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Das Ende vom Anfang des Jahres

Hindernisse bis zwölf Uhr
von

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Das Ende vom Anfang des Jahres

Das Ende vom Anfang des Jahres
 

„Sag mal“, fing Takao an als er sich langsam über Kais Schulter beugte,

„findest du das nicht etwas übertrieben?“

„Inwiefern?“

„Nun, versteh mich bitte nicht falsch aber das da wird ihm sicherlich nich-“.

Takaos Stimme verstummte als er den typisch Hiwatari’schn Wenn-du-nicht-sofort-die-Klappe-hälst-wirst-du-es-bereuen-und-das-mein-ich-sehr-sehr-sehr-ernst-Blick auf sich gerichtet sah. Ohne weitere Wiederworte wendete er sich wieder der Fensterdekoration zu und bekam von Kyouju ein Mitleidslächeln.
 

Es war der 31. Dezember, so ungefähr gegen ein Uhr mittags, im Hause von Hiwatari Kai.
 

„Jungs, es wird Zeit für ein Päuschen!“, Hiromi, kam mit einer Armee von Keksen, belegten Brötchen und Kakaotassen ins Wohnzimmer. Im Gegensatz zu ihren Freunden wurde sie von der allgemeinen Silvesterarbeit ausgeschlossen, da Kai ganz genau wusste, dass er – sobald sie freie Bahn auf seine Einrichtung hatte – seine Sachen nie wieder finden würde. Sie war eben chaotisch, sogar noch chaotischer als Takao. Aber da Takao seine schwangere Verlobte nicht zu Hause lassen konnte, ist sie trotzdem zusammen mit ihm und Kyouju am frühen Morgen gekommen. Max war noch in Amerika, da er dieses Jahr mit seiner Mutter feiern wollte und hat Kai mind. Fünfundsechzig Mal versichert, dass es ihm leid tue und er nächstes Jahr für ihn und Rei eine ganz große Überraschung haben würde. Eigentlich hielt er vieles aus aber der junge Russe fürchtete sich jetzt schon davor.
 

Es machte ihm schon genug zu schaffen, dass Hiromi – unsensibel wie sie war – einen weiteren unverhofften Gast mitgebracht hatte.
 

„Oooh, du kommst genau richtig, du Engel du!“, flirtete erwähnte Person mit der Brünette und beide kicherten, da sie typische und um diese Tage herum, verhaltensgestörte Mädchen waren:
 

Mingming hatte sich für ein paar Tage bei Kinomiyas einquartiert und war dabei in Kais Terretorium einzudringen
 

„Kai, schau nicht so als ob du gerade die lila Milkakuh gesehen hättest, setz dich und ess endlich – sonst wirst du mir noch magersüchtig so dünn wie du bist!“
 

Oh ja – Hiwatari Kai liebte Mingming von ganzem Herzen. Insbesondere ihre sehr direkte Art voller Taktgefühl. Zu seiner Pein mochte sein Lebensgefährte diesen kleinen Giftzahn im Schafspelz tatsächlich gerne und das war auch der Grund wieso sie auch sein Heim betreten durfte. Andernfalls hätte Kai kein Problem gehabt sie rauszuschmeißen. Das sie aber hier sein durfte hieß noch lange nicht, dass sie sich an den Silvesterarbeiten beteiligen und auch die Küche noch sonstige Geräte benutzen durfte. Das führte dazu, dass sie auf dem Sofa saß und vor Langeweile laberte und laberte und laberte und so weiter und so fort.
 

Trotzdem, saßen die Fünf friedlich in einer Runde und tranken aus ihren Tassen.

„Wann kommt Rei denn heute an?“, fragte Kyouju.

„21:22, Gate 3“, antwortete Kai trocken., jedoch für Seinerseits nicht unfreundlich.

„Hm, hattest du nicht gemeint, unser Tisch wäre für halb Zehn reserviert?“, warf Hiromi ein und ließ sich von Takao den kugelrunden Bauch streicheln.

„Hn.“

„Na?“

„Seh kein Problem darin“, und biss in sein Brötchen um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen.

„Also, was Rei an dir findet werde ich wohl nie mitkriegen. Kein Wunder, dass er für einige Wochen nach China geflüchtet ist, mit dir kann man ja nicht mal ein richtiges Gespräch führen!“

Mingming schüttelte verzweifelt den Kopf und überkreuzte ihre Beine.

