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Lias & Marus

von

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Es war düster draußen und der Blick auf die Planetenoberfläche war trostlos. Seit die Erde vor gut 300 Jahren im größten aller Kriege zerstört wurde und die Menschen sich mittels Zetadrive quer im All zerstreut haben gibt es viele Planeten wie diesen. Der Planet hatte nicht mal einen Namen bekommen, nur eine Nummer, wie so viele: 44. Es gab hier einige Kuppeln mit kleineren Städten, die allesamt den Hauptdome44 umringen.
 

Lias wusste nicht genau was er im Hauptdome sollte, nur das ihm sein Bruder, Marus, eine Nachricht geschickt hatte und ihn dringend Treffen wollte. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Marus war sein 2 Jahre älterer Bruder. Er war ein Draufgänger und Frauenschwarm. Mit 18 hatte Marus ihm seine erste Freundin ausgespannt, was er ihm bis heute noch nicht so recht verzeihen konnte, auch wenn es bald 15 Jahre her war.

Aber er war sein Bruder, und die Nachricht klang sehr verzweifelt.
 

Nach einer halben Stunde in der Kuppelbahn, die die einzelnen Kuppeln miteinander verband, erreichte er die Station im Hauptdome. Er wollte sich im Middleflow mit ihm treffen.

Das Middleflow war eine Sache für sich. Es war nicht direkt eine Kneipe, denn Kneipen haben keine Doppelverglasten Panzerscheiben. Dabei sind die Scheiben nicht dafür gedacht, vor etwas zu schützen, das von außen kommt, sondern das Außen vor dem zu schützen, was von drinnen kommen könnte. Im Middleflow gab es wohl jeden Abend mindestens eine Schlägerei, wobei es den Beteiligten meist egal war, wer angefangen hatte, oder wen es zu schlagen galt… Hauptsache es wird geschlagen.
 

Als er das Middleflow betrat, blickte er sich um und versuchte Marus an einen der beiden Tresen auf der linken und rechten Seite des Ladens zu finden, aber fand nur eine menge „Willst du Streß?“-Blicke.

Einer dieser Blicke trat dann auch in form eines ziemlich großen und breiten Typen auf ihn zu.

„Hast du mich eben angeguckt?“ grollte der Blick.

„Ja… äh ich meine nein.“

„Du hast mich angeguckt, und das gefällt mir nicht.“

Doch Lias kam nicht mehr zum Antworten, denn es knallte ein Barhocker auf den Schädel des Typen und noch bevor der Riese auf den Boden aufschlug hörte er Marus unverkennbares Gelächter.

Die nächsten Geschehnisse gingen dann unheimlich schnell. Marus schnappte sich die Brieftasche des Bewusstlosen, griff nach Lias Hand und zog ihn aus dem Middleflow um die nächste Straßenecke.

Was genau die Leute ihnen hinterher brüllten, verstand er nicht. Zumindest aber hörten sie die obligatorische Schlägerei hinter sich.
 

„Was war das denn gerade?“ fragte Lias.

Marus sah nicht zu ihm auf als er mit ihm Sprach, da er gerade damit beschäftigt war, die Brieftasche zu plündern.

„Das ist ganz normal da, mach dir keine Sorgen“

„Ich soll mir keine Sorgen machen? Du hast einen Kerl mit einem Barhocker geschlagen und ihm die Brieftasche geklaut!“

„Der Kerl hat sich nicht beschwert. Und außerdem hat er mein Gesicht nicht gesehen.“ Marus warf einige uninteressante Papiere aus der Brieftasche zu Boden und arbeitete sich gerade zum Geldfach vor.

„Aber er hat mein Gesicht gesehen!“

„Hast du ihn geschlagen?“

„Nein!“

„Wo liegt dann das Problem?“ Marus hatte inzwischen alles Wertvolle aus der Brieftasche sicher in seinen Hosentaschen verstaut und warf die Börse in einem weiten bogen in die Gasse hinein.

„Aber was ist wenn…“

Lias kam nicht dazu, den Satz zu beenden, da Marus ihn wieder am Arm packte und durch die Gasse zog. Sie hörten die Schreie hinter sich und sie hörten sich nicht sehr erfreut an.

