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Animos - Die Kinder der Götter

Die Rettung von Teraden
von

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Bastians Streich

Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und der Mond ging auf über Teraden. Saladir schaute von einer Wolke aus auf die kleine Insel hinunter. Der Gott der Weisheit war nicht ganz zufrieden mit dem Leben der Menschen. Momentan herrschte Frieden, die Ernten waren reichlich und den Meisten ging es gut. Aber er wusste, dass dies zu Übermut und auch zu Grössenwahnsinn führen konnte. Die Menschen dankten es denn Göttern nicht mit Frieden, wenn es ihnen lange gut ging. Er wusste es. Er hatte alles geplant. Er würde in den nächsten Wochen eine Seuche über die Insel schicken. Nur so lernten die Menschen ihr Leben wieder zu schätzen. Aber noch würde er warten. Denn momentan war in Uroien das Sommerfest. Drei Wochen lang wurde gegessen, getrunken und gefeiert. Aber dann würde es beginnen. In dem Moment zuckte Saladir zusammen. Über seinem Kopf rasten gerade drei Sternschnuppen durch. Weitere zwei folgten. Die Menschen auf Teraden freuten sich sehr darüber, den Sternschnuppen waren im Allgemeinen ein Omen für glückliche Zeiten. Aber Saladir raste vor Wut. Im nächsten Moment war er von seiner Wolke verschwunden und schwebte zu einer anderen. Hier sass ein junger Mann, der sich vor Freude kaum mehr einkriegte. Saladir schrie in an: „Bastian, was soll das?“ Doch der Gott der Jugend lies sich nicht aus der Ruhe bringen. „Sie haben doch ihren Spass daran. Warum gönnst du den Menschen nicht diese kleine Freude?“ Saladir hasste es, wenn Bastian solches tat. „Sternschnuppen sind ein gutes Omen. Ich wollte aber eine Seuche schicken!“, erklärte er aufgebracht. „Dann verschiebst du das eben.“ Jetzt hatte Saladir endgültig genug: „Ab Morgen werde ich dich für ein Jahr in das ewige Feuer schicken!!“ Das ewige Feuer war die höchste Strafe, die nur durch den obersten der Götter verhängt werden durfte. Bastian nickte nur und verschwand dann. Er verzog sich auf eine Wolke über dem Meer. Aber er wäre nicht der Gott der Jugend, wenn er sich nicht noch einen kleinen Streich hätte einfallen lassen, in seiner letzten Nacht mit göttlicher Kraft. Und er lies sich etwas ganz besonderes einfallen.
 

Zwei Monate später, Bastian war noch immer im ewigen Feuer, da kam sein Streich ans Licht. Denn in jener Vollmondnacht geschah auf Teraden etwas sehr eigenartiges. Es wurden sieben Halbmenschen geboren. Auf den Nadelfelsen im Norden ein Halbfalke, im Schmugglerwald ein Halbhirsch und eine Halbwölfin, in Haldo eine Halbkatze, in Mon eine Halbfledermaus, in Zon eine Halbschlange und in der Haibucht ein Halbhai.

Als Saladir das erfuhr, tobte er natürlich. Erst fünfzehn Jahre später merkte er, dass es diesen Sieben bestimmt war, das Schicksal von Teraden zum Guten zu wenden.

