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Siegel der Schatten

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Ägypten

Siegel der Schatten
 

16. Ägypten
 

Es war Abend, als Harry sich endlich entspannt in einen der Sessel im Gryffindor-Gemeinschaftsraum sinken lassen konnte. Alle Schularbeiten waren gemacht und nun blieb endlich Zeit, um sich anderen Gedanken zuzuwenden.
 

Eine halbe Stunde später holte ihn eine sanfte Stimme aus seinen Tagträumereien hervor und Harry blinzelte verwirrt nach oben.
 

„Worüber hast du denn so intensiv nachgedacht, dass ich dich drei mal ansprechen musste, bevor du mich wahrgenommen hast?“ Draco schien das jedoch nichts auszumachen, denn er lächelte Harry sanft an und machte es sich dann auf seinem Schoß bequem. Der Sessel wurde durch einen Zauber etwas größer, so dass sie beide bequem Platz hatten und Harry schlang seine Arme um den Slytherin und strich zärtlich durch die blonden Haare.
 

„Ich hab nur daran gedacht, was heute alles passiert ist. Die beiden Muggel werden immer rätselhafter.“
 

Draco blickte seinen Freund verwirrt an und dieser erzählte von den Vorfällen mit der Kahneng-Löwin am Nachmittag in Remus Unterricht. Draco und er hatten abgesehen von Verwandlung am Morgen keine weiteren gemeinsamen Stunden an diesem Tag gehabt, so dass er den Slytherin erst jetzt wieder traf. Als Harry mit seinem Bericht fertig war saßen beide minutenlang still in ihrem Sessel. Um sie her herrschte nur noch wenig Trubel, denn die meisten Gryffindors waren schon in ihren Betten verschwunden. So konnten sie sich auch ungestört unterhalten.
 

Draco meinte nach einiger Zeit nachdenklich: „Es wird dir nicht gefallen, aber ich denke Severus und Remus verbindet tatsächlich mehr als die frühere Feindschaft und ihre gemeinsame Lehrtätigkeit.“
 

Angesichts dieses plötzlichen Themenwechsels blickte Harry verwirrt auf den blonden Mann in seinen Armen hinab, doch dieser lächelte nur leise in sich hinein. Er musste Harrys Gesicht nicht sehen um dessen Gedanken zu erraten.
 

„Wir hatten ja nach euch bei Lupin Unterricht und als er ewig nicht kam, hat Millicent Severus geholt, um herauszufinden, was los wäre. Gerade als mein Pate zu uns kam, ist auch Dumbledore mit McGonagall zu uns ins Zimmer gekommen. Er sagte nur was von einer Kahneng-Löwin, die wir uns ansehen sollten und hat uns zu Lupin auf die Grounds geschickt. Aber ich hab noch gehört, wie er Severus sagte, dass die Löwin beinahe Lupin und euch Gryffindors angegriffen hat und nur durch die beiden Muggel wäre niemand ernsthaft verletzt worden. Jetzt, wo ich weiß, was passiert ist, ist es noch viel seltsamer, dass zwei Muggel so viel über die Magie Ägyptens wissen, dass sie ein so mächtiges Wesen aufhalten konnten. Auch wenn sie sich in der Geschichte Ägyptens auskennen, können sie so was nicht wissen. Die beiden sind wirklich rätselhaft.“
 

Draco schwieg kurz, um Harry die Gelegenheit zu geben, etwas dazu zu sagen, doch der Gryffindor blieb still und der Slytherin zuckte nur in Gedanken mit den Schultern. Harry würde noch irgendwann begreifen, dass es nichts brachte, die beiden Muggel zu ignorieren. Sie mussten sich mit Dumbledores Beschwörungsritual und dem daraus resultierenden Ergebnis befassen – auch wenn das bedeutete, sich wieder in Dumbledores Spiel einzumischen und vielleicht sogar aktiv zu werden.
 

