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"Highway 798"

von

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1 --- Because Of Me

Ihre Finger umklammerten das Lenkrad, das Steuerelement eines jeden Autos, ziemlich fest. Man konnte es durch die schwarzen Handschuhe, die sie trug, zwar nicht sehen, aber sie wusste ganz genau, dass ihre Knöchel an den Fingern gerade weiß anliefen, vor lauter Druck, den sie auf das Lenkrad verübte. Sie schwitzte unter dem schwarzen Helm mit der silbernen Aufschrift "Life Is Every Moment". Der Motor ihres aufgemotzten Wagens lief bereits. Sein ruhiges, gleichmäßiges Knattern beruhigte sie irgendwie. Sie klappte das Visier ihres Helms mit einer lässigen Handbewegung herunter und blickte nach vorne, ihr Blick fixierte die weiß schwarz karrierte Fahne, die an einem dicken, hölzernen Stab von ihrem Kumpel Jason nach oben gehalten wurde. Er sah gespannt und zugleich auch sehr konzentriert auf seine Punkt genaue Armbanduhr, wendete den Blick nicht davon ab.

Emily lockerte den Griff um das Lenkrad ein wenig, ließ ihre rechte Hand ein kleines Bisschen am Lenkrad entlang heruntergleiten und umfasste es danach wieder stärker. Kleine Schweißtröpfchen bildeten sich um ihren Hals. Doch sie ließ den Griff nicht locker.

Dann endlich: Jason ließ die Fahne heruntersausen und Emily trat mit aller Kraft aufs Gas. Nun war es soweit. Jetzt musste sie zusehen, dass sie einen halbwegs guten Start hinbekam.

Und das tat sie auch.

Sie kam wunderbar weg und lenkte gleich für die erste Kurve ein. Das Auto fuhr sauber um die Kurve, der ziemlich neuen und noch nicht oft benutzten Rennstrecke. Ohne ein einziges Mal ins Schleudern zu geraten, oder auch nur ein wenig die Kontrolle über ihren Wagen verlierend, meisterte Emily die Strecke.

Im Ziel angekommen, spürte sie einen gewissen Stolz und ein ziemlich großes Selbstwertgefühl in sich aufkommen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte es den anderen endlich bewiesen, nun konnten sie nichts mehr gegen eine Frau am Steuer und insbesondere gegen sie, Emily, einwenden. Sie hatte ihnen gerade soeben mit ihrer Fahrt sämtliche Argumente geklaut. Nun mussten sie zu ihr aufsehen, denn bisher hatte es noch kein einziger von den ganzen Männern, die glaubten, ein Auto besser als eine Frau beherrschen zu können, geschafft, mit dieser Zeit ins Ziel zu kommen. Nur Emily, nur sie ganz alleine.

Nachdem sie die Ziellinie, die gleichzeitig auch als Startlinie funktionierte, überfahren hatte, trat sie kräftig auf die Bremse und lenkte scharf ein, sodass sich das Auto mit einem quietschenden Geräusch um hundertachtzig Grad um seine eigene Achse drehte und schließlich zum Stehen kam.

Nun war Emily mit sich zufrieden. Zumindest für heute. Nun hatte sie ja immerhin ganze Arbeit geleistet und sie war auch schon mehr als gespannt darauf, wie all ihre besserwisserischen und angeberischen Kollegen darauf reagieren würden.

Mit dem Abschluss dieses Gedankens betätigte sie den Hebel, innen an der Tür des Wagens und stieg aus.

Mit dem Schließen der Tür drehte sie sich zum Auto und klopfte stolz mit der flachen, behandschuhten Hand auf das Dach ihres Wagens.

Emily zog die tiefschwarzen Lederhandschuhe aus und nahm den Helm ab. Ihre langen, wundervollen, braunen Haare fielen ihr über die Schultern. Sie spürte den schwülen Sommerwind, der ihre Haare wild aufwirbeln ließ. Mit einem stolzen Lächeln, stolzer hatte man es kaum von ihr gesehen, sah sie ihren Kumpels zu, die wild gestikulierend und alle mit einem Grinsen im Gesicht auf sie zukamen.