Nachdem Lias und Marus sich eine halbe Stunde durch die Stadt haben jagen lassen, schienen sie die Verfolger abgehängt zu haben.

„Warum hast du mir eine Nachricht hinterlassen? Du wolltest bestimmt nicht nur, das ich Mitschuld an einer Kneipenschlägerei trage.“ Fragte Lias, nachdem sie scheinbar Ziellos durch die Stadt gingen.

„Ich habe wirklich einen Grund, warum ich dich angerufen habe.“

„Und? willst du mir diesen Grund auch verraten?“

„Erst mal gehen wir zu mir. Da erklär ich dir alles.“
 

Es dauerte eine weitere Stunde voller schweigen, bis sie an einem kleinen Mehrfamilienhaus am anderen Ende des Domes ankamen. Marus führte Lias hintenrum zu einem Hintereingang und schlich sich vorsichtig zur Tür vor.

„Warum schleichen wir?“ fragte Lias.

„Pssst!“

„Warum schleichen wir?“ flüsterte Lias.

„Die Vermieterin darf uns nicht erwischen.“

„Du hast die Miete also nicht bezahlt…“

„Bei dir klingt das so negativ.“

Marus schloss leise die Tür auf winkte Lias hinein.
 

Die Wohnung roch so, wie Marus Wohnungen immer gerochen hatten. Nach alten Socken. Es war unaufgeräumt und alte Wäsche lag quer auf dem Boden verstreut. Zwischen den Klamotten sah man vereinzelte Pizzakartons und benutzte Teller liegen. Marus watetet sich einen Weg zum Sofa, schob einen Wäscheberg beiseite und bot Lias den Platz an.

Lias setzte sich und blickte ein wenig in der Wohnung umher. Die Möbel, die aus den Wäschehaufen herausragten, sahen alle ziemlich heruntergekommen aus und auch das Sofa war durchgesessen. Vereinzelt waren Poster von alten Rockbands an der Wand und in der Vitrine waren einige leere Whiskyflaschen zu sehen.

Nachdem Lias sich umgeguckt hatte, fragte er:

„Warum hast du mich denn nun angerufen?“

„Ich stecke in Schwierigkeiten und brauche deine Hilfe.“

„Das ist ja mal was ganz neues. Wie viel Geld brauchst du?“

„Es geht nicht um Geld sondern um das hier.“ Marus holte eine kleine Schachtel aus seiner Jackentasche und gab sie Lias.

„Was ist es und woher hast du es?“ fragte Lias, nachdem er sich die kleine, rechteckige Platte in der Schachtel anguckt hatte.

„Die hab ich beim Würfelspiel gewonnen. Ich weiß auch nicht genau was es ist, aber es muss Wertvoll sein.“

„Aber was hat dieses Ding mit deinen Schwierigkeiten zu tun?“ argwöhnte Lias.

„Naja, der ehemalige Besitzer ist der Meinung, ich hätte ihn betrogen.“

„Du hast ihn betrogen.“

„Natürlich nicht! Außerdem sind die Würfel nicht von normalen zu unterscheiden!“

Lias beäugte das Objekt in der Schachtel erneut.

„Und was möchtest du nun von mir?“

„Du arbeitest doch noch bei der Interstellaren Spedition, oder?“

„Ja…“

„Ich bräuchte ein Raumschiff für ein paar Tage, um nach Oticon 9 zu fliegen. Ich hab dort einen Bekannten, der mir bestimmt sagen kann, was das ist.“

„Auf keinen Fall! Ich arbeite nur in der Buchhaltung und komme nicht an die Raumschiffe ran!“

„Aber wenn du mich dort einschleust, könnte ich mir ein Schiff leihen. Ich würde es auch in einigen Tagen zurückbringen.“

„Du willst ein Schiff klauen!?“ platze es aus Lias heraus.

„Nein, nur leihen! Ich bringe es ja zurück.“

In dem Moment explodierte die Welt. Zumindest fühlte es sich so an, als die vordere Eingangstür mit einem lauten knall durch den Raum flog und mit der Vitrine kollidierte.

