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Sorglospunks forever

von

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Edgar

Unter Ächzen und Stöhnen, aber mit einem siegessicheren Grinsen auf dem Gesicht, schleppte Easy, die Frontfrau der Sorglospunks, eines schönen Tages einen großen Pappkarton, aus dem allerlei Kabel hingen, in das Wohnzimmer des Bandhauptquartiers.

„Tadaaa!“, verkündete sie triumphierend, nur um gleich darauf festzustellen, dass die faule Bande, die sie eigentlich zu ihrem neuesten Geniestreich beglückwünschen – oder doch wenigstens mit neugierigen Fragen bombardieren – sollte, ausgeflogen war.

Jack hatte eine Nachricht an den Kühlschrank geklebt, dass sie mit Kiwi Katzenfutter einkaufen war (das Maskottchen hatte darauf bestanden, mitzukommen, damit die Drummerin ihr nicht klammheimlich irgendwelches minderwertige Futter unterjubelte), abranka brachte ihre Wolke zur jährlichen Wolkeninspektion und Nifen hatte Chibichi mit zu dem Verleger genommen, bei dem der Sorglospunks-Sonderbildband mit all den Unterwasseraufnahmen vom letzten Urlaub gedruckt werden sollte, damit der Teufel der Band ein möglichst gutes Geschäftsabkommen mit dem Verlag sicherte. Einzig Chris war also im Sorglospunkhauptquartier zurückgeblieben, aber der Gitarrist hatte die Gunst der Stunde genutzt und Nifens Computer mit der schnellen Internet-Leitung besetzt, um mittels Webcam und Internettelefonie Umeko seine neuste Gitarrenkünste vorzuführen. Es drang also zwar leises Saitengeklimper aus dem Büro der Managerin, doch Easy wusste es besser, als dort jetzt zu stören.

„Na egal“, meinte die Leadsängerin und zuckte mit den Schultern, „bau ich dich eben alleine auf, Edgar, und überrasche die anderen halt später mit dem genialtastischen Endprodukt! Muahahahaha!“ Das versuchte, bösartige Lachen klang zwar aus Easys Mund nicht ganz so bösartig, hielt die junge Frau aber nicht davon ab, voller Tatendrang sich über all die Kabel, die Stecker und Metallteile herzumachen.
 

Etwa eine dreiviertel Stunde später war der Karton leer und auf dem Wohnzimmertisch stand ein Gerät, das man landläufig wohl als Computer bezeichnen würde. Doch es war nicht irgendein Computer, nein, das war…

„Easy? Was bitte macht dieser überholte Schrotthaufen von einem Computer auf dem Wohnzimmertisch?“, fragte Jack auch schon in diesem Moment, die Taschen mit dem Katzenfutter noch in der Hand.

„Das ist kein Schrotthaufen!“, verteidigte Easy den wehrlosen Computer vehement. „Das ist Edgar. Unser neuestes Bandmitglied und die Antwort auf all unsere Gebete.“

„Ihr betet?“, fragte da eine Stimme grinsend von der Tür her. „Zu mir oder dem alten Rauschebart im Himmel?“ Auch Chibichi und Nifen waren von ihrem Geschäftstermin zurück.

„Wir beten um ein Wunder. Wer unsere Gebete erhört, ist meist egal“, antwortete die Managerin achselzuckend. „Die alten Griechen vom Olymp haben uns abranka vorbeigeschickt, unsere Schutzengel, die hier bestimmt irgendwo rumflattern, hat vermutlich die Abteilung da oben geschickt, und du hast uns schließlich auch gefunden. Ausgewogenes Verhältnis…“

Chibichi lachte, doch das Lachen blieb ihr förmlich im Hals stecken, als ihr Easy um selbigen fiel.

„Chiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii! Stimmts, du siehst in Edgar auch mehr als bloß einen Haufen Schrott, oder? Oder?“

Wie sollte der Teufel da auch etwas anderes tun als Easy zuzustimmen? Allerdings war sie sich zugleich sicher, dass eine pauschale Antwort wie ‚ein hübscher Haufen Schrott mit schön blinkenden Lichtern’ nicht das war, was Easy sich unter ‚mehr in Edgar sehen’ erhofft hatte.