Die Verwundete

Das Meer lag ganz ruhig da. Noch war alles finster und das Wasser war pechschwarz. Aber am Horizont sah man schon die ersten hellen Streifen der aufgehenden Sonne. Ich war auf dem Heimweg. Diese Nacht hatte ich keinen Erfolg gehabt bei der Jagd. Ich würde hungern müssen. Ich hatte schon drei Nächte lang nichts gefangen. All meine Vorräte waren aufgebraucht. Ich jagte immer nachts. Die anderen Haie in dieser Gegend kamen mir dann nicht in die Quere. Ich mied sie so gut ich konnte. Denn jedes Zusammentreffen konnte zu einem Kampf und zu meinem Tod führen. Es gab nicht viele unter ihnen, die mich nicht hassten. Deshalb musste ich bei meiner Höhle sein, bevor die Sonne auf gehen würde. Ich schoss durch das kalte Wasser. Ich war fasst so schnell, wie die echten Haie. Unterwegs schwamm mir noch ein kleiner Hering über den Weg. Ich biss zu. Der Hering zappelte noch kurz, dann hing er nur noch schlaff aus meinem Mund. Ich war zufrieden. Ich würde bestimmt nicht satt werden, aber es würde meinen leeren Magen ein bisschen beruhigen. Ich steuerte jetzt zielstrebig das Ufer an. Ich schlief nicht gerne im Wasser. Ich könnte schon, ich hatte ja Kiemen, aber ich fühlte mich einfach wohler auf festem Grund. Endlich wurde der Boden flacher. Beim ersten Felsen schoss ich aus dem Wasser. Geschickt landete ich auf dem nassen Stein. Ich freute mich schon auf den Fisch, den ich unter den Arm geklemmt hatte. Aber dann dachte ich nicht mehr ans Essen, den ich sah den Umriss der Gestalt, die vor meiner Höhle lag, schon von weitem. Ich dachte schon, es sei ein Landstreicher, der sich verirrt hatte, aber dann erkannte ich mit Schrecken, dass es eine Frau war. Ihr langes, schwarzes Haar verdeckte ihr Gesicht, ihre blassblaue Haut war blutverschmiert. Der lange Fischschwanz hatte halbkreisförmige Bissspuren. Ich erkannte sie sofort: es waren die Abdrücke eines Hais.
 

Der Weg war länger und steiler, als ich gedacht hatte. Ich musste eine Pause einlegen. Ich legte die verwundete Meerjungfrau vorsichtig ins Gras. Ich war sich das lange Gehen an Land nicht gewohnt. Nachdem ich aber wieder einigermassen zu Atem gekommen war, ging ich weiter. Ich musste sich beeilen. Ich hatte versucht, die Meerjungfrau wachzurütteln, aber sie war tief bewusstlos. Sie musste viel Blut verloren haben. Ich hatte mir die Wunden noch einmal genau angesehen. Es war ein tiefer Biss. Ich kannte mich mit Meerjungfrauen nicht so aus, aber ich vermutete, dass falls sie überleben würde, wohl nie mehr ganz gesund werden würde. Vielleicht würde sie nie mehr schwimmen können. Ich war selbst ein Wasserwesen, ich wusste, was das bedeutete. Ich konnte mir nicht vorstellen, nicht mehr zu schwimmen. Pfeilgerade durchs Wasser zu schiessen, dass war für mich das Grösste.

Endlich kam ich auf dem Gipfel an. Ein kleines Häuschen mit einem gepflegten Gemüsegarten und einigen Bäumen stand dort, ganz alleine und einsam. Ein zottiger, brauner Hund kam mir entgegen. Er knurrte mich an und fletschte die Zähne. Ich sah ihn kritisch an. Ich war noch nicht vielen Hunden begegnet und wusste nicht so recht, was ich von ihnen halten sollte. Ich war erleichtert, als ich hörte, wie jemand nach ihm pfiff. Der Hund kehrte um und kam mit einem Mann zusammen wieder zurück. Der Mann war noch nicht wirklich alt aber auch nicht mehr so jung. Er zählte vermutlich etwa dreissig Winter. Sein Haar war an manchen Stellen schon ein bisschen grau und sein Gesicht war ausgemergelt. Er war hager, aber er stand selbstbewusst vor mich hin und fragte: „Was willst du hier?“ Er starrte mich mit einer Mischung aus Abscheu und Furcht an. „Und was hast du mit der armen Frau gemacht?“