"Emily! Du bist echt klasse, du hast es geschafft! Du bist die Größte, Kleine!", meinte Jason mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Dieses "Kleine" konnte er sich aber auch nie verkneifen. Er musste es einfach immer sagen, immer und immer wieder, um sie daran zu erinnern, dass sie eine Frau war und seiner Meinung nach eigentlich auf dieser Rennstreckte nichts verloren hatte. Aber sie war trotzdem hier, und sie würde mit ziemlich viel Sicherheit auch hier bleiben. Und in diesem Moment, als Jason sie so ausgiebig lobte glaubte Emily sogar ein kleines bisschen Stolz in seinen Augen aufflackern zu sehen.

Nicht einmal zwei Sekunden später war sie von der ganzen Crew umgeben. Sie hörte lauter Sätze wie: "Emily, Respekt!" "Die hat's ja wirklich faustdick hinter den Ohren..." "Hey Emily, das war echt beeindruckend.".

Sie konnte diese ganzen Sätze gar nicht mehr den Personen zuordnen, von denen sie ausgesprochen worden waren. Dazu war das alles viel zu durcheinander. Aber Emily fühlte sich gut. Sehr gut sogar. Sie genoss es regelrecht, von den ganzen Männern umringt zu sein und ausschließlich Lob und Bewunderung von ihnen zu hören.

Mit langsamen Schritten begann sie auf einmal zu der kleinen Holzhütte am Rand der Strecke, ungefähr 100 Meter von ihrem jetzigen Standort entfernt, zu gehen. Die ganzen Männer hinter sich, ging sie, allen voran zu der Hütte, vor der ein paar kleine Plastiktische und einige ziemlich klapprige, alte Gartenstühle standen.

Sie setzte sich auf einen der Stühle und atmete die warme Sommerluft tief ein und geräuschvoll wieder aus. Die Männer ließen sich nach einiger Zeit, die sie um Emilys Tisch herum stehend verbrachten, auch auf die Holzstühle nieder. Sie besorgten sich alle was zu trinken, doch Emily nicht. Sie hatte keinen Durst. Zumindest jetzt nicht. Eigentlich war sie ja körperlich fix und fertig. Sie war müde, sämtliche Gliedmaßen schmerzten und ein wenig Kopfweh hatte sie auch. Doch das Gefühl des Stolzes überdeckte all diesen Schmerz und diese Einschränkungen.

Emily blieb noch lange hier sitzen und genoss einfach die immer kühler werdende Sommerluft. Sie saß da, bis die Sonne untergegangen war und tat einfach nichts. Außer ein bisschen Nachdenken.

Sie war eine Frau. Und trotzdem hatte sie sich in dieser Disziplin eisern durchgesetzt und sämtlichen männlichen Teilnehmern gezeigt, wo der Hammer hing. Wenn sie sich so genauere Gedanken darüber machte, stellte fest, dass sie ihre Karriere eigentlich schon als kleines Kind genau im Auge hatte. Sie wollte immer schon einmal Rennfahrerin werden. Heiße Schlitten restaurieren und sie pistenbereit machen. Und dann natürlich mit ihnen gewinnen, was ja wohl klar war.

Aber wie oft hatte sie zu ihrem Vater gesagt: "Papa, weißt du, ich werde mal Rennfahrerin und dann mache ich ganz große Karriere..." Und wie oft hatte ihr Vater nur mit Desinteresse und Abschätzigkeit reagiert und gemeint: "Hey, Schätzchen, du bist ein Mädchen. Mädchen fahren keine Rennautos, nein. Mädchen spielen mit Puppen und reiten auf Ponys. Und später werden sie mal Tierärztin oder Lehrerin, vielleicht auch nur Hausfrau. Das sind Frauen. Frauen fahren keine Autos, Schätzchen, das wirst du schon noch begreifen."

Und wie oft hatte sie sich über ihren Vater geärgert, der einfach nicht begriff, dass das ihr Lebenstraum war. Der ihr einfach viel zu wenig zutraute und nie so richtig an sie geglaubt hatte.

Doch sie, Emily, hatte ziemlich genaue Vorstellungen von ihrer Zukunft gehabt. Schon in einem Alter, in dem man Kindern das Planen ihrer Zukunft nicht im geringsten zugetraut hätte. Sie hatte es einfach immer schon gewusst.

