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One by one

He leaves the life he knew
von

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Im Nachhinein glaube ich, dass dieser Tag mich sehr verändert hat.

Ich kann nur schwer beschreiben auf welche Art und Weise, aber Fakt ist, dass ich selbst noch eine Woche nach diesem Ereignis ziemlich abwesend war, weil ich den Ausdruck in seinen Augen nicht vergessen konnte. Ich dachte tage- und nächtelang darüber nach, was diesen Jungen zu so einer verzweifelten Tat hatte bringen können.

Vielleicht war es meine geistige Abwesenheit, die Shinya dazu brachte einige Zeit nach diesem Vorfall plötzlich vor meiner Tür zu stehen.
 

„Was machst du denn hier?“, fragte ich ihn überrascht und ziemlich verschlafen. Shinya jedoch hielt mir nur einen Zettel entgegen.

„Ich wollte dir das hier geben“, informierte er mich knapp, drehte sich dann um und war ein paar Momente später auch schon wieder verschwunden, bevor ich überhaupt dazu gekommen war, irgendeine weitere Reaktion zu zeigen.

Ich schlurfte zurück in mein Zimmer und sah mir dort angekommen den Zettel näher an. Darauf stand eine Adresse, die ich kurz darauf als die eines Krankenhauses identifizieren konnte. Ich zog eine Augenbraue nach oben. Sollte das das Krankenhaus sein, in das der blonde Junge eingeliefert worden war?

Und wenn ja, woher hatte Shinya die Anschrift und wieso gab er sie mir?

Zumindest eine der Fragen konnte ich mir später, als ich schon auf dem Weg in das angegebene Krankenhaus war, selbst beantworten.

Shinya hatte vermutlich unter dem Vorwand, seinen Mitschüler besuchen zu wollen, die Adresse von einem seiner Lehrer oder dem Direktor seiner Schule bekommen.

Was mich wieder zu zu der Frage brachte, weshalb er sie mir gegeben hatte. Innerlich zuckte ich mit den Schultern. Vielleicht hatte er sich denken können, warum ich in letzter Zeit immer so abwesend gewesen war. Aber am Ende spielte es eigentlich auch keine Rolle, wenn ich nun hoffentlich die Chance bekommen würde den Jungen zu besuchen, der wohl glücklicherweise überlebt hatte.
 

Nun doch ziemlich nervös betrat ich das Krankenhaus und ging zur Rezeption, um nach der Nummer des Zimmers zu fragen, in dem ich ihn finden würde. Den Namen des Blonden hatte Shinya vorsorglich mit auf das Papier geschrieben.

Tooru Nishimura.

Gedanklich sprach ich diesen Namen vor mich hin. Er schien nicht wirklich zu ihm zu passen, wirkte in meinen Gedanken unerklärlicher Weise zu hart und sperrig. Dennoch lächelte ich freundlich, als die Krankenschwester mir den Weg zu seinem Zimmer erklärte und ich mich anschließend auf den Weg dorthin machte.

Ich hoffte wirklich das Zimmer schnell zu finden. Ich wollte ja nur nachsehen, wie es ihm ging, Viel zu erzählen hatten wir schließlich nicht.

Was sollte ich auch sagen?
 

'Hallo, ich bin Daisuke, einer der Jungen, die deinen Selbstmordversuch mit angesehen haben', wäre vermutlich nicht unbedingt der ideale Gesprächsstart, selbst für meine laut Shinya eher unsensiblen Verhältnisse.
 

Ich näherte mich also in Gedanken versunken seinem Zimmer, als sich die Tür öffnete und zwei Menschen aus Toorus Zimmer auf den Gang traten, die ich erst einmal als seine Eltern einordnete. Seine Mutter sah aus als hätte sie viel geweint, noch immer meinte ich sie leise schluchzen zu hören, was ich gut nachvollziehen konnte.

Anscheinend ganz im Gegensatz zu seinem Vater, der seiner Frau gerade mitteilte, dass sie sich doch nicht so zu haben brauche, der Junge sei schließlich selbst an seiner Situation Schuld.

Ich konnte nicht anders als verwundert den Kopf zu schütteln.

Wie konnte der Typ so etwas sagen, wenn es seiner Frau – und seinem Sohn – so schlecht ging?
 

Mit Gewalt schüttelte ich diesen Gedanken ab und atmete noch einmal tief durch. Ich war schon wieder so furchtbar nervös.

Dann rang ich mich dazu durch, leise die Tür zu öffnen, um in das Zimmer zu treten. Nachdem ich sie wieder geschlossen hatte, trat ich vorsichtig ans Bett und beugte mich darüber, um ihn ansehen zu können.

