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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Der Unterschied

„Ich kapier immer noch nicht, warum ich mich umziehen musste.“, beschwerte sich Van, während er mit einem Festgewand bekleidet unter der warmen Frühlingssonne vor der Villa de Farnel wartete.

„Empfängst du deine Stammgäste sonst auch in Alltagskleidung?“, neckte Sophia, die ihm als einzige zur Seite stand.

„Natürlich nicht. Aber bei Merle handelt es sich nicht um einen Staatsgast, sondern um eine alte Freundin.“

„Sie hat Allen Shezar bei sich.“

„Er war auch bei der Besprechung im Tempel der Fortuna dabei und damals haben wir nicht so viel Aufwand betrieben.“

„Mag sein, aber damals war er ein Kamerad, heute ist er ein Staatsgast.“, gab Sophia zu bedenken, während sie die Kutsche beobachtete, die ihren Weg durch den blühenden Garten bahnte. „Außerdem…wenn du schon von ausländischen Würdenträgern und Militärkommandanten verlangst, dass sie Merle mit Respekt behandeln, solltest du mit gutem Beispiel vorangehen. Und ich muss dich nicht daran erinnern, dass ihr beiden euch seit einiger Zeit nicht…“

„Ja, schon gut, ich hab’s kapiert.“, unterbrach Van genervt, aber dann hellte sich seine Miene auf. „Danke!“

„Wofür?“

„Dafür, dass du mir keine Ruhe lässt.“

„Ernsthaft?“, wunderte sich Sophia, doch statt ihr zu antworten wandte sich Van lächelnd der Kutsche entgegen, die gerade vor dem Treppenansatz hielt. Nachdem der Kutscher die Tür öffnete, trat Allen ins Freie hinaus, tat einen Schritt zur Seite und bot der nachfolgenden Person seine Hand an. Van stockte der Atmen, selbst Sophia konnte sich ein von Überraschung zeugendes Keuchen nicht verkneifen.

„Ist das wirklich Merle?“, fragte sie erstaunt. In Gedanken formulierte Van dieselbe Frage. Es war gewiss nicht das erste Mal, dass er sie in dem dunkelblauen, mit weinroten Stoffen ausgeschmückten Kleid sah, und ihr rosa Haar zeugte noch immer von ihrer Zuneigung zum Chaos. Trotzdem kam ihm die Merle, die Allens Hand nahm und sich von ihm aus der Kutschen helfen lies, wie eine vollkommen fremde Person vor.

Ihr Gang machte den Unterschied. Während der letzten drei Jahre hatte sie sich zusehends mehr wie ein Krieger, wie ein Mann bewegt. Nun aber zeigte ihre Körpersprache eine atemberaubende Eleganz. Van hatte ihr zwar beigebracht, wie man sich so bewegen konnte, doch selbst bei den wenigen gesellschaftlichen Anlässen der letzten Jahre hatte sie sich nie ganz der Rolle der weiblichen Begleitung gefügt. Was hatte Allen mit ihr angestellt? Hatte es etwas damit zutun, worüber sie mit Hitomi vor ein paar Tagen reden wollte? Merle grinste in Vans erstarrtes Gesicht, woraufhin er sich entspannte. Sie war noch immer die Merle, die er kannte, er musste nur genauer hinsehen.

Mit einem Knicks begrüßte die Katzenfrau ihren König, Allen vollführte pflichtbewusst seine Verbeugung. Sophia erwiderte die Begrüßung ihrerseits ebenfalls mit einem Knicks, Van hingegen beließ es bei einem wohlwollenden Kicken.

„Hallo, Merle. Seid gegrüßt, Allen Shezar. Ich muss gestehen, eure Begleiterin hat mich überrascht.“

„Inwiefern, Majestät?“, erkundigte sich der blonde Ritter. Die Frage ignorierend winkte der König die beiden zu sich.

„Kommt herein. Ich bin sicher, ihr habt viel zu erzählen.“

„Wir sollten dabei aber nicht belauscht werden…“, riet Merle angespannt.
 

