angesprochen, dass er sich auf jeden Fall vor diesem „feuerspuckenden Drachen“, ein Junge namens John Allerdyce, in Acht nehmen sollte. Unter einem „feuerspuckenden Drachen“ hatte Bobby sich etwas anderes vorgestellt, als einen damals recht hageren Pimpf, allerdings inklusive beachtlichem Mörderblick.

Mit John war damals in der Pubertät wesentlich schwerer umzugehen gewesen, als heute. Er war gereizt von allem und jedem. Er hatte diesen Streit mit seinen Eltern gehabt, die im Gegensatz zu Bobbys Eltern schon damals von seiner Mutation gewusst hatten und froh gewesen waren, ihn in diese Schule „los geworden“ zu sein. Den Zwist gab es heute noch. Nur schien nach all den Jahren von Johns Seite aus eine gewisse Gleichgültigkeit zu herrschen. Wenn Bobby sich recht erinnerte, hatte John auch keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern. Zumindest wusste er nichts Gegenteiliges.

Man musste damals aber praktisch nur seine eigenen Eltern erwähnen oder sonst etwas, was John auf die Palme brachte – und das war damals viel – um zu riskieren, entweder von seiner allzu großen Klappe erdrückt oder von einem Feuerball verschlungen zu werden.

Bobby hatte also gleich am ersten Abend, als er doch noch von ziemlichem Heimweh geplagt gewesen war und allein mit John in ihrem Zimmer gesessen hatte (das John vorher übrigens eine Zeit für sich allein gehabt hatte, weswegen er allgemein von Bobby nicht begeistert gewesen war) den Fehler gemacht, das Tabu-Thema ‘Eltern‘ anzusprechen.

Wenige Minuten später hatte er auf der Krankenstation gelegen, mit einem verbrannten Oberarm, und war von Dr. Grey untersucht worden.

In den nächsten Jahren waren viele Blessuren gefolgt, allerdings nicht nur gegenüber ihm, sondern auch gegen viele anderen Menschen im Institut.

Mit sechzehn hatte John dann den absoluten Ausraster gegenüber Professor Xavier gehabt und sogar gegenüber diesem seine Kraft anwenden wollen. Mit dem Ergebnis, dass Xavier John mittels Gedankenkraft dazu gebracht hatte, sich selbst in Brand zu setzen. Danach hatten Johns Krafteinsätze erheblich nachgelassen. Sie waren praktisch kaum bis gar nicht mehr vorgekommen.

John hätte es also durchaus mal „verdient“, ebenfalls von der Mutationskeule geschlagen zu werden. Doch Bobby war nie der Typ gewesen, der auf solche Art und Weise seine Probleme geregelt hätte. Beim ersten Mal auf Alcatraz, das war Ablenkungsmanöver und Notwehr zugleich gewesen. Doch heute… das konnte er keinem mit Sinn und Verstand erklären. Klar, es war in gewisser Weise auch Notwehr gewesen, immerhin hatte John das Feuerzeug gezückt gehabt. Doch erst nachdem Bobby ihn geküsst hatte. Und das war seine Schuld gewesen. Er konnte sich immer noch nicht erklären, wie er sich so hatte gehen lassen können.

In ihrer jahrelangen Freundschaft war er immer der Ruhigere von ihnen gewesen; der, der mehr überlegt hatte und weniger, so wie John, aus dem Bauch heraus gehandelt hatte. In der Zeit hatten sie viel von einander übernommen. Bobby war etwas selbstsicherer und meinungsfreudiger geworden. Und John im Gegenzug etwas ruhiger und „zahmer“. Vielleicht bildete er sich auch nur ein, dass es sein Einfluss und nicht ein ganz normaler Akt des Älter-Werdens gewesen war, aber fest stand: Sie waren beste Freunde gewesen.

Das hätten sie auch bleiben sollen. Einfach nur beste Freunde. Und dann musste er wegen dieser Verliebtheit auch noch den Verstand verlieren.

Die große Frage war wohl: waren sie noch beste Freunde?

Oder hatte Bobby das mit seiner Aktion verspielt?

Am liebsten würde er die Krankenstation stürmen und John wachrütteln, nur um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen. Und auf viele andere, die ihm auf der Zunge brannten. Die Ungewissheit fraß an ihm.

Doch er konnte ihn jetzt nicht fragen. Er musste ihm seine Ruhe lassen.

Die weibliche Elektrostimme aus dem Aufzug vor ihm sagte nun mindestens schon zum fünften Mal: „Bitte treten Sie ein.“

Vielleicht sollte er ihr mal Folge leisten.