Emily hatte sich auch nie für Puppen interessiert. Auch nicht für Ponys oder Plastiktiere. Damit konnte sie, als sie ein Kind war, und jetzt auch noch, einfach nicht viel anfangen. Sie war eben anders, als die meisten Mädchen in diesem Alter. Auf dem Schulhof war sie nie bei gleichaltrigen Mädchen gestanden und hatte über Puppen und rosarote Gegenstände geredet. Stattdessen gesellte sie sich zu den Jungs, wo sie sich viel wohler fühlte, und diskutierte mit ihnen, welches das schnellste Auto auf dem Markt und überhaupt war. Sie hatte auch keine zickigen und kitschigen Freundinnen, sie hatte nur einen besten Freund, aber den hatte sie heute noch. Und wenigstens er unterstützte sie in ihren Taten und stand ihr immer, egal, was sie tat, zur Seite.

Das war Emily. Sie konnte sich nicht ändern und wollte es auch auf gar keinen Fall. Nein, aber sie wollte es allen beweisen. Und zwar, dass ihre Vorstellungen, die von den meisten Erwachsenen als reinste Hirngespinste abgestempelt worden waren, real waren, dass sie möglich waren und eines Tages von Träumen in die Wirklichkeit wechseln konnten. Und in diesem Vorhaben war sie heute ein ganz schönes Stück weitergekommen. Nicht nur ein wenig.

Langsam legte sich ein Schleier der Müdigkeit über Emily und sie musste einmal kräftig gähnen. Kein Wunder, dass sie müde war, sie war gestern fast die ganze Nacht wach gewesen, um dem Wagen, mit dem sie heute den Rekord gebrochen hatte, noch fertig zu bekommen und ihm den letzten Schliff zu verleihen.

Sie erhob sich von dem knarrenden, völlig unstabilen Stuhl und ging mit zügigen Schritten in den Holzschuppen, um sich dort, in der Klokabine umzuziehen.

Sie zog den warmen, schwarzen Lederanzug aus und verstaute ihn, zusammen mit ihrem Helm und ihren Handschuhen in ihrer großen Trainingstasche. Schnell schlüpfte sie in ihre normale Kleidung und ging mit der schweren Tasche auf der rechten Schulter wieder nach draußen.

Sie warf einen Blick auf die Rennstrecke, die nun ziemlich verlassen aussah. Sie war menschenleer. Aber ihr neuer Rekord war schon angeschlagen worden. Sie stand da und betrachtete die elektrische Anzeigetafel, die nun nicht mehr den Rekord von Dane anzeigte, sondern den ihren.

Plötzlich hörte sie ein Motorengeräusch und quietschende Reifen, die sie ein wenig zusammenzucken ließen. Was war das denn? Dieser Mensch hatte ja wohl keine Ahnung von Autofahren, so, genau so, zerstörte man seine Reifen. Das war Gift für Reifen, aber sie dachte sich nichts dabei, es war ja schließlich nicht ihr Auto und somit auch nicht ihr Problem.

Trotzdem warf sie einen neugierigen Blick über ihre Schulter. Schönes Auto, dachte sie, wirklich schönes Auto, der Mann hatte Geschmack. Mit einem Ruck wurde die linke, vordere Fahrertür des Wagens geöffnet und es stieg ein äußerst gut aussehender junger Mann aus dem Auto. Zu Emilys großer Verwunderung kam er direkt auf sie zu. Mit seiner dunklen Lederjacke und seiner dunkelglasigen Sonnenbrille, die er sich lässig ins eingegelte Haar gesteckt hatte, sah er wirklich nicht schlecht aus und Emily begann sogar schon, ein bisschen Interesse an ihm zu entwickeln, weswegen sie ihn beinahe ununterbrochen anstarrte.

Doch er schien das Ganze ziemlich locker zu nehmen. Er grinste ihr nur wissend und cool zu, stellte sich neben sie und betrachtete ebenfalls die Einzagetafel, die ihren Rekord von heute zeigte.

Er war einen guten Kopf größer als Emily. Nachdem er die Tafel eine Weile beobachtet hatte, meinte er zu Emily, den Blick aber nicht von der Tafel abwendend: "Man sagt, du seist gut..." Er sagte es wahnsinnig gelassen, so als ob ihn nichts aus der Ruhe bringen könnte. In ihrem inneren fühlte Emily wieder den Stolz, doch zu ihm sagte sie nur kurz und bündig: "Möglich...", wobei sie ebenfalls ihren Blick auf der Tafel haften ließ.