„Ich bin Tezan, der Haimensch“, antwortete ich langsam, „ich habe dieser Frau nichts getan. Ich bin hier, um sie zu retten. Ich möchte zu Lien.“ Ich sah dem Mann eindeutig an, dass er mir nicht glaubte. Aber das überraschte mich auch nicht sonderlich. Ich hatte einige Male mein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche angeschaut. Ich sah nicht aus wie ein glaubwürdiger, liebenswerter Mann. Ich, Tezan, sah aus wie ein Monster. Ich hatte eine flache Stirn, eine gewaltige Nase, vier Reihen spitzer Zähne, eine wilde Mähne von buschigem Haar und ein kurzes, buschiges Bärtchen. Aber das Auffälligste waren wahrscheinlich die fünf schlitzförmigen Kiemen auf meinen Wangen, die segelartigen Schwimmhäute zwischen meinen Fingern und Zehen und die Haiflosse, die mitten aus meinem Rücken stach. Der Mann schien ähnlich zu denken. Er sagte: „Ich bin Paron. Ich habe von dir gehört, Tezan. Du bist ein Animo. Ich weiss nicht, woher du meine Frau kennst, aber lass meine Familie und mich in Ruhe. Verschwinde von hier!“ Ich war verzweifelt. Paron musste doch sehen, dass die Meerjungfrau sterben würde, wenn ihr nicht bald jemand helfen würde. Ich musste etwas tun. Ich liess Paron einfach stehen und ging auf das Haus zu. Lien würde mir helfen. Aber Paron holte mich schnell ein. Wütend brüllte er etwas von Monster und dann zog er ein Messer aus seinem Gürtel. Ich entging der Klinge um Haaresbreite. Aber Paron holte schon erneut aus. Ich bewegte sich recht ungeschickt auf dem steinigen Boden und wäre bestimmt getroffen worden. Doch in dem Moment rief jemand vom Haus her: „Neein!! Nicht! Tu ihm nichts, Paron! Er ist gut!“ ..Lien.. ..alles wird gut.. Paron senkte das Messer und schaute etwas unsicher zu mir und dann zu der Frau, die auf die beiden zu gerannt kam. Hinter ihr kamen noch zwei Kinder. Als sie uns erreicht hatten, fragte Paron die Frau: „Woher kennst dieses Ungeheuer, Lien? Woher kennst du ihn?“ Lien sah mich lange an. Dann richtete sie sich wieder an ihren Mann: „Ich habe dir doch von dem Mann erzählt, der unsere Yari vor den Haien gerettet hat. Er war das. Und ich habe ihm versprochen, ihm immer zur Seite zu stehen, wenn er meine Hilfe brauchen sollte. Ich bin es ihm schuldig. Wir sind es ihm schuldig.“ Paron sah missmutig auf die Meerjungfrau. „Wie können wir dir helfen, Tezan?“, fragte er schliesslich bemüht freundlich. Erleichtert antwortete ich: „Ich habe sie bewusstlos gefunden. Ein Hai muss sie erwischt haben. Kannst du sie retten?“ Ich sah hilfesuchend zu Lien. Diese sah sich die Wunde genauer an. Schliesslich sah sie wieder zu mir und antwortete: „Ich werde es versuchen. Aber mach dir nicht zu viele Hoffnungen. Sie ist schon sehr geschwächt.“