Hoffentlich war oben auf dem Flur keiner. Denn auch wenn er nicht dachte, dass Rogue oder Kitty jemanden etwas erzählt hätten, …

… solche Geschehnisse verbreiteten sich in einem Internat eben wie ein Lauffeuer.
 

Seine Glieder schmerzten fürchterlich, als er langsam zu sich kam.

Doch eine wohlige Wärme umgab ihn und kreierte ein Gefühl von Geborgenheit, das ihn gar nicht so recht aufwachen lassen wollte.

So wie früher, wenn er in seinem Elternhaus im Bett gelegen und seine Mutter ihn hatte wecken wollen. „Nur noch fünf Minuten, Mama.“

Und so hielt er seine Augen geschlossen und gab sich diesem Gefühl der einlullenden Wärme hin, versuchte seine schmerzenden Glieder so gut es ging zu ignorieren.

Um sich herum hörte er ein stetiges Surren, das sich blechern und automatisch anhörte, fast wie bei einem Kühlschrank. Undeutlich drangen ebenso Stimmen an sein Ohr, die sich jedoch für ihn noch nach einem murmelnden Mischmasch anhörten. Es klang irgendwie dumpf, fast als würde etwas sie dämmen. Nur langsam schienen sie Farbe zu gewinnen und sich in zwei Stimmen aufzuteilen.

„… hat sie angeschafft. Offensichtlich eine gute Investition“, konnte John langsam die Worte entziffern, die eindeutig von einer weiblichen Stimme kamen.

„Das wundert mich nicht“, antwortete daraufhin eine leicht rauchige Männerstimme.

Für einen kurzen Moment sagte keiner etwas, ehe die weibliche Stimme wieder zu sprechen begann: „Du vermisst sie sehr.“

Von dem Mann kam ein leicht rümpfender Ton. Offensichtlich wollte er das Thema nicht besprechen.

„Sie war ja auch eine tolle Frau“, sagte die weibliche Stimme weiter und John hörte über sich etwas klimpern.

„Das war sie.“

„Es tut mir sehr Leid für dich.“ Die weibliche Stimme klang mitfühlend.

„Ich weiß“, sagte die männliche Stimme. „Aber sie war auch deine Freundin.“

Ein Klackern von Schuhen war zu hören; langsame, bedächtige Schritte.

„Ja, manchmal fehlt sie mir schon. Wie zum Beispiel jetzt. Ich bin keine Ärztin. Sie hätte vielleicht noch besseren Rat gewusst.“

„Du machst das schon. Du bist eine intelligente Frau. – Und außerdem bin ich ja auch noch da.“ Die Stimme des Mannes klang zuversichtlich und langsam hatte John das Gefühl, dass sie ihm seltsam bekannt vorkäme.

In der Stimme der Frau war ein eindeutiges Lächeln zu hören, als sie antwortete. „Und dafür bin ich dir dankbar. Sag, ist es nicht mittlerweile für dich auch ein Zuhause geworden?“

John kräuselte leicht die Stirn. Die beiden Stimmen störten definitiv seine Ruhe und sein Wohlbefinden. Seine Augenbraue zuckte. Am liebsten hätte er sich lauthals beschwert, doch seine Kehle fühlte sich ganz rissig an.

Was war bloß los mit ihm?

Er hörte die Frau noch etwas sagen und ihre Stimme erinnerte ihn an die…

Moment! – er unterbrach sich in Gedanken selbst. Das war die Stimme von Ororo Munroe, Storm, seiner Lehrerin.

„Ach, Ororo, du weißt doch, wie das mit den schönen Frauen ist…“, hörte er die männliche Stimme mit einem eindeutigen Schmunzeln sagen – und da war wieder dieses Klimpern.

Wenn die Stimme zu Miss Munroe gehört…

Nun, dann musste die andere Stimme wohl –

„Logan!“

John riss erschrocken von dieser Erkenntnis und Miss Munroes Ausruf die Augen auf.

Skurriler Weise sah er über sich eine durchsichtige Scheibe.

Was hatte das zu bedeuten?

Über der Scheibe sah er Wolverines Kette baumeln, die immer wieder dieses Klimpern erzeugte, wenn der kleine Army-Blechanhänger hin und her schwankte. Er hatte sich zu Storm rüber gebeugt und sah diese mit einem breiten Grinsen an, während sie mit einer Mischung aus Tadel und Vergnügen zu ihm zurück blickte.

John rollte leicht mit den Augen.

Was für ein Albtraum.

Wer wollte denn schon aufwachen und dann ausgerechnet Mr. „Ich-bin-haarig-und-allein-wie-ein-Wolf“ im Flirt mit seiner Schulleiterin vorfinden?

War er wirklich wach oder hatte irgendein Mutant ihn in einer schrecklichen Vision gefangen? – Das war ja… widerlich.

