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Spiel auf Zeit

von

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Teil I

Rating: PG-13

Pairing: KangTeuk (Youngwoon/Jungsu); zwei oder drei andere, unwichtige

Disclaimer: Nix meins ausser die Idee, wie immer.

A/N: In dieses Ding ist viel Zeit geflossen - zu viel eigentlich, wenn man bedenkt, dass ich einen Haufen anderes Zeug zu erledigen hätte, aber: Diese kleine Geschichte ist special. Very special, weil sie nämlich einer ganz bestimmten Person gewidmet ist, und für diesen Menschen ist mir meine Zeit nie zu schade >^_^<
 

- I -
 

Für Lhindiel: Für den liebsten Dino und den witzigsten Captain!Sparrowangel dieser Welt, und für einen der genialsten Menschen, die ich kenne.
 

Das Papier in Jungsus Händen zittert. Die beiden bunten Vögel, die sich in einem Stück blauen Himmels umtanzen, verschwimmen zu einem einzigen Farbfleck, zusammen mit der dunkelroten Schrift auf dem cremefarbenen Hintergrund. Die Buchstaben bleiben trotzdem unauslöschbar auf seiner Netzhaut eingebrannt, und ihr Sinn tanzt in gefährlich schnellem Tempo hinter Jungsus Stirn.

Die kitschige Einladungskarte segelt langsam zu Boden, und Jungsu verfolgt sie mit seinem Blick, regungslos, bis ein tiefer Seufzer ihn aus seiner Starre reisst und er sich mit einer noch immer zittrigen Hand durch seine Haare fährt, die zu lang in seinen Nacken fallen. Die Karte liegt mit der Schrift nach oben da, scheint Jungsu verspotten zu wollen. Verlobung von Kim Youngwoon und Jung Eunmi, Datum, Ort, Zeit.

„Ich sollte ihnen wohl gratulieren“, teilt er dem leeren Zimmer mit, und er erschrickt über die Bitterkeit, die nur allzu deutlich in seiner Stimme mitschwingt.
 

„Kim Youngwoon am Apparat.“

Jungsu schliesst die Augen und lässt diesen ihm so bekannten Tonfall in seinem Kopf nachhallen, stellt sich vor, der Besitzer dieser Stimme würde direkt vor ihm stehen, so lange, bis die Worte ein wenig ungeduldig wiederholt werden.

„Gratuliere, Youngwoon“, sagt Jungsu nun und seine Stimme klingt leer, doch wenigstens zittert sie nicht. Am anderen Ende holt Youngwoon scharf Luft.

„Jungsu? Bist du das?“, fragt er schliesslich, ein wenig unsicher, ein wenig zögernd. Jungsu bejaht und Youngwoon schweigt, zu lange, zu vielsagend. „Wirst du kommen?“, fragt er dann, und Jungsu ist sich sicher, dass er sich den leisen, hoffnungsvollen Unterton in Youngwoons Stimme nur einbildet. Jungsu wird nicht hingehen, wird zu Hause bleiben und die Wolken anstarren; doch seine Lippen sind schneller als seine Gedanken.

„Klar“, sagt er, und lässt sich von Youngwoon die Wegbeschreibung geben, während sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend ausbreitet.
 

Das Haus ist hübsch, gross und hat eine schöne Aussicht über den Rest der kleinen Stadt. Der Garten ist grün, voller Sommerblumen und Menschen, die alle irgendein Getränk in den Händen halten, unbekannte Gesichter, zwischen denen Jungsu hin und wieder ein Lächeln aus einer längst vergessenen Zeit erkennt. Plötzlich umarmt ihn jemand, zu unerwartet und zu stürmisch, und Jungsu braucht einen langen Moment um zu begreifen, wer es ist.

Als Sungmin ihn loslässt, erblickt Jungsu eine hübsche junge Frau neben ihm. Sungmin stellt sie als Kim Aeyoung vor, seine Freundin, und das Lächeln auf seinem Gesicht ist beinahe blendend. Jungsu erwidert es ein bisschen wehmütig, doch weder Sungmin noch Aeyoung scheinen es zu bemerken.
 

Jung Eunmi ist alles, was Youngwoon je als seine Traumfrau bezeichnet hat: Hübsch, mit einem strahlenden Lächeln und noch viel strahlenderem Charme, und selbst ihre Füsse in den gefährlich hohen Schuhen scheinen perfekt zu sein. Jungsu ist sich nicht sicher, was er erwartet hat; vielleicht eine unscheinbare Frau mit scheuem Lächeln, aber nicht diese Erscheinung, die nun Jungsus Hand schüttelt und nach Youngwoon ruft, ihre Stimme ein Glockenspiel in der Luft.

