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Magic Story - Der Kaktusstein

von

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Fiala konnte es kaum glauben: Ihre Mutter hatte ihr endlich zugesagt, mit ihr einen Ausflug in die ferne Ebene von Khrar zu unternehmen. Hier im Gara-Gebirge war gerade der Winter eingezogen und Fiala freute sich, der Kälte und den grauen Wolken zu entfliehen.

Sie beschleunigte ihren Schritt in Richtung Stall und sattelte ihr Pferd, welches ebenso aufgeregt schien, wie sie selbst. Der kalte Wind peitschte ihr um die Ohren und auch der schwarze Hengst schritt unruhig auf der Stelle um den Frost aus seinen Gliedern zu vertreiben. "Ganz ruhig, Caelo. Bald wird es wärmer.", beruhigte Fiala ihn. Caelo hielt still und blickte das junge Menschenmädchen mit flehendem Blick an. Sie strich ihm durch sein Fell und machte sich dann wieder daran, die Satteltaschen fest zu zurren.

"Fia, bist du fertig?", unterbrach sie ihre Mutter, die schon vorm Stalltor mit ihrer weißen Stute wartete. "Ja, einen Moment noch.", entgegnete Fiala und schwang sich gekonnt auf ihr Pferd, doch eh sie sich versah, stürmte Caelo zum Tor hinaus und galoppierte in wilden Kreisen durch das teilweise vom Schnee bedeckte Langhalmgras, welches Fiala unangenehm gegen die Schenkel schlug. Sie machte sich also eifrigst daran, Caelo zu beruhigen, obwohl ihr das doch mehr Schwierigkeiten einbrachte, als sie ursprünglich dachte. Wenigstens schaffte sie es, ihren wildgewordenen Hengst aus dem Gras heraus zu lenken, doch ihr Hof hinter ihnen wurde kleiner und kleiner. Ihre Mutter Fyede hatte schnell geschalten, hatte schon etwas zu ihnen aufgeschlossen und winkte Fiala zu. Caelo wurde zu Fialas Glück, wieder etwas langsamer, als ihm die Kälte in die Nüstern kroch und Fiala hatte keine Probleme mehr, ihr Pferd zum Stehen zu bringen. Sie zog sich ihr Tuch über die Nase und ihre Lederkappe tiefer ins Gesicht, um für die weitere Reise möglichst nicht zu frieren. Sie blickte sich in der Landschaft um. Caelo war weit gelaufen ohne ihr die Chance zu lassen, ihren Heimathof noch einmal betrachten zu können, aber das störte sie wenig. Zwar würde sie die hohen, schneebedeckten Berge vermissen, doch lang würden sie ja nicht unterwegs sein. Spätestens wenn im Gara-Gebirge der Frühling anfing, so hatte Fiala sich vorgenommen, würde sie wieder hier sein, die Felder bestellen und ihrer Mutter behilflich sein, die Schafe wieder auf die Wiesen an den steilen Berghängen zu treiben. Caelo würde sie dabei nicht sehr tatkräftig unterstützen, sondern freudig neben den Schafen umhertollen. Fiala mochte den Frühling, denn dann wurde es im Gebirge wieder richtig warm. Im Allgemeinen mochte sie die Wärme. Alles wurde bunt und die Berge füllten sich mit jeder Menge Getier, das aus seinem Winterschlaf erwachte. Ein munteres Pfeifen schallte von den Steilhängen wider und der Adler zog am Himmel seine Kreise. Im Sommer lag Fiala oft auf der Wiese und beobachtete die Natur um sich herum und wenn sie nachts das Glück hatte, so konnte sie in der Ferne noch leise das Heulen der Wölfe hören, die den Wald für eine kurze Zeit verließen und im flacheren Teil des Gara-Gebirges nach Wühlkrapas suchten, etwa fuchsgroße mausähnliche Wühlratten mit großen Vorderkrallen und einem langen fellbesetzten Schwanz mit einem lustig aussehenden flauschigen Büschel an der Spitze. Mit ihren großen Mäusezähnen knackten sie mühelos die großen Kowanüsse, die eine so harte Schale besaßen, dass kaum ein anderes Tier in der Lage war, sie zu öffnen. Wühlkrapas waren nur eine Art Bewohner, die im Gara ihr zu Hause fanden. Es gab noch unzählige andere seltsame Tiere und ihr Großvater hatte Fiala früher immer erzählt, dass es ganz oben auf den allerhöchsten Bergen, auf denen noch niemals ein Mensch gewesen sei, noch Tiere gab, die noch garnicht entdeckt wurden. Doch hatte Fiala dann gefragt, woher er das wissen könne, so wechselte er immer das Thema und ließ "seine kleine Neugier" in dem Glauben, es sei einfach so und man müsse das einfach wissen.