„Oh Gott, ich glaub, ich kotz gleich“, murmelte John und merkte unangenehmer Weise bei jedem Wort, wie sein Hals schmerzte.

Doch schien er nun die Aufmerksamkeit von Storm und Wolverine auf sich zu ziehen.

Sofort änderte sich der Ausdruck auf Storms Gesicht und sie blickte besorgt zu ihrem Schüler hinunter.

„John“, nannte sie ihn mit Nachdruck bei seinem Namen, als wollte sie verhindern, dass er wieder einschlief. „Wie geht es dir?“

Aus halb geöffneten Augen starrte John seine Lehrerin an.

Was war das denn bitteschön für eine blöde Frage?! – Da sie ja hier neben diesem Kasten, in dem er skurriler Weise lag, stand, wusste sie wohl doch offensichtlich mehr als er. Denn John… wusste gerade ehrlich nicht einzuordnen, was passiert war.

„Wozu lieg ich in diesem… Sarg?!“, fragte er und obwohl er noch geschwächt war, war der Trotz und Unwille in seiner Stimme nicht zu verkennen.

„Du bist tot“, antwortete Logan ihm nüchtern, doch noch bevor er etwas Weiteres sagen oder John etwas erwidern konnte, funkte Storm dazwischen.

„Logan! Das ist nicht lustig! – John, du bist natürlich nicht tot. – Logan, also ehrlich!“, fuhr sie den kräftigen Mann ihr gegenüber an, der daraufhin unbeteiligt mit den Schultern zuckte.

Ihm noch ein Augenrollen zuwerfend, wandte sie sich schließlich wieder an John.

„Erinnerst du dich gar nicht mehr, was passiert ist?“, fragte sie ihn sanft und ihr Ton sollte offenbar eine beruhigende Wirkung auf John haben, was jedoch ziemlich fehlschlug.

„Nein, sonst würd ich ja nicht so blöd fragen“, gab der Feuermutant gereizt zurück und ärgerte sich innerlich, dass seine Stimme so schwach klang.

Wütend wollte er sich aufsetzen, vergaß aber den Kasten um sich herum und stieß sich erst einmal kräftig den Kopf. Aua. Kunststoff. Kein Glas. Das hätte er jetzt nicht gedacht. Egal, es tat trotzdem weh.

„Könnt mal jemand dieses Ding öffnen?!“

„Wir müssen erst noch deine Werte überprüfen, John, bevor wir sicher gehen können, dass du nicht wieder umkippst, immerhin warst du stark unterkühlt“, sagte Storm und legte ihre Hand auf die klare Kunststoffscheibe.

Logan gab ein leises Schnauben von sich. „Dem Jungen geht es offensichtlich wieder prächtig. So frech, wie der schon sein kann…“

John warf ihm einen gereizten Blick zu. „Hätt ich Bitte bitte sagen sollen?“

Schwer ausatmend beugte Logan sich über die Wärmetruhe und John rutschte instinktiv mehr an die Seite, an der Storm stand.

„Ich wäre zumindest etwas dankbarer, wenn man mich in total unterkühltem Zustand gefunden hätte. Mit so einer Vereisung ist immerhin nicht zu spaßen. Wir haben dich aufgepäppelt und Tag und Nacht an dieser Truhe gewacht“, erzählte Logan und genoss es offensichtlich von oben auf John herab blicken zu können. „Sei also gefälligst etwas höflicher.“

„Logan!“, unterbrach Storm ihn abermals empört. Hatte der Mann eigentlich gar kein Taktgefühl? Sie wusste, dass er es nicht so meinte und John vermutlich nur auf die gleiche rotzige Art begegnen wollte, die der Junge selber an den Tag legte. Vielleicht war diese Art auch genau das, was John brauchte, aber dennoch fand sie sein Verhalten in der Situation einfach unmöglich. „Übertreib es nicht, es sind gerade mal vier Stunden vergangen, seit wir ihn hierhin gebracht haben.“

Logan erwiderte noch etwas, doch John hörte ihnen gar nicht mehr richtig zu.

Vereisung.

Starke Unterkühlung.

Logans Worte ließen Fetzen der Erinnerung zurückkehren.

Wie er völlig geschwächt und wütend aus dem Zimmer gestapft war.

Wie er Feuerbälle auf Bobby geschleudert hatte.

Wie er diese kriechende Kälte gespürt hatte, die seinen Körper einnahm und die er nicht stoppen konnte.

Es war, als erlebe er das Geschehene noch einmal rückwärts.

Wie er sein Feuerzeug gezückt hatte.

Die Erinnerung war wieder da.

Wie Bobby ihn geküsst hatte.