Zum Glück griff in diesem Moment Jack rettend ein und fragte trocken: „Also gut, wenn das kein Schrotthaufen sondern Edgar ist, dann solltest du uns vielleicht auch erklären, was für Wunder Edgar vollbringen kann.“

„Edgar kann Songs schreiben!“ Der Stolz stand Easy ins Gesicht geschrieben, als sie diese magischen Worte verkündete. Nie wieder würde sie von ihren Bandkollegen unter Druck gesetzt werden, wenn diese für einen Auftritt ein neues Lied wollten. Einfach Edgar mit ein paar Infos füttern und fertig wäre der Sorgloshit. Und noch dazu war dieses Verfahren beinahe sorgloser als die Sorglsopunks selbst. Wenn das also mal nicht perfekt war!

„Du meinst, der Rechner hat ein Programm, das Songs schreiben kann?“, fragte Chris misstrauisch, denn angelockt von dem Stimmengewirr im Wohnzimmer hatte er sich von Umeko verabschiedet und war zu den übrigen Sorglospunks gestoßen.

Easy nickte enthusiastisch. „Wollen wir es gleich mal ausprobieren?“ Ungeduldig hibbelte sie herum, wollte sie doch endlich Edgar und seine Wundersongs vorführen.

Zögerlich, aber dennoch für die quirlige Frontfrau ausreichend genug, stimmten die übrigen Hausbewohner zu.

Ein leises Fauchen, ein Biepen, ein Summen und schließlich erschienen auf dem Bildschirm die ersten Zeichen.

*~ Ich bin Edgar ~*

Munter begann Easy zu tippen.

# Hallo Edgar #

*~ Wenn Sie einen Song von mir geschrieben haben möchten, drücken Sie jetzt bitte gleichzeitig auf {@~\]µ}² und ich starte das gewünschte Programm ~*

„Seht ihr, ist ganz einfach!“ Triumphierend wandte sich Easy zu den anderen um.

„Okay, du Genie, und wie willst du all diese Tasten auf einmal drücken?“, fragte Jack mit hochgezogener Augenbraue.

„Ähm, na also so…“ Und Easy legte ihre Finger auf die Tastatur. Doch wie sie die Hände auch drehte und verknotete, irgendeine Taste ließ sich maximal suboptimal erreichen, was im Klartext bedeutete, dass sie nicht gleichzeitig sondern höchstens verspätet gedrückt würde. Doch so schnell war Easy nicht bereit aufzugeben. „Ha! Ich hab’s! Das ist ein Bandcomputer, also müssen auch alle Bandmitglieder drücken helfen. Sonst würde am Ende der Song ja nur vielleicht mir gefallen, aber euch nicht und dann wäre es kein Sorgloshit. Los, Chris, du drückst die Q-, die E, und die 2-Taste, Jack, du übernimmst 7, 0 und ß und ich drückte Alt-Gr und M“, forderte sie ihre Bandkollegen zur Mithilfe auf.

Immer noch skeptisch, aber bereit Easys Kommandos auszuführen, stellten sich Chris und Jack links und rechts hinter Easy und gemeinsam schafften sie es, die seltsame Tastenkombination gleichzeitig zu drücken.

*~ Willkommen in Edgars Songschreibprogramm ~*

*~ Geben Sie bitte den Titel ein, den Ihr Song haben soll ~*

„Ähm, ja, wie wollen wir denn unseren neusten Hit nennen?“ Ein fragender Blick in die Runde und spontan beschloss Easy, dass die Welt unbedingt ein Lied mit dem Titel ‚Bunte Kokosnüsse machen Tiger reich’ brauchte.