Fiala schmunzelte bei dem Gedanken an den alten Tatterkreis, wurde jedoch jäh aus den Gedanken gerissen, als ihre Mutter endlich zu ihr aufschloss. Vor lauter Gedanken an Sommer und an ihre Kindheit, hatte Fiala völlig die Kälte vergessen, die ihr nun umso heftiger wieder in die Glieder zog. Caelo schnaubte verärgert, als Fiala immernoch nicht das Zeichen zum Weiterreiten gab. Der schwarze Hengst scharrte mit seinen großen Hufen in Schnee und warf seinen Kopf signalisierend nach hinten. Wenn es darum ging, nicht in der Kälte stehen zu müssen, war Caelo ein sehr unruhiger Begleiter, doch Fiala und er waren so gut wie unzertrennlich. Sie vermochte es immer wieder, den wilden Kern in ihm mit ihrer freundlichen Art zu bändigen. Im Grunde ließ Caelo niemand anderen auf seinen Rücken. Das war auch der Grund, warum der Pferdehändler das junge Tier damals an den Schlachter verkaufen wollte, doch Fiala, die damals noch ein ziemlich kleines Mädchen war, war einfach auf ihren schwarzen Traum zugegangen und Caelo hatte von Anfang an Vertrauen zu ihr aufgebaut. Nun war sie eine willensstarke junge Frau, der ihr Pferd nicht von der Seite wich und die gerade auf dem Weg in die große Ebene war, von der sie schon immer geträumt hatte.

Fiala gab ihrer Mutter ein Zeichen, nachdem sie vergeblich versucht hatte, ihr zuzurufen, dass sie doch weiterreiten sollten, denn der Wind verschluckte jedes Wort. Gemeinsam ritten sie wieder weiter und ließen Kälte, Haus und Hof im Gara zurück. Je mehr sie nach Süden kamen, desto wärmer wurde es und desto mehr ließ auch der harte, peitschende Wind nach und machte einem viel angenehmeren leichten, milden Hauch Platz.

"Nurnoch über den nächsten Hügel, Fia!", rief ihre Mutter Fiala zu, die sofort ihr Pferd dazu antrieb, schneller zu laufen. Als sie die Spitze des Hügels erreicht hatte, zeigte sich dem jungen Mädchen ein überwältigender Anblick. Wo sie auch hinblickte, überall wiegte sich das lange Gras sacht im Wind. Fiala zog ihr Tuch nach unten und nahm ihre Lederkappe ab. Sofort spürte sie, wie der Wind mit ihrem braunen Haar spielte. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und drehte sich zu ihrer Mutter um. "Wow!", brachte sie mit aller Anstrengung heraus und ihre Mutter nickte. "Warum waren wir nicht eher schon einmal hier?", fragte Fiala, sichtlich enttäuscht, dass sie ihr Leben lang noch nichts von dieser Schönheit gesehen hatte. "Wir mussten uns doch um deinen Großvater kümmern. Er war doch viel zu alt für lange Reisen.", entgegnete Fyede, den Blick etwas zu Boden geneigt. Fiala wusste, dass ihre Mutter den Alten Khyrr trotz seiner Vergesslichkeit immer sehr gemocht hatte. Schließlich hatte er sich immer rührend um seine Enkelin gekümmert. Auch sie hatte den Verlust des lieben Alten nur schwer verkraftet.

"Auf geht´s!", rief Fiala um ihre Mutter aus ihren Gedanken zu holen und galoppierte mit Caelo den Hang hinunter, dicht gefolgt von ihrer Mutter. Beide sahen sich an und lächelten sich zu. Jetzt sollten sie endlich einmal die Freiheit genießen können, die ihnen im Gara durch ihre harte Arbeit immer verwährt gewesen war.