Lien führte mich in das kleine Haus. Ich legte die Meerjungfrau auf eines der Lager. Lien holte Wasser, Kräuter und einige alte Lumpen. Dann begann sie die Wunde zu säubern. „Lasst mich nun allein mit ihr“, sagte sie. Paron führte mich raus in das Esszimmer. Er machte uns beiden einen Kräutertee und stellte noch etwas Brot auf, aber ich ass keinen Bissen, obwohl mein Magen knurrte. Ich hatte so was noch nie gegessen. Die beiden Kinder kamen nun auch noch an den Tisch. Yari, das Mädchen, zählte wohl etwa 6 Winter, ihr kleiner Bruder etwa 3. Yari sah mich mit grossen Augen an. „Wer ist die Frau, Haimensch?“, fragte sie, „und wieso hat sie einen Fischschwanz? Ist sie so wie du?“ Ich musste schmunzeln. Langsam antwortete ich: „Sie ist eine Meerjungfrau. Von ihnen gibt es viele. Aber von solchen wie mir habe ich bisher nur Gerüchte gehört.“ Wieder einmal fragte ich mich, was ich eigentlich war. Ein Animo, ja. Aber was war das? Wieso war ich halb Hai, halb Mensch? Paron riss mich aus meinen Gedanken: „Es gibt mehr Animos. Ein Fischer hat mir erzählt, er hätte eine Katzenfrau gesehen. Andere erzählen von einem Falkenmenschen und einem Hirschmann. Und alle sind in deinem Alter. Es gibt auch Geschichten, wonach ihr alle in derselben Nacht geboren worden seid. Aber es gibt wohl kaum über jemanden mehr Geschichten als über euch.“ Schweigen setzte ein. Ich musterte den kleinen Jungen. Schliesslich fragte ich ihn: „Wie heisst du?“ Der Junge sah mich mit grossen Augen an. „Shuro“, antwortete er scheu. „Ein schöner Name.“ Ich lächelte ihn an. Und Shuro lächelte zurück. Dann war es wieder lange still. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Wieso dauerte das bloss so lange? Wie es ihr wohl ging? Endlich ging die Tür auf und Lien kam ins Esszimmer. Ich sprang auf und sah sie fragend an. „Keine Angst, keine Angst, sie wird leben. Aber sie braucht Ruhe. Sie sollte einige Tage bei mir bleiben.“ Man sah Paron an, wie begeistert er von der Idee war, den Haimenschen und seine Nixe noch länger um sich zu haben. Ich fasste einen Entschluss: „Ich nehme sie mit. Ich werde mich um sie kümmern. Du schuldest mir nichts mehr. Danke, dass du ihr geholfen hast.“ Lien war erst nicht so begeistert, aber sie waren arm und hatten kaum genug zu essen für sich selbst. Und so liess sie uns schliesslich doch gehen. Sie gab mir haufenweise Kräuter und Salben mit und versprach, in drei Tagen nach der Meerjungfrau schauen zu kommen. Als ich mit der immer noch bewusstlosen Wasserfrau das Haus verliess, kam sogar Paron noch mit nach draussen, um uns zu verabschieden. Inzwischen war es heller Morgen. „Ich danke euch beiden von Herzen. Falls ich euch jemals helfen kann, lasst es mich wissen.“ Paron nickte. „Machs gut.“ Ich wollte schon gehen, aber dann kam Yari angerannt. Sie ging ohne jede Furcht auf mich zu und hielt mir eine Kette hin. Es war ein einfacher Lederriemen mit einem Stein. Ich war fast ein bisschen überrumpelt. ..sie schenkt mir was.. ..mir, dem Haimonster.. ..sie mag mich.. Tief berührt bückte ich mich, so dass das Mädchen mir den Talisman über den Kopf ziehen konnte. Dann sah ich noch einmal in die grossen Augen. „Gib auf dich acht!“, mahnte ich sie, dann ging ich los. Bald war ich hinter der Hügelkuppe verschwunden.

Das Zusammentreffen

Durch das dichte Blätterdach schienen die ersten Sonnenstrahlen. Aber es war noch immer kühl und der Nebel hatte sich noch nicht verzogen. Der Morgen begann gerade erst. Jetzt war die beste Zeit zum Jagen, das wussten die Wölfe. Sie schlichen sich von allen Seiten an die Gruppe Hirsche ran. Noch hatten sie nichts bemerkt. Sie waren seelenruhig am Fressen. Das Alpha-Männchen war schon ganz nah dran. Da hob einer der Hirsche den Kopf. Sofort erstarrten alle Wölfe und rührten sich nicht mehr von der Stelle. Der Hirsch schaute sich misstrauisch nach allen Seiten um. Doch dann frass er weiter, wie alle anderen. Das Alpha-Männchen blieb noch eine Weile regungslos und lies sein Blick über die Hirsche schweifen. Da entdeckte er einer, der etwas abseits am Boden sass. Er dachte schon an eine leichte Beute, als ihm auffiel, dass dieser Hirsch zwar sehr wohl ein Geweih hatte, aber ansonsten viel mehr ein Mensch war. Der Wolf erschrak. Damit hatte er nicht gerechnet.
 

Ich, eben dieser seltsame Hirsch, genannt Alower, hob in dem Moment auch den Kopf. Er hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, beobachtet zu werden. Er legte den Büschel Gras, an dem er gerade gekaut hatte weg und richtete sich auf. Er spitzte seine scharfen Hirschohren und schnupperte in der frischen Luft. Aber er bemerkte nichts Ungewöhnliches. Er wollte schon weiter fressen, als er ein leises Knacken aus dem Gestrüpp vernahm. Und nun roch er es auch. Wölfe! Alower wollte die anderen warnen, aber in dem Moment sprangen die Wölfe aus ihren Verstecken. Die Hirsche rannten sofort alle davon. Auch Alower wollte wegrennen. Meist konnte er einigermassen mit seinen Gefährten mithalten. Er rannte und blickte sich um nach seinen Verfolgern. In dem Moment, als er nicht auf den Weg achtete, stolperte er über eine Wurzel. Er fiel mit Gesicht hart auf den harten Waldboden. Sofort hatten die Wölfe ihn eingekreist. Einer stand ihm mit den Vorderpfoten auf den Rücken und so konnte er sich nicht aufrichten und sah nur Bruchteile von dem, was um ihn herum geschah. Die Wölfe sprachen miteinander, aber Alower verstand ihre Sprache nicht. Er hatte schon Mühe, die Rehe oder Elche zu verstehen, aber die Wölfe sprachen ganz anders.
 