„Na jedenfalls, was ich sagen wollte: Severus wurde weiß wie eine Wand, als er von dem Angriff auf Lupin erfuhr. Lach nicht, es ist wahr. Er war wirklich noch blasser als sonst.“ Draco knuffte den kichernden Harry gespielt beleidigt in die Seite, hatte aber sonst mehr Probleme damit, dass er nicht vom Sessel fiel. Er musste ja zugeben, dass es schwer vorstellbar war, dass sein Pate noch mehr Farbe verlor, wo er doch sonst schon immer so aussah, als sei er seit Jahren in Hogwarts’ Kerkern eingesperrt.
 

„Er sorgte sich bestimmt nicht um das Wohlergehen von uns Gryffindors, richtig?“ Harry konnte das Kichern nicht ganz aus seiner Stimme verdrängen und Draco nickte. „Severus war eindeutig besorgt. Und wenn er nicht plötzlich auch für dich als meinem Geliebten freundschaftliche Gefühle entwickelt hat, dann kann seine Besorgnis nur Lupin gelten.“
 

Harry seufzte vernehmlich. „Ich beginne mich zumindest langsam mit dem Gedanken anzufreunden, dass Snape und Remus so was wie Freunde zu sein scheinen. Aber denk nicht, dass ich deinem Paten deswegen weniger misstraue!“
 

Draco drehte sich in Harrys Umarmung um und bedachte diesen mit einem amüsierten Blick. „Ich glaube nicht, dass Severus das anders sieht. Er wird dich garantiert nie in den illustren Kreis seiner wenigen Freunde aufnehmen, egal was du tust. Aber ich werde das Ganze weiter beobachten müssen. Nicht, dass ich an Lupin irgendetwas Schlechtes finde. Lässt man mal die Tatsache mit dem Mondanheulen und den monatlichen Verwandlungen außer Acht.“
 

Harry nickte nachdenklich. „Snape wird sich davor schon schützen können.“ Dann wurde ihm wohl bewusst, was er gerade gesagt hatte und Harry blickte Draco erschrocken an. Dann erkannte er dessen boshaftes Grinsen und blickte finster zurück. „Das hast du geplant. Hat Snape dich angestachelt, dass du mich überzeugst? Denkt gar nicht mal dran. Ich gebe nie den Segen zu dieser unheiligen Verbindung. Ich werde Remus wohl vor dir und deinem Paten schützen müssen.“
 

Draco lachte bei diesen Worten nur leise und kuschelte sich dann an den grummelnden Harry. Der blonde Slytherin war mit sich zufrieden. Er hatte es immerhin geschafft, dass sich Harry Gedanken um den von ihm so verhassten Zaubertränkelehrer machte. Sie wussten beide, dass sich Dracos Pate vor dem Werwolf in Remus schützen konnte, doch mit seinen Worten hatte Harry indirekt zugegeben, dass er eine Freundschaft zwischen den beiden Professoren schon halb akzeptiert hatte.
 

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Es war Mittwoch Nachmittag und die ersten Schüler traten durch die schlichte Holztür in eine Welt voller Wunder und Schönheit. Yami und Yuugi hatten noch am vergangenen Abend, nachdem sie die Kahneng-Löwin ohne Probleme den Auroren übergeben hatten, mit Professor Binns über ihr Vorhaben für die heutige erste Stunde ihres Unterrichts gesprochen. Und so hatte der Geist für sie den Projektionszauber gesprochen. Doch im Gegensatz zur letzten Woche, als die beiden Duellanten in Binns Stunde hereingestolpert waren und der Unterricht nur mit Blick auf die Projektion der Pyramiden von Gizeh stattgefunden hatte, saßen der ehemalige Pharao und Yuugi nun entspannt im Sand zu Füßen einer Sphinx und erwarteten die Schüler. Das Klassenzimmer war dem weiten ägyptischen Land gewichen. Der Himmel war tiefblau und wolkenlos, doch die Sonne, welche fast im Zenit stand, schien nur angenehm warm herab. Weit und breit war abgesehen von der riesigen steinernen Sphinx kein Bauwerk zu sehen, sondern nur Sand. Trotzdem wirkte der Ort nicht trostlos oder einsam, sondern in seiner Größe und Unendlichkeit mächtig und erhaben. Die Schüler, welche in mehr oder weniger großen Grüppchen durch die schlichte Holztür auf den warmen Sand traten, fühlten sich zu Beginn ein wenig fehl am Platz. Doch als nach 10 Minuten der ganze Abschlussjahrgang von Hogwarts versammelt war, hatten die meisten ihre Scheu verloren und sich rings um Yuugi und Yami zu Füßen der Skulptur niedergelassen.
 