Eine Weile ritten sie gerade hin auf einen kleinen idyllischen Feldweg. Nur ab und zu kamen ihnen ein paar Menschen entgegen, die im Gegensatz zu ihnen auf großen Raubkatzen ritten. Fiala bewunderte diese Tiere im Vorbeireiten immer wieder. Sie waren größer als normale Katzen und ihr rotes Fell glänzte auf wunderbare Weise, wenn die Sonne darauf fiel. Sie hatten sehr große krallenbewährte Pfoten, mit denen sie mehr als doppelt so schnell vorankamen, wie Fiala und ihre Mutter, denn der Boden hier in der Ebene war zum großen Teil Morast und bot den Pferden kaum halt. Sie sanken zu sehr ein. Diese Katzen hatten irgendeine spezielle Art zu laufen, sodass sie sich mühelos fortbewegen konnten.

Als sie noch eine weitere lange Weile unterwegs waren, konnten sie vor sich endlich die große Stadt Fala X´Nar erkennen. Der Weg wurde auch zunehmend fester und so machte es Fiala, ihrer Mutter und den Pferden wieder mehr Spaß, ihren Weg fort zu setzen. Sie wollten jedoch nicht gleich nach Fala reiten, denn sie hatten ihre Unterkunft ein paar Meilen außerhalb bei einem älteren Ehepaar auf einem Hof gefunden. Die beiden waren Bekannte ihres Großvaters gewesen, die sie eingeladen hatten, zu ihnen zu kommen, um dem Alten eine Weile zu gedenken. Und natürlich um zu feiern. Khyrr hatte Fiala früher immer erzählt, dass es in Khrar nichts besseres gab, als eine lange ausgedehnte Feier. Es musste dafür nicht einmal ein Anlass da sein.

Die beiden Reiterinnen trabten nun langsam den kleinen Weg zum Hof entlang an dessen Ende die beiden Alten schon auf sie warteten. Wie Fiala vermutet hatte, hatten sie vor ihrem Haus schon einen großen Tisch und zwei Bänke aufgestellt. Der Tisch war bedeckt von lauter Speisen, die sie aber noch nicht genau erkennen konnte. Das Haus war alt und einfach. Eben ein Bauernhaus, wie es sie auch im Gara gab. Ganz aus Holz und mit bunten Blumenkästen an fast jedem Fenster.

"Fiala, Fyede, wie schön euch zu sehen!", rief die kleine alte Frau, als Fiala und ihre Mutter von ihren Pferden stiegen. "Neka. Du und Barko seht wunderbar aus. Khrar tut euch gut. Ihr habt ja richtig Farbe im Gesicht.", entgegnete Fyede und umarmte die freudestrahlende Neka wie eine alte Freundin, die man seit langem nicht gesehen hat. Das war sie ja auch. Fiala kannte Neka nicht mehr. Sie und Barko waren aus dem Gara gezogen, noch bevor sie geboren wurde. Sie hatte immer nur von ihnen gehört, wenn sich ihre Mutter und ihr Großvater über sie unterhalten hatten. Fiala kannte im Grunde genommen sehr wenige Bekannte und Verwandte. Solang sie denken konnte, hatte sie immer nur Khyrr, ihre Mutter und ihren Vater gekannt. Dieser war jedoch als sie 4 Jahre alt war vom König in den Krieg gerufen worden und war nie wieder zurückgekehrt. Ihre Mutter hatte ihr gesagt, er sein gestorben, doch Fiala wollte sich damit nicht zufrieden geben. Sie war sich sicher, dass ihr Vater irgendwo da draußen noch lebte, vielleicht ein besseres Leben führte, als Fyede und sie.