*~ Bitte geben Sie den Inhalt des Liedes in fünf Substantiven wieder ~*

# Tiger, Kokosnüsse, Regenbogen, Sammelbildchen, Küchenschwamm #

Fleißig klapperte Easy auf der Tastatur herum.

*~ Bitte geben Sie den Inhalt des Liedes in fünf Verben wieder ~*

# singen, werden, einfangen, tauchen, kochen #

War ja auch noch soweit logisch, dass man dem Programm erst einmal ein paar Informationen zukommen lassen musste.

*~ Bitte geben Sie den Inhalt des Liedes in fünf Adjektiven wieder ~*

Und gut, mit Adjektiven würde der Hit bestimmt noch lebendiger…

# reich, berühmt, blau, klein, durstig #

*~ Bitte geben Sie fünf US-Bundesstaaten an, in denen Sie das Lied irgendwann einmal veröffentlichen wollen ~*

Hä? Was bitte hatte das damit zu tun? Aber egal, solange am Ende ein brauchbarer Hit heraus kam – noch dazu einer von internationalem Format, wenn Edgar schon nach US-Bundesstaaten fragte – würde die Frontfrau den Rechner eben mit noch ein paar mehr Informationen füttern.

# New York, Washington, Kalifornien, New Mexiko, Minnesota #

*~ Bitte geben Sie fünf Konkurrenzbands an, die diesen Song auf gar keinen Fall covern dürfen ~*

Oh, an mögliche Coverversionen dachte das Programm auch!

# Backstreet Boys, 50 Cent, alle DSDS-Kandidaten, Marianne Rosenberg, Ace of Base #

Die letzte Band hatte Easy aufgrund der gerade erst überstandenen Terrorattacke von Seiten des Bandmanagements hinzugefügt. Nicht auszudenken, wenn diese Band sich tatsächlich zu einem Cover-Album mit Sorglospunkhits aufraffte... Nifen würde nie wieder etwas anderes spielen wollen.

*~ Bitte nennen Sie fünf Gemüsesorten, mit denen Sie im Videoclip zu dem Song für eine gesundheitsbewusste Ernährung sorgen wollen ~*

# Gurke, Tomate (vor allem Tomaten – Produktplacement ^^), Blumenkohl, Aubergine, Avocado #

*~ Bitte geben Sie fünf Zigarettenmarken an, die mit Ihrem Song keinen Werbeclip unterlegen dürfen ~*

Brav nannte Easy die gewünschten Zigarettenmarken.

*~ Bitte nenne Sie fünf Kuscheltiere, die während dieses Songs bevorzugt auf die Bühne geworfen werden sollen ~*

So langsam wurde es wirklich sonderbar, welche Informationen das Programm alle abfragte. Aber felsenfest von ihrer genialen Idee überzeugt, machte Easy einfach weiter.

Auch als sich, eine halbe Stunde später, Jack in die Küche verzog, um endlich das Katzenfutter wegzuräumen, und Chris nach weiteren dreißig Minuten des Wartens und Fragenbeantwortens wieder dazu überging, seine Gitarre zu polieren, gab sie nicht auf. Schließlich verabschiedete sich Chibichi am Nachmittag, weil sie für Mitternacht, Ortszeit, in Singapur einen Seelenhandel vereinbart hatte und Nifen beschloss, doch lieber mal ihre E-Mails abzufragen, vielleicht hatte sich ja ein Konzertveranstalter in der Zwischenzeit gemeldet.
 

Gegen sieben Uhr abends kehrte abranka von ihrer Wolkeninspektion mit einer frisch gewarteten und sauber glänzenden Wolke in das Sorglospunkhauptquartier zurück. Wie üblich führte ihr erster Weg sie ins Wohnzimmer, war es doch meist so, dass diejenigen unter den Bandmitgliedern, die dringend einer Eingebung bedurften, dort ideenlos auf dem Sofa rumlungerten. Doch heute war nur Easy im Wohnzimmer und schien vollauf beschäftigt.