Geistesgegenwärtig schnappte sich Marus die Schachtel und steckte sie in seine Tasche. Ausserdem hatte er einen Hyperblaster 3000 in der unterm Tisch hervorgeholt und schoss Richtung Tür.

„Raus hier! Durch die Hintertür!“ brüllte Marus.

Das brauchte Marus aber gar nicht sagen, Lias war schon den halben weg aus der Hintertür raus. Marus folgte ihm und schoss weiter in die Wohnung hinein.

Sie rannten los und die Laserstrahlen zischten an ihnen vorbei.

„Wer sind diese Typen?“ fragte Lias im sprint.

„Würfelspieler.“

Sie rannten durch einige Häuserschluchten und erreichten die Hauptstraße. Es war inzwischen nach Mitternacht und es war nicht viel los auf der Straße. Marus rannte auf die Fahrbahn und stoppte das nächste Fahrzeug, das kam.

„Tut mir leid, Lady, aber wir brauchen ihren Wagen.“ Sagte er und im selben Atemzug zog er eine ältere Dame aus ihrem Auto.

„Steig ein!“

„Aber wir können doch nicht…“ Ein Laserstrahl schmolz ein Loch neben Lias in ein Straßenschild und er sprang in den Wagen.

Nach einigen Kreuzungen und Kurven schienen sie fürs erste in Sicherheit zu sein.

„Wohin Fahren wir jetzt?“ fragte Lias, nachdem er wieder normal Luft bekam.

„Zu deiner Firma.“

„Was?! Ich hab doch gesagt, dass wir kein Raumschiff bekommen!“

„Wenn du willst, können wir umdrehen und versuchen die Sache auszudiskutieren. Vorausgesetzt wir kommen lebend durch die Laserstrahlen.“

„Gibt es keine andere Möglichkeit?“ fragte Lias verzweifelt.

„Ich befürchte nicht.“

„Wo hast du mich da reingezogen…“

Marus klopfte Lias auf die Schultern.

„Seh es von der positiven Seite. Wann haben wir das letzte mal was gemeinsam unternommen?“

„Wird das so was wie unser Ausflug nach Alpha Eta, wo du mich hast sitzen lassen um mit deinem Mädchen allein zu sein?“

„Warst du schon immer so nachtragend?“

Die Spedition „I-Stellar“ war eine kleine aber erfolgreiche Familienunternehmung. Lias war in der Buchhaltung tätig, war aber meist damit beschäftigt Kaffee zu kochen oder andere Gefälligkeiten für den Chef zu erledigen. Zumindest hatte er einen eigenen Schlüssel für die Haupttür.

„Dann wollen wir uns doch mal umgucken.“ Sagte Marus, als er durch die Tür durch war.

Lias war ziemlich unwohl bei dem Gedanken, mitten in der Nacht in die Firma einzudringen, um ein Schiff zu „leihen“ wie Marus es genannt hatte. Aber es war allemal besser, als von Laserstrahlen geröstet zu werden.

Sie gingen zu einer großen Halle, wo die Raumschiffe standen, wenn sie nicht gerade irgendwo in der Galaxis unterwegs waren. Derzeitig standen etwa ein halbes dutzend klobiger GalaTrans600 Schiffe in der Halle. Zwei von den Schiffen waren gerade halb zerlegt und zeigten ihr kompliziertes Innenleben. Die GalaTrans-Serie war nicht gerade dafür bekannt sehr schön, zuverlässig oder schnell zu sein, aber wohl dafür, dass sie günstig zu haben waren. Und das war das wichtigste.

Im vorbeischlendern guckte sich Marus eher desinteressiert die zerlegten Schiffe an und begutachtete dann eines der – scheinbar – heilen Schiffe.

Er wandte sich an Lias.

„Habt ihr hier nur diese Schrottkisten?“ Fragte er enttäuscht.

„Was erwartest du von einer Spedition? Den neusten Leyus?“

„Ja!“ quiekte Marus. Das galt allerdings nicht Lias, sondern einem sportlichem, dunkelrot-metallic Etwas hinter Lias.

Marus eilte auf das Etwas zu und hüpfte dabei aufgeregt von einem Bein zum nächsten.

„Nach so was haben wir doch gesucht!“ sagte Marus, nachdem er einmal mit einem breiten Grinsen um das Schiff gelaufen war.

