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Eine Novelle für Shadowtears
von

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Der Mann ohne Nachnamen

Sakura ließ sich auf ihr Bett sinken. Es war der verrückteste Tag überhaupt für sie gewesen. Als sie die Augen schloss, ließ sie den Tag Revue passieren. Erst schnauzte der dunkelhaarige Mann mit blassen schmalen Wangen vor ihrem inneren Auge umher, dann saß sie auf der Bank, starrte die Kirche an, lernte Naruto auf ungewöhnliche Weise kennen, unterhielt sich sogar mit ihm, obwohl sie in der Regel nicht so gut mit anderen Menschen umgehen konnte. Doch der extrovertierte Naruto hatte sie einfach in einem wahren Sturm von ländlicher Hilfsbereitschaft ihr erst seinen halben Familienstammbaum und dann die Geschichte des kleinen Dorfes erklärt, sie obendrein auch noch mit der halben Bevölkerung bekannt gemacht. Ihr schwirrte jetzt noch der Kopf von all den Namen: Yamanaka Ino, eine gepflegte modische Frau mit einer weißblonden Haarpracht und einem äußerst ausgefallenem Mundwerk, Nara Shikamaru, ein eher stiller Knabe, der wohl nicht genug Schlaf bekam, da er andauernd gähnte, Inuzuka Kiba mit seinem braunen Wuschelkopf und einem kleinen Hund, der den Saum von Sakuras dunklen Wollmantel gejagt hatte und noch viele andere.

Sie lächelte still vor sich hin, als sie daran zurückdachte, wie er sie für morgen Abend eingeladen hatte. Er wollte sie zu all diesen Freunden mit einladen…

Abrupt richtete sie sich auf.

Was war das?, fuhr es ihr blitzend durch den Kopf.

In ihrem Zimmer war es dunkel, nun auch still. Eben noch waren aber Schritte auf knarrendem Holz zu hören gewesen; da war sich Sakura sicher. Geschickt wie leise kam sie auf die Füße, wickelte sich wieder in ihren recht dünnen Mantel, trat Barfuss hinaus in den Flur. Eine große Gestalt bog gerade um die Ecke und Sakuras Unterbewusstsein fragte sich gerade, weshalb sie sich überhaupt darum kümmerte, dass jemand nachts durch das Hotel wanderte. Doch bevor diese Frage wirklich an sie dringen konnte, schritten bereits blasse kleine Füße über den Holzboden. Ihre kleinen blassen Füße. Ihr feines Gehör folgte dem Knarren großer schwerer Schritte. Offenbar hatte sie entweder das berühmt berüchtigte Journalisten-Fieber gepackt oder sie war schlicht und einfach verrückt geworden. Der Ort hier hatte etwas an sich, drängte sich zwischen ihre Herzklappen und nistete sich als Gefühl in ihrer Brust ein. Vielleicht war es gar kein Gefühl, sondern halsbrecherische Verrücktheit. Sie kam nicht dazu weiter darüber nachzugrübeln, denn sie sah den großen Mann mit dem dunklen Schopf und dem breiten Kreuz sein Ziel erreichen. Die Hintertür, die zu einem kleinen Balkon führte, stand auf und Sakura schob den Spalt auseinander, kauerte sich nieder, als sie bemerkte wer es denn war, dem sie gefolgt war. Kein Wunder, dass ihr die Gestalt bekannt vorgekommen war… Sie starrte auf das breite Kreuz, das in einen dunklen langen Wollmantel eingepackt war, und das vielleicht etwas zu lange, dunkle Haar, welches den kräftigen, aber merkwürdigerweise ungewöhnlich schmalen, Nacken zierte, denn es waren die einzigen Merkmale der Person gewesen, die sie in der Dunkelheit an ihm hatte erkennen können. Aber nun wandte er für einen Augenblick das Gesicht, sodass der dünne Mondfaden es erhellen konnte. Es war ein blasses Gesicht mit Drei-Tage-Bart und dunklen Schatten unter den Augen; der Mann vom Vormittag. Aber an diesem Abend kam er Grace nicht ganz so widerlich vor. Er ging mit gebeugtem Rücken, als trage er eine Last, wie schon heute Vormittag, und wiegte die Schultern bei jedem Schritt, bis er sich hinhockte, den Kragen hochstellte. Der Haushälter des Hotels hielt diesmal etwas in der Hand, es war keine Schneeschippe, viel kleiner.

Schüsseln!

Fasziniert konnte Sakura beobachten, wie sich bewegliche Schatten aus dem Dunkel der Nacht schälten. Die Katzen bewegten sich auf samtenen Pfoten, leckten dem Mann die Finger und machten sich selbstverständlich auch über die mit Milch gefüllten Schüsseln her. Ob des friedvollen Bildes konnte sie sich nicht einer keimenden Sympathie für den Mann erwehren. Er war noch recht jung, ging ihr auf, und plötzlich übte sie Nachsicht mit ihm. Er war nur wenige Jahre älter als sie selbst. Außerdem strahlten seine, im Grunde genommen, recht asketischen Züge friedvolle Stille aus und wirkten sogar zufrieden mit sich und der Welt. Wenn auch eine recht melancholische Zufriedenheit, stellte sie verwundert fest. Er sah gar nicht einmal so schlecht aus, wie sie anfänglich ob seines sauertöpfischen Ausdrucks angenommen hatte… Diese neuerliche Erkenntnis machte Sakura unvorsichtig. Die Tür quietschte, er stand erschrocken auf, seine dunklen Augen waren groß, als er alarmiert hinter sich sah und eine junge Frau kauernd am Rahmen lehnend sah, starr und unbeweglich. Seine Lippen teilten sich, als wolle er etwas sagen, doch dann schloss er diese, runzelte nur die Stirn und bewog sich doch zu einem Lächeln.