Mittlerweile waren alle Wölfe zusammen gekommen und hatten sich in einem Kreis um die Beute und das Alpha-Männchen versammelt. Ich war die Letzte. Ich hatte nicht viel mitbekommen, was passiert war. Bei der Jagd hielt ich mich immer im Hintergrund. Ich war zu langsam und zu schwach. Deshalb hatte ich auch noch nicht mitgekriegt, dass das hier gar kein echter Hirsch war.

Jetzt begann Malaar, das Alpha-Männchen, zu sprechen: „Wir haben den Halbmenschen erwischt. Was wollen wir mit ihm machen?“ Gemurmel ging durch die Menge, aber niemand antwortete. Ich war verwirrt. Halbmensch? So nannte Malaar mich manchmal. Ich mochte das nicht. Ich mochte es nicht, dass ich anders war als Malaar und die anderen Wölfe. Ich mochte meine Menschengestalt nicht. Aber jetzt gab es wohl noch jemand anderes, der wie ich war. Ich drängte mich nach Vorne und blickte dem Halbhirschen direkt in die Augen. ..wie ich.. ..Halbmenschen.. ..auch Menschen.. In dem Moment fühlte ich mich seltsam getröstet und doch schrecklich allein.
 

Die Wölfe schienen sich nicht einigen zu können, was sie mit mir anstellen wollten. Ich war verzweifelt. Wenn ich sie doch nur verstehen könnte… Da plötzlich gab es eine Bewegung im Rudel, einer der Wölfe drängte sich nach vorne. Mir stockte der Atem. Das war gar kein Wolf. Es war eine Frau. Also sie hatte den Körper einer Frau. Aber oberhalb der Nase hatte sie ein Wolfsgesicht. Und sie hatte einen buschigen Wolfsschwanz.

Als ich in ihre grünen Augen sah, begann ich zu zittern. Nie hatte ich so etwas Schönes wie sie gesehen. Ihr langes dunkelbraunes Haar bewegte sich leicht in der frischen Morgenbrise. Ihr Gang war anmutig, nicht so kraftvoll wie der der anderen Wölfe, aber viel eleganter. ..so schön.. ..unerreichbar.. ..Sehnsucht..

Die Stimmen der Wölfe rissen mich aus meiner Trance.
 

„Djucha, kennst du diesen Jungen?“ Der Bann löste sich. Ich schreckte hoch und sah zu Malaar. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich spürte, dass uns etwas Gewaltiges verband, aber dennoch sah ich ihn zum ersten Mal. Langsam sprach ich: „Lasst ihn gehen. Er ist keine Gefahr für euch und fressen könnt ihr ihn auch nicht. Was wollt ihr mit ihm?“ Malaar sah mich skeptisch an. Irgendeiner der Wölfe rief plötzlich: „Wieso seid ihr anders?“ Es war wie ein Startzeichen. Plötzlich riefen alle durcheinander: „Was seid ihr?“ „Dämonen!!“ „Töten wir die zwei!!“

Ich stand verzweifelt dazwischen und wusste mir nicht zu helfen. Da schrie Malaar dazwischen. „Ruhe, sofort Ruhe!“, befahl er, „wir alle kennen Djucha seid ihrer Geburt. Sie ist bei uns aufgewachsen. Sie gehört zu uns, sie ist eine von uns. Ihr alle wisst das. Wer dieser Bursche ist, weiss ich nicht. Aber wir werden ihm einen Tag lang Gastfreundschaft gewähren. Nehmt ihm die Waffen ab. Einen Tag, dann muss er gehen.“ Alle stimmten in zustimmendes Geheul ein.
 