Yami und Yuugi würden sich im Unterrichten abwechseln, doch vorerst begann der junge Japaner damit, die Schüler zu begrüßen und ein wenig über die Entstehung Ägyptens vor 5000 Jahren, die Kultur und die wichtigsten Errungenschaften wie die Schrift, den Wechsel von der Stufenpyramide zur echten Pyramide, das astronomische Wissen und natürlich auch über den Götterkult aufzuklären. Natürlich riss er vieles nur an, doch alle vier Häuser wurden durch das immense Wissen Yuugis und seine begeisterte und lebhafte Erzählweise in seinen Bann gezogen. Man merkte dem jungen Mann deutlich seine Liebe zu diesem alten Land an und niemand dachte auch nur ansatzweise an Schlafen. Einige Schüler schrieben fleißig mit, doch die meisten hörten nur gebannt zu und Yuugi störte das auch nicht. Was er ihnen heute erzählte war nur die Spitze der Pyramide und auf vieles wollten er und Yami noch wesentlich genauer in späteren Stunden eingehen.
 

Wie nicht anders zu erwarten war, kam irgendwann auch die Sprache auf das Geschehen am Vortag auf dem Hogwartsgelände und Yuugi, der sich mit Binns noch einmal genauer über die Meinung von dessen Studienkollegen unterhalten hatte, erklärte nun einiges zu Sachmet, den Göttern und ihrer Wichtigkeit für das ägyptische Volk.
 

Eine Ravenclaw meldete sich nun und meinte verwundert: „Aber das waren doch sicher auch nur ein paar Zauberer, die ihre Magie für ihre Zwecke benutzt haben und das Volk unterdrückten. Jemand der so etwas tut, sollte nicht verehrt werden. Und vor allem sollte man diese Leute nicht auch noch heute als Götter erklären.“
 

Viele der Gryffindors und Ravenclaws nickten, die Hufflepuffs blieben still und die Slytherins schauten sich seltsam an.
 

‚Aus diesem Blickwinkel betrachtet, sieht Seth wie ein früherer Voldemort aus.’ Yuugis Stimme klang halb amüsiert, halb erschrocken. Natürlich konnten Menschen, die ihr Leben lang mit Magie zu tun hatten nicht anders, als eine solche Schlussfolgerung zu ziehen. Doch einerseits klang es besonders für Yami wie eine Beleidigung der Götter und andererseits erschreckte Yuugi die offensichtliche Zustimmung der Slytherins. Ihnen schien zu gefallen, dass auch schon in früheren Zeiten Zauberer die einfachen Menschen beherrscht hatten – so wie es nach der Meinung der Reinblüter und Voldemorts schon immer hatte sein sollen.
 

Um nicht noch weitere Missverständnisse aufkommen zu lassen, erhob sich nun Yami und zeigte damit an, dass nun er sprechen wollte. Yuugi nickte ihm wortlos zu und ließ sich wieder im warmen Sand nieder.
 

Der ehemalige Pharao blickte die Schüler lange nachdenklich an, bevor er zu sprechen begann. Und seine Stimme war so voller Ernst, dass niemand seine Worte anzweifelte.
 