Nicht weit von ihnen entfernt dreht sich jemand um, und Jungsu sieht sich plötzlich Youngwoon gegenüber, dessen Lächeln für eine Sekunde zögert; doch dann steht er direkt vor Jungsu, nicht ganz derselbe Youngwoon wie noch vor einigen Jahren, und als er Jungsu umarmt, vergisst dieser für einen Moment, wo er ist. Dann ist der Spuk vorbei und Jungsu gratuliert Youngwoon und Eunmi, und er lächelt dieses Lächeln, das auf seinem Gesicht klebt wie Kaugummi an einer Schuhsohle.
 

„Du hast gesagt, du würdest nicht hingehen.“

Jongwoons Feststellung klingt nüchtern und kühl, doch sein Blick, der wachsam auf Jungsu ruht, verrät ihn. Jungsu zuckt die Schultern und nimmt einen Schluck seiner Cola um nicht antworten zu müssen. Er und Jongwoon sitzen abseits des grossen Festes auf einer Gartenbank. Jungsu beobachtet das Treiben, erhascht einen Blick auf Hyukjae, der wild gestikulierend etwas erzählt, was die Umstehenden in schallendes Gelächter ausbrechen lässt.

„Jungsu...“ Nun klingt Jongwoon zögernd, ganz so, als wüsste er nicht, wie er ausdrücken sollte, was ihm durch den Kopf geht.

„Ich bin in Ordnung“, sagt Jungsu ohne ihn anzusehen und steht auf, um sein leeres Glas mit etwas Hochprozentigerem als Cola aufzufüllen.
 

Es ist ein Spiel gewesen; ein gefährliches Spiel, in dessen Rausch Jungsu nicht bemerkt hat, dass er sich die Finger verbrannt hat. Die Fans haben es ‚KangTeuk’ genannt; Jungsu und Youngwoon haben darüber gelacht und den Fans gegeben, was sie sehen wollten. Doch das Spiel ist nicht auf der Bühne, nicht im Rampenlicht geblieben, und das war der Punkt, an dem es gefährlich geworden ist.

Der Moment, in dem sich die Grenze zwischen Spiel und Realität irgendwo im Nichts verloren hat, und Youngwoons Berührungen von so viel Ehrlichkeit gesprochen haben, dass Jungsu sich von ihnen hat täuschen lassen; in diesem Moment haben sie die Kontrolle über ihr Spiel verloren. Das bittere Ende hat sie umso härter getroffen, auch wenn es sich schon lange abgezeichnet hat. Auch wenn schon lange klar gewesen ist, dass Super Juniors Albumverkäufe nicht mehr ausreichend gewesen sind, und dass die Fans KangTeuk nicht mehr interessant gefunden haben.
 

Jungsu ist einer der ersten, die das Fest verlassen. Der Alkohol liegt schwer in seinem Gemüt und hat nicht im geringsten den gewünschten Effekt gehabt. Als Jungsu sich von Eunmi verabschiedet, ist ihre Hand in seiner viel zu warm; von Youngwoon ist nichts zu sehen, und Jungsu weiss nicht, ob er sich wirklich darüber freuen soll.

Ein Taxi bringt ihn zu dem schäbigen Hotel, in dem er sich am Nachmittag ein Zimmer reserviert hat. Der Raum ist klein, eng und schmutzig, und die Bettlaken sind vor langer Zeit vielleicht einmal weiss gewesen. Das Sims des einzigen Fensters ist staubig und Jungsu zeichnet Muster darauf, während er den schwarzen Nachthimmel nach etwas absucht, das er nicht finden kann. Es ist ein anderer Himmel als über Seoul, hier gibt es Sterne, doch ihr schwaches Licht dringt dennoch kaum zu Jungsu durch.

Als Jungsu den Blick vom Himmel abwendet, bleibt er am Fenstersims hängen. Seine Finger sind eiskalt; im Staub steht ein Name.
 

Jungsu träumt von endlos braunen Augen und von einem kristallklaren Lachen, das Glas zerbrechen lässt. Als er aufwacht, sind seine Wangen feucht. Draussen geht die Sonne auf, es ist Sonntag und Zeit zurückzukehren, zurück in seine kleine Dachwohnung, zurück zu seinem Keyboard und den Notenblättern und den vielen unbezahlten Rechnungen. Es ist Zeit wieder zu vergessen, oder, wenn ihm dies wie so oft nicht gelingt, zu verdrängen.