"Das ist Fiala, meine Tochter.", riss ihre Mutter sie wiedereinmal aus ihren Gedanken. Fiala lächelte und begrüßte Neka und Barko herzlich. Neka schloss sie gleich fest in ihre Arme, sodass Fiala kaum noch atmen konnte und eine Weile verzweifelt nach Luft rang. Sie zwang sich, weiter zu lächeln. "Freut mich, euch kennen zu lernen, Neka. Und euch auch, Barko. Ich habe von meinem Großvater viel über euch gehört. Ich-", begann sie, doch Neka unterbrach sie sofort wieder. "Dann bestimmt auch, dass wir den besten Khagi in ganz Khrar herstellen!" Sie zog Fiala am Arm in eine kleine Hütte hinter dem Haus, die Fiala von vorn garnicht aufgefallen war. Sie wirkte von außen schäbig und winzig, war jedoch überraschend groß, als sie und Neka hineingingen. Drinnen standen jede Menge großer Fässer. Khyrr hatte diesen Fakt wirklich nie außer Acht gelassen. Der Khagi hier sollte wirklich sehr gut schmecken. Khagi war ein süßlich schmeckendes Getränk, fast wie Wein, enthielt jedoch aber eine ganze Menge mehr Alkohol und war das beliebteste Getränk der ganzen Ebene. Sogar in Gara kannte man den "Süßen Teufel", wie er auch genannt wurde.

"Wir stellen seit kurzem auch alkoholfreien Khagi her und Khagi mit Schuss, da haut´s dir alle Ohren vom Brett.", prahlte Neka stolz und zeigte auf ein paar Fässer ganz hinten. "Stell dir vor, sogar die Waldelfen wollen unseren Khagi, von den Zwergen mal ganz abgesehen, den alten Saufnasen!", lachte Neka und grunzte dabei. Fiala wusste, dass sie eine ziemlich seltsame Sprache an den Tag legten, aber sie hätte nie gedacht, dass diese mit einem solchen Grunzen so ulkig klingen konnte. Fiala konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Neka verstand dies wohl, als gefalle ihr, was sie erzählte und so fuhr sie ungeniert fort. "Dein Großvater", fing sie an, grunzte kurz vor Lachen, und fuhr fort,"Dein Großvater konnte was vertragen, sag ich dir! Gesoffen hat er, bis zum nächsten Morgen mit Barko. Den nächsten Tag hatt´ich dann keine ruhige Minute! Im Bett lagen sie, alle beide!" Wieder grunzte sie. Fiala fragte sich langsam, ob ihr Hals das überhaupt aushalten würde. Langsam verstand sie, warum ihr Großvater immer so von den beiden geschwärmt hatte. Er war genau wie sie, nur dass er nicht nach jedem Wort grunzte. Doch Fiala hatte inzwischen genug über Khagi und ihren Großvater gehört, sodass sie Neka nicht mehr zuhörte, sondern nurnoch stumm abnickte und einfach lächelte. Als Neka endlich mal eine Pause eingelegt hatte und Fiala der Khagi-Geruch schon die Sicht vernebelte, nahm sie die Gelegenheit beim Schopfe. "Ich sollte Caelo wohl langsam mal in den Stall bringen.", versuchte sie so beiläufig wie möglich zu erwähnen. "Richtig, richtig, Kindchen. Der Arme ist bestimmt ganz schmutzig und erschöpft vom langen Ritt und-", den Rest hörte Fiala schon garnichtmehr. Sie rannte so schnell sie konnte raus aus dem dunstigen Khagi-Schuppen. Langsam fragte sie sich, ob Neka den ganzen Aufenthalt lang so weiterreden würde oder vielmehr könnte. Sie führte Caelo in den großen Stall, der bestimmt fast doppelt so groß war, wie der auf ihrem Heimathof. Drinnen fauchten sie einige der roten Reitkatzen böse an. Wahrscheinlich waren sie noch nie einem lebendigen Pferd begegnet. Caelo schien sich davon nicht beirren zu lassen, was Fiala ein wenig beruhigte. Barko hatte angeboten, ihr Pferd sauber zu machen und den Stall herzurichten, was Fiala dankend angenommen hatte. So nutze sie die Zeit, die ihr bis zum geplanten Abendessen noch blieb und wich Neka aus, die schonwieder mit Fragen und zu vielen Informationen auf sie zurannte, mit der Begründung, sie sei erschöpft von der Reise und wolle sich etwas umsehen. Als sie Neka dann nach einiger Diskussion erklärt hatte, dass sie alt genug sei, den Weg zurück allein zu finden, konnte sie sich endlich die Umgebung etwas genauer ansehen.

