Zum Inhalt der Seite

Das Brunnenmädchen und die Vergänglichkeit

Eine kleine Kurzgeschichte
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wie immer ging sie von der Schule nach Hause mit ihren beiden Freundinnen. Jeder plauderte von seinen neusten männlichen Errungenschaften und sie erzählten ihr von den sexuellen Erfahrungen. Natürlich im Flüsterton, wie es sich für echte Damen ziemte.

Sie selbst konnte nicht viel erzählen, also schwieg sie und hörte zu.

Sie kamen an einem Brunnen vorbei, der leise vor sich hinplätscherte. Hier war schon immer ihr Lieblingsplatz gewesen, an den sie sich zurückzog, um nachzudenken. Sie liebte die Ruhe und Geborgenheit, die ihr der kleine Park bot.
 

Und da saß er:

Man konnte sein Gesicht kaum erkennen, da er es in ein dickes Buch getaucht hatte, aber seine Augen glitten über die Zeilen hin und her voller Neugier und Leidenschaft. Seine blonden, fransigen Haare fielen ihm ins Gesicht und kleine Grübchen zeichneten sich auf seinen Wangen ab, scheinbar weil er eine lustige Stelle las.

Ihre Freundinnen bemerkten ihr Interesse und zogen sie sofort in seine Richtung. „Hey, du da … ja, du da, der so ins Buch vertieft ist. Schau mal, dass ist unsere Freundin!“, bellte eine von ihnen heraus.

Er schaute auf und tiefgrüne Augen blickten die Interessierte an. Einen kurzen Moment schien er verwirrt zu sein, doch dann lächelte er schüchtern. „Nur weil sie eure Freundin ist, müsst ihr sie nicht gegen ihren Willen umher ziehen, als sei sie ein Hund, oder?“, bemerkte er mit sanfter, männlicher Stimme.

Die beiden Freundinnen schienen erbost über diese Aussage zu sein und drehten sich eingeschnappt vor ihm weg. Doch sie blickte ihn weiter unverwandt an.

Langsam ging sie näher auf ihn zu und sprach leise, fast schon flüsternd: „Ich habe das Buch auch gelesen, es ist sehr schön. Aber das Ende ist leider sehr traurig!“

„Nun, nicht alles im Leben kann ein Happy End haben, nicht wahr?“, sprach er und lächelte sie unverwandt an. Sie nickte nur.

Plötzlich zogen die zwei Freundinnen sie von ihm weg, mit der Begründung es sei schon spät und man müsse endlich nach Hause gehen.

„Ich wollte noch ein wenig mit ihm reden“, dachte sie sich, doch gegen ihre Freundinnen sagte sie niemals etwas, da sie ansonsten keine mehr gehabt hätte.
 

Am nächsten Tag hatte sie ein wenig eher Schulschluss und verschwand ohne ein Wort zu ihren beiden Freundinnen zu sagen aus dem Gebäude.

Schnellen Schrittes ging sie zu dem Brunnen, welcher wie immer gut besucht war, doch egal wie oft sie den runden Wasserspender umging, sie fand ihn nicht.

Betrübt und traurig setzte sie sich auf eine Bank und starrte auf das Wasser, welches von einer kleinen Turmspitze im Brunnen herunter floss und sich langsam im Becken sammelte.

Sie schloss die Augen und filterte die störenden Geräusche von Autos, schreienden Kindern und sonstigem Stadtlärm heraus und hörte nur noch auf das Singen der Vögel und dem monotonen Plätschern des Wassers.

„Deine Freundinnen haben dich heute mal in Ruhe gelassen?“

Sie schreckte hoch und riss ihre Augen auf. Sein Gesicht war so nah an ihrem, dass sie beschämt zur Seite blickte und rot wurde. Ein leises Lachen entrang sich seiner Kehle.

„Hast du auf mich gewartet?“, fragte er und setzte sich neben sie auf die Bank. Doch er hielt einen gewissen Abstand zwischen ihnen Beiden, sodass sie sich zu ihm umdrehen musste, um ihn anzusehen. „Ja, also … ich hatte heute eher Schluss und dann komme ich immer hierher. Ich liebe diese Atmosphäre hier einfach und kann gut entspannen!“, sagte sie und senkte sofort den Kopf, weil sie glaubte, sie langweile ihn mit ihrem belanglosen Gefasel.