Das Wolfsgeheul jagte mir einen Schauer über den Rücken. Aber nun liess der Wolf, der wohl irgendwie der Anführer war, endlich von mir ab. Zwei andere Wölfe kamen zu mir. Einer nahm mir meinen Bogen und meinen Köcher vom Rücken, der andere zog mein Messer aus meinem Gürtel. Aber dann gingen sie wieder und liessen mich einfach am Boden liegen. Sie liessen mich gehen? Es sah ganz so aus. Ich zog mich ein bisschen aus dem Getümmel zurück. Aber gehen wollte ich noch nicht. Zuerst wollte ich mit Ihr sprechen. Ich sah mich um, und da sah ich sie, sie kam direkt auf mich zu. Sie lächelte scheu. Ich lächelte zurück. Dann war sie endlich da. Ich wusste nicht so recht, was sagen, also sagte ich einfach nur: „Danke!“ Ich sagte es in der Sprache der Menschen, ohne gross nachzudenken hatte ich in ihr gesprochen. Es war schon seltsam. Aber sie verstand mich. „Du musst nicht mir danken. Danke Malaar. Ohne ihn wären wir jetzt wohl beide tot.“ Ich nickte. Ich beschloss, mich wirklich bei ihm bedanken zu gehen. Aber zu erst musste ich wohl ein paar andere Dinge klären. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagte die Wolfsfrau: „Du kannst einen Tag lang hier bleiben. Dann werden sie dir deine Waffen wieder geben und dann musst du gehen. Wieder nickte ich. Ich brachte irgendwie einfach keinen Ton raus. Ich war ihr so unendlich dankbar. „Ich bin Alower!“, sagte ich schliesslich. Wieder dieses bezaubernde Lächeln. „Ich bin Djucha!“ Dann war es lange still zwischen uns. Aber es war okay. Es reichte mir schon, sie nur anzusehen. ..so schön..
 

Es gab so vieles, dass ich ihn fragen wollte. Seine Ankunft hatte mich total aus der Bahn geworfen. Bis jetzt hatte es mich wenig interessiert, dass ich eine Menschengestalt hatte. Ich hatte mich dennoch voll und ganz als Wolf gefühlt. Aber jetzt… ..wer bin ich?.. irgendwie hatte ich das Gefühl, er wisse mehr als ich, was ja auch stimmte. Aber ich wusste einfach nicht, wo ich anfangen sollte, zu fragen. Was sind wir? Wieso sind wir so? Wie viele sind wir? Kennst du die anderen?

Irgendwie schien er zu wissen, was ich dachte, denn er sagte: „Komm, wir gehen ein bisschen spazieren. Ich schätze, wir haben viel zu reden.“

Sheer

Wie immer schlug mir beissender Rauch entgegen, als ich Meister Mortons Hütte betrat. Meine Augen begannen sofort zu tränen und ich konnte nur mit Mühe ein Husten unterdrücken. Isael war schon da. Er und mein Meister warteten am Boden um eine Kerze sitzend. Morton war ganz und gar nicht erfreut über meine Verspätung. Ich wusste es. Aber er liess sich nichts anmerken und sagte nichts. Er sagte selten etwas. Und doch wusste ich, dass ich meine Strafe im Verlaufe dieses Nachmittags noch bekommen würde. So war es immer. Aber ich sass dennoch neben Isael zu der Kerze. Nun endlich hob Morton den Blick und begann zu sprechen: „Heute werde ich euch einen Fluch lernen, mit dem ihr ein Wesen zwingen könnt, das zu tun, was ihr wollt. Wir werden es an einer Ratte üben.“ Morton stand auf und holte einen kleinen Käfig, in dem ein paar Ratten sassen. Es roch übel nach Kot und Tod. Die Ratten waren eng zusammen gedrängt und griffen einander die ganze Zeit an. Zwei waren tot, eine davon war schon halb aufgefressen. Mir wurde übel und ich begann zu schwitzen. Ich hasste diese düstere Hütte. Es gab nur ein einziges, winziges Fenster und das war von Lumpen verhangen. Aber dennoch sah ich, dass draussen die Sonne schien. Wie gerne wäre ich jetzt mir Isael durch den Dschungel gestreift.

