Teil 1: Tell me the best way I could kill you!
Prolog ~
Leise rieselte der poröse Putz aus dem Mauerwerk, als in weißen Stoff gehüllte Fingerkuppen an diesem entlang strichen. Der trockene Kies des Bodens knackte unter bedächtigen Schritten und eine Gestalt schob sich in eine schmale Seitenstraße. Umgeben von menschenleeren Häusern… die Stille der kargen Mauern war einem scheinbar ziellosen Wanderer ein angenehmer Gefährte. Warm legte sich das Licht der Sonne auf die schmalen Schultern des jungen Mannes, der annähernd schwelgend seiner Wege ging. Der Schatten seiner schlanken Silhouette flüchtete sich über die Außenfassade einer verlassenen Gaststätte und abermals begannen die Finger an dem Gestein entlang zu gleiten.
Wild umstob der trockene Staub das Schattenbild einer Gestalt, die sich aus der unendlich erscheinenden Wüstengegend löste. Pfeifend umspielten Windböen die Bewegungen seiner Schritte, während sich ein schwarzer Mantel unter ihnen aufbäumte. Wirr fiel das lange, zu einem Zopf gebundene Haar in die Stirn des jungen Mannes, streifte die Hand, die entspannt zum Schutz vor die Augen gehoben war. Und wie ein Schattengebilde selbst tauchten vor ihm die steinernen Ruinen eines Dorfes auf, als er die Finger spreizte und seine dunklen Augen die trostlosen Gebäude durchmusterten.
Entspannt setzte sich der schwarze Stiefel auf die Bordsteinkante einer ehemaligen Hauptstraße und er stieg hinauf auf den Weg, hielt dort inne und wandte sich um. Aufmerksam studierten seine dunklen Augen eine ehemalige Gaststätte. Die eisernen Riemen waren gerissen, schief hing das Schild in den Angeln und bewegte sich quietschend unter dem aufkommenden Wind. Die schmalen Augenbrauen verzogen sich nachdenklich und er blickte zum Ende der Straße und hinaus in die öde Wüstengegend, die dieses Dorf umschloss. Ein Sturm schien aufzukommen. Beiläufig fuhren die weißen Handschuhe über den Stoff des edlen Fracks, glätteten es. Es war beruhigend, sich hier in Sicherheit zu wissen, ungestört in dem friedlichen Spaziergang zu bleiben, den er hier sehr gerne unternahm. Er erinnerte sich. Eine schwarze Locke neckte seinen Nacken und er nahm die Gelegenheit wahr, um sich den Kragen zu richten. Vor einem Monat war er noch hier gewesen. Auf der Durchreise war er den Menschen dieses Dorfes begegnet, hatte gut in jener Gaststätte gegessen. Ein fragwürdiges Erlebnis, da ihm die Einsamkeit dieses Ortes eher gefiel. Es hatte nicht lange gedauert, der Angriff der Akuma endete so schnell, wie er begann und zurück blieb das, was er nun sah.
Kurz darauf saß der Kragen wieder ordentlich und in genügsamen Schritten führte er seinen Spaziergang fort.
Mit einem Schritt ließ der junge Mann die matt schimmernden Gleisen hinter sich, die das Dorf von der Wüste trennten. Das Kinn gen Brust gesenkt, den Gang verschnellernd, näherte er sich den Ruinen. In einem dünnen Film bedeckte der feine Wüstenstaub den Stoff des Mantels und mit wenigen Handbewegungen befreite er sich etwas von ihm. Kitzelnd glitt eine verirrte Haarsträhne über seine jungen Gesichtszüge und auch diese strich er zurück, bevor sich die Hand hinabsenkte, zielstrebig zum Gürtel fand und an diesem die schwarze kunstvolle Scheide eines Katanas ertastete. Auch diese zog er zu Recht, bevor er die ersten Häuser erreichte und sich in eine Gasse davonstahl, die ihm etwas Schutz gewährte. Der Marsch durch diese Ebene war so Kraft raubend wie unabdingbar gewesen und seine Schritte zeugten von Müdigkeit, als er die Gasse wiederum verließ, in eine Nebenstraße einbog und sich barsch über das Gesicht fuhr. Dieser Staub… er setzte sich in jede Pore, die sich nicht schützen ließ. Er blinzelte, schürzte die Lippen und schüttelte den letzten Sand aus seinem Haar, um sich daraufhin flüchtig umzublicken, eine gewisse Orientierung zu erlangen.
Der Auftrag hatte ihn länger und härter gefordert, als erwartet und war trotz alledem von so geringer Wichtigkeit gewesen, dass der junge Mann seit geraumer Zeit weniger zufrieden wirkte. Ungeduldig blickte er um sich, fuhr sich mit dem Unterarm über den Mund und wählte den linken Weg.
Ein leises Seufzen ausstoßend, blieb er stehen und genoss den Anblick einer wunderschönen Brücke, die die Menschen über den einstigen Fluss geführt hatte, nun über ein trockenes Bett ragte… und dennoch. Der junge Mann legte den Kopf schief, Neugierde verlieh seinem Gesicht Ausdruck und schlendernd näherte er sich dem Bauwerk. Diese Feinarbeit war entzückend. Vorsichtig stieg er über trockene Gräser, seine Hand tastete nach dem edlen schwarzen Zylinder und mit großen Augen studierte er die Details des hölzernen Geländers. Hier schienen Künstler gelebt zu haben. Er rückte an dem Zylinder, folgte der schmalen Krempe mit den Fingern und beugte sich sogar vor. Zu schade, dass sie es nun nicht mehr taten. Nach wenigen Augenblicken riss er sich von der Betrachtung los und leise pochten die harten Absätze seiner Stiefel über den hölzernen Boden, als er die Brücke überschritt. Und dort… er bettete die Hand auf dem Geländer, hatte schon wieder etwas entdeckt. Dort vor ihm musste der Markt abgehalten worden sein. Ein großer Platz tat sich auf der anderen Seite der Brücke auf, bedeckt mit Pflastersteinen. Und er machte sich auf den Weg zu diesem.
Die Schritte des jungen Mannes verlangsamten sich unentschlossen, als er an einem unauffälligen Hinterhof vorbeizog. Skeptisch durchforsteten die Augen die unüberschaubaren Häuserreihen und alsbald blieb er stehen. Noch nie zuvor war er hier gewesen, da diese Art eines Weges weniger seiner Vorliebe entsprach. Stumm bewegten sich seine Lippen aufeinander und nach einem kurzen Grübeln blickte er zurück. Aus dem Norden war er gekommen und nun… er rümpfte die Nase, bog nach rechts und überquerte eine schmale Straße, um sich einen kleinen Pfad zunutze zu machen. Je eher er das Hauptquartier erreichte, desto eher gelangte er auch an anspruchsvolle Aufträge, nach denen er das Gefühl hatte, etwas erreicht zu haben. Seine Schulter schrammte die poröse Ecke eines Hauses, als er sich in die Gasse schob und den Blick auf den großen Platz richtete, der sich hinter ihr erstreckte.