*~ Bitte nennen Sie fünf Bibelstellen, mit denen der Song auf religiösen Versammlungen in Verbindung gebracht werden darf ~*

„Bibelstellen? Wo, verflixt noch mal, ist eine Bibel, wenn man sie braucht?“ Easy wusste, sie stand soooo kurz vor einem Megahit, da sollte das Ganze doch bitte nicht daran scheitern, dass sie jetzt keine Bibel finden konnte.

„Oh, ein Edgar?“, fragte abranka neugierig, nachdem sie den Computer von allen Seiten in Augenschein genommen hatte. „Wo hast du denn den gefunden?“

„abranka!“, rief Easy freudig überrascht, die Frage der Muse ignorierend. „Du kennst Edgar?“

Die Bandmuse nickte. „Ja, die haben wir mal versuchsweise im Musenarbeitsamt auf dem Olymp gehabt. Irgendjemand war wohl auf die Idee gekommen, dass wir damit den vielen Schülern dieser Welt helfen könnten, die nach Eingebungen für Schulprojekte suchen. Hat sich aber nicht durchgesetzt. Doch sag mal, Easy, wenn ich mich richtig entsinne, funktionieren Edgars nur dann richtig, wenn sie am Inspirationsstromnetz hängen. “ Das war damals auch der Grund gewesen, warum man auf dem Olymp wieder von der computerisierten Methode der Ideengebung abgekommen war – die Edgars hatten einfach zu viel Inspirationsstrom verbraucht. Aber nur so war die Masse an Informationen, die im Hintergrund mit jeder Idee verknüpft werden mussten, abfragbar.

„Inspirationsstromnetz?“ Verwirrt sah die punkige Leadsängerin abranka an. „Gibt’s das vielleicht auch als Batterien?“ Kaum hatte sie die Frage laut gestellt, als auf ihrem Gesicht jener gefährliche Ausdruck erschien, der auf weniger gute Ideen schließen ließ. „Aber klar! Inspirationsbonbons!“ Und ehe die Muse sich versehen hatte, hatte Easy das Wolkenfach mit den Bonbons aufgemacht und sich eines herausgeholt. (Dieses Fach war das einzige Fach in abrankas Musenwolke, das Easy auf Anhieb erkannte...) Doch nicht nur das, fix war das Bonbon ausgewickelt, dann mit einem herumliegenden dicken Wälzer von Buch zertrümmert, die Brösel auf einen angefeuchteten CD-Rohling geschoben – angefeuchtet, damit die Bonbonbrösel auch hielten – und zu guter Letzt das Ganze in das CD-Laufwerk von Edgar geschoben.

Jetzt, ja jetzt... und ein weiteres nicht wirklich bösartig klingendes, bösartiges Lachen bahnte sich seinen Weg Easys Kehle hinauf... jetzt war es nur noch eine Frage von Sekunden, bis Edgar ihr den neuesten Sorgloshit für die Sorglospunks liefern würde. Mit internationaler Erfolgsgarantie, Cover-Schutz, gesundheitsbewusster Einstellung und religiöser Zitierbarkeit!

Gespannt lauschte Easy dem flitzenden Summen, das darauf hindeutete, dass die CD gelesen wurde.

Und dann... Ein Britzeln, ein Spratzeln, ein Knacken, ein Krachen, ein... Rauchen? Mit schreckgeweiteten Augen starrte die Frontfrau den Bildschirm an, der mit einem Mal so verdächtig schwarz und ruhig vor ihr stand, während der Lüfter verzweifelt versuchte, der Rauchschwaden im Rechnergehäuse Herr zu werden, ehe auch er mit einem letzten Fauchen den Dienst quittierte.

„Easy, bist du mit...“ Nifen kam nicht dazu, ihre Frage bezüglich des neuen Songs zu Ende zu stellen, denn abranka kam ihr entgegengeflitzt und erklärte mit knappen Worten, welch unseliges Ende der Songschreibcomputer genommen hatte. Derweil Easy ganz vorsichtig und mit einer Spur Verzweifelung in der Stimme fragte:

„Edgar...?“



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