„Ein neuer Leyus RK-Z2!“

„Mein Chef kann sich so ein Schiff leisten und mir will er keine Gehaltserhöhung geben.“

„Noch ein Grund mehr, ihn uns auszuleihen.“

„Nein! Weißt du was so ein Ding kostet? Was ist, wenn was passiert?“

„Mit der Ausstattung wird der wohl etwa dreihunderttausend UD* gekostet haben. Und mach dir keine Sorgen, ich weiß wie man so was fliegt.“
 

*UD = Universal Dollar

Marus wusste tatsächlich, wie man einen Layus fliegt. Man legt den ersten HyperDrive ein, ignoriert jegliche Warnungen und Meldungen vom planetaren Tower und gibt Vollgas durch die Kuppelschleuse.

Das dabei alle möglichen Knöpfe blinkten und auch einige rote Warntafeln leuchteten störte Marus nicht, denn in der Regel blinkten solche Dinge in seiner Gegenwart chronisch und er hatte aufgehört sich darüber sorgen zu machen.
 

„Wie lange brauchen wir eigentlich nach Oticon 9?“ fragte Lias, nachdem er sich an die Warngeräusche gewöhnt hatte.

„Ich schätze vier bis fünf Tage werden wir brauchen“ sagte Marus, während er versuchte einige der Warnleuchten auszuschalten.

„Fünf Tage? Warum solange? Ich dachte das Schiff sei schnell“

„Das Schiff ist sehr schnell, allerdings müssen wir uns von den Sprungtoren fernhalten, weil es immer noch ein geklautes Schiff ist.“

„Das macht Sinn.“
 

Nach einiger Zeit des Schweigens schlief Lias ein. Er Träumte von Laserstrahlen und Verfolgungsjagden. Er mochte solche Träume nicht, weil sie ihn zu sehr aufregten. Er mochte ruhige Träume. Vielleicht eine grüne Wiese und seichten Wind dazu… aber bestimmt keine Laserstrahlen, die zufälligerweise auch noch auf ihn gerichtet waren. Er Träumte auch davon, wie sein Chef reagieren würde, wenn er bemerkt, dass sein Leyus nicht mehr dort steht, wo er stehen sollte. Dies wiederum war ein erfreulicher Traum.

Lias erwachte gerade, als er das dumme Gesicht seines Chefs vor Augen hatte. Er erwachte, weil sein Magen knurrte.

Sein erster Blick viel auf Marus, der gerade genüsslich an einem Sandwich rumkaute und es inzwischen geschafft hatte alle, bis auf ein oder zwei, Warnleuchten abzustellen.

„Falls du Hunger hast, kannst du dir hinten an dem Replikker was machen.“

„Es gibt hier einen Replikker? Die Dinger sind doch gerade erst auf dem Markt gekommen.“

„Diese Kiste hat halt alles, was das Herz begehrt.“ sagte Marus, der weithin an seinem Sandwich kaute, das verdächtig nach Käse und Schinken aussah.
 

Auf dem Weg zum Replikker guckte Lias sich ein wenig um. Das Schiff hatte wirklich alles, was man für eine gemütliche Reise brauchte. Es war nicht nur größer von innen, als es von außen den Anschein machte sondern hatte auch vier Schlafkojen hinter dem Cockpit. Die Kojen waren gleichzeitig Rettungskapseln, was ihn ungemein beruhigte. Etwas weiter hinten kam er in die Küche, zumindest nannte er es, in Ermangelung passender Begriffe, Küche. Sie gab nicht viel mehr her als eine kleine Sitzgelegenheit und den Replikker mit passendem Geschirreinschub.

Lias betrachtete den Replikker genauer. Er hatte einen Bericht im Fernsehen darüber gesehen und war fasziniert gewesen. Eine Art Mikrowelle die durch Quantenverschiebungen und Molekularmanipulation aus einer Rohmasse jedes beliebige Gericht und Getränk herstellen konnte. So hieß es zumindest im Fernsehen aber Lias glaubte nicht alles was sie dort zeigten.

Doch die Neugier und vor allem der Hunger trieben ihn dazu den Replikker zu testen.



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