„Wo die Liebe hinfällt. Allerdings geben sie ein gutes Team ab“, ergänzte Hiromi ihre Vorrednerin, „Du hättest Kai sehen sollen, nach der ersten Woche! Total fertig war er! Außerdem bekam man ihn kaum zu Gesicht da er sich entweder zu Hause oder in seine Arbeit verkrochen hatte. Hätte nie gedacht, dass unser Kai auch mal an Liebeskummer leidet“, kicherte sie, allerdings nicht wegen Kai sondern da Takao ihren Bauch kitzelte.

„Ehrlich? Na ja, vielleicht ist er ja doch zu Gefühlen oder zumindest natürlichen Reaktionen fähig. Also wenn ich mir da Brooklyn ansehe, ist er im Gegensatz zu Kai noch irgendwie sozial.“

„Brooklyn und sozial? Übertreibst du da nicht etwas Ming-chan?“, mischte sich Takao ein.

„Ne, keineswegs, seit wir zusammen sind muss er sowieso lockerer werden. Außerdem tut ihm das Bogenschießen ganz gut. Garland hat nur manchmal Angst, dass er es übertreibt da er schon mal ab und zu einen Vogel abgeschossen hat!“, meinte Mingming und plötzlich musste sie grinsen „Heh, Brooklyn und den Vogel abschießen!“, witzelte sie.
 

Allgemeines Gelächter brach aus, nur am anderen Ende der Runde musste sich Kyouju zurückhalten, da neben ihm nicht mehr Kai, sondern ein Vulkan saß, der drohte jeden Moment auszubrechen.

„Ah, Kai schau doch nicht so grimmig! Wir haben dich doch lieb! Du hast nur zuviel Stock im Gesäß, das ist aber auch schon alles!“, dazu lächelte Mingming noch süß und Kai hatte in dem Moment große Lust in ihr Gesicht reinzuschlagen.
 

„Erstens ich habe weder einen Stock noch sonst was im Arsch, zweitens vergleiche mich niemals mit Brooklyn-die-Disneyprinzessin-der-mit-Vögeln-und-Insekten-spricht und drittens ist Rei in China, da er seit drei Jahren nicht mehr dort zu Besuch war und er jetzt endlich die Gelegenheit dazu hatte!“
 

Stille.
 

„Oh mein Gott, er hat länger als drei Sekunden geredet.“

„Klappe jetzt, sonst schmeiß ich dich wirklich raus und da kann Rei auch nichts daran ändern!“

„Ah, diese Aufregung immer.“

„Das ist nicht gut für das Baby nicht wahr Schatz?“

„Kai, hast du W-Lan? Ich müsste mal schnell ins Internet.“
 

Oh ja, Kai liebte seinen Freundeskreis von ganzem Herzen.

Meistens, jedenfalls.
 

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Es war inzwischen Spätnachmittag als es schon dämmerte und sein Besuch verabschiedete sich, um sich für den kommenden Abend fertig zu machen. Kai, nachdem er reinkam eine Erkundungstour durch sein Haus machte, war sehr Zufrieden. Allein hätte er die ganze Dekoration, die an sich nur ein verspätetes Weihnachten (Rei liebt Weihnachten), vermischt mit ein paar „Happy New Year“-Sachen darstellt, nie geschafft. Die Idee zu dem ganzen Unterfangen kam ihm gestern Nacht, nach der zweiten Flasche Glühwein, die er mit Takao ausgetrunken hatte. Man mag es kaum glauben, aber die beiden waren – nach anfänglichen Rivalitäten in der Kindheit – doch so etwas wie beste Freunde geworden. Zwar hatte Yuriy in manchen Belangen doch den besseren Draht zu Kai (da er auch schwul ist), aber für ein bisschen Saufen und Klagen war Takao doch der Richtige. Normalerweise ist Kai ja nicht der Typ, der solche Sachen für Silvester oder irgendeinen anderen Feiertag macht, das macht sonst Rei immer.
 

Thema war, wie die beiden ihren Partnern eine Freude machen konnten. Takao würde gerne Hiromi zum Essen ausladen, aber da er penetrant Pleite war und das kommende Kind die ganzen Ersparnisse auffraß konnte er das sich nicht leisten. Kai hatte dagegen mehr als genug auf seinem Konto und da er hier nicht die Überreste vom verzweifelten Japaner aufsammeln wollte hatte er ihm vorgeschlagen für sie alle einen Tisch bei einem guten Italiener zu bestellen und auch zu zahlen, er hätte sowieso vorgehabt noch vor Zwölf Uhr mit Rei essen zu gehen und da Rei wahrscheinlich seine Freunde wiedersehen wollte wäre das auch okay.