„Es handelt sich bei denn allmächtigen Göttern keineswegs nur um machtgierige Zauberer, die ihre Stellung ausnutzten, um das Volk zu unterdrücken. Sicher, die Götter verlangten Opfer und forderten Gehorsam und Glauben, aber kein Gott war nur grausam oder gab nichts an den Gläubigen zurück. Dass der Nil jedes Jahr über die Ufer trat und fruchtbares Land schuf, dass jeden Tag erneut die Sonne aufging, dass Regen fiel und Kriege gewonnen wurden, das alles vollbrachten die Götter. Es gab für jeden Lebensbereich mindestens einen Gott und dieser forderte nicht nur, sondern machte auch großzügige Geschenke an die, die wahrhaft gläubig waren. Und ihr solltet nicht vergessen, dass die Herrschaft Ägyptens in einer Zeit begann, als andere Länder noch in der Barbarei versunken waren und noch nicht einmal Kultur und Kunst kannten. Kemet, das schwarze Land am Nil konnte sein Volk drei Jahrtausende lang Wohlstand und ein angenehmes Leben schenken und das nur durch den Glauben an die Götter.“
 

Yami schwieg sekundenlang und seine Hand berührte sein Milleniumspuzzle. Auch er hatte von den Göttern wertvolle Geschenke erhalten. Sein Blick fiel kurz auf Yuugi, bevor der ehemalige Pharao weiter sprach.
 

„Natürlich könnt ihr Recht haben. Vielleicht waren auch die Götter Ägyptens nur Sterbliche mit außerordentlicher Macht, so wie die Zauberer heute sehr viel mächtiger sind, als die nichtmagischen Menschen. Doch die Götter herrschten nicht. Sie lenkten das Land, für welches sie sich verantwortlich fühlten nur mit ihrer Kraft und nach bestem Wissen und Gewissen. Sie schenkten dem Volk viel, verlangten aber nie mehr, als die Menschen ihnen dafür geben konnten – ihren Glauben und ihre Liebe. Vielleicht ist das die Definition Gottes – der Lenker im Hintergrund, der sich seiner Macht bewusst ist und sie für seine Schutzbefohlenen einsetzt, ohne einen Preis dafür zu verlangen, der nicht freiwillig gegeben wird. Dafür stehen alle ägyptischen Götter ohne Ausnahme und selbst wenn sie nur mächtige Sterbliche waren, verdienen sie trotz allem nicht weniger Respekt.“
 

Die meisten Schüler schwiegen nachdenklich, während den Slytherins offensichtlich nicht gefallen hatte, was Yami soeben gesagt hatte. Ihnen passte ein diktatorischer Herrscher viel besser in ihr Weltbild.
 

Dann hob sich ein Hand und Yami blickte Ron fragend an. „Aber es waren doch nicht alle Götter gut. Apophis, Seth und Osiris stehen doch für das Böse. Warum wurden sie trotzdem verehrt?“
 

Yami lächelte leicht, als er diese Frage hörte.
 

„Das ist nicht ganz richtig. Von diesen drei genannten Göttern war nur einer wirklich böse. Osiris ist zwar der Gott der Unterwelt, aber auch des Ackerbaus. Er sorgte dafür, das Weizen und Gerste auf den Feldern wuchsen und nahm nach dem Tod die Seelen der Verstorbenen auf und ihr zweites Leben in der Unterwelt begann. Das kann man nicht wirklich als Böse bezeichnen. Jeder Glaube braucht ein Jenseits, einen Ort wo die Seelen nach dem Tod Ruhe finden. Osiris’ Funktion war also durchaus nötig und anerkannt und er war daher sogar einer der wichtigsten Götter. Es gibt weitere Beispiele. Bastet ist die Göttin der Fruchtbarkeit, des Glücks und der Frauen. Ihre zweite Inkarnation Sachmet hingegen ist die Göttin des Krieges und der Wut und wurde selbst unter den Göttern gefürchtet. Andererseits heilte sie auch und vergab Sündern, wenn diese bereuten. Tefnut, eine der weniger wichtigen Göttinnen war sowohl für Feuchtigkeit als auch für Hitze verantwortlich. Beides kann Segen und Fluch sein. Es gibt viele solche Beispiele, wo ein Gott eine hilfreiche und eine bedrohliche Eigenschaft hat – doch niemand würde behaupten, der Gott wäre deshalb böse. Die Ägypter begrüßten das Erfreuliche und nahmen das Unerfreulichere hin.“
 

Yami lächelte leicht in sich hinein und auch Yuugi kicherte in ihrem Seelenraum amüsiert.
 