Der Weg war sumpfig und Fiala hatte Mühe, vorwärts zu kommen und nicht stecken zu bleiben. Doch bald hatte sie sich an das Laufen im Moor gewöhnt und stapfte schnellen Schrittes davon, weg vom Haus und vor allem von Neka. "Zwar freundlich, aber doch ganz schön nervig.", flüsterte Fiala leise in den Wind hinaus. Alles hier war, wie ihr Großvater es ihr erzählt hatte und trotzdem hatte Fiala sich Khrar immer ganz und gar anders vorgestellt. Ihr Großvater hatte zwar von einer ganz guten Landschaft gesprochen, doch was Fiala hier zu sehen bekam war besser, als in ihren kühnsten Träumen. Das Land war zwar sumpfig, doch grün und das aufmerksame Mädchen entdeckte lauter Insekten und Frösche. Außerdem krochen hier Tiere durch das Wasser, die Fiala noch nie gesehen hatte. Sie sahen aus wie Eidechsen, doch sie hatten kleine Flügelchen auf ihrem Rücken. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie zum Fliegen geeignet waren, doch sie hatte beobachtet, dass die Flügelechsen sie benutzten, um kurze Strecken zu gleiten, um sich im matschigen Sumpf besser vorwärts zu bewegen. Als Fiala dichter an einen heran trat, fauchte er kurz und flüchtete ein paar Meter weit. Fiala konnte nicht anders, als ihm hinterher zu laufen. Bald hatte sie ihn eingeholt. Die Echse fauchte weiter und stieß dann eine kleine Flamme aus. Fiala zog die Hand schleunigst zurück, die sie aus Neugier nach ihm ausgestreckt hatte und beschloss, doch einen kleinen Bogen um diese merkwürdigen Tierchen zu machen. Sie ließ ihren Blick eine Weile herumschweifen. Fast die ganze Ebene war von einem Teppich aus langen grünen Halmen überzogen, die sich leicht im Wind neigten und an deren Spitzen sich einige Insekten klammerten. Fiala entdeckte verschiedenste Käfer, Libellen und zu ihrem Übel auch Unmengen von Mücken, die begannen, um sie herum zu schwirren und sie zu stechen. Sie hatte Mühe, die nervenden Insekten zu vertreiben, doch dann sah sie hinauf zum Himmel und entdeckte schwarze Wolken, die sich ziemlich schnell auftürmten. "Auch das noch! Regen.", flüsterte Fiala und machte sich flugs daran, einen Unterstand zu suchen. Nicht weit von ihr stand eine kleine Hütte. So wie es aussah war sie unbewohnt. Sie überlegte, ob sie das Grundstück einfach so betreten durfte, aber es regnete und sie brauchte einen Unterstand, also stapfte sie auf das kleine Häuschen zu. Es schien wirklich leer zu sein, denn als sie es erreicht hatte warf sie einen Blick durch eines der Fenster. Drinnen war alles dunkel und staubig. "Perfekt!", dachte Fiala und schmunzelte. Sie lief um die Hütte herum. Nach der dritten Runde fragte sie sich, warum das Häuschen keine Tür hatte. "Hm, wohl oder übel muss ein Fenster dran glauben." Sie drehte sich um, auf der Suche nach einem Stock oder Stein, doch schon bekam sie die ersten Regentropfen hier in Khrar ab. "Es scheint also doch sehr regnerisch zu sein hier. Schade. So ein schöner Tag dahin.", dachte sie und griff nach einem nahe gelegenen Ast.