Er jedoch lachte wieder und sagte: „Stimmt, du sitzt oft hier. Ich habe dich gesehen, manchmal mit deinen Freunden. Sind sie überhaupt deine Freunde?“
 

Und so sprudelte es aus ihr heraus. All der Frust und die Enttäuschung der letzten Jahre:

„Nein, ich mag sie nicht mal und sie mögen mich auch nicht. Aber ich bin gut in der Schule, sodass sie alles von mir abgucken oder meine Hausaufgaben haben wollen. Meine Mutter und ich sind erst seit einem Jahr hier. Sie wurde durch die Arbeit hierher versetzt. Die Klasse mochte mich so schon nicht, gleich von Anfang an. Naja … ich mag sie auch nicht. Alle sind oberflächlich, niemand sieht mehr die kleinen Dinge des Lebens, die auch Spaß machen. Nur Männer, Klamotten und Alkohol. Mehr interessiert sie nicht, … und … oh mein Gott, ich langweile dich sicher fürchterlich damit. Es tut mir Leid!“

Er lächelte verständnisvoll und schüttelte seine blonde Mähne von der einen auf die andere Seite. „Nein, nein. Du hast völlig Recht! Die Frage ist doch nur: Warum bist du nicht so geworden wie sie?“

Sie überlegte und zuckte dann mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Mich tangieren keine materiellen Dinge, denn diese sind vergänglich!“ Sie schaute ihn an, denn noch nie zuvor hatte sie so mit Jemanden geredet, erst recht nicht mit einem Fremden und erst recht nicht mit einem jungen Mann.

Er schien über etwas nachzudenken und war völlig in Gedanken versunken. Sie wartete seine Antwort ab und kurz darauf begann er zu sagen: „Aber auch immaterielle Dinge wie Liebe und Freundschaft sind vergänglich. Wenn nicht, gäbe es keine Dramen, keine Scheidungen. Alles ist vergänglich, deswegen ist es ja so wichtig, dass man jeden Tag so lebt, als wäre es des Mensches Letzter!

Dennoch würde ich dich gerne zu einer weltlichen und materiellen Sache einladen und zwar einem Eis, natürlich nur wenn du magst?!“ Ein kleiner hoffnungsvoller Blick entwich seinem sonst starren Grinsen und sie konnte nicht umhin, ihn anzulächeln und freudvoll zu nicken.
 

Noch lange philosophierten sie über den Sinn des Lebens und noch länger wurden die Treffen danach, für die sie sich verabredeten.

Aus dem schüchternen Mädchen wurde als bald eine hübsche junge Frau und der junge Mann bot ihr all das im Leben, von dem sie schon immer geträumt hatte.

Doch stets sagte er einen bestimmten Satz: „Denk daran, meine Liebste. Nicht alles im Leben hat ein Happy End!“
 

Einen Tag vor der Hochzeit der Beiden rief er sie an. Acht Jahre waren seitdem vergangen und sie wünschte sich nichts sehnlicher als endlich seine Frau zu werden.

„Mein Schatz, ich danke dir für die schöne Zeit. Nie werde ich dich vergessen und stets über dich wachen.

Leb wohl, mein kleines Brunnenmädchen!“

Kurz nach seinem verwirrenden Anruf, welchen sie für einen seiner Scherze gehalten hatte, rief ein Arzt aus einem Krankenhaus an und sagte ihr, dass ihr Freund vor circa acht Stunden bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Cygni
2009-03-22T21:40:01+00:00 22.03.2009 22:40
ohh... das ist traurig.
es ist echt schön, aber traurig.
er hat sie nach seinem tod noch angerufen, das ist i-wie total gruselig schön traurig.

ich kann garkeinen begeisterteten kommi schreiben, dei ff ist einfach zu bedrückend.
aber ich denke das soll sie auch sein...

lg stellax3
Von:  Otomo-san
2008-09-07T21:12:07+00:00 07.09.2008 23:12
Sehr traurig dennoch finde ich ist es eine deiner aussagekräftigsten Sachen die du je geschrieben hast finde ich. Es zeigt einem das leider Alles vergänglich und die Zeit die man hat nutzen sollte um sein Leben zu genießen. Ich denke so siehst du das auch. Ich liebe dich über alles meine Süße du bist meine Frau mit der ich mein restliches Leben verbringen möchte dein Tom.
Von:  Thuja
2007-10-10T18:12:05+00:00 10.10.2007 20:12
"Taschentücher raushol"
"heul"
Das ist super schön und leider auch sehr nah an der Realität. Viele Menschen (ich will jetzt nicht sagen, dass einige es verdient hätten) die es gar nicht verdienen, erleben manchmal echt schwere schicksalsschläge.
Das ist so tragisch.
Aber die GEschichte ist toll geschrieben. Das Mädchen tut mir so leid. Vor allen kam das Ende so unerwartet. Hatte der Junge das geahnt und es deswegen gesagt?!! Die Wege des Schicksals sind manchmal echt untergründlich

Auf jeden Fall war sie super toll. Ich nehme es gleich mal zu meinen Favos

Aber ich kenne das auch mit Freundinnen, die gar keine sind. Das ist schlimm, aber es ist schwer sich von solchen zu lösen


Zurück