„Ist dir nicht kalt…?“, fragte er unförmlich in einer Stimme, die zwar noch genauso tief wie am Morgen war, doch in Sakuras Ohren sanfter ausklang und sie sah ihn einfach nur weiterhin an, eine große Silhouette vor dem schwarzen Firmament. Der Mond war nicht voll, spendete nur wenig Licht, musste sich mit zahllosen Wolken umher schlagen. Schritte näherten sich, die Silhouette wurde größer, und dann ragte er vor ihr auf. Erstaunt sah Sakura hoch, blickte wieder in ein dunkles Augenpaar. Es war als zeigten diese ihr eine fremde ferne und unmöglich zu erreichende Welt, in der ewig stille Nacht herrschte, sich kaum etwas regte, vielleicht einmal ein Schatten der hindurch huschte, als wären Gefühle, die sich für gewöhnlich in Augen spiegelten, bei ihm nur noch Schatten ihrer selbst, beinah emotionslos. Dann blinzelte sie, hob automatisch die Hände, um den dunklen Stoff entgegen zu nehmen, der ihr mittels einer großen, ungeschickt wirkenden Hand herabgereicht wurde. Erst dann realisierte sie, dass er ihr seinen Mantel gab.

„Eh, nein, ich brauch ihn nicht… Danke…“ Das letzte Wort war geflüstert, voller Erfurcht. So in den Bann der Verwandlung gezogen, die zwischen heute Vormittag und gerade jetzt mit ihm vonstatten gegangen sein musste, war sie. Schwer ließ er sich neben sie fallen, verzog einen Mundwinkel zu einem gezwungenen Lächeln, hinter dem jedoch eine gute Absicht verborgen steckte. Unsicher erwiderte Sakura das Lächeln etwas intensiver. Ihr kam der Gedanke, dass er wirkte, als habe er das Lächeln etwas verlernt, als müsse sein Mund sich erst wieder daran gewöhnen. Sakura warf ihm einen ermutigenden Blick unter dichten Wimpern hervor.

„Nehmen Sie ihn als Wiedergutmachung für unser missglücktes Zusammentreffen heute Morgen … Wie wär’s? Sollen wir noch einmal von vorn anfangen?“

Sakura ließ ihrer neu entdeckten Sympathie freien Lauf und bemühte sich um ihr strahlendstes Lächeln.

„Gern. Ich bin Haruno Sakura.“ Sie reichte ihm die Hand.

„Sasuke … Unglücklicher Haushälter einer renovierten Burg.“ Er lächelte spitzbübisch, was seinen Bart gleich weitaus weniger unwirsch wirken ließ. Sakura hob eine wohl gezupfte rotblonde Braue.

„Und ein Mann ohne Nachnamen?“

Er hob unbehaglich die Schultern.

„Nun, ich bin es gewohnt, dass jeder meinen Nachnamen kennt.“ Er zwinkerte ihr zu, nahm die Tatsache, die ihn offensichtlich bedrückte, auf eine leichte Schulter.

„Du musst wissen, ich bin nämlich geisteskrank, total verrückt… Der perfekte Dorftrottel eben… “, vertraute er ihr in einem übertrieben verschwörerischen Ton an. Er lachte wenig gekränkt auf, als amüsiere ihn das Getratsche der Dorfbewohner. Plötzlich wirkte sein Blick lebhafter. Die dunkle Unförmigkeit der Landschaft hinter seinem Blick war zum Leben erwacht und die Augen funkelten vergnügt, wenn er ihr ins Gesicht sah.

„Weshalb denn das?“

„Hm… Tja, ich brauche lange, ehe ich richtig wach bin… “ Er grinste und die erstaunlich makellosen Zähne, die in dem kurzen Bartflaum aufblitzen, ließen ihn noch etwas jünger wirken, weniger melancholisch. Sakura zog ein verwundertes Gesicht.

„Wie?“

„Ich vertraue darauf, dass du dich an unser Treffen heute Morgen erinnern kannst? Ich brauche recht lang, um meine Schlaftrunkenheit abzuschütteln und so kommt es, dass ich den halben Tag lang mürrisch bin und den Rest des Tages sprechen die Leute nicht mit mir, weil sie dazu gelernt haben. Außerdem finden sie, dass mein Lebenswandel nicht nachahmenswert ist… Hier, als Hauswärter in einem, wenngleich teuren, Hotel… “ Eine Katze stahl sich auf seinen Schoß und abwesend begann seine große Pranke durch ihr dichtes Fell zu streichen.

„Aber es gefällt mir hier, weißt du… “

„Ja, kann ich mir vorstellen.“

Der Mond lugte hinter den Wolken hervor…

„Er ist übrigens Uchiha, Uchiha Sasuke … “



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