Ich sah die Ratte vor mir mitleidig an. Sie hatte überall Bisse und ihr Fell war an den meisten Stellen ausgefallen. Dann hörte ich wieder Morton zu. „Ihr müsst euch mit eurem ganzen Geist auf sie konzentrieren. Dann sprecht ihr die Worte orda me!“

Ich und Isael wussten beide, was das hiess. Gehorche mir! Morton hatte uns Nachmittage lang die schwarze Sprache gelernt.

Morton zeigte es uns zuerst vor. Er schloss die Augen und versank in Trance. Nach einer Weile öffnete er sie und zischte: „Orda me!!“ Die Ratte biss sich plötzlich selbst in den Schwanz. Sie quietschte, aber sie biss immer fester zu. Blut tropfte auf den Boden. Schliesslich hielt sie denn Schwanz zwischen ihren Zähnen. Sie quietschte immer noch. Ich schaute weg. ..so grausam.. Ich wollte Morton an die Kehle springen. Aber ich tat nichts. Ich tat nie etwas.

Endlich liess Morton von der Ratte ab, der Bann brach und sie rannte schnell davon. Nun war Isael an der Reihe. Seine Augen glänzten vor Erregung, ich wusste, dass er so was gerne tat. Er war einfach durch und durch ein Schwarzmagier. Nicht wie ich. Zumindest von der Einstellung her.

Isael wollte das Selbe versuchen wie Morton, doch seine Ratte wollte nicht so recht gehorchen. Sie knabberte nur ein bisschen an ihrem Schwanz, dann begann sie sich seelenruhig zu putzen. Morton und ich lachten.

Dann kam ich. Ich wusste nicht so recht, was ich sie anstellen lassen sollte. Ich wollte sie nicht quälen. Da kam mir ein Gedanke. Ich zog mein Messer und legte es mit der Schneide nach oben auf den Boden. Dann konzentrierte ich mich auf die Ratte, wie Morton es mir gelernt hatte. In meinem Kopf war nur noch die Ratte, alles andere wurde verbannt. ..Ratte.. ..Ratte.. „Orda me!“ Die Ratte sah sich zuerst etwas verwirrt um, dann ging sie zu meinem Messer. Sie hob den Kopf, holte kräftig aus und schlug dann ihre Kehle voll in die Klinge. Blut spritzte mir ins Gesicht und ein kleiner, weisser Kopf rollte mir vor die Füsse. „Hervorragend, Sanseth, Schlangenkind!“ Meister Morton klatschte in die Hände. „Grosses Talent. Ganz ein schwarzer Magier!“ ..Nein!!!.. Ich wollte kein Schwarz-Magier sein. Ich wollte kein Talent dafür haben. Eigentlich hasste ich all das hier. Ich hatte die Ratte getötet, damit sie nicht leiden musste. Aber Meister Morton hatte mich grossgezogen. Ohne ihn wäre ich im Dschungel gestorben. Meine Mutter hatte mich damals verstossen. Morton war wie ein Vater für mich. Und Isael wie ein Bruder. ..es ist mein Leben, ob ich will oder nicht..

Wir übten noch denn ganzen Nachmittag. Morton war so zufrieden mit mir, dass er sogar meine Strafe vergass. Darüber war ich sehr erleichtert. Mein Rücken brannte noch immer von den letzten Peitschenhieben. Als endlich auch Isael seine Ratte dazu brachte, sich zumindest so lange in den Schwanz zu beissen, dass es blutete, durften wir gehen.

Wir rannten sofort in den Dschungel. Hier war unser Revier und hier waren wir beide gleich, Isael und ich. Hier waren wir beide einfach nur zwei Jungen. Wir sammelten Früchte, Gemüse und Pilzen fürs Essen. Ich tötete auch noch ein kleines Wiesel, aber nicht mit Magie, sondern mit meiner Steinschleuder. Ich jagte nie mit Magie. Ausserhalb von Meister Mortons Hütte hatte ich sie noch fast nie gebraucht. Ausserhalb der Hütte lebte ich ein anderes Leben, ohne Grausamkeit und Brutalität.