Seouls grauer Himmel wartet auf Jungsu, und vielleicht sogar Nayoung, das Mädchen vom Imbissstand um die Ecke; zu jung in Jungsus Augen, zu jung für ihn, doch er lässt ihr ihre Illusionen. Lässt sich selbst die Möglichkeit von ein bisschen Normalität, von ein bisschen Einfachheit offen, denn Nayoung wird nie so kompliziert sein wie Youngwoon.
 

Jungsu ist sich nicht sicher, ob er träumt, als es an die Tür seines Hotelzimmers klopft und Youngwoon davor steht. Jungsu ist frisch geduscht, das Wasser tropft ihm aus seinen Haaren in die Augen und der Bademantel, der im Bad bereitlag, riecht nach billigem Waschmittel mit zu viel Parfüm.

Jungsu ist sprachlos und Youngwoon scheint vergessen zu haben, was er sagen wollte. Allerdings, so erinnert sich Jungsu, als Youngwoon die Tür hinter sich schliesst und Jungsu gegen die Wand presst, ihn küsst, als gäbe es kein Morgen; allerdings ist Youngwoon noch nie ein Mann vieler Worte gewesen, und Jungsu hält ihn nicht auf, stellt keine Fragen und verdrängt die leisen Zweifel aus seinem Kopf. Er geniesst jede Berührung, jeden Kuss, drängt sich Youngwoon schamlos entgegen, denn er braucht es, ihn, Youngwoon; Jungsu verbrennt, doch er könnte sich keine angenehmere Art zu sterben vorstellen.
 

Youngwoons Gesichtsausdruck spricht von Schuld. Jungsu liegt auf dem schmalen Bett, nachlässig in eines der grauen Laken eingewickelt, und beobachtet Youngwoon. Er hat seine Kleider wieder angezogen, ein rotes Sweatshirt und dunkelblaue Jeans, und er gleicht darin so sehr dem Youngwoon, den Jungsu gekannt hat. Dennoch ist er ein völlig anderer, ist fremd geworden in den Jahren, seit sie sich das letzte Mal gesehen haben, und eine kalte Hand schliesst sich um irgendetwas in Jungsus Brust. Es ist dieselbe Hand, die ihn beinahe erstickt hat, als er realisieren musste, dass ihr Spiel unweigerlich in einer Niederlage für sie beide enden würde, und dass es danach kein Zurück geben würde, kein Wiederherstellen des alten Zustands.

Jungsu friert, und die Stelle, an der Youngwoon auf dem Bett gelegen ist, wird kalt.
 

„Es tut mir leid“, sagt Youngwoon, bevor er geht. Jungsu sieht ihm nach und es gibt so viele Fragen, die in seinem Kopf wie ein Unwetter toben, doch er stellt keine einzige davon. Die Tür fällt hinter Youngwoon ins Schloss, lässt nichts als Stille zurück, und Jungsu fühlt sich schmutzig, so unendlich schmutzig und wertlos. Das Hotelzimmer riecht nach Youngwoon und nach Sex, und nach demselben Parfüm, das schon den Bademantel wie eine Wolke eingehüllt hat, der nun einsam und unbeachtet an der Stelle liegt, an der Youngwoon ihn von Jungsus Schultern gestreift hat.

Die Abdrücke von Youngwoons Händen leuchten rot und brennend auf Jungsus Hüften, und überall schleichen die Erinnerungen an Youngwoons Lippen und Finger über Jungsus Haut, darunter und viel zu tief. Youngwoon hat Spuren hinterlassen und nun wird es unmöglich sein, zu verdrängen.
 

:: Fortsetzung folgt ::

Teil II

Die Notenblätter in Jungsus Fingern zittern. Die schwarzen Zeichen und der weisse Hintergrund verschwimmen zu einem tristen Grau, das nur allzu gut die Farbe des Himmels draussen widerspiegelt. Der Song auf den Blättern trägt den Titel ‚Used’, und Jungsu mag, wie die Melodie die Schwere eines weit entfernten Regentages einfängt, sie ins Zimmer holt und alles damit erstickt. Die Melodie braucht keine Worte, ist auf ihre eigene, verstörende Weise perfekt und Jungsu weiss, dass er dieses Lied nie verkaufen wird, auch wenn es vielleicht eines seiner besseren ist.