"Was zum-?", flüsterte sie atemlos, als sie sich wieder zur Hütte herumgedreht hatte und sich direkt einer kleinen, aber doch normal aussehenden Tür gegenüber sah. "Die Reise war wohl einfach zu anstrengend, Fia.", dachte sie und drückte die Klinke nach unten, woraufhin sie die Tür mit einem lauten Knarren und einiger Mühe nach innen aufschieben konnte. "Garnicht verschlossen?", fragte Fiala halblaut, als erwatete sie irgendeine Antwort. Das Haus war ihr unheimlich, doch sie konnte sich entweder darin unterstellen und den Regenschauer abwarten oder draußen von oben bis unten durchnässt werden. Langsam trat sie ein. Ihre Entscheidung stand fest: "Reingehen, abwarten und schnell wieder raus." Als hätte etwas auf diesen Satz gewartet, flog die Tür der Hütte mit einem Knall wieder ins Schloss. Fiala versuchte die Tür aufzuziehen, doch auf einmal war sie verschlossen. "Was ist das für ein Haus?", fragte sie mit leicht zitternder Stimme. Doch sie bekam keine Antwort. Sie sah sich im Raum um. Er war eingerichtet, wie ein normales Wohnzimmer. In der Ecke stand ein Tisch mit mehreren Stühlen. In der Mitte lag ein teuer aussehender, runder kleiner Teppich. An den Wänden standen Regale voll mit Büchern. Fiala pustete den Staub von einem der Bücher und las die Schrift auf dem Buchrücken. "Mythen Ephilia´s". "Was ist Ephilia?", fragte sie sich, als ihr Blick, als würde er gelenkt, auf eine alte Karte fiel, die sauber eingerahmt und ohne ein Krümelchen Staub darauf, an der Wand neben dem Regal hing. Fiala staunte. Die Karte zeigte eindeutig das Gara-Gebirge. Darunter den Khrar und den großen Wald. Ganz im Westen waren das tiefblaue Meer und der Misaki-Sumpf. "Eine Karte von ganz Nagidia!", stelle Fiala fest, doch auf der Karte stand groß 'Ephilia'. Auch die Namen der Städte und der Gebiete waren anders und es gab Städte, von denen Fiala garnichts wusste. Das Merkwürdigste war jedoch, dass es die große Hauptstadt Fala X'Nar auf der Karte nicht gab. Weil sie wissen wollte, was es mit der Karte auf sich hatte, nahm sie den Rahmen von der Wand und holte die Karte sorgfältig heraus. Kurz überlegte sie, ob das nicht Diebstahl wäre, doch dieses Haus war eindeutig unbewohnt und so machte sie sich darum keine Sorgen. Sie rollte die Karte zusammen und steckte sie in ihren Gürtel.

Am Ende des Raumes führte eine Treppe nach oben, doch Fiala wollte nurnoch so schnell wie möglich nach draußen und weg von diesem Ort. Sie überlegte sich, die Tür ganz einfach einzutreten, doch als sie ihren Blick über die Wand schweifen ließ, konnte sie nirgends mehr eine Tür erkennen. Sie war hier eingesperrt! Sie ging zu einem Fenster und schlug mit dem Ast, den sie immernoch in der Hand hatte, dagegen, doch außer einem dumpfen Knacken, den der morsche Stab von sich gab, passierte garnichts. Sie holte noch einmal aus und schlug gegen die Scheiben, musste sie jedoch sogleich wieder ducken, da das vordere Ende des Astes nachgegeben hatte und ihr entgegenflog. Fiala schaffte es gerade noch so, dem Geschoss auszuweichen und überlegte, einen der Stühle zu benutzen, doch irgendetwas sagte ihr, dass auch diese Idee nach hinten losgehen würde. Irgendwer oder irgendetwas wollte sie nicht gehen lassen. Sie wusste nur noch nicht, warum. Also ging sie zur Treppe. Oben war es dunkel und Fiala fröstelte bei dem Gedanken, hinauf zu gehen. Also blcikte sie sich erneut im Erdgeschoss um. Auf dem Tisch entdeckte sie schließlich eine kleine Öllampe. Jetzt fragte sie sich nurnoch, wie sie sie anzünden sollte, doch als sie die Hand danach ausstreckte, entzündete sie sich von selbst und warf einen warmen gelblichen Schein auf den Raum. Zögernd nahm sie die Lampe in die eine und den Rest von ihrem Ast in die andere Hand und schlich zur Treppe. Sie schluckte noch einmal, bevor sie, fast den Atem anhaltend, die Treppe nach Oben hinauf ging. Sie war ein wenig erleichtert, als sie dort nur zwei Betten und ein paar Kisten vorfand. Also ließ sie den Knüppel sinken und schaute sie weiter um. In der Ecke stand ein Kinderbettchen. Es war, wie alles hier, über und über von einer Staubschicht bedeckt. Im fahlen Licht der Lampe wirkte trotzdem alles hier etwas schwummrig und unheimlich. Fiala zuckte unweigerlich zusammen, als ein Blitz den Raum erhellte und der Donner den Boden unter ihr erzittern ließ. Das Gewitter musste sich unmittelbar über ihr befinden. Ihre Mutter, Neka und Barko machten sich bestimmt schon große Sorgen. Fiala ging ein paar Schritte nach vorn und zuckte gleich noch einmal zusammen, da die Tür hinter ihr ebenfalls zufiel. Wieder überprüfte Fiala ob sie abgeschlossen war. "Eindeutig versperrt.", stellte sie fest und drehte sich wieder in den Raum um. Sie war eigentlich garnicht überrascht, dass nach jedem Schreck in diesem Haus gleich ein nächster folgte, denn als sie sich umgedreht hatte blickte sie in ein kleines runzliges, mit Warzen übersäätes Gesicht, dass sie finster ansah. Sie wich nach hinten, stand jedoch sofort an der Wand wo eben eine Tür gewesen war und blickte starr geradeaus. Erst jetzt erkannte sie, dass es sich um einen Goblin handelte, der von der Decke hing. Fiala bekam keinen Ton heraus. Sie umklammerte fest ihr Stück Holz und hielt es dicht vor ihrer Brust, bereit im Falle eines Falles zuschlagen zu können.