„Was macht dich eigentlich so sicher, dass du hier drinnen nicht abgehörst wirst?“, fragte Allen, nachdem er als letztes den Konferenzraum betreten hatte.

„Abgesehen davon, dass er schalldicht ist und keine Fenster hat?“, erkundigte sich Van und nickte Merle zu.

„Der Raum ist von einem Drahtnetz umgeben und wird vor jeder wichtigen Besprechung auf Überwachungstechnik hin untersucht.“, führte sie weiter aus. „Natürlich nur von Leuten, für die ich gebürgt habe.“

„Und wenn jemand speziellere Kräfte einsetzt, wie zum Beispiel die von Hitomi?“

„Die Gedanken werden durch eine Barriere geschützt, über die jeder Mensch verfügt. Trias kann uns nicht belauschen, solange wir wirklich nur sprechen. Van und ich werden keine Gedankenrede benutzten, da wir beide ja wissen, …“ Merle sah Van viel sagend an. „…wie unsicher sie ist, nicht wahr?“

„Bitte entschuldige. Ich wollte wirklich nicht lauschen.“, bat er.

„Hast du aber!“, beschuldigte sie ihn und musterte daraufhin Sophia. „Wunderst du dich gar nicht über was wir reden?“

Es war Van, der für sie antwortete.

„Sie hat Hitomis Kräfte bereits am eigenen Leibe erfahren, als sie dich retten wollte. Sie weiß über das meiste Bescheid.“

„Hat Van dir auch etwas davon beigebracht?“, fragte Merle die Prinzessin.

„Nein, bis jetzt bestanden meine Lektionen nur aus Kommunalverwaltung und Schwertkunst.“, antwortete sie beinahe schüchtern.

„Schwertkunst?“

„Ja. Ich möchte das Turnier gewinnen.“

„Ist das dein Ernst? Du weißt schon, dass König Van dran teilnimmt?“

„Natürlich.“

„Und da machst du dir noch Hoffnungen? Nicht einmal der berühmte Allen Shezar kann hoffen.“, behauptete Merle und zeigte dabei mit ihrem Daumen auf ihn, woraufhin Allen gelassen protestierte: „Ich tu es trotzdem.“

„Ich auch!“, stimmte Sophia zu und schmunzelte. „Wenn ich etwas bei Van gelernt habe, dann, dass niemand perfekt ist.“

„Vielen Dank auch!“, erwiderte der König. „Ich sollte wirklich mehr Autorität demonstrieren, sonst verlier ich mein Gesicht.“

„Du wirst es spätestens im Ring verlieren, wenn ich dich geschlagen habe.“, scherzte Merle.

„Warst du es nicht, die von mir etwas lernen wollte?“, merkte Allen an. „Wie kannst du denn behaupten, dass du eine Chance hättest und ich nicht?“

„Ich habe um Übungsstunden bei dir gebeten, weil du Techniken kennst, die ich gerne kennen lernen will. Ob du besser oder schlechter bist, spielt dabei keine Rolle.“, hielt sie dagegen.

„Lass dich erst einmal untersuchen! Dann sehen wir, ob du überhaupt teilnehmen darfst.“, gab Van zu bedenken.

„Willst du mich aus dem Turnier ausschließen?“

„Das würde ich nie wagen, dennoch…Die königliche Autorität ist nichts im Vergleich zu dem Eid, den ein Arzt leisten muss.“

„Ah! Du meinst also, ein weißer Kittel könnte mich daran hindern die Person, die ihn trägt, in Stücke zu reißen.“

„Die alte Merle hätte nichts davon abgehalten, an dem Turnier teilzunehmen, auch wenn sie dadurch ihre Gesundheit vorsätzlich ruinieren und ihre Tarnung als kleines, unschuldiges Katzenmädchen für immer aufgeben hätte.“, erklärte Van. „Aber wie ich vorhin schon sagte, Allens Begleiterin hat mich überrascht, denn sie schien viel reifer zu sein, als ich sie in Erinnerung habe.“

Angesichts des Komplimentes flammten Merle Wangen auf und das Argument ihrer Tarnung wog schwer.