Im Gegenzug wollte Takao natürlich auch etwas für Kai tun, jedoch traf es nicht auf allgemeine Freude und Kai hatte versucht ihn davon abzubringen, doch es war schon zu Spät und er hatte schon Kyouju aus dem Bett geklingelt und ihn dazu verdonnert um acht Uhr morgens an Kais Tür zu stehen.
 

„Kinomiya, ich weiß du meinst es gut und ich weiß auch, dass du betrunken genug bist aber was zum Teufel hast du mit meinem Haus vor?“

„Nüühüüks! Erinnerscht dich noch dran als der lätztes Mal von ´ner Reeize haihmgeko’mn isch?“

„Was meinst du?“

„Nah, der hatte doch soooo schleschte Launäää! Hähähäh!“

„Ha. Ha.“

„Der wollt doch nisch ma mit dür Liebääääää makn, so behschissn gingz ihm nach däm Fluhg!“

„Kinomiya, lass die Flasche da stehen. SOFORT.“

„Naien!“, wehrte sich Takao und hielt die Flasche fest umklammert.

„Hi-Hi-Hiwatari-samaaaaaa!“

“Was?”

“Du hörsch sogar druff!”, hickste der nicht-trinkfeste Asiate.
 

Da Kai ihn wieder mit seinem Todesblick belehrte, wurde Takao gleich um ein paar Promillchen nüchterner.
 

„Waischu, Rei hat mür im Vertrauen erzählt,“

„Was hat er dir erzählt?“

„VERTRAUN. Du darfschs nicht weiddasachn!“

„Ja, schon klar. Also?“

„Du willsch es alzzo wiklisch wizzzn?“

„Wenn du es mir nicht gleich sagst, dann wird deine zukünftige Frau Wittwe.“

„Abba.“

„Sag. Endlich.“

„Najut, weil du mein Kai-chanü bist, du Putziii!“
 

Stille.
 

„Rei meinte zu mia unzwa nua zu mia, dat du disch nisch für sein Zeuch intereschiersch!“

„Was für ein Dings?“

„Kuck ma. Wenn er von sainah Ausbildung erzäääählt, dann dänkta du härsch ihm nedde zu!“

„Aha?“

„Un un wenn Weihnachtku is dann, dann, dann!“

„Dann?“

„Dann, dann machta alles so schöööön und er gibd sisch Mühäääää und du, du Sack, schänkst dehm keene Beachtung-ung!“
 

Stille Nummer Zwei.
 

„Das hat er zu dir gesagt? Bist du dir sicher?“

„Kla!“
 

Noch bevor Takao weggekippt ist, hatte er Kai erzählt, dass er vorhat seine Wohnung Rei-gerecht einzuschmücken, so wie er es nun mal mag, als ob Rei nie weggewesen wäre. Der Russe musste sich auch selbst eingestehen, dass er diesen kleinen Macken wenig Beachtung geschenkt hatte, er war von Natur aus sowieso kein besonders aufmerksamer Mensch und analysierte auch nicht großartig herum oder hat irgendwelche Hintergedanken. Er nahm sich demzufolge für das neue Jahr vor, ein bisschen mehr in Reis Welt reinzuschauen. Zwar waren sie nun schon einige Jahre zusammen, jedoch meckerte Rei nicht wirklich viel und das hieß für Kai eben keinen Ärger.
 

Und kein Ärger hieß für ihn, kein unzufriedener Rei. Zumindest bis dato.
 

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Während Kai auf dem Weg zum Chiba Narita – Tokyo International Airport war um Rei abzuholen, fuhren Mingming, Hiromi, Takao und Kyouju schon mal zum Restaurant vor. Sie stellten sich auch darauf ein, dass die beiden wohl eine Stunde später eintreffen würden als eigentlich abgemacht denn schon allein von Narita bis zur Tokyoter Bucht musste man mindestens eine halbe Stunde – wenn nicht sogar eine dreiviertel Stunde rechnen. Das ginge auch nur, wenn man der einzige im Stadtverkehr wäre und da das mit Sicherheit nicht der Fall war, da sich zu Silvester fast alle auf den Strassen bewegten und einige für das große Feuerwerk sogar geschlossen wurden, fragten sich die Freunde ob es sich für die beiden überhaupt lohnen würde zum Restaurant zu kommen. Aber die Hoffnung starb in dem Fall zuletzt.
 