John atmete schwer aus; ließ sich, als hätte er die Last von tonnenschwerem Stahl auf sich zu tragen, auf den weichen Untergrund in der Truhe zurücksinken.

Sein Kopf fühlte sich plötzlich so viel schmerzender an als der Rest seines Körpers.

Seine Gedanken standen Kopf. Wieso war das passiert?

Mit leicht zittrigen Händen strich er sich über seine geschlossenen Lider.

Er hustete und es klang sehr bronchial.

War sein Brustkorb die ganze Zeit schon so verstopft gewesen? Er hatte das Gefühl, alles würde sich noch mehr zusammenziehen.

„John, alles in Ordnung mit dir?“, hörte er Storm fragen und es klang wie aus der Ferne. Aus trüben Augen blickte er sie an, unschlüssig, ob er etwas sagen, mit dem Kopf nicken oder schütteln sollte. „Wenn du möchtest, können wir jetzt mit der Untersuchung anfangen. Es wird wohl nicht ganz so reibungslos vonstatten gesehen wie mit Dr. Grey, aber…“

Doch John hörte ihr nicht weiter zu. Er brauchte die Begründungen und Vorwarnungen, die sie eventuell äußern würde, nicht hören.

Die Untersuchung musste gemacht werden. Was nützte es da, ob er das wollte oder nicht? Ob sie es gut konnte oder nicht. Es gab ja keinen anderen, der mit diesen Instrumenten umgehen konnte. Und er vertraute ihr, auch wenn er es ihr nie so genau sagen würde. Ähnlich war es mit Mystique gewesen. In der Bruderschaft war sie für ihn ebenso eine Ankerperson gewesen wie Magneto. Dass Magneto sie einfach so rausgeschmissen hatte, nachdem sie – um ihn zu retten – vom Heilungsmittel getroffen worden war, hatte ihn ziemlich aus der Bahn geworfen. Loyalität und persönliche Bindungen hatten sie nicht gerettet. Und trotzdem war er geblieben. Aus Überzeugung? Weil er nirgendwo anders hingekonnt hatte? Er hätte zu Storm gekonnt, oder? Er wusste es nicht. Er wusste gar nichts mehr. Sein Kopf war so überfüllt, dass er nicht mal mitbekam, wie der Kunststoffabschluss über ihm sich langsam zur Seite schob.

Die wichtigste Frage überhaupt war doch:

Warum hatte Bobby ihn geküsst?
 

Es war bereits weit nach Mitternacht, als Bobby wieder aufsetzte.

Er hatte sich die ganze Zeit von einer Seite auf die andere gewälzt, keinen Schlaf gefunden. Was heute passiert war, ließ ihm keine Ruhe.

Er hätte sich nie so gehen lassen dürfen.

Aber wie oft hatte er sich das heute schon gesagt? Er konnte es doch nicht mehr ändern. Er konnte nur weiter in Schuldgefühlen und Selbstmitleid versinken, doch das nahm ihm seine Unruhe nicht.

Er brannte auf ein Gespräch mit John, auch wenn er sich zugleich davor fürchtete.

Storm hatte ihn gebeten, John noch etwas in Ruhe zu lassen.

Vermutlich ging sie von einem „ganz normalen“ Streit zwischen ihnen aus.

Doch wie sollte sie auch ahnen, was wirklich passiert war?

Wie sollte sie wissen, dass Bobby diese Ungewissheit einfach nicht mehr aushielt?

Er hatte keine Ahnung, wie John reagieren würde.

Dass er ihm um den Hals fallen und seine Gefühle erwidern würde, glaubte er nicht. Vielleicht würde er verstört sein, vielleicht wütend. Vielleicht würden sie sich streiten. Bobby wusste es nicht. Doch er musste es erfahren.

Kribbelig fuhr er sich selbst über die Oberschenkel, biss sich auf die Lippen.

Dieses ungeduldige, nagende Gefühl kannte er von sich gar nicht.

Sein Puls raste und doch hatte er das Gefühl, in seinem Brustkorb sei es wie ausgestorben.

Fahrig stand er schließlich doch auf und ehe er sich versah und realisieren konnte, was er tat, war er auch schon auf dem Flur vor dem Fahrstuhl.

Gott, Bobby, was tust du hier?!

Die Zweifel, ob es richtig war, was er hier tat, nagten an ihm.

Das letzte Mal, das er allein nachts durch die Schule geschlichen war, lag schon so lang zurück, dass er sich gerade nicht einmal mehr daran erinnern konnte.

Doch seine Hand hatte schon wie von allein die Taste gedrückt, welche die Tür zum Aufzug öffnete.