„Also gut, ich lass mich ein weiteres Mal untersuchen.“, fügte Merle sich.

„Bevor du gehst, erzähl uns bitte deine Geschichte.“

„Na gut, aber es ist nicht nur meine Geschichte, sondern die von Allen und mir…“
 

Merle saß im Garten auf einer schneeweißen Bank und ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Sie hatte das Kleid gegen ein weniger beengendes Gewand eingetauscht. Andächtig lauschte sie dem Gezwitscher der Vögel und achtete nur ganz nebenbei auf die Schritte einer kleinen Person, die immer näher kam. Sie kannte das Schrittmuster nicht, also konnte es nur ein Gast sein.

„Kann ich mich zu dir setzten?“, fragte Sophia freundlich.

„Sicher.“, antwortete Merle. „Falls du meine miese Laune ertragen kannst.“

„Ist die Untersuchung nicht gut gelaufen?“, erkundigte sich Sophia, während sie sich neben der Katzenfrau niederließ.

„Ganz im Gegenteil. Sie haben nichts gefunden.“, berichtete Merle. „Aber nach einer Gehirnerschütterung können Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden. Soll heißen, ich muss die nächsten paar Wochen kürzer treten. Ausgerechnet jetzt!“

„Das tut mir leid. Aber es wird gewiss nicht das letzte Turnier sein, welches in Farnelia stattfindet.“

„Solange die Rolle des Hofnarren spiele, werde ich sowieso nicht teilnehmen können.“

„Dann leg die Rolle doch einfach ab.“, schlug Sophia vor. „Sie dürfte dank dem Überwachungsvideo aus der Festung Orio mehr als brüchig sein.“

„Ist es etwa schon im Umlauf?“, hakte Merle nach.

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es seinen Weg in die Hände sämtlicher Militär- und Geheimdienstkommandanten findet.“

„Dann lenkt es wenigstens vom wahren Kommandanten der Wache ab.“ Erst als Merle einen Blick auf ihre Gesprächspartnerin warf, bemerkte sie die bewundernden Blicke. „Was ist?“

„Ach nichts…nun fast nichts…Ich frag mich nur, wie du so geworden bist, wie du bist?“

„Hä?“

„Na ja, Geheimdienstagentin, Kommandantin, Nahkampfexpertin, Leibwächterin…du bist so vieles, und wenn man Van glauben schenken kann, hast du alles erst gelernt, während du diese Aufgaben schon innehattest.“

„Du sollst auch sehr viel auf den Kasten haben.“, warf Merle ein.

„Ja, aber bei mir war es Schicksal. Ich wurde als Prinzessin geboren und muss dementsprechend Aufgaben übernehmen. Du hingegen…“

„Du meinst, nur wegen deiner Herkunft ist dein Schicksal besiegelt? Ich bin als kleines Kind ohne Eltern auf den Straßen Farnelias umhergeirrt und jetzt bin ich hier. Die Moral dieser Geschichte muss ich wohl kaum erklären.“

„Und genau das will ich von dir lernen.“, bat Sophia. „Ich möchte lernen mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.“

„Das kann ich dich nicht lehren.“, erklärte Merle. „Dazu ist nämlich kein Wissen, sondern eine Entscheidung notwendig.“

„Ich möchte es tun, aber…“

„Das reicht nicht. Etwas nur zu wollen und es zu tun, sind zwei vollkommen verschieden Dinge.“

„Solange mein Vater…“

„Bah!“, unterbrach Merle und erhob sich. „Ich hab das Herumsitzen satt. Schäl dich aus diesem protzigen Kleid und triff mich in der Trainingshalle!“

„Was?“

„Willst du das Turnier gewinnen oder wirst du es gewinnen?“

Der plötzliche Themenwechsel verwirrte Sophia. Es nur zu wollen und es zu tun…

„Ich werde gewinnen.“, verkündete sie selbstbewusst.

„Dann schwing die Hufe!“



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