Jungsus Handy klingelt, das unverkennbare ‚Life couldn’t get better’ – in all den Jahren hat er es nie über sich gebracht, den Klingelton zu ändern – erfüllt den Raum. Jungsu lässt es klingeln, weil er seiner eigenen Stimme nicht mehr trauen kann.
 

„Was ist passiert?“ Jongwoons Stimme ist unerbittlich, verlangt unmissverständlich nach einer Antwort. Jungsu weicht seinem durchdringenden Blick aus, inspiziert stattdessen den Boden seines Glases. Das ‚Nichts’, das ihm auf der Zunge liegt, spricht er nicht aus; es wäre Verschwendung von Zeit, von Worten. Langsam beginnt er zu erzählen, seine Stimme leise und zögernd, fasst die Details zusammen und lässt die wichtigen Dinge weg.

Jongwoon begreift trotzdem, und als Jungsus Stimme verstummt, spiegelt sich Wut auf seinem Gesicht wieder. „Verdammter Bastard!“ Die Worte lassen Jungsu zusammenzucken; sie klingen so hart, so wahr. „Er verlobt sich und hat nichts Besseres zu tun, als gleich darauf...“

„Jongwoon.“ Jungsus Stimme ist nur leise, nur schwach, doch Jongwoon hält trotzdem inne, nun Sorge in seinem Blick.

„Du solltest ihn vergessen“, sagt er, eindringlich. Jungsu lächelt schief.

„Ich weiss“, erwidert er, und ihnen beiden ist klar, dass er es nicht kann.
 

Jungsu wartet. Er wartet auf eine zweite Einladungskarte mit bunten Vögeln, oder vielleicht diesmal mit roten Rosen. Er wartet, doch es kommt nichts. Und so sehr Jungsu sie zu ersticken sucht, die leise Hoffnung, die in ihm aufsteigt, gibt nicht nach. Es ist eine unsinnige Hoffnung: Es gibt in Jungsus Leben keine Normalität und keine Happy Ends.

Jungsu erklärt sich das Ausbleiben einer zweiten Karte mit dem, was am Morgen nach der Verlobung geschehen ist. Ein endgültiger Abschied, und vielleicht wird Jungsu Youngwoon nun nie wiedersehen – vielleicht ist es besser so, vielleicht kann Jungsu dann endlich neu anfangen, vielleicht, vielleicht.

Vielleicht wäre die leise Hoffnung nie erwacht, wenn Youngwoon an jenem Morgen nicht zu Jungsu gekommen wäre.
 

Eunmi ist so strahlend wie an dem Tag ihrer Verlobung, selbst mit der etwas altmodischen Sonnenbrille auf ihrer Nase und dem dicken Mantel, der die kühle Herbstluft von ihr fernhält. Jungsu ist sich nicht sicher, ob er nicht nur träumt, doch sie steht da, vor seiner Tür, elegant und so gar nicht Teil von Jungsus Welt. Sie ist ein Fremdkörper, und es ist nur zu genau ersichtlich, dass sie nicht hier sein will.

Sie ist es trotzdem, und sie spricht; stellt Jungsu Fragen, auf die er keine Antworten weiss, auf die er keine Antworten geben will. Jungsu stottert, fühlt sich überrumpelt, unterlegen, und wünscht sich nichts mehr, als dass er die Augen schliessen könnte und Eunmi damit verschwinden würde.

Sie geht von selbst; ihre letzten Worte jedoch bleiben schwer in der Luft um Jungsu hängen und machen ihm das Atmen schwer. „Youngwoon gehört mir.“
 

Sanft tasten die zarten Klänge des Keyboards nach Jungsus Gefühlen, halten sie fest und tragen sie auf unsichtbaren Flügeln nach oben, zur Decke, wo sie tanzen, weil das Fenster nicht geöffnet ist und sie nicht nach draussen fliehen können. Jungsu fühlt sich leicht, schwebend, und er vergisst für einen Moment, kaum eine Sekunde, wer und wo er ist, und woher all diese schwarzen Gefühle gekommen sind.

Doch seine Finger stolpern über die Tasten und die Flügel der Melodie zittern; langsam erst, dann immer schneller, fallen Jungsus Gefühle zu Boden, zurück zu ihm, und erdrücken ihn unter ihrer endlosen Dunkelheit. Das Keyboard verstummt und Jungsu schnappt nach Luft, fragt sich, wo der Regen herkommt, der seine Wangen benetzt. Er hat zu tun, hat Arbeit zu erledigen, Lieder abzuliefern, für irgendwelche namenlose Gesichter auf den grell beleuchteten Bühnen aus Jungsus Vergangenheit; doch es gibt nur eine Melodie, die Jungsu noch fehlerfrei spielen kann.
 