Heute kochte Isael für uns drei, ich wollte ihm helfen, aber der Meister rief mich zu sich, diesmal in sein Zimmer und nicht in die Hütte. Als ich eintrat, war er über ein dickes Buch gebeugt. Ich schloss die Tür hinter mir. Erst jetzt sah er auf. „Du hast heute Grosses geleistet“, begann er, „die wenigsten schaffen den Ordon-Fluch gleich beim ersten Versuch. Ich bin stolz auf dich.“

Obwohl ich die schwarze Magie verabscheue, muss ich zugeben, dass mich dieser Satz enorm rührte. ..stolz.. ..auf mich.. ..auf den Schlangenjungen.. Ich fühlte mich extrem geehrt. Aber Morton war noch nicht fertig. Er holte eine lange Kiste unter seinem Bett hervor. Sie war mit Schlangen-Gravierungen dekoriert. ..Schlangen.. Mein Herz klopfte vor lauter Neugierde. Langsam öffnete Morton die Kiste und nahm ein langes Schwert hinaus. Die Scheide und der Griff waren beide aus dunklem Holz. Er hielt es mir hin. Mit grossen Augen nahm ich es entgegen. Ich holte tief Luft, dann zog ich es. Die scharfe Klinge blitzte auf. Der Griff fühlte sich angenehm an. Auch er war mit einer Schlange geschmückt. Lange sah ich es von oben bis unten an. Dann erst schob ich es zurück in die Scheide. Nun sprach Morton wieder: „Ich ernenne dich hiermit zum gelehrten Schwarzmagier. Als Zeichen meiner Anerkennung schenke ich dir Sheer, das Schlangenschwert.“ Ich war sprachlos. ..Sheer.. Morton verneigte sich tief und ich tat es ihm gleich. Dann sagte er in etwas weniger feierlichem Ton: „Ich dachte, es passt zu dir.“ Er zwinkerte. „Danke!“ Das war alles, was ich über die Lippen brachte. Und in diesem Moment rief uns Isael zum Essen.

die Streuner

Missmutig sah ich zu, wie Noame das Haus verliess. Ich war stinksauer. Wie gerne wäre ich jetzt mit meinen Freunden draussen durch die Stadt gestreift. Stattdessen war ich zum Babysitten verdammt. Nun war ich eben die Älteste von Noame’s Schützlingen und musste auf die jüngeren aufpassen wenn sie arbeiten ging. Leider war das oft am Abend, damit sie sich tagsüber um ihre Kinder kümmern konnte.

Nun, ich konnte es nicht ändern. Zum Glück schliefen die zwei Jüngsten Ryu und Sulu schon. Wogi und Sotahi spielten in einer Ecke mit ein paar alten Puppen.

Ich nahm mir ein Buch von Noames Büchergestell und setzte mich damit in eine stille Ecke. Ich schlang mir meinen langen Katzenschwanz um die Beine und begann zu lesen. Das Buch hiess Salben und Tinkturen aus Wiesenpflanzen. Noame hatte mir schon viel über Heilkräuter gelernt und es interessierte mich auch wirklich sehr. Aber heute Abend konnte ich mich einfach nicht richtig konzentrieren. Ich stellte mir vor, was meine Freunde jetzt gerade alles anstellten ohne mich.

Das Klopfen an der Haustüre lies mich aus meinen Träumen aufschrecken. Neugierig öffnete ich. „Yoke! Was tust du denn hier?“ Ich blickte den Jungen erstaunt an. Ich hatte ihnen doch gesagt, dass ich heute nicht raus konnte. Yoke grinste mir zu. „Ohne dich ist es einfach nicht das Selbe. Komm doch auch, Jasha, bitte!“ Er sah mich so süss an, dass ich beinahe einfach losgerannt wäre. Aber ich wusste ja, dass das nicht ging: „Und was mache ich mit denn Kleinen? Yoke, ich kann hier nicht einfach weg!“ „Dann schick sie einfach ins Bett. Und sobald sie eingeschlafen sind, gehen wir!“

Ich dachte nach. Es könnte funktionieren. Noame arbeitete meist sehr lange. Und ich sehnte mich so danach, mit den anderen Haldo unsicher zu machen. ..meine Freunde, meine Stadt, mein Leben.. Wir mussten ja nur rechtzeitig zurück sein. Die Kleinