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100% Sorglospunks!

von

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Tief im Westen

Tief im Westen

Wo die Sonne verstaubt

Ist es besser

Viel besser als man glaubt...

„Chuck hat angerufen!“ Easy, Songwriterin und Bandleaderin der noch unbekannten aber sowieso wenigstens zweitbesten Band der Welt namens Sorglospunks, flitzte durch die Wohnung.

„Welcher?“, kam es recht gelangweilt von Jack, dem vielseitigen Musiktalent, zurück. Das war ein winziger Versuch, ihre Zwillingsschwester wenigstens ein kleines bisschen aufzuziehen, doch Easy besaß wie so oft noch nicht einmal die Muße rot um die Nase zu werden, als sie antwortete: „Chuck eins natürlich!“

Mit Chuck zwei, dem zweiten Teil des Country-Rock-Duos Chuck & Chuck hatte sie zwar auch die Telefonnummer getauscht, doch nur Chuck eins rief regelmäßig an.

„Und worum ging’s?“ Jack war noch immer gelangweilt, raffte sich aber jetzt immerhin dazu auf, von ihrer Esoterik-Fachzeitschrift aufzusehen. Nachdem sie mittlerweile Triangel und Blockflöte beherrschte, suchte sie nach neuen Herausforderungen und spielte mit dem Gedanken, Harfe zu lernen, da man damit die erstaunlichsten Reaktionen bei Menschen auslösen konnte. Jedenfalls stand das in diesem Heft.

„In Bochum findet ein Songcontest für junge Bands statt! Ganz umsonst! Wir müssen da unbedingt hin!“

„Ein Songcontest?“ Wie herbeigerufen sauste Nifen durch die Tür. „Hast du etwa auch diese Spam-Mail bekommen?“

„Nein, Chuck eins hat angerufen!“ Easy las natürlich keine Spam-Mails und durchforstete diese regelmäßig nach interessanten Angeboten für die Band. Das war die Aufgabe der Bandmanagerin Nifen.

„Warum muss so etwas eigentlich immer irgendwo anders stattfinden als in Norddeutschland?“, moserte Chris in diesem Moment und blickte von dem PC auf. Er war – wie so oft – damit beschäftigt, eine ellenlange E-Mail an seine japanische Freundin Umeko zu verfassen, die gerade ein Praktikum auf Hallig Hooge in Nordfriesland machte. Zwar war sie nun keine Tausende Kilometer weit weg, nur noch Hunderte, aber das machte es nicht gerade einfacher, sie zu besuchen, auch wenn Chris genau das unbedingt vorhatte.

„Himmel, wir fahren schon in den nächsten drei Monaten mal nach Norddeutschland auf die Halligen“, gab Jack zurück und verdrehte die Augen. Chris war total liebeskrank, während Easy gar nicht merkte, wie sehr sich Chuck eins um eine Annäherung bemühte und exakt deswegen auch immer Ausschau nach solchen Angeboten für die Sorglospunks sowie seine eigene Band hielt. Das war schließlich immer ein Grund für eine gemeinsame Aktivität.

„Chuck hat gesagt, dass sie hinfahren wollen und uns mitnehmen können“, erzählte Easy aufgedreht weiter. „Fahren wir? Fahren wir?“

„Und wie wir fahren!“, entschied Jack und sprang auf. Ein Songcontest und eine Mitfahrmöglichkeit dorthin, das war eine Chance, die man definitiv nicht auslassen konnte, wenn man den Durchbruch schaffen wollte.

„Das sehe ich absolut genauso!“, grinste Nifen.

„Und danach geht’s nach Norden?“, fragte Chris noch nach, doch an seiner Zustimmung gab es keinen Zweifel.

„Ich komme auch mit“, kam es in dem Augenblick von LennStar. „In Bochum findet nämlich ein Philosophen-Treff an der Ruhr-Uni statt!“ Dieser war der Philosoph und Kassenwart der Band, der durchaus auch mal die äußerst unpopulären Worte Schokoladenrationierung und finanzieller Kaffeeengpass verwendete. Und das war bei dieser Band äußerst mutig zu nennen.

„Dann ruf Chuck eins mal an und sag ihm, dass er ein großes Auto mieten soll“, grinste ich.

Ich bin übrigens die Bandmuse der Sorglospunks und für die Inspiration zu den kreativen Ergüssen der Band zuständig. Für die Resultate der Inspirationsauktionen übernehme ich übrigens keine Verantwortung.

„Schon dabei“, jubelte Easy und flitzte Richtung Telefon davon.
 

Zwei Tage später standen Chuck & Chuck mit einem gemieteten VW-Bulli vor der Tür, in den problemlos alle Instrumente, Musiker und Crew-Mitglieder passten. Nach etwas Chaos in Sachen einpacken und einstiegen – Kiwi versteckte sich unter dem Auto, Chris’

Gitarre kickte Jacks Schlagzeug bei Seite, Nifen trat LennStar auf seine Bettlakentoga, Easy schubste Jack versehentlich vom Sitz – konnte es endlich losgehen.

Die Fahrt führte die musikalischen Reisenden quer durch das hübsche Dorf im Schwabenländle, über die Bundesstraße nach Stuttgart und von dort auf der A8 ab in Richtung Norden gen NRW.

„Pohott! Wir fahren in den Pohott!“, trällerte Easy fröhlich auf der Rückbank.

Chuck zwei fuhr, während Nifen neben ihm die strategisch wichtige Position als Beifahrer und Kartenleser übernommen hatte. LennStar hatte sich in die Lektüre eines philosophischen Fachmagazins mit dem Titelbericht ‚Können Steine glücklich sein?’ vertieft, Jack übte einige neue Schlagtechniken ohne Schlagzeug ein, Chris schrieb einen Brief an Umeko, Kiwi schlief und Chuck eins lauschte hingerissen Easys Vorfreude, die sie noch immer lautstark herausträllerte. Immerhin besaß sie eine unheimliche und bisher nicht weiter erklärbare Vorliebe für NRW und ganz besonders das Ruhrgebiet.

Irgendwo nachdem sie gerade auf die A5 gewechselt hatten, passierte das, was auf Reisen so ziemlich immer das Ätzendste ist, was geschehen kann: Der Verkehr wurde immer schleppender und langsamer, ehe er schließlich vollkommen zum Erliegen kam.

„Warum stehen wir?“, unterbrach Easy ihre fünfte Darbietung von Grönemeyers ‚Bochum’.

„Stau, Easy“, antwortete Nifen nachsichtig.

„Oh, kommen wir dann zu spät?“ Große braune Dackelaugen spähten angstvoll nach vorne. Das war schließlich eine Chance berühmt zu werden! Die durften sie doch nicht verpassen!

„Nein, nein, wir haben genug Zeitpuffer“, sagte Chuck zwei und warf Nifen einen langen Blick zu, der deutlich machte, dass der Puffer nicht ganz so groß war, wie er gerade hätte sein sollen.

Jeder, der einmal im Stau gestanden und dabei ausgerechnet die Halteposition auf einer Brücke abbekommen hat, weiß, wie langsam die Zeit vergehen kann und wie schnell einem langweilig werden kann.

Easy dagegen sah es gar nicht ein, dass ihr langweilig wurde.

„Los, Chris, lass uns den Stau-Song spielen!“, forderte sie den Gitarristen auf. Gut, bisher gab es noch keinen Stau-Song, aber wozu besaßen sie schließlich eine Bandmuse?

Und nur fünf Minuten später war jegliche Langeweile in diesem Stau auf einem Streckenabschnitt von 100 bis 200 Metern vertrieben.
 

„Stau, Stau, Stau

Wir stehen im Stau, Stau, Stau

das ist flau, flau, flau,

total flau!
 

Doch das macht uns nicht

mau, mau, mau!

Uns nicht mau, mau, mau!

Kriegt uns nicht unter!“
 

Anderthalb Stunden – und ein langes Spontankonzert – später ging es endlich weiter und die nächste Raststätte wurde zum sorglosen Zwischenstopp auserkoren. Staustehen hatte schließlich akute Blasenauswirkungen.
 

„Wann sind wir endlich daaaaaaa?“, jammerte Easy in der Nähe des Bochumer Kreuz, als sich die sorglosen und countrygen Reisenden immerhin schon dem Ruhrgebiet auf Schlagweite genähert hatten.

„Bald, Easy, bald.“ Nifen sprach noch immer ruhig, obwohl sie langsam doch ein wenig von dem Gequengel angenervt war.

„Schau aus dem Fenster, wir sind doch schon im Pott“, lenkte Jack ihre Zwillingsschwester ab, die daraufhin nahezu an der Scheibe klebte und die Autobahnlandschaft – größtenteils Bäume, Leitplanken und Schallschutzwände – beobachtete.

„Chuck, tritt ein bisschen aufs Gas“, kam es in dem Augenblick von Chuck eins. „Wir haben nur noch eine halbe Stunde...“

„Was wir auf keinen Fall schaffen werden, weswegen du da jetzt anrufst und uns telefonisch anmeldest“, kam es prompt von Chuck zwei, der den Bulli schon mit Höchstgeschwindigkeit über die Bahn hetzte.

Gesagt, getan. Und nach einigen Verhandlungen sowie dem Weiterreichen des Telefons an Nifen war wenigstens geklärt, dass beide Bands auftreten dürfen würden, obwohl sie erst nach Start des Wettbewerbs eintreffen würden.

Nichtsdestotrotz galt es jetzt noch den Club zu erreichen, in dem besagter Contest stattfinden sollte. Und das stellte sich etwas schwieriger dar, als eigentlich gedacht.

Der Bulli war miettechnisch zu billig, als dass er inklusive Navigationsgerät gewesen wäre. Doch wozu ein ‚Navi’, wenn man eine kartenlesefähige Managerin im Fahrzeug hatte? Kartenlesen konnte Nifen auch – nur dummerweise war diese dusselige kleine Querstraße, in der sich der Club ‚Unter Tage’ befinden sollte, nicht so einfach zu finden, wie man sich das dachte.

Mehrfach wurden die Königsallee und die Universitätsstraße gekreuzt, ehe sich Chuck zwei auf ein Herumkreisen über die Ringstraßen verlegte.

„Da!“, rief Jack schließlich aufregt und deutete nach zwanzig nervenaufreibenden Minuten des Suchens auf ein winzigkleines Hinweisschild.

„Hinterher!“, ließ Easy den Standardkampfruf der Sorglospunks hören. Dicht gefolgt von Standardkampfansage Nummer zwei: „Aufi!“

Chuck zwei kam dieser Aufforderung nur zu gerne nach, bedeutete das doch endlich das Ende der Odyssee durch die Bochumer Straßen. Glücklicherweise war ein Parkplatz schneller gefunden als der Club.

Rasch ging es hinein und dort kam auch direkt die erste böse Frage: „Welche zwei Songs spielt ihr?“

„Äh...“ Nifen sah ihre Band an. Die sollte bitte schön selbst entscheiden, schließlich war das ihre Performance.

„Bandhymne eins und... Ruhrpott!“, rief Easy schnell.

„Ruhrpott?“ Jack zog eine Augenbraue hoch, während die Sorglospunks weitereilten und Chuck & Chuck der gleichen tiefschürfenden Frage überließen.

„Klar, den schreiben wir gleich! Irgendwie müssen wir das Ereignis doch angemessen würdigen!“, lachte Easy fröhlich und sorgte dafür, dass Chris die Augen verdrehte. Ich auch. Weil ich nämlich wusste, dass ich mit Ideenblitzen ein wahres Feuerwerk auf der Bühne entzünden würde müssen, um einen entsprechenden Song aus der Band herauszukitzeln, wenn der gebraucht wurde.

„Wo ist Lenn?“, fragte Nifen auf einmal.

„Keine Ahnung.“ Die anderen drei zuckten mit den Schultern, hatten sie den Philosophen doch in dem Chaos aus den Augen verloren.

„Vermutlich im Zuschauerraum, damit er alles sehen und Kiwi uns die Pfoten drücken kann.“ Kiwi war nämlich auch nicht da, wie Easys scharfe Augen bemerkt hatten.

„Hoffentlich...“, murmelte die Managerin. Es fehlte noch, dass sie versehentlich unterwegs ihren Philosophen verloren. Das mochte ein eher schlechtes Omen für diesen Contest sein.
 

Es dauerte nicht lange – genauer gesagt nur noch eine Band –, dann waren die Sorglospunks auch schon an der Reihe.

Die Bandhymne sorgte schon dafür, dass der Raum bebte. Was mir jedoch nicht gefiel, war, wen ich dort in der ersten Reihe erspähte. Das waren die drei Furien! Da saß wirklich niemand anderes als Alekto, Megaira und Tisiphone! Mir gefror regelrecht das Blut in den Adern. Was tun, wenn diese drei irgendetwas Fieses ausheckten?

Die Rothaarige der drei, Megaira, winkte mit der Hand und ich konnte sehen, wie sich einer der Scheinwerfer über Easy lockerte. Oh, verdammt! Wir waren in Schwierigkeiten!

Und dann sah ich, wie LennStar zu den dreien hinüber ging, Kiwi auf dem Arm, die das Fell sträubte, als sie in die Nähe der drei überirdischen Entitäten gelangte. Katzen erkennen Feinde schließlich sofort.

Ein kurzer Blick zu der Band, um sicher zu sein, dass hier alles okay war, dann sauste ich zu LennStar hinüber. Ich konnte ihn schließlich nicht einfach so in sein Verderben rennen lassen! Gut, er stand nicht auf der Abschussliste der Furien, da er uns bei unserem Abstecher in die Hölle nicht begleitet hatte, aber die drei waren ja auch nicht blöd...

„Das solltet ihr lieber lassen“, erklärte LennStar in dem Augenblick den dreien freundlich, während er Kiwi beruhigend den Nacken kraulte.

„So?“

„Ja. Der Teufel sitzt direkt hinter der Bühne und verfolgt den Auftritt. Wenn dabei etwas schief laufen sollte, seid ihr geliefert. Was sollte Chibichi denn dann noch davon abhalten, euch aus der Hell-O-Zei-Spezialeinheit zu werfen? Tja, und wer will schon Furien, die bereits im Olymp Hausverbot haben, nicht wahr?“ Der Bandphilosoph und Kassenwart betratet die Fingernägel seiner rechten Hand, als wenn diese ganz unglaublich spannend wären. Die Lüge zu Beginn seiner Worte war wirklich dreist, aber was er daraus machte, das war wirklich genial. Denn tatsächlich waren die Furien beim Olymp rausgeflogen und hatten de facto striktes Hausverbot.

„Ach, und wer bissst du, um ssso etwasss zzzu sssagen, he?“, fauchte Alekto ihn an.

„Ich bin Philosoph“, erwiderte LennStar spitz. „Und das sagt doch wohl alles über meinen Intellekt aus, oder nicht?“

„Ähm...“ Alekto kam ins Schwimmen und ihre angriffslustig funkelnden Augen verrieten auf einmal Unsicherheit. Doch auch ihre zwei Schwestern konnten ihr nicht beispringen.

„Lasst es dieses Mal lieber und strengt euch etwas mehr an. Nur, weil euch die drei zufällig über den Weg laufen, müsst ihr ja nicht gleich durchdrehen“, fuhr LennStar fort.

„Wie kommssst du darauf, dassss dasss ein Zzzufall issst?“, schnappte Tisiphone.

„Och, so, wie ihr bei der Band vorher mitgewippt habt, steht ihr auf Musik und wolltet euch hier eigentlich nur einen netten Abend machen und habt mit den Sorglospunks doch gar nicht gerechnet...“

Jetzt gingen die Kinnladen der drei runter und sie starrten LennStar mit offenen Mündern an.

„Ach ja, mein Name ist LennStar, merkt ihn euch.“ Er grinste sie noch an, ehe er sich abwandte und davon ging. Was er dabei nicht bemerkte, war, dass sich Alektos Gesichtsausdruck rapide verändert hatte. Mir schien, er hatte einen Fan gefunden. Aber darüber konnte ich nicht lange grübeln, denn schon wieder ich auf der Bühne gebraucht.

Es musste ein Lied komponiert werden!

„Bochum! Und jetzt gibt es einen neuen Song! Extra für euch. Hier ist er: Ruhrpott!“

Jack setzte mit einem furiosen Schlagzeugsolo ein. Chris’ Gitarre kam erst leise dazu, ehe sie ihre volle Lautstärke erreichte. Und dann legte Easy los.

„Mitten aus dem Schwabenland,

daher kommen wir!

Mit dem Auto ging’s

den langen Weg in den Westen!

Ab in den Westen,

ab zu euch!
 

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!

Hier zählt das Herz noch,

hier gibt es schwarze Kohle,

hier gibt es Tauben

und noch echte Maloche!

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!
 

Über die Autobahn

daher sind wir gefahren!

Vorbei an Frankfurt

und an Köln!

Ab in den Westen,

ab zu euch!
 

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!

Hier ist alles super!

Hier ist alles Pott!

Hier gibt es schwarze Kohle

und noch echte Maloche!

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!

Denn hier, hier ist der Ruhrpott!“
 

Das Publikum tobte und forderte lautstark nach einer Zugabe, die die Sorglospunks jedoch leider nicht geben durften.

Auch der Auftritt von Chuck & Chuck kam gut an, selbst wenn die Zuschauer anfangs etwas befremdet waren aufgrund der überdimensionalen Kükenkostümen, in die sich die Country-Rock-Band geschmissen hatte.

Unverständnis erntete am Ende die Entscheidung der Jury, den ersehnten Plattenvertrag an eine Kölner Girly-Band zu vergeben. Und so mussten wir uns mit leeren Händen, aber vollen Herzen aufgrund der tollen Begeisterung des Bochumer Publikums auf den Heimweg zurück ins beschauliche Schwabenländle machen.

„Tief im Wehesten...“, trällerte Easy fröhlich, während diesmal Chuck eins den Wagen Richtung Autobahn lenkte.



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