Toorus Augen waren geschlossen, er schien zu schlafen. Dann hatte er vielleicht wenigstens nichts vom Besuch seiner Eltern mitbekommen.

In seine Gesichtszüge versunken war ich anscheinend wieder in meine Gedankenwelt abgedriftet, denn erst als eine heisere Stimme mit den Worten „Macht das Spaß?“ an meine Ohren drang, begriff ich, dass ich nicht nur auf den Jungen hinabsah, sondern dessen dunkle Augen auf mich zurück starrten. Dementsprechend war meine Antwort nur ein äußerst intelligentes „Was?“, während ich hastig einen Schritt zurücktrat.

Sein Blick folgte mir misstrauisch.

„Ob es Spaß macht, mich anzustarren“, wiederholte er nun ziemlich unfreundlich.

„Es...es tut mir Leid Tooru, ich wollte dich nicht wecken!“, beeilte ich mich schnell, mich zu entschuldigen.

„Kyo.“

„Was?“, fragte ich ein weiteres Mal.

„Nenn mich Kyo. Ich hasse diesen anderen Namen.“

Ich nickte nur, denn das, was er sagte, spiegelte sich nur zu gut in diesen unglaublichen Augen wider. Es brachte mich erneut dazu mich zu fragen, warum er sich hatte umbringen wollen, wenn ich doch gleichzeitig neben dem Schmerz so viel Willensstärke, Mut und Stolz in seinem Blick sehen konnte. Ich konnte nicht umhin zu denken, dass dieser Junge, dieser Mensch, doch für mehr bestimmt sein musste, als dafür auf dem Bürgersteig zu verbluten.
 

Tied tight can't see out your eyes

that he's sure to shine, sure to shine

in this deep dark, fucked up, played out reality show
 

Vielleicht, nein bestimmt sogar, war ich wahnsinnig naiv. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Kyos Leben aussah. In meinem eigenen lief zwar nicht immer alles glatt, aber zumindest bei mir zu Hause herrschte eine ganz normale friedliche Atmosphäre, wenn man von den ganz normalen, geschwisterlichen Streitigkeiten absah. Aber selbst die hätte ich wohl vermisst, wenn es sie nicht gegeben hätte.
 

Ich verließ das Krankenhaus kaum zehn Minuten nachdem ich das Zimmer betreten hatte. Schließlich hatten wir eigentlich nichts miteinander zu tun – das zumindest hatte er mir unmissverständlich klargemacht. Und Unrecht hatte er nicht: Wir kannten uns nicht und waren uns vor diesem Tag nie begegnet.

Und eigentlich hatte ich ja auch nur sehen wollen, wie es ihm ging.

Den ganzen Tag allerdings gingen mir weiter Fragen durch den Kopf.

Shinya hatte erzählt, dass Kyo ein Außenseiter war, ich glaubte ihm aufs Wort, aber warum war das wohl so? Konnte denn keiner sehen, dass hinter der abweisenden Fassade dieses Jungen mehr steckte als bloßer Trotz?

Und wenn ja: wieso versuchte dann keiner ihm näher zu kommen, seine Fassade aufzubrechen und ihm ein wenig Zuneigung und Freundschaft zu schenken?
 

So who's the man with the plan

eating up all that he can?

don't you see, don't you see
 

Nach diesem Besuch hatte ich dann auch nicht mehr wirklich etwas mit Kyo zu tun. Ich versuchte nicht mehr weiter zu grübeln, da ich wohl nie Antworten auf meine Fragen erhalten würde, und verdrängte ihn allmählich aus meinen Gedanken.

Oder hörte zumindest auf mir Sorgen zu machen.
 

Shinya erzählte uns einige Wochen später, dass Kyo wieder in der Schule sei, jetzt aber noch mehr gemieden wurde als sonst. Es versetzte mir einen Stich ins Herz, aber was sollte ich tun?

Es tat mir Leid um ihn, aber mich würde er definitiv nicht mehr an sich heran lassen. Dessen war ich mir spätestens dann sicher, als Shinya erzählte, dass Kyo geradezu feindselig reagiert hatte, als er sich nach dessen Befinden erkundigen wollte.

Es schien als wäre sein Leben dazu bestimmt, dass er es ganz allein bewältigen müsste.

Und auch wenn es egoistisch klingen mag, in diesem Moment war ich sehr froh, dass ich zumindest einige Freunde hatte, auf die ich mich verlassen konnte.
 

One by one

we stand beneath the sun

with arms high open wide

two by two

he's getting you

to watch him as he leaves this life he knew



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