„Meint ihr, ich war heute Mittag zu dreist zu Kai?“, fragte Mingming spontan als, sie sich kurz vor halb Zehn an ihren reservierten Tisch setzten und die Speisekarten bekamen.

„Hm? Inwiefern? Ich erinnere mich gar nicht daran, dass du zu frech warst oder so was“, antwortete Takao verwundert auf ihre Frage.

„Na ja, ihn als Magersüchtig zu bezeichnen war vielleicht keine gute Idee. Oder ihn mit Brooklyn zu vergleichen?“, meinte Kyouju als er seine Brille zurechtrückte.

„Ich hab mir aber als wir Kinder waren doch manchmal sorgen gemacht ob er zu wenig isst.“

„Nur weil du für Zwei gegessen hattest, muss das doch noch lange nicht die Norm sein?“

„Das sagst grad du die sich pro Tag drei Gläser voll sauerer Gurken reinhaut!“

„Ich muss für Zwei essen verdammt!“

„Das Kind ist fast ausgewachsen, also ...!“

„Jetzt hört doch mal auf ihr Beiden und benehmt euch ein bisschen!“, mischte sich Mingming ein und das Paar war mit einem Schlag still und schämte sich etwas, da ein paar Gäste zu ihnen rüberblickten.

„Ich glaube ich werde mich mal vorsichtshalber entschuldigen, bevor Rei sich mit uns an den Tisch setzt,“ ergänzte sie sich selbst und bestellte beim Kellner ein Glas Rotwein.

„Ich möchte ein kleines Mineralwasser, bitte!“

„Ich hätte gern Bier. Haben sie Bier da?“

Der Kellner nickte und schrieb es auf.

„Ich hätte gern stilles Wasser,“ sagte Hiromi „Hätten sie auch eventuell etwas gegen Magenschmerzen?“

Takao sah besorgt zu ihr hinüber.

„Geht es dir etwa nicht gut Schatz?“

„Geht so. Aber ich werde wohl heute doch nichts Essen. Irgendwie drückt es und das Baby bewegt sich schon die ganze Zeit seit wir heute bei Kai waren.“

„Vielleicht solltest du dich Checken lassen, du bist ja schon im neunten Monat und bald müsste es soweit sein?“

„Ne, unser Hausarzt meinte, dass es erst nächstes Jahr passieren könnte und er auf jeden fall noch 2 Wochen drin bleiben könnte.“

„Babies halten sich nie an Termine, mein Lieber,“ lächelte Mingming.

„Ich glaub ich möchte etwas frische Luft schnappen. Könntest du mich begleiten Mingming?“

„Klar,“ sie nahm Hiromis Hand und ging langsam mit ihr zur Drehtür.

Bis das Unerwartete passierte.
 

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Zur selben Zeit wartete Rei auf einen der vielen Sitzplätze an Gate 3 des Flughafens und fragte sich wo Kai denn nun abgeblieben war. Sich zu Verspäten war eigentlich nie eine von Kais Qualitäten, eher das Gegenteil. Und da Kai öfter aus beruflichen Gründen am Narita Flughafen war, konnte er sich auch nicht verirren.

Es war nämlich schon viertel vor Zehn und Rei machte sich langsam aber sicher Sorgen.

Jetzt wäre sein Handy praktisch gewesen, aber da er es in China nicht brauchen konnte (und es dort in den tiefen Wäldern sowieso kein Netz gab) ließ er es bei der Abreise zu Hause.
 

Rei hatte also keine andere Möglichkeit als zu warten. Und während er mit einer leichten Wut im Bauch anfing ein Buch fertig zu lesen, das er im Flugzeug angefangen hatte, steckte Kai nicht nur in Schwierigkeiten sondern eben in dieser Verkehrssackgasse vor der Bundesstrasse Richtung Narita Flughafen.

„Verdammt, verdammt, verdammt, verdammt!“, fluchte er vor sich hin. Seit ungefähr zehn Minuten ging es weder vorwärts noch rückwärts und mit jeder Sekunde stieg Kais Anspannung immer mehr an. Nicht nur wartete Rei auf ihn seit einer Ewigkeit sondern auch seine Freunde im Restaurant. Realistisch gesehen würden Rei und Kai wohl auch nicht vor Elf in jenem aufkreuzen.
 

Es hilft alles nichts!
 

Mit diesem Gedanken riskierte Kai es auf die andere Spur zu wechseln und fuhr wieder ein Stück zurück um einen Parkplatz zu suchen und mit der Bahn weiterzufahren. In der Bahn selbst war es natürlich stickig, überfüllt und unangenehm. Einer der Gründe wieso der Hiwatari-Sprößling niemals mit den U-Bahnen fuhr. Zudem stand er genau an der Tür und wurde bei jeder Station gezwungen raus- und reinzugehen. Er blickte auf den Spiegel genau über ihm und sah seine zusammenfallende Frisur und die Schweißflecken, die sich langsam auf deinem Sakko abzeichneten. So wie er jetzt aussah würde sich Kai am liebsten wegwerfen, sich ins letzte Rattenloch verkriechen, alles aber ja nicht seinem Rei unter die Augen kommen.
 

Nächster Halt: Chiba Narita – Tokyo International Airport
 

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Als Kai endlich an Gate 3 war und auch von Rei bemerkt wurde war es zunächst einmal Still zwischen den beiden.

„Okay, wieso bist du eine dreiviertel Stunde später da als geplant Kai?“

„Wegen dem Verkehr.“

„In Ordnung, kann ja passieren. Du hast schon immer Probleme mit Zeitplanung gehabt. Aber wieso siehst du so aus, als hätte man dich aus einem Mülleimer gezogen?“

„U-Bahn.“

„Ich versteh nicht?“

„Ich hasse die U-Bahn“, Kai umarmte sich selbst und rieb seine Handflächen gegen die Oberarme.

Rei hatte schon fast einwenig Mitleid, da er genau wusste wie Kai auf Menschenmassen reagieren konnte.

„Schon gut, reg dich ab. Ich hab in meinem Koffer, Deo und Brüste damit du nicht so kaputt rumlaufen musst“, grinste Rei und gab seinem seelisch fertigen Mann einen Kuss.

„Hast du vielleicht auch ein unbenutztes weißes Hemd?“

„Weshalb?“

„Ich wollte dich eigentlich in ein italienisches Restaurant ausführen, die Anderen warten dort auch schon auf uns und ich möchte da nicht unbedingt als der letzte Penner auftauchen.“

„Na na, der letzte Penner bist du nun auch wieder nicht. Mal sehn ich glaube ich habe was da. Wer ist denn alles dabei heute?“

„Kinomiya, Kyouju, Hiromi und, na ja, Mingming“, ächzte Kai.

„Was? Ming-chan? Wie schön, hab sie schon länger nicht mehr zu Gesicht bekommen!”, freute sich Rei und Kai konnte das beim besten Willen nicht nachvollziehen.

„Wäre schön wenn das so geblieben wäre.“

„Häh? Wie jetzt? Habt ihr euch wieder mal an gezofft oder wie?“

„Sie hat angefangen. Sie. Sie hat mich mit Brooklyn vergleichen und mich als Gefühlsbaracke hingestellt!“

„Das meint sie doch nicht so.“

„Ich bin doch auch nicht magersüchtig oder so was, ich habe halt eine gute Verdauung na und? Und wenn ich wenig rede ist das doch auch kein Verbrechen, ich bin halt kein Wasserfall wie sie. Kein Benehmen die Frau!“

„Ja, ja schon gut, reg dich doch nicht so auf“, Rei verdrehte die Augen. Wenn Kai sich über etwas beschwerte hatte er auf einmal richtig viel zu sagen.

„Komm, wir suchen uns jetzt erst einmal eine Toilette wo du dich umziehen kannst und richten uns ein bisschen her damit wir uns nicht wie Aliens in diesem Restaurant vorkommen müssen.“

„Wieso? Du siehst doch gut aus?“

„Lieber Herr Hiwatari, auch ich darf etwas eitel sein und ich finde es nicht besonders elegant wenn man mir ansieht, dass ich fünf Stunden non-stop geflogen bin und mit einem ausgeleiertem Shirt und alten Jeans rumlaufe!“

Angesprochener zog die Augenbrauen überrascht hoch.