Wochen später erwacht Jungsu aus seinem düsteren Alptraum, als Youngwoon vor seiner Tür steht und hinter ihm ein dunkelblauer Rucksack auf einem grossen Koffer thront. Er sieht müde aus, erschöpft, und Jungsu möchte ihn festhalten, ihm durch seine Haare streichen und ihm Nichtigkeiten erzählen, auch dann noch, wenn Youngwoon längst eingeschlafen ist. Doch Szenen wie diese gehören in das Leben, das die Fans für ‚KangTeuk’ erfunden haben, sie gehören zu diesem Spiel, das noch einmal zu spielen Jungsu sich verboten hat.

Dies ist die Realität, in der Youngwoon nervös ist und nach Worten sucht; dies ist die Welt, in der er hofft, dass Jungsu irgendetwas sagt, einen Anfang macht. Doch Jungsu hat nichts zu sagen, für ihn gibt es keine Anfänge mehr, und so bleibt er stehen, wo er ist, angefroren, eingefroren.
 

Der Soju schmeckt bitter auf Jungsus Zunge, und er brennt in seinem Hals, doch er schenkt all dem keine Beachtung. Sein Blick huscht unruhig durch den schäbigen Raum, in all die Ecken, die er längst auswendig kennt, und dennoch entdeckt er ein paar neue Spinnennetze und denkt sich, dass er vielleicht wieder einmal putzen sollte, irgendwann. Youngwoon sitzt Jungsu gegenüber auf dem Boden, den Blick stur auf das Sojuglas gerichtet, das er umklammert, als hinge sein Leben daran. Es sind kaum Worte gefallen, seit er hergekommen ist, und Jungsu stellt sich fast dieselben Fragen wie nach dieser Nacht im Hotel, nachdem er Youngwoon hat gehen lassen.

„Eunmi war hier“, sagt Youngwoon schliesslich leise, keine Frage, sondern eine Feststellung; Jungsus Blick fokussiert auf Youngwoons Gepäck, und er nickt. Youngwoon seufzt: „Sie hätte nichts davon erfahren sollen.“
 

Die Anspannung ist von Youngwoons Gesicht gewichen. Er schläft, ausgestreckt auf dem Boden von Jungsus Wohnung. Der Soju hat ihn ins Reich der Träume geschickt, und er hat seine Zunge gelockert. Jungsu hat mehr erfahren, als er je wissen wollte, und die Zweifel nagen stärker denn je an ihm, denn das, was für ihn wichtig ist, was für ihn eine Rolle spielt, hat Youngwoon mit kaum einem Wort angesprochen.

Jungsu steht auf, ein wenig mühsam, ein wenig schwankend, und holt seine Bettdecke und sein Kissen aus dem Nebenzimmer. Youngwoon murmelt etwas in seinem Schlaf, als Jungsu ihn zudeckt, und völlig unvermittelt packen seine Finger Jungsus Hand. Jungsu erstarrt, wartet darauf, dass Youngwoon die Augen öffnet; doch er schläft noch immer, und der Griff um Jungsus Hand lockert sich nicht.
 

Jungsus freie Finger haben den Weg in Youngwoons Haare gefunden, streichen in langsamen, vorsichtigen Bewegungen durch die kurzen, schwarzen Strähnen. Jungsu hat Youngwoons Haare gemocht, als sie noch ein wenig länger waren; hat es gemocht, sein Gesicht darin zu verbergen und Youngwoon einzuatmen, für einen Moment zu vergessen, dass sie nicht ein und derselbe Mensch sind. Jungsu vermisst diese Augenblicke, auch wenn er weiss, dass sie nicht echt gewesen sind; aber es ist so einfach gewesen, das zu vergessen. Es ist so einfach gewesen, sich in diesem Spiel zu verlieren, frei zu fallen, ohne einen Gedanken daran, wann der Boden kommen wird.

Der Boden ist gekommen, unvermittelt, und die Landung war hart; Jungsus Herz ist dabei in die Brüche gegangen, und manchmal wünscht er sich, es wäre mehr als nur das gewesen.
 

Jungsu erwacht nur langsam, ist noch halb gefangen in verwirrten Träumen, als Finger über sein Gesicht streichen. Sein Körper fühlt sich kalt an, steif, und dann erst erinnert er sich an Youngwoons Finger um sein Handgelenk und den Schlaf, der sich langsam an Jungsu herangeschlichen hat. Er öffnet die Augen und sieht sich Youngwoon gegenüber, auf dessen Gesicht ein merkwürdiger Ausdruck liegt. Es sind seine Finger, die auf Jungsus Lippen liegen und die nun vorsichtig weiter nach links wandern, zu dem Ort, an dem Jungsus Grübchen ist, und weiter zu seiner Wange.

„Du bist noch immer schön“, flüstert Youngwoon, und Jungsu lacht, bitter, ungläubig. Er denkt an Jongwoon, der ihm immer wieder vorhält, wie ungesund er aussieht; dass er sich selbst umbringt, langsam und schleichend, und Jungsu weiss, dass er recht hat. Jungsu hat lange in keinen Spiegel mehr gesehen, weil er nicht erträgt, was er sieht, doch Youngwoons Finger ruhen noch immer an Jungsus Wange.
 

„Und jetzt?“, fragt Jungsu, den Blick auf Youngwoons Hände gerichtet, die auf Jungsus Bauch liegen, kleine Kreise auf die nackte Haut zeichnen. Youngwoons Atem streicht über Jungsus Nacken, ein leiser, warmer Lufthauch, der Jungsu zittern lässt; ihm ist noch immer kalt, trotz der Wärme, die Youngwoon ausstrahlt. Es reicht nicht, um die eiserne Hand der Zweifel und der Einsamkeit aus seiner Brust zu entfernen.

Youngwoons Lippen drücken einen Kuss auf Jungsus Nacken, bringen die Haut an der Stelle zum Brennen. Unsichtbare Flammen tanzen darüber, die von der kühlen Luft gelöscht werden, als Youngwoon sich zurückzieht und sein Gesicht nun in Jungsus Haare drückt. Jungsu schliesst die Augen, verdrängt die Kälte aus seinen Fingerspitzen, gibt sich einer Illusion hin. Es fällt ihm schwer, schwerer als je zuvor; vielleicht sind seine Vorstellungskräfte nun endgültig erschöpft.

Youngwoon antwortet ihm nicht.
 

E N D E
 

A/N: Tja. Hiermit wäre "Spiel auf Zeit" zu Ende. Ich weiss, es bleibt sehr offen, was nun noch passieren wird, aber das ist absichtlich so und ich habe nicht vor, noch eine Fortsetzung zu dieser Geschichte zu schreiben. Für mich ist sie so abgeschlossen, das Ende vom Anfang, wenn ihr so wollt.

Ich hoffe, es hat euch gefallen und lasst doch ein Review da. Ich freue mich über jedes einzelne. (Auch über das, welches ich schon bekommen habe. Danke!)



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KatzeMorle
2008-08-25T18:16:27+00:00 25.08.2008 20:16
Wow,richtig toll. Vor allem der letzte Satz, das er erschöpft ist zu Verdrängen, finde ich sehr gelungen. Dein Schreibstil ist zwar sehr offen eher die Art wie du erzählst aber man kann zwischen den Zeilen lesen was damit gemeint ist. Jungsu kann einem nur leid tun. So wie es klingt ist er für ihn, auch wenn er jetzt bei ihm ist, das Ende.
Sehr schön. LG Morle
Von: abgemeldet
2008-05-31T13:21:31+00:00 31.05.2008 15:21
Die Geschicht ist wirklich schön. Und wie du das geschrieben hast... einfach toll. Es ist richtig melancholisch und hat mich wirklich berührt. T_T Ehrlich! Ich weiß gar nicht wie ich das in Worte fassen soll... diese Trauer...
Von:  Mingin
2008-01-20T18:01:15+00:00 20.01.2008 19:01
Wow...die story ist echt der hamma...^^....du kannst verdammt geil schreiben...respekt..^^...schade das sie schon zu ende ist..:(...und das es so offen ist...ich find die soooooooo~ spannend...und einfach wunderschön^^...schade das du sie net weiter schreibst...:(...
Von:  Mingin
2008-01-02T23:54:58+00:00 03.01.2008 00:54
Wow deine story ist der hamma..^^...will wissen wie es weiter geht...bitte schreib schnell weiter...^^...*schon gespannt ist und nicht abwarten kann*...^^....


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