Noch etwas zögernd trat er ein. Ein Ruckeln signalisierte ihm, dass der Aufzug sich in Bewegung gesetzt hatte. Je weiter er nach unten kam, desto nervöser wurde er. Als die Tür sich schließlich wieder öffnete und ihm den Blick auf den verlassenen, dunklen Korridor freigab, hielt er den Atem an. Er kam sich vor, als würde er hier etwas Verbotenes tun und müsste aufpassen, nicht erwischt zu werden. Fast so, als würde er in einem Museum ein wertvolles Relikt stehlen. Und so schnell schlug auch sein Herz, als er sich der Tür zur Krankenstation näherte.

Seine Hand zitterte stärker als zuvor, als er sie auf den Schalter legte, der die beiden schweren Stahlhälften auseinanderfahren ließ.

Seine Augen gewöhnten sich nur schwer an das Dunkle, doch er wollte nicht gleich die volle Beleuchtung aufdrehen.

Er hörte ein Rascheln aus dem hinteren Teil des Raumes und schließlich wurde dort ein kleines Lämpchen angeknipst.

Sein Körper fühlte sich plötzlich bleischwer an, als Bobby John aufrecht auf einer Art Bett liegen sah, das nicht sonderlich anders aussah, als ein OP-Tisch, auch wenn Bobby wusste, dass es weitaus bequemer war. Offensichtlich hatte der Feuermutant die Wärmetruhe verlassen dürfen, doch es waren noch einige schmale Kabel mit ihm verbunden, die seinen Zustand überwachten. Im matten Schein der Lampe konnte Bobby das dumpfe Glänzen eines Infusionsbeutels erkennen.

Johns Gesicht lag für ihn im Dunkeln. Das Licht schien auf seinen Hinterkopf und beleuchtete seine Züge nur spärlich.

Das war vielleicht auch besser so, denn sonst hätte Bobby gleich den schweren Ausdruck auf Johns Gesicht bemerkt; eine Mischung aus Unwillen und Resignation.

„Was willst du?“, unterbrach der Feuermutant schließlich die Stille zwischen ihnen.

Seine Stimme klang immer noch ziemlich kraftlos, was merkwürdiger Weise seinen leichten Akzent mehr betonte. Dass John von der Westküste stammte, fiel ihm sonst mittlerweile kaum noch auf.

Nur zögerlich ging Bobby einige Schritte näher auf den anderen zu.

„Reden“, murmelte er leise.

John entfuhr ein seufzender Laut. „Worüber?“

Es war eine Frage, die eigentlich keine Antwort brauchte. Worüber sollten sie sonst reden, wenn nicht über das, was heute zwischen ihnen vorgefallen war? Über das Wetter vielleicht?

„Wie geht es dir?“, fragte Bobby beinahe schon zaghaft, als wollte er dem eigentlichen Thema noch etwas ausweichen.

Doch da hatte er die Rechnung ohne John gemacht.

„Das ist wohl kaum das, worüber du reden willst, Bobby“, meinte er in einem scharfen Ton, der Bobby zusammenzucken ließ, „also tu nicht so, als würde dich das interessieren.“

„Natürlich interessiert mich das!“, erwiderte Bobby getroffen. „Denkst du, du bist mir egal, oder was?!“

John schnaubte ein wenig verächtlich. „Oh nein, das hast du ja heute bewiesen.“

Dieser Kommentar traf Bobby wie ein Schlag.

Wieder einmal hatte John gezeigt, wie sehr er einfach nur mit Worten verletzen konnte.

„Sei nicht so scheiße, John“, gab Bobby zurück, wirklich gekränkt durch die Worte des anderen. Musste er sich diesen Zynismus gefallen lassen? Am besten sollte er einfach jetzt gehen, doch das wollte er nicht – und er konnte es auch nicht.

„Ach, meinst du, ich hab nicht das Recht, wütend zu sein?“

Bobby atmete tief durch. Es fiel ihm schwer, sich nicht auf das gleiche Niveau wie John zu begeben.

„Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen und mit dir darüber zu sprechen“, sagte er in einem bemüht ruhigen Ton. „Nicht, um mich von dir beleidigen zu lassen.“

„Dann hättest du besser nicht kommen sollen.“

John blickte Bobby fest ins Gesicht, doch dieser wandte seinen Blick dem Fußboden zu. Die Worte und die Art, wie John sie sagte, so sarkastisch und kühl –das traf ihn ungemein.

Doch was hatte er erwartet? Dass er mit John vernünftig reden konnte? Ja, vielleicht schon. Dabei kannte er ihn doch und wusste, wie John sein konnte.

Für eine Weile wurde es sehr still zwischen ihnen und ihr Schweigen wirkte sich fast drückend aus.

John wandte seinen Blick von Bobby ebenso ab und starrte der Länge nach auf seinen Bettersatz; beobachtete die Falten, die die Decke warf, als er seine Schenkel an den Oberkörper zog.