„Na, los!“, mit diesen Worten zog Rei Kai hinter sich her und verschwanden in der regen Menschenmasse.
 

Ein paar Augenblicke später befanden sie sich auf der Herrentoilette und während Rei, Kais Gebüsch - früher Haare - in Ordnung brachte, fummelte der gestresste Kai an Reis Hemd herum. Für Aussehnstehende sah das Ganze etwas ulkig aus, da Rei quasi auf Zehenspitzen stand um die Mähne ordentlich kämmen zu können und Kai an den kleinen Knöpfen zu verzweifeln drohte.

„Hast du ihnen eigentlich schon Bescheid gegeben?“, fragte Rei während er einen Knoten zu öffnen versuchte.

„Wie?“

„Na, Takao und so, wir kommen doch viel zu spät oder? Und sie sollten schon Bescheid wissen, dass wir es nicht pünktlich schaffen. Oder hast du das ganz vergessen?“, da der Knoten sich nicht so leicht öffnen ließ zog er noch stärker daran und versuche einzelne Haarsträhnen zu lösen.

„Ach, die werden auch ohne uns genug Spaß haben und Kinomiyas werden auch ohne uns viel Essen und – Au! Was soll das?“

„Ruf. An. Jetzt“, beharrte Rei und hielt die Brüste mit den vielen grauen Haaren demonstrativ in die Höhe, so als ob er noch fester ziehen würde wenn er nicht auf ihn hören würde.

Trotz dem typischen Gemurre den Rei schon von seinem Schatz gewöhnt war, wählte Kai Takaos Handynummer und hielt den Hörer an sein Ohr. Der Chinese lächelte zufrieden.
 

Tut tut tut.
 

„Hm.“

„Was?“
 

Tut tut tut.
 

Nach einer halben Minute legte Kai auf. Rei sah ihn etwas ratlos an.

„Da geht niemand ran“, merkte Kai an und legte sein Handy zur Seite um den letzten Knopf zu schließen.

„Wie? Seltsam, bist du dir auch sicher, dass sie schon im Restaurant sind und nicht irgendwo auf uns warten?“

„Ja, schließlich hatte ich die Vier auch vor dem Aufbruch angerufen und sie meinten sie wären schon fast dort.“

„Vielleicht hat Takao es ja auf lautlos. Versuchs doch mal bei Hiromi oder Kyouju?“

Gesagt getan. Kai ließ es sogar noch einmal bei Takao klingeln, aber egal wie lang er es klingeln ließ, niemand ging an das Handy.

„Hast du vielleicht die Nummer des Restaurants?“

„Moment“, Kai fing an in seinen Hosentaschen zu suchen, da er sich sicher war den Zettel mit der Nummer dort hinein gesteckt zu haben. Doch da war nichts, nicht mal als er diese umkrempelte. Daraus schlussfolgerten sie, dass Kai sie irgendwo auf den Weg zum Flughafen verloren haben musste. Beide seufzten und Rei beeilte sich lieber mit dem Umziehen.
 

„Bist du fertig Rei?“, Kai klopfte ungeduldig an die Klotür, da ging diese schon auf.

„Ja, wie viel Uhr ist es denn jetzt?“

„Na ja, es ist kurz nach Elf. Das Restaurant macht heute um Drei zu, lohnen würde es sich noch wenn wir dort hingehen um zu feiern aber die Küche hat glaube ich jetzt schon geschlossen.“

„Gehen wir lieber hin, schon allein weil sich unsere Freunde sonst sorgen machen, okay?“

„Du machst dir ja mehr Sorgen um die, als um mich. Nicht mal umarmt hast du mich bisher oder so“, murmelte Kai als die beiden sich Richtung Ausgang bewegten.

„Bitte?“, fragte Rei.

„Nichts.“
 

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Nachdem die beiden mit Ach und Krach ihre U-Bahn bekommen hatten, die inzwischen nicht mehr so voll wie vorhin war und wesentlich erträglicher, waren sie an der Station angekommen wo Kai sein Auto geparkt hatte. Doch leider sollte sich ein neues Hindernis auf dem Weg zu ihren Freunden auftun.
 

„Wie, das Auto springt nicht an?“
 

Aus irgend einem Grund wollte, das Auto nicht mehr weiterfahren und während Rei ein Taxi rief, ging Kai in eine kleine Gasse und fluchte auf Russisch, kickte gegen einen alten Mülleimer und verschreckte die Leute, die an ihm vorbei gingen. Als er fertig war, nach ungefähr zehn Minuten kam auch schon das Taxi.
 

„Zur Bucht, Restaurant Mangiare bitte!“

„Jawohl mein Herr!“
 

Beide plumpsten erleichtert auf ihre Plätze. Die Fahrt war im Gegensatz zum restlichen Abend eher ruhig und von den Fenstern aus konnte Rei die Menschen sehen, die mit Aufregung dem neuen Jahr entgegensahen. Das Radio spielte unter anderen popige Musik zu der man tanzen konnte und viele Evergreens die um diese Jahreszeit gespielt werden. Der DJ wünschte allen schon mal vorzeitig ein schönes neues Jahr und empfahl allen Zuhörern sich in der Nähe des Tôkyo-Towers aufzuhalten, um das große Feuerwerkspektakel ja nicht zu verpassen. Diese „Neujahrsstimmung“ packte Rei auch und er sah ziemlich fröhlich zu seinen Nebensitzer hinüber, der alles andere als erfreut aussah.

Kai redete zwar nie über seine Gefühle wenn jemand Drittes in der Nähe war aber da Rei schon irgendwie besorgt war fing er leise an zu reden.
 

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, eine Hand suchte die andere und streichelte dessen Rücken.

Keine Antwort.

„Tu doch nicht so, ich weiß, dass was nicht stimmt. Also?“

„Ja, weiß nicht irgendwie läuft das alles nicht so wie es sollte“, fing Kai an und sah dann endlich zu dem Anderen rüber: „Es ist schon nach halb Zwölf und wir sind noch nicht da. Ich wollte dir eigentlich ein schönes Silvester schenken, dieses Jahr. Ich hatte extra diesen Tisch im Restaurant reserviert und auch unser Zuhause ein bisschen festlich eingerichtet.“

Die Antwort hatte Rei jetzt so nicht erwartet. Er war ziemlich Überrascht, da Kai sich doch sonst nie um solche Festlichkeiten scherte. Nein, viel mehr war er derjenige der sich vor solchen Sachen doch drückte und nichts damit zu tun haben wollte da er das alles kitschig, übertrieben und sinnlos fand.

„Kai, bist du wirklich mein Kai?“

„Willst du mich verarschen?“

„Ok, du bist es“, seufzte Rei. „Hör mal, ich finde es süss, dass du dir solche Gedanken machst, was mir gefallen könnte und womit du mir eine Freude machst.“

„Aber?“

„Hm, wie drück ich das am Besten aus“, während Rei überlegte beugte er sich in Kais Richtung und beide sahen sich in die Augen. Kais Herz pochte auf einmal merklich gegen seine Brust und er hatte schon das Taxi, den Fahrer und Tôkyos Strassen durch die sie fuhren vergessen.

„Wir kennen uns schon ewig. Wir haben schon oft Silvester gefeiert. Und weißt du was Silvester immer für mich ausgemacht hatte?“

„Was?“

„Dass du dabei warst. Ich freue mich zwar meine Freunde wieder zu sehen und es war sehr schön wieder in meinem Dorf zu sein. Aber in so einer Nacht zählt es für mich nur dich in meiner Nähe zu haben, okay?“, Reis Hand drückte leicht die von Kai „Also schau nicht so doof aus der Wäsche, das macht dich nicht sexy.“

„Wie nett,“ antwortete Kai und Rei war glücklich darüber, dass der Rest der Welt nicht mitbekommen hatte, wie Kai zwischen grellem Neonlicht und der eigentlichen Dunkelheit ein Grinsen aufsetzte, so wie er es selten vor jemandem tut. Bis an ihren Zielort waren ihre Hände verbunden und die Wärme, die durch beide floss war ein angenehmes und vertrautes Gefühl. Etwas was, beide vermisst hatten während sie getrennte Wege gingen.
 

Sie waren beide zu Hause angekommen.
 

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Nachdem das Taxi sie abgesetzt hatte, waren beide nur noch ein paar Meter vom Restaurant entfernt als plötzlich Kais Handy klingelte.
 

„Hallo?“

„Kai! Boah endlich erreich ich dich man!“

„Was heißt hier endlich ich hab dich vorhin schon zwei Mal angerufen und du bist nicht ran gegangen. Wir sind gleich beim Restaurant, also-“

„Ich bin Papa!“

„Hä?“

„Wir sind alle im Krankenhaus! Hiromi hatte vorhin die Wehen und – bäh diese Fruchtblase! Wie auch immer, ich bin seit zehn Minuten Papa eines Sohnes!“

„Herzlichen Glückwunsch?“, meinte Kai verduzt während Takao ihm von dem kleinen Menschen vorschwärmte den er gerade noch in den Armen halten durfte.

„Was ist los Kai?“

„Die sind im Krankenhaus, Hiromi hat geworfen.“

„Also echt, das heißt geboren und nicht geworfen, sie ist doch kein Tier!“, empört sah Rei Kai an der nur mit den Achseln zuckte.

Zu Kais Leidwesen änderte sich die Stimme am anderen Ende des Apparates.

„Rei? Hab ich da gerade Rei gehört? Reiii hier bin ich!“, rief Mingming in den Hörer.

„Ist das Mingming?“

„Leider“, und übergab Rei das Telefon.

„Hallo Mingming! In welchem Krankenhaus seit ihr denn? Wir kommen sofort nach!“

„Das ist doch wohl nicht dein Ernst oder?“, fragte Kai entsetzt.

Mit einem neckischen Grinsen antwortete der Chinese: „Doch!“

„Na toll, jetzt werden wir den Anfang des Jahres damit verbringen Krankenhausfraß zu essen, anstatt-“

„Nörgel nicht und schau mal nach oben!“, ein Finger zeigte zum Himmel empor. Beide vergaßen für ein paar Sekunden, dass sich jemand am Hörer wunderte wieso niemand ihr Antworten würde.
 

Über den Tôkyo-Tower konnte man die Worte „A Happy New Year“ erkennen und das Liebespaar ging in einem bunten Lichtermeer unter.
 

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A/N: Jetzt fragt ihr euch sicherlich wo die blöde Moral abgeblieben ist? Wo die Action war? War es eine Geschwätz-FF? Keineswegs. Keineswegs. Keineswegs.

Wie schon vorher angedeutet, bin ich stilistisch mit dem letzten Teil der FF nicht ganz zufrieden, da verließ mich Fortuna ein bisschen, aber meine Story habe ich trotdzem rübergebracht. Ich wollte eine FF schreiben die einbisschen den Alltag wiederspiegelt, wie er sein könnte oder wie er bei uns allen sein könnte. Die Idee mit Makotos Geburt schlich sich in die Story als ich beim Schreiben war, da ich noch nicht genau im Kopf hatte wie Kai & Rei ihr Silvester verbringen sollten. Meistens geht es doch immer schief, was man eigentlich vorhatte oder? Ne Chibi? xD

Außerdem, zählt eh nur das man mit den Menschen zusammen ist die man gerne hat. Ich wollte auch ein bisschen hervorheben, dass Kai & Takao keine Erzfeinde aufs Blut sind oder sich nicht gegenseitig Respektieren. Takao ist cool und Kai schätzt ihn auch wenn er es nie zugeben würde. Übermäßig romantisch wollte ich es zwischen Kai & Rei nicht halten, da die beiden ja schon ein paar Jährchen in dieser Geschichte zusammen sind und man da nicht herumturtelt als wäre man gerade zusammen gekommen.

Ob nun die Bucht so nahe an dem Tower is kann ich nicht beantworten *lach* aber ich habe einbisschen Recherche versucht ...

Mingming hatte ich eingebaut damit ich ein bisschen Comedy unterschmuggeln konnte. Kai kann sich so herrlich aufregen <3
 

Ich hoffe ihr habt schöne Feiertage und lest mal wieder bei einer meiner FFs rein!



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  Vergangenheit
2007-12-14T16:59:57+00:00 14.12.2007 17:59
Eine schöne Geschichte, leicht chaotisch und stressig, aber genau das sind die Feiertage ja auch meist. Man plant und organisiert, es wird dekoriert und es werden Geschenke organisiert und am Ende klappt doch irgendwas nicht. ^^

Aber für Kai muss es wirklich eine Katastrophe gewesen sein, dass sein ganzer schöner Plan den Bach runterging, immerhin ist er ja ein ziemlicher Planungsfanatiker und alles muss seine Ordnung haben. ^^

Ich fand die Geschichte wirklich niedlich und Makotos Geburt mit einzubauen gefiel mir auch sehr gut.

ByeBye
BlackSilverLady


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