Auf einmal ließ sich der Goblin von der Decke fallen und landete auf seinen kurzen krummen Beinen vor ihr. Fiala atmete erleichtert auf. Der Goblin war nur etwa halb so groß wie sie und wirkte ziemlich bescheiden, wenn man auf ihn herab sehen konnte.

"Glaubst du wärst überlegen, dummes Menschenmädchen?!", schnaubte sie der Goblin unfreundlich an. "Was willst du mit deinem Meter Zwergenwuchs schon machen?", konterte Fiala scharf. "Jetzt wird sie auch noch frech, wird sie, dummes Menschenmädchen, dummes.", stammelte die kleine Kreatur zu sich selbst, schnippte kurz mit den Fingern und von einem Dachbalken flog ein dickes altes Buch direkt auf Fialas Kopf. "Autsch, wie zum Henker-", begann sie, doch der Goblin schnitt ihr das Wort ab. "Lesen, dummes Menschenmädchen, lesen.", sagte er und deutete mit seinen langen krummen Fingern auf das Buch, dass nun auf dem Boden lag. Fiala bückte sich und hob es auf, woraufhin sie einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand ertragen musste, den ihr der Goblin unsanft auf den Kopf schlug.

"Au, du mieser kleiner-", begann sie wieder, doch der Goblin schlug ihr mit dem provisorischen Knüppel, wie Fiala jetzt erkennen konnte, in die Magengrube. "Nicht meckern! Lesen! Überschätzt sich, das dumme kleine Menschenmädchen, überschätzt es sich, jawohl."

"Ich würde ja dein verdammtes Buch lesen, wenn du endlich aufhören würdest, mich zu-". Und wieder schlug sie der Goblin mit dem Knüppel. Fiala versuchte diesmal, die kleine Kreatur zu ignorieren und sah sich den Buchdeckel genauer an. "Das Herz der Götter", zitierte sie halblaut, um dem Goblin zu demonstrieren, dass sie wirklich las. "Richtig, richtig. Schlag es auf, mach schon, dummes Menschenmädchen, mach schon!", drängte dieser sie weiter.

Fiala öffnete das Buch, doch sie Seiten waren leer. Sie starrte ungläubig auf das Buch, blätterte es durch, um sicher zu gehen, dass sie sich nicht getäuscht hatte, doch die Seiten waren und blieben weiß. Der Goblin blickte auf einmal noch düsterer drein, als er es die ganze Zeit über schon getan hatte. "Dummes kleines Menschenmädchen ist nur so dumm wie alle anderen, ist sie, so dumm ist sie. Gewöhnliches dummes Menschenmädchen." Er drehte sich um und starrte die Wand gegenüber an. Plötzlich wirbelte er herum und blickte wie erstarrt auf Fialas Öllampe, die neben ihr auf dem Boden stand. "Wo hat dummes Menschenmädchen Feuer her? Antworte, feuriges dummes Menschenmädchen!"