Er sah auf sie herab und grinste sie lässig an, während er meinte: "Ich mag Frauen, die sich was zutrauen..." Er machte einen kurze Pause. "Schade nur, dass die meisten sich zu viel zutrauen und dann nichts draufhaben...", setzte er fort.

Emily sah ihn kalt an. So ein Macho hatte ihr heute, da sie sowieso schon müde und kaputt war, gerade noch gefehlt. Ohne auch nur ein einziges Mal mit den Mundwinkeln zu zucken sah sie ihn an, musterte ihn und versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Sein oberflächliches Lächeln wirkte wissend und ein wenig spitzbübisch. Aber der Mann hatte eine Figur! Er gefiel Emily immer besser, doch sie nahm sich auch gleich vor, ihn abzuschreiben, denn so einen Typen hatte sie nun wirklich nicht nötig. Sie hatte da schon ihre ganzen Kollegen, die ihr nichts zutrauten.

"Was soll das heißen?", erwiderte Emily so cool und gelassen, wie es ihr nur irgendwie möglich war. "Naja, ich glaube nicht, dass du so gut bist...", begann er, "aber du kannst mich natürlich auch eines besseren belehren..." "Ich bin gut, verlass dich drauf!", presste Emily unter zusammengebissenen Stockzähnen hervor. "Oh, ..., okay. Beweis es mir!", forderte er, wieder mit diesem frechen Grinsen. Emily sah ihn etwas fragend an. Sie hatte zwar nicht geplant, sich die Verwirrtheit durch diesen Kommentar anmerken zu lassen, aber es ließ sich nicht vermeiden.

"Ich möchte ein Rennen. Du gegen mich. Die alte Rennstrecke hinter Gothes Hof. Morgen. Um fünfzehn Uhr", begann er mit seiner Ansage. "Jaja, schon klar. Und was springt für den Gewinner raus?", unterbrach sie ihn unwirsch. "Mal sehen, eine hübsche Geldprämie, und der Aufstieg in die Liga", erwiderte er und legte während dieses Satzes eine gewisse Spannung in seine Stimme. "Welche Liga?", wollte Emily wissen. Sie war bis jetzt nur privat gefahren, noch nie war sie in einem Rennen gegen einen Gegner angetreten. Sie wusste nicht recht, ob sie da einwilligen sollte, aber auf der anderen Seite wusste sie, dass sie es schaffen konnte, sie glaubte an sich und sie wollte es ihm zeigen. Wollte ihm zeigen, dass sie fahren konnte. Und zwar besser als manch anderer Mann.

"Du kennst die Liga nicht?", fragte er sie mit einem ein wenig arrogant klingenden Unterton in der Stimme, "Die Liga kennt man, wenn man sich einen Fahrer eines Wagens nennt. Die Liga ist der offizielle Wettkampf um den Titel vom besten Fahrer der Region."

"Ich werde da sein", meinte Emily und ließ diesen Satz dabei wie einen Feststellung klingen. Er lächelte sie schon wieder an. Dieser Typ konnte wohl nichts anderes als blöd durch die Gegend grinsen. Dann ging er ein Stückweit rückwärts in Richtung seines Wagens und meinte: "Okay, morgen, fünfzehn Uhr. Ich bin da und warte." Er zwinkerte ihr verräterisch zu. "Ach übrigens, ich bin Drake", rief er ihr zu. "Emily", erwiderte sie.

Er öffnete die Tür seines Wagens, warf noch mal einen Blick über seine Schulter zu Emily und erwiderte: "I know...", bevor er einstieg, die Tür geräuschvoll schloss und mit einem ohrenbetäubenden Quietschen davonfuhr.

Emily stand noch eine Weile da, sie musste sich erst mal wieder fassen und das alles halbwegs realisieren. Er hatte sie gerade zu einem Rennen herausgefordert. Und sie hatte zugesagt. Dabei war sie noch nie in ihrem ganzen Leben ein richtiges Rennen gefahren. Noch nie. Bis jetzt immer nur auf solch einfachen Strecken wie diesen und da auch nur um Zeitrekorde. Sie hatte doch eigentlich überhaupt gar keine Ahnung, wie sie das ganze angehen sollte, sie wusste nicht, wie sie sich darauf vorbereiten sollte, sie wusste nicht mal, wie das ganze dann schlussendlich überhaupt ablaufen würde. Sie wusste so gut wie nichts über dieses Thema. Aber aus einem ihr nicht ganz erklärlichen Grund hatte sie ihm zugesagt. Wahrscheinlich wegen seinem Blick. Wegen seinem angeberischen, oberflächlichen Macho-Blick. Sie wusste zwar nichts über Rennen, aber sie wusste, wie man fuhr, und das auch noch sehr gut. Und sie wusste, dass sie es schaffen konnte.

Mit diesem Gedanken verbannte sie sämtliche Zweifel, egal welcher Art, aus ihrem Kopf und machte sich mit großen, schnellen Schritten auf den Weg zu ihrem Auto. Sie betätigte den Hebel, und öffnete somit die Fahrertür des Wagens. Erschöpft ließ sie sich auf den weichen, gut gepolsterten Sitz fallen und warf die Tasche mit ihren Sachen lässig nach hinten, auf die Rückbank.

Dann fuhr sie los. Zu sich nach Hause, in die Wohngemeinschaft, die sie mit ihrem allerbesten Kumpel, Malvin, zusammen vor einem halben Jahr gebildet hatte.

Während der Fahrt tritt sie kräftig aufs Gas um möglichst schnell in die WG zu kommen. Sie war wirklich hundemüde und freute sich unglaublich auf ihr Bett. Während sie so vor sich hinträumte, von ihrem Bett, vom Schlafen, hätte sie fast eine rote Ampel übersehen. Im letzten Moment trat sie kräftig auf die Bremse und blieb mit quietschenden Reifen einen halben Meter zu weit in der Kreuzung stehen. Zum Glück war an diesem Abend nicht sonderlich viel Verkehr und die Ampel schaltete auch sogleich wieder auf grün, wodurch Emily von niemandem bemerkt wurde und einfach schnell weiterfahren konnte.

Nach den letzten hundert Metern, bog sie in eine kleine Seitenstraße ein und parkte ihr Auto sorgfältig und äußerst konzentriert in ihre Garage.

Als der Wagen mit angezogener Handbremse in der Garage stand, lösten sich Emilys Hände vom Lenkrad und sie fuhr sich mit den Handflächen übers ganze Gesicht. Sie war wirklich müde. Und sie würde den Schlaf brauchen. Schließlich wollte sie das Rennen morgen ja auf keinen Fall als Verliererin in ihrer Erinnerung wiederfinden.

Emily schnappte sich ihre Sporttasche, öffnete die Tür des Wagen, schloss sie wieder und aktivierte die sündhaft teure Alarmanlage, die sie einbauen hatte lassen.

Mit langsamen Schritten bewegte sie sich auf das Haus von ihrem Kumpel und ihr zu. Sie steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch und sperrte die Türe mit einer eleganten Drehung des Schlüssels auf. Danach ging sie ins Haus und warf ihre Sporttasche im Flur auf den Boden.

Kaum hatte ihre Tasche den Boden berührt, da öffnete sich auch schon die Tür zum Wohnzimmer und Malvin kam heraus zu ihr. Er lehnte sich lässig an den hölzernen Türrahmen und sah Emily dabei zu, wie sie sich mit ihrer Sporttasche abquälte. Er grinste. "Hey", meinte er cool. "Wieso grinst du so blöd?", wollte Emily mit ruhiger Stimme wissen, "Weißt du, von blöd grinsenden Typen habe ich heute schon mehr als ausreichend und genug gesehen, das kannst du mir glauben!" Doch Malvin grinste weiter. "Brauchst du Hilfe?", fragte er sie. "Hmm, weiß nicht", erwiderte sie, "Na gut, dann hilf mir eben." Er ging in die Hocke und sah Emily direkt in die Augen. Und sie sah in die Seinen. "Du siehst verdammt müde aus. Weißt du was? Geh nach oben, schlafen, und erzähl mir morgen, was heute passiert ist, okay? Ich mach das hier schon", bot er ihr an.

Sie fasste sich mit ihrer rechten Hand an die Stirn und murmelte leise: "Ja, ist wohl besser so..." Er lächelte sie liebevoll an.

Sie wollte das Lächeln eigentlich erwidern, doch es gelang ihr nicht so recht. Sie brachte nur ein schwaches Grinsen zu Stande. Sie wollte schon aufstehen und nach oben gehen, als ihr ein wichtiger Gedanke durch den Kopf schoss. "Malvin?", fragte sie. Ihr bester Kumpel wandte ihr den Kopf zu, was soviel heißen sollte wie "Ja?". "Sag mal, kennst du dich mit Rennen aus?", fragte Emily vorsichtig. "Ein bisschen", antwortete er. Während dieser Antwort schlich sich ein schwaches Lächeln auf sein Gesicht. "Erzähl mir bitte darüber", forderte sie nach einigen Sekunden des Zögerns. "Warum fragst du mich das?", wollte Malvin mit einem verwirrten und leicht irritierten Gesichtsausdruck von Emily wissen. "Naja, ...", begann sie, nach den richtigen Worten suchend, "Ich, ... ich werde morgen ein Rennen fahren."

Nun wurde sein Blick ausdruckslos. Mit großen Augen und einem ein bisschen entsetzt wirkenden Blick sah er Emily an. "Du hast was?", meinte er nach einiger Zeit mit etwas lauterer Stimme. "Ich habe morgen ein Rennen", antworte ihm Emily und sah ihn ein bisschen verständnislos an. "Emily", meinte Malvin, "Du kannst kein Rennen fahren." "Warum nicht?", fragte Emily jetzt auch etwas lauter werdend dagegen. "Naja, du kannst das nicht! Du bist noch nie ein Rennen gefahren...", versuchte er sie vorsichtig umzustimmen. Doch davon wollte Emily ganz und gar nichts wissen. "Willst du damit etwa sagen, dass ich schlecht bin, oder was?!", fragte Emily ihn mit einem vorwurfsvollen und verständnislosen Ton. "Nein, natürlich nicht..." Weiter kam Malvin gar nicht, da wurde er schon von Emily unterbrochen. "Okay! Du meinst also auch, dass ich es nicht schaffen werde, wie? Weißt du was, ich werde es dir beweisen! Ich werde dir beweisen, dass ich es kann und ich werde es schaffen, hast du das verstanden?" Emily schrie nun schon fast und legte einen äußerst wütenden Unterton in ihre Stimme.

Dann rannte Emily die Treppe hoch. Das letzte, was sie von Malvin hörte, war ein leises Seufzen.

Aber er konnte ihr ja auch egal sein. Nun wusste sie ja, welches Spiel hier gespielt wurde. Er vertraute ihr also auch nicht. Und sie hatte doch tatsächlich die ganze Zeit gedacht, er wäre ihr bester Freund, ihr Kumpel, der ihr in allem beistand, was sie tat. Aber ganz im Gegenteil. Er glaubte nämlich auch nicht an sie. So war das.

Sichtlich enttäuscht ließ Emily sich erschöpft auf das weiche Bett, das ihr gehörte, fallen. Sie drehte sich auf die Seite und fing an, schon zum zweiten Mal an diesem Tag, ein bisschen an sich zu zweifeln.

Plötzlich, mitten in ihrem Gedanken, hörte sie das leise Knarren ihrer Zimmertür. Jemand war hereingekommen. Doch sie musste ihren Blick gar nicht zur Tür wenden, um zu wissen, dass es Malvin war, der gerade hereingekommen war.

Er setzte sich langsam neben sie, auf das Bett und sah sie an. Sie wich seinen Blicken stur aus und starrte nur abwesend aus dem Fenster.

"Emily", flüsterte er kaum hörbar, aber doch noch laut genug, dass Emily es gut verstehen konnte. "Es tut mir Leid. Weißt du, ich wollte dich nicht beleidigen, wirklich nicht, in keinster Weise. Und du weißt, dass ich dich immer unterstützt habe und das auch in Zukunft immer tun werde", sprach er weiter. "Und warum hast du dann vorhin behauptet, ich könne keine Rennen fahren?", fragte sie mit wackeliger Stimme dagegen. "Es tut mir Leid, okay? Ich habe einfach nicht nachgedacht. Aber wir kriegen das schon hin. Du trainierst morgen einfacho noch ein bisschen mit Jason, dann geht das schon, okay?", schlug Malvin vor. Emily nickte schwach. "Und jetzt schlaf gut!", flüsterte ihr leise ins Ohr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er aus dem Zimmer und es dauerte auch gar nicht lange, bis Emily eingeschlafen war, mitsamt ihrer Alltagskleidung und allem.
 

Als Emily am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Aus irgendeinem Grund hatte sie nicht sehr gut geschlafen. Aber das war wahrscheinlich nur die Nervosität, wegen dem Rennen heute, vermutete sie. Sie musste sich erstmal kräftig recken und strecken, bevor sie dann wirklich wach wurde. Umzuziehen brauchte sie sich ja nicht mehr, ihre Alltagskleidung trug sie immer noch.

Was sie allerdings machen musste, war ihre Frisur. Durch ihr unruhiges Schlafen war sie jetzt völlig zerzaust und die Haare standen ihr in alle Himmelsrichtungen.

So ging sie ins Badezimmer und erledigte das schnell. Sie brauchte auch nicht lange dafür, nur ein paar Handgriffe und schon hatte sie ihre Haare wieder halbwegs gebändigt.

Danach ging sie noch einmal kurz für kleine Mädchen, bevor sie hinunterging, in die Küche, und sich dort eine gefüllte Waffel nahm, die Malvin schon vorbereitet hatte. Der saß auch schon am Tisch und so gesellte Emily sich zu ihrem besten Freund.

"Und, gut geschlafen? Wie gehts dir heute, du Rennfahrerin?", erkundigte er sich grinsend nach Emilys Wohlbefinden. "Gut...", meinte diese nur und machte sich daran, ihr gefüllte Waffel zu essen. "Ich gehe nachher gleich zum Rennplatz, ich hoffe Jason ist da, dann kann ich mit ihm eine Runde trainieren", erklärte sie Malvin. Der erwiderte nur: "Cool", während er ebenfalls in seine gefüllte Waffel biss.

Nachdem sie beide die Waffeln aufgegessen hatten fragte Emily plötzlich: "Malvin? Meinst du, ich schaffe das wirklich?" "Klar schaffst du das, das hast du doch gestern selbst gesagt. Du bist doch gut, du machst das schon", versuchte Malvin sie aufzuheitern. "Naja, weißt du, ich bin ja noch nie ein Rennen gefahren. Ich habe doch gar keine Erfahrungen damit. Und dieser Kerl... er ist sicher schon viele Rennen gefahren und... Malvin...", fing Emily an mit heftigsten Zweifeln um sich zu werfen. "Hey, Emily. Wo ist denn dein Selbstvertrauen geblieben? Komm schon, du trainierst heute und dann geht das schon", machte ihr Malvin klar.

Dann herrschte eine Weile Stille. Bevor sie erneut von Emily gebrochen wurde: "Kommst du denn zu dem Rennen?" "Klar, wenn du das möchtest", antwortete er ihr und lächelte sie liebevoll an. Emily blickte ihn lange an. In ihren Blick legte sie Dankbarkeit und Erleichterung.

"Okay, ich werde dann mal gehen", meinte sie. Malvin nickte nur und lächelte schon wieder. "Na dann, viel Spaß", erwiderte er. "Oh ja, den werde ich haben... Ich schlage diesen Typen!", meinte Emily voller Selbstvertrauen. Ja, ich schlage ihn, ich werde es ihm zeigen, fügte sie in ihren Gedanken hinzu. "Das ist die richtige Einstellung!", hörte sie noch von Malvin, als sie schon auf dem Weg zu der Tür, die zur Diele führte, war. Sie war einen Blick über die Schulter und sah ihn an.

Sie erwiderte sein Lächeln, zum ersten Mal heute.

Dann ging sie hinaus auf den Flur, schnappte sich die Sporttasche mit ihrer Ausrüstung, zog sich ihre Jacke und natürlich auch ihre Schuhe an. Sie schnappte sich ihren Autoschlüssel und fuhr dann sogleich zu der Rennstrecke. Zu ihrer Rennstrecke.



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