When you're gone
Langsam laufe ich durch die Straßen, blicke mich dabei immer wieder schweigend um. Ich betrachte die vielen Menschen, die rücksichtslos an mir vorbeiziehen und mich immer wieder anrempeln. Einige so schlimm, dass ich leicht mitgerissen werde.
Waren diese Menschen schon immer so? Haben sie schon immer nur auf sich selbst geachtet und nicht auf ihre Umgebung?
Ein tiefes, dennoch kaum hörbares Seufzen entweicht meinen Lippen und ich ziehe weiter durch die verschneiten Straßen Tokyo's.
Das Bild, welches sich vor mir erstreckt, erinnert mich an früher. An die Zeit, die ich noch gemeinsam mit dir verbracht habe. An die Momente, in denen wir gemeinsam Tag für Tag durch die verschneiten Straßen gezogen sind, die Hand des anderen fest umschlungen, sich immer wieder sanfte Blicke zuwerfend, sanfte Küsse austauschend.
Wie lange ist das jetzt schon her? Wie lange laufe ich nun schon Tag für Tag allein und einsam durch die Straßen? Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wann ich das letzte Mal dein strahlendes Gesicht gesehen habe, wann du mich das letzte Mal angelächelt und geküsst hast.
Traurig lächelnd lasse ich meinen Blick über die eingeschneiten Laternen schweifen, an denen noch immer leuchtende Weihnachtsterne hängen, obwohl dieses Fest schon seit einigen Tagen vorüber ist.
Nicht einmal da waren wir noch zusammen. Und auch an deinem Geburtstag, den wir gemeinsam, nur für uns feiern wollten, warst du schon nicht mehr bei mir.
Nur langsam wage ich es daran zurück zu denken, was passiert ist. An den Tag zurück zu denken, an dem ich dich und damit den Sinn meines Lebens verloren habe.
Es war ein verschneiter Tag Anfang Dezember gewesen. Einige Wochen davor bist du krank geworden, als du aus Übermut in einen See gefallen bist, weil du mal wieder meintest, dass du der größte Held auf der Welt wärst.
Ein kleines, glückliches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich daran zurückdenke. Wie du rumgehampelt hast und letztendlich in den See gefallen bist.
Ich hatte Mühe dich wieder herauszuziehen, doch nachdem du wieder Boden unter den Füßen hattest, sind wir sofort nach Hause gegangen und haben ein warmes Bad genommen, anschließend Tee getrunken und uns gegenseitig gewärmt.
Trotz allem bist du krank geworden. Schon ein paar Tage danach hast du angefangen zu husten und zu niesen und alles, was wir versucht haben, ist gescheitert. Nichts hat geholfen. Keine Wärmflasche, kein Erkältungsbad, keine Medikamente.
Ende November war es dann soweit, dass ich dich Tag für Tag im Krankenhaus besucht habe. Du hattest eine schwere Lungenentzündung und durftest nur noch im Bett liegen.
Der Gang ins Krankenhaus war mir täglich schwerer gefallen, denn dein Zustand verschlechterte sich immer weiter. Und dann, an einem der ersten Dezembertage, ist es schließlich passiert.
Ich saß neben deinem Bett, habe dir immer wieder durch dein rotes Haar gestrichen, welches schon von einem schwarzen Ansatz geziert wurde. Dir ging es so schlecht, dass du schon an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen wurdest.
Dennoch lächeltest du mich sanft an, deutetest mir mit einem schwachen Nicken an, ich solle mich zu dir beugen. Und sogleich tat ich das auch, hauchte dir dabei einen Kuss auf die Stirn.
"Tooru... Ich liebe... dich", war das Letzte, was du mir zuflüstertest, dann wurde das leise, regelmäßige Piepsen der Maschinen zu einem penetranten und anhaltenden Piepton, der noch heute hartnäckig in meinem Ohr widerhallt.
Tränen liefen über meine Wangen und immer wieder schrie ich, du sollest aufwachen. Doch nichts passierte. Erst die Ärzte haben es mit Beruhigungsspritzen geschafft mich ruhig zu bekommen.
Wenn ich daran zurückdenke, steigen mir Tränen in die Augen und ich hindere sie nicht daran über meine Wangen zu laufen. Es mag komisch aussehen, wenn ein erwachsener Mann weinend durch die Straßen läuft, aber ich achte schon lange nicht mehr auf das, was um mich herum geschieht.
Wie mechanisch laufe ich weiter, hocke mich irgendwann in einen Hauseingang und blicke in den bewölkten Himmel. Immer wieder kann ich die Sonne sehen, die versucht die vielen Wolken zu verdrängen, die versucht ihre Wärme zu verbreiten, obwohl es Winter ist.
Bist du das? Willst du mir damit zeigen, dass es dir gut geht?
Noch immer laufen Tränen über meine Wangen und ich senke den Blick wieder, starre schon fast auf meine Hände, deren Finger nun leicht verhakt sind.
"Ich liebe dich auch, Daisuke...", hauche ich dann ohne irgendeinen Zusammenhang, schluchze leise auf.
Ich weiß, dass es dir jetzt wahrscheinlich besser geht, dort, wo auch immer du bist. Und ich weiß, dass du mich noch immer liebst. Du hast es mir gesagt, kurz bevor du mich verlassen hast. Und sicher wartest du auf mich, damit wir irgendwann wieder zusammen sein, uns berühren können.
Ich danke dir für all die schönen Jahre, die wir gemeinsam verbracht haben. Für all das Lachen und das Weinen. Für all die Höhen und Tiefen, die wir gemeinsam gemeistert haben.
Bitte warte weiter auf mich. Ich werde ebenfalls warten.
Solange, bis wir uns wiedersehen.