"Die Lampe, ähm, die stand unten auf dem Tisch und als ich sie nehmen wollte, da-", stotterte Fiala und wurde sogleich von dem Goblin zur Seite gestoßen, der sich vor der Lampe niederkniete und mit seinen krummen Fingern die Kerze löschte. Ringsher breitete sich Dunkelheit im Raum aus. Fiala bemerkte erst jetzt, dass es draußen schon finster war. Ihre Mutter und die beiden anderen waren bestimmt schon voller Sorge um sie.

"Nicht denken, dummes Menschenmädchen!", schnaubte der Goblin wieder, riss ihr das Buch aus der Hand und hielt es ihr vor´s Gesicht. Fiala starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die einst weißen Seiten, auf denen sich jetzt, trotz Dunkelheit gut sichtbare Zeichen ausbreiteten und sich zu Wörtern und Sätzen zusammenfügten, die Fiala jedoch nicht entziffern konnte. Es musste eine Sprache sein, die sie nicht kannte.

"Was siehst du?", flüsterte der Goblin mit seiner rauhen Stimme und ein unheimlich kühler Wind wehte auf einmal durch das Zimmer. Die Wände und der Boden unter ihr begannen zu zittern. Der Goblin starrte Fiala ungläubig an. "Verstehe.", flüsterte er und sank augenblicklich auf die Knie. "Verzeiht mein Verhalten, Herrin."

"Herrin?", wiederholte Fiala ungläubig. "Was geht hier vor?", dachte sie sich und blickte den Goblin fragend an. "Ihr könnt es sehen, Herrin.", sagte der Goblin demütig und war anscheinend darauf bedacht, in seiner Verneigung zu bleiben, denn er drehte nur den Kopf nach oben, als er mit ihr sprach. "Was kann ich sehen? Und ich heiße Fiala, nicht Herrin."

"Das Herz der Götter, Herrin-" er brach aprupt ab und korregierte "Fiala." "Du meinst das Buch, richtig?", hakte Fiala nach und schaute es sich nochmal näher an. "Nein, nein, dummes kleines, ich meine Herrin, also, Fiala.", stammelte er sichtlich überfordert. "Ich meine das.", hauchte er heraus und zog ein kleines Stoffbündel aus seiner Ledertunika. Er öffnete es und Fiala erkannte einen wunderschönen roten Edelstein. Der Goblin hielt ihn ihr hin, blieb aber immernoch auf den Knien. Fiala nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn, als er sich plötzlich blau färbte. "Kann wirklich nur ich den Stein sehen?", fragte sie und blickte dann den Goblin an. "Nur ihr, Herrin.", bestätigte er ihr.

"Und was soll ich damit machen?", fragte sie, da sie nicht wusste, was ihr ein Edelstein bringen würde, den keiner sehen kann. "Hüten wie deinen Augapfel.", sagte der Goblin knapp. "Gibt viele Leute, die ihn haben wollen, unheimlich mächtiger Stein, unheimlich mächtig. Er hat euch gespürt, Herrin.", erklärte er und erhob sich dann. "Stein voll Macht sucht seinen Meister, euch Herrin. Ihr seid jetzt der Meister. Letzter Meister schon lange tot, lange tot, dummer alter Narr, alter Narr." Fiala sah ihn noch immer fragend an. "Der Stein hat magische Kräfte?" Sie wusste garnicht, was sie tun sollte. "Ganz recht, ganz recht, Herrin. Grausame, furchterregende Kräfte, aber auch Gutes, liegt ganz am Träger, Herrin, an euch." Der Goblin nickte. Fiala war perplex. Sie findet zufällig wegen eines Gewitters eine alte Hütte und ein Goblin, der aus dem Nichts erscheint, gibt ihr einen Stein mit magischen Kräften, den nur sie sehen kann. Das alles schien ihr ein wenig eigenartig, aber was hatte sie schon für eine Wahl. Sie musste dem Goblin glauben, da es ja die einzige Erklärung für die ganzen Ereignisse war, die man ihr bieten konnte. Fiala seufzte. Sie hatte noch so viele Fragen an den Goblin, doch als sie den Mund aufmachte, um die Nächste zu stellen, schnippte der Goblin mit den Fingern und verschwand in einer kleinen schwarzen Rauchwolke.



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