„Seth ist wieder etwas anderes. Nach dem Osiris-Mythos lockte Seth seinen Bruder Osiris, der über Ägypten herrschte, in eine Falle und tötete ihn. Seth herrschte lange Jahre über Ägypten und erst Osiris’ Sohn Horus brachte ihn zu Fall, als er selbst den Thron verlangte und mit Hilfe seiner Mutter Isis – Seths Schwester – und weiteren Göttern Seths Abdankung forderte. Seth war mächtiger, stärker und klüger als Osiris und daher konnte er diesen besiegen und über das Land herrschen. Horus kämpfte gegen Seth mit fast den gleichen hinterhältigen Mitteln wie sein Onkel und dennoch gilt Horus als „gut“, weil es ihm gelang den Mord an seinem Vater zu rächen – der eigentlich nicht mehr war, als der Triumph des stärkeren Seth über den schwächeren Osiris. Seth hingegen gilt als „böse“ und ist der Gott der Wüste, des Sturms und der Vernichtung, obwohl er lange Jahre gerecht über Ägypten herrschte und jeden Tag die Apophisschlange besiegte und somit daran hinderte Res Sonnenbarke zu verschlingen und Chaos über der Welt zu verbreiten. Man muss also immer beide Seiten sehen.“
 

‚Ja, ja, der liebe Seth. Es ist immer wieder erstaunlich wie ähnlich Seto und seine frühere Inkarnation dem Gott Seth sind.’ Yuugi kicherte noch immer und Yami konnte ihm nur einen halb strafenden, halb genervten Blick schenken. Der Japaner riss sich darauf hin zusammen und meinte mit einem leichten Lächeln: ‚Wie Ihr befehlt großer Pharao, ich werde nun schweigen und Euren Worten ehrfürchtig lauschen. Und Seth ist trotzdem einer meiner Lieblingsgötter.’
 

Yami verdrehte die Augen und seufzte schicksalsergeben auf, bevor er sich wieder den Schülern zuwandte.
 

„Dann ist da natürlich noch Apophis. Er ist als Götterschlange der Gegenspieler des Sonnengottes Re und lauert immer wieder darauf, dessen Sonnenbarke zu verschlingen. Das würde Tod und Chaos und die Vernichtung der Welt bedeuten. Damit trifft das durchaus die Definition „Böse“. Aber braucht nicht alles einen Gegenpart? Ying und Yang in der japanischen Mythologie stehen ebenfalls für Gut und Böse, Hell und Dunkel, Frau und Mann, Licht und Schatten. Ordnung kann nicht ohne Chaos existieren. Licht ohne Finsternis ist undenkbar. Kuk und Kauket stehen zum Beispiel als eins der 4 Urgötterpaare für die Urfinsternis, welche existierte, bevor die Sterne und der Urraum erschaffen wurden. Dennoch sind sie nicht böse sondern notwendig. Auch Apophis ist als Vertreter für Chaos, Finsternis und Dunkelheit nötig, damit Re für Ordnung und Licht stehen kann.“
 

Ein Huffelpuff unterbrach Yami verwirrt: „Aber ist das Dunkle nicht immer böse? Natürlich muss es existieren, aber es ist doch nicht erstrebenswert oder verehrungswürdig.“
 

Yami schüttelte den Kopf. „Dunkel und Böse sind dennoch nicht dasselbe. Auch Licht kann verbrennen und töten, während Schatten Schutz bieten und retten kann. Zuviel Licht ist genauso verheerend, wie zuviel Dunkelheit und es kommt auf das Gleichgewicht an. Beides, Licht und Schatten, existiert schon seit Anbeginn der Zeit und zum Bösen haben erst die Menschen die Dunkelheit gemacht, weil sie sich vor dem Unbekannten, nicht Wahrnehmbaren in ihr fürchten. Was den Menschen Angst macht, das fürchten sie und so setzen sie ihre Angst vor dem Unbekannten mit der Dunkelheit gleich, weil diese nur allzu oft Unbekanntes verbirgt. Dabei vergessen die Menschen nur, dass Böses auch am helllichten Tag geschehen kann und Gutes in einem dunklen Mantel der Verborgenheit gehüllt getan werden kann. Für die Menschen ist das Böse dunkel, obwohl Schatten und Finsternis nichts Böses an sich haben, sondern einfach nur ein nötiger Bestandteil unserer Welt sind.“
 

Yami schwieg und Yuugis sarkastische Gedanken drangen zu ihm: ‚Wann ist das eigentlich von einem Vortrag über die Götter zu einem Plädoyer für unsere Schattenmagie geworden?’ Der Pharao konnte dem nur zustimmen und Bitterkeit stieg in ihm auf. Eindringlich sah er auf die Schüler vor sich, doch diese schwiegen teils ungläubig, teils nachdenklich.
 

Dann spürte Yami, wie Yuugi ihn in ihrem Seelenraum innig umarmte und warme Gedanken des Trostes und der Beruhigung erreichten ihn und hüllten ihn schützend ein. Yuugi wusste genau, wie sich der ehemalige Pharao fühlte, angesichts dieser teilweise offenen Ablehnung gegen die Schatten. Für Yami waren sie ein wichtiger Teil seines Lebens und er konnte nur schwer verstehen, wie Menschen sich vor etwas fürchteten, was in keiner Weise böse oder verdammenswert war. Sicher, die Schatten waren gefährlich und nicht zu unterschätzende Gegner für die, die es verdienten. Doch sie hatten nichts Böses an sich. Yami und Yuugi spürten beide, dass die hier anwesenden Schüler noch viel zu sehr in ihrem Denkschema gefangen waren, was ihnen von je her eingetrichtert wurde – Voldemort, der Feind der Zauberer war böse und gefährlich und tarnte sich in der Nacht und im Dunklen. Also war Schwarz böse und Weiß gut. Dass alles zwei Seiten hatte und diese Welt nicht nur aus schwarz oder weiß sondern eher aus verschiedenen Grautönen bestand, das mussten diese jungen Zauberer wohl erst noch begreifen. Yami seufzte leise. Er würde wohl einfach Geduld haben müssen und konnte nicht zu viel von diesen jungen Menschen erwarten, wo doch ältere und weisere Zauberer wie Dumbledore noch in der gleichen Gedankenfalle gefangen waren. Es würde einen langen Kampf und viel Nachsicht brauchen, bis seine gerade geäußerte Ansicht überhaupt akzeptiert wurde und erst dann waren die Zauberer bereit, seine und Yuugis Magie zu verstehen.
 

Plötzlich erklang ein heller Glockenton und holte alle wieder aus ihren grübelnden Gedanken hervor. Professor Binns hatte für Yuugi und sein anderes Ich diesen Ton in die Projektion eingearbeitet um anzuzeigen, wann die Stunde vorbei war und so erhob sich auch Yuugi von seinem bequemen Sitz im warmen, ägyptischen Sand und verabschiedete die Schüler, die teilweise still und nachdenklich, teilweise aufgebracht diskutierend durch eine plötzlich mitten in der Wüste erschienenen Holztür aus dem Klassenraum verschwanden. Der Blick der beiden Duellanten fiel jedoch auf eine kleine Gruppe von Schülern, darunter Hermine, Ron und auch die beiden Träger dieser seltsamen halb goldenen, halb silbernen Auren – Harry Potter und ein blonder, hochgewachsener Slytherin. Besonders die beiden letzteren blickten Yami und Yuugi nachdenklich an, bevor sie sich den anderen Schülern anschlossen und die Projektion verließen. Und der Pharao und sein Hikari konnten sich nicht helfen, aber sie ahnten, dass zumindest diese vier verstanden hatten, was Yami mit seinen eindringlichen Worten andeuten wollte.
 

/Nun, was kann man auch anderes von zwei Menschen erwarten, deren Aura zu gleichen Teilen positiv und negativ ist. Und nach Dumbledores Bericht über Harry Potters Begegnungen mit Voldemort muss besonders ihm klar sein, dass nicht alles so einfach in schwarz und weiß zu trennen ist./
 

Yuugi nickte: ‚Dieser selbsternannte Lord handelt wahrscheinlich wirklich nur aus Machtgier und es wird schwer sein, an ihm einen guten Teil zu finden, doch Harry musste in diesen Kämpfen sicher schon oft Dinge tun, die jeder andere für böse halten würde, die aber nötig waren, um ihn oder seine Freunde am Leben zu erhalten.’
 

Bitterkeit sprach aus der Stimme des Jüngeren und Yami umarmte seinen Geliebten nun auch in der Wirklichkeit, dann es war kein Schüler mehr als Zeuge da. Minutenlang standen sie eng umschlungen in der einsamen Wüste Ägyptens, nur beobachtet von dem Abbild einer Sphinx, und genossen die tröstliche Gegenwart des anderen. Auch Yuugi hatte in seinen unzähligen Kämpfen Dinge getan, auf die er nicht stolz war, die aber hatten getan werden müssen, um seine Freunde zu retten.
 

Nach einigen Minuten trennten sich die beiden dann jedoch wieder und Yuugi lächelte Yami wieder fröhlich an.
 

„Für unsere erste Stunde war es doch gar nicht schlecht. Etwas melancholisch und tief greifend an manchen Stellen – was nur wenige der Schüler zu schätzen wissen werden - aber sonst ganz okay!“
 

Yami lachte leise und sandte Yuugi ein amüsiertes Gefühl über ihr Seelenband. „Verzeih mir, ich konnte nicht anders, als sie von den „bösen“ Göttern anfingen. Es war eine gute Gelegenheit, sie auf das Kommende vorzubereiten. Und wer weiß, vielleicht ist die Botschaft ja bei mehr Leuten angekommen als wir glauben – Harry und seine Freunde machen ja schon einen recht viel versprechenden Eindruck.“
 

Yuugi nickte und gemeinsam verließen sie Yamis Heimat und traten durch die Holztür auf den steinernen Gang Hogwarts hinaus. „Jetzt müssen wir nur noch Dumbledore-sama und die anderen Lehrer sowie den Rest der magischen Welt dazu bringen, dass sie uns zuhören und glauben und dann werden sie uns auch nicht fürchten, wenn wir unsere Macht offenbaren.“
 

Yami schenkte seinem Licht ein sarkastisches Grinsen. „Also ein leichtes Unterfangen, das sollte vor dem Abendessen zu erledigen sein, nicht Aibou!“
 

Yuugi ließ es zu, dass sein Gelieber einen Arm um seine Hüfte schlang, denn momentan spürten sie niemanden in ihrer unmittelbaren Nähe, der sie beobachten könnte. „Wir müssen einfach Geduld haben und früher oder später werden unsere Taten für uns sprechen und dann werden sie erkennen, dass Schatten nicht böse sind und sie werden uns vertrauen und unsere Hilfe sogar annehmen. Das ist es ja immerhin, warum wir eigentlich überhaupt hier gelandet sind.“
 

Yami konnte nur wortlos zustimmen und gemeinsam gingen sie zu ihrem Zimmer zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rowanna
2016-11-23T01:03:02+00:00 23.11.2016 02:03
Hey, deine FF wird im Laufe der Zeit immer besser. Von Anfang an war sie gut, aber die Charaktere wirken mit jedem Kapitel realistischer, dein Schreibstil reifer und flüssiger. Die Handlung gefällt mir nach wie vor sehr gut. Daumen hoch!


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