Bobby verschränkte die Arme vor der Brust.

Er fühlte sich von Sekunde zu Sekunde unwohler. Am liebsten würde er gehen.

Schließlich unterbrach John ihr Schweigen: „Warum hast du mich geküsst?“

Seine Stimme klang weniger wütend, viel mehr leise und ehrlich fragend.

Doch Bobby sah den Unterschied zu den vorher stichelnden Tönen seines Freundes nicht. Zu angegriffen und wütend war er mittlerweile.

„Ich dachte, das hättest du dir gerade selber beantwortet“, gab er dementsprechend zurück und sah wieder auf.

John wandte sich ihm ebenfalls wieder zu.

„Jetzt komm mir nicht so blöd, Drake“, erwiderte er und seine Stimme verlor wieder jegliche Unsicherheit.

Am liebsten hätte Bobby jetzt gesagt „Blöde Fragen verlangen blöde Antworten“, doch er war mehr als froh, dass diese Worte nicht den Weg über seine Lippen fanden.

„Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst“, kam es schließlich wieder von John und in seinem gereizten Ton schwankte auch ein Stück Resignation mit.

Bobby presste die Lippen aufeinander, seine Fingernägel krallten in seinen Oberarm. „Ja, vielleicht hast du Recht.“

Er blickte zu John, doch dieser hatte sich bereits abgewandt.

Tief durchatmend wandte Bobby sich ab und ging die Schritte durch das Halbdunkel zurück zur Tür.

Kurz hielt er noch inne.

„Gute Besserung“, sagte er leise, ehe er sich abwandte und die Türen sich hinter ihm schlossen.

Bebend lehnte er sich an die Wand neben ihm.

So hatte er sich das nicht vorgestellt. Bei allem, was hätte kommen können, bei allem, was er befürchtet hatte, hatte er dennoch nicht gedacht, dass es in der Realität so schlimm werden würde.

Er lehnte seinen Kopf in den Nacken und starrte an die Decke.

Verzweiflung kam in ihm auf.

Was sollte er denn jetzt machen?

„Verdammte Scheiße.“
 

Das Geräusch der sich schließenden Türen ließ John wieder in Bobbys Richtung blicken. Noch kurz sah er dessen Silhouette im Dunkeln des Flurs verschwinden, ehe das Metall ihm die Sicht raubte.

Das war definitiv anders gelaufen, als er gedacht hatte.

Doch was hatte er erwartet?

Er hätte Bobby vielleicht zu Wort kommen lassen sollen. Doch der Eismutant hatte jede Gelegenheit gehabt, etwas zu sagen.

Seufzend ließ John sich wieder auf den Rücken sinken, starrte an die schwach beleuchtete Decke über ihm.

So zynisch hatte er eigentlich gar nicht sein wollen. Aber es war einfach so passiert. Seine Wut und Verwirrung (ein Zustand, den er gar nicht leiden konnte) hatten es ihm beinah unmöglich gemacht, anders zu reagieren.

Wollte er überhaupt wissen, was Bobby ihm zu sagen hatte? Eigentlich schon. Und eigentlich auch nicht.

Verärgert raufte John sich die Haare.

„Ach, verdammte Scheiße!“
 

TBC
 

Also es ist sicher nicht perfekt und auch nicht mein bestes Kapitel, aber ich bin trotzdem ganz zufrieden damit.

Ich hoffe, ihr seht das auch so :)

Neben Kommis wären auch gern Zigaretten, Minz-Kaugummis und schwarzer Johannisbeersaft. Drogen, von denen ich immer zu wenig daheim hab *LOL*
 

Im Übrigen wollte ich schon bei beim letzten Kapitel "Eisskulpturen" lebensecht schreiben, was es mit der Fahrenheit auf sich hat. Zwar wird weltweit mit Celsius gerechnet, aber meiner Erkenntnis nach ist Fahrenheit in den USA dennoch gängiger, weswegen ich mich dann aus Schönheitsgründen für diese Einheit entschieden hab. Die 50°F aus dem letzten Kapitel entsprechen 10°C, die 140°F im Bezug auf die Saraha sind umgerechnet 60°C.

Interessiert jetzt zwar keinen Arsch, aber ich wollt es trotzdem mal erwähnt haben xD
 

Dass John über Mystiques Rauswurf aus der Bruderschaft bestürzt war, wurde meiner Meinung nach auch im Film schon gut von Aaron Stanford dargestellt. In dem bereits erwähnten Buch zum dritten Film wird aber auch noch mal deutlich beschrieben, dass John davon wirklich sehr geschockt war.
 

Ansonsten weiß ich, dass John in den Comics eigentlich aus Australien stammt. Da ich diesen Kontinent ehrlich liebe, hätt ich auch gern zu einem Aussie gemacht, aber ich wollte mich auf die Filme beziehen und in denen schien mir John immer eher ein US-amerikanischer Junge zu sein. Dass er von der Westküste stammt, hab ich mir jetzt ausgedacht. Aber ich fand es ganz passend, da Boston ja an der Ostküste liegt und John und Bobby damit noch einen Punkt hätten, in dem sie sich sehr unterscheiden würden ;)
 

@Caliena:

Tut mir Leid, dass es nun doch keinen Bobby im Vollbrand gibt.

Aber es passte irgendwie nicht so recht in die Storyline, so wie ich sie nachher geschrieben hab. Ich hoffe, du magst das Kapitel dennoch, auch wenn es kein Brathähnchen Bobby am Spieß gibt xD
 

Großer Gott, was bin ich nur für eine Labertasche in meinen Nachworten geworten ôO

- Tschüss! Und schnell weg hier, bevor mir noch was einfällt *hust*
 

Bis zum nächsten Kapitel,

motte



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  JoeyB
2009-08-11T07:32:53+00:00 11.08.2009 09:32
Hi ^^

"Du bist tot." <- Das war die geilste Stelle im Kapitel. Ich musste so lachen... Hach, Logan ist echt ein schwieriger Charakter. manchmal liebe ich ihn, aber manchmal geht er mir auch nur auf die Nerven (in der FF hier tendiere ich jedoch in der Regel zur ersten Variante^^)

Generell fand ich das Kapitel echt klasse. Von deinem KreaTief merkt man hier eigentlich kaum was.
Erst einmal finde ich es schön, dass John nicht allzu schnell gesund wird. Nicht, dass ich was gegen ihn hätte.. *lach* Ich meine damit, dass du ihn erst auftauen lässt und er danach immer noch krank ist. Das ist realistischer. Und es war auch süß,dass er, kaum als er aufgewacht ist, sofort Feuerbälle auf Bobby geschossen hat. Generell sein Verhalten... Ich fand es ziemlich erstaunlich, dass er vor den Mädels nicht über den Kuss geredet hat. Wobei man das dadurch erklären könnte, dass er damit nicht nur Bobby, sondern irgendwie auch sich selbst bloßstellen würde (hm... aber je nachdem, wie er es dargestellt hätte, würde Bobby wie ein perverser Lüstling dastehen...). Es gibt natürlich gute Gründe für ihn, nicht vor Kitty und Rogue darüber zu reden, aber im ersten Moment... Der war ja ziemlich daneben. Mich hätte es nicht gewundert, wenn er am Anfang gar nicht so recht gecheckt hätte, dass die beiden Mädchen auch da sind.
Aber es war natürlich auch schön, dass Bobby lange auf seine Aussprache warten musste. Und wie er sich dann in die Krankenstation geschlichen hat... süß *dropps* (Ich habe in dem Moment irgendwie an Otto Waalkes denken müssen; der kann ja so süß "schleichen" xD)
Irgendwie war die Aussprache am Ende für beide Jungs unbefriedigend - mir hat sie dafür umso besser gefallen. Johns kühle Art, diese miesen Sprüche... Er hat Bobby dabei ja nicht wirklich beleidigt. Er hat auch nichts schwulenfeindliches gesagt. Und trotzdem haben seine Bemerkungen natürlich genau ins Schwarze bei Bobby getroffen und ihn verletzt. Verständlich. Und kaum wird John ernst, kapiert Bobby das nicht mehr, weil er sich so an Johns Sticheleien "gewöhnt" hat.
Also - dieses letzte Gespräch war echt toll!

Ansonsten... Schreibstil wie immer toll, Dialoge wie immer witzig und unterhaltsam...
*dir Minz-Kaugummis und Johannisbeersaft zuschiebt* Zigaretten kriegst du aber keine von mir u.u

*knuffl*
Joey

Von:  Stripperella
2009-07-01T07:57:56+00:00 01.07.2009 09:57
Moin :D

aaalso....ich liebe deine FF! ♥
sie ist die tollste, beste, schönste, wundervollste X-Men-FF die ich je gesehen habe! *freu*
Erstmal: Es gibt wirklich kaum IcemanPyro-FFs, und wenn sind sie entweder auf Englisch oder scheiße oder zu OoC. Aber deine FF...sie ist Deutsch (das ist sehr toll ♥), du beschreibst alles wirklich super, hast einen wundervollen Schreibstil, und unsere lieben X-Men sind nicht im geringsten OoC...die FF ist einfach perfekt ♥
Außerdem hast du glaub ich keinen einzigen Fehler, zumindest hab ich keinen entdeckt...das ist sehr toll :D
Und ich finde deine Sprüche auch total geil, vor allem die im letzten Kapp...die haun ein weg xD
Und ich mag deine NAchworte. Die sind recht informativ :D Ich glaub dieses Buch werd ich mir auch mal holen...kannst du mir vllt. den Titel und Autor oder noch besser die ISBN geben? :)
Ja...und ich hoffe sehr, dass es schnell weiter geht ♥
Ich liebe deine FF wirklich...sie ist so toll x3
Ich kanns gar nicht genung erwähnen...weil sie einfach so toll ist :3
Ja...also ich freu mich jedenfalls wenns weiter geht ♥

Daisuki ♥
Niko
Von: abgemeldet
2009-06-22T08:16:10+00:00 22.06.2009 10:16
Huhu ^^
Erstmal freue ich mich, dass das neue Chap endlich da is. Hab scho sehnsüchtig drauf gewartet =)
Ich find es toll und ich liebe Logan XDDD Seine Sprüche sind genial und du bringst ihn echt gut rüber. So wie er nun mal is ^^
Und ich denke, dass ich ich das Buch wohl auch lesen sollte. Hm... ja das werd ich wohl tun ^^
Auf jeden fall schönes Kapitel und ich freu mich wie immer aufs nächste.
Und nu lass uns erstma eine rauchen *Zigarettenrunde schmeiß*
lg deathly
Von: abgemeldet
2009-06-21T21:02:46+00:00 21.06.2009 23:02
„Wozu lieg ich in diesem… Sarg(...)„Du bist tot“

Jaaaaaaaaa...
Da hab ich auch gelacht XD

Und ja, ich mag das Kapitel auch ohne Bobby en flambé ^^
Es gefällt mir, besonders Johns Unsicherheit zwischendurch.
Er scheint ja gar nicht mehr wütend zu sein wegen des Kusses...
Oho XD

Du kannst mich übrigens eigtl. aus der Mailverteilung rausnehmen, ich seh sowieso, wenn was Neues kommt ^_^

Von:  Origamisalami
2009-06-21T18:16:48+00:00 21.06.2009 20:16
Das war ein wirklich süßes und gutes kapitel.
Ich fand es wieder sehr schön und mcht hunger auf mehr!
*grins*
ich finde es wirklich sehr süß wie du die unsicherheit von Bobby darstellst.

Also wirklich sehr cool, schön... tollich!

Mach weiter so!

Liebe grüße Pyro
*zigarettenpackung da lass*
Von: abgemeldet
2009-06-21T17:33:33+00:00 21.06.2009 19:33
Hach :D
was soll man sagen, als das, was man sonst so zu sagen hat?

...Vielleicht mal was Neues: ich liebe es, wie du dich immer mal wieder knapp auf das Buch von Chris Claremont beziehst. :D
(An alle: Ist zu empfehlen *~*!)
Ja und...mh...überhaupt...ne richtig schöne, lässige Art zu schreiben und gerade dabei kommt auch immer zusätzlich gut rüber, aus wessen 'Sicht' du gerade mehr schreibst. Demnach; Respect. ;)

Aber lass uns jetzt ja nicht zu lange auf das "wer macht den ersten Schritt"-Kapitel warten ;) *anpoke*

Schönes Rest-Wochenende noch! =)
Von:  Murtagh
2009-06-21T17:12:14+00:00 21.06.2009 19:12
Waaaaah! Ich hab heute noch dran gedacht, dass das letzte Kapitel schon viel zu lange her ist und da seh ich es plötzlich in meiner Tagesübersicht!
You made my day, =D

Und ich fands toll, toll, toll!
Du hast wieder soooviele geniale Sprüche eingebaut, ich kann kaum sagen, welchen ich am besten fand, XD
Beispiele:
- Vielleicht war das auch nur die Ruhe vor dem großen Storm-Sturm[...]
- [...]ebenfalls von der Mutationskeule geschlagen zu werden[...]
Da hab ich echt herzlich gelacht, XD
- „Du bist tot“, antwortete Logan ihm nüchtern[...]
Wie gemein, XD Aber typisch Logan. Seine Reaktion auf das Ganze wäre auch echt eine der interessanteten, XD Er würde aus aaaallen Wolken fallen. Seine kleinen Jungs sind schwul, XD

Das Ende gefiel mir auch sehr, die Verzweiflung auf beiden Seiten kommt wirklich gut rüber. Jetzt geht es wohl darum, wer sich traut, den ersten Schritt zu machen, ;)

Und John ist echt Australier? Das hätte ich nicht gedacht...
Das Buch muss ich auch endlich mal lesen, ich habs schon hier stehen.

Ich bin gespannt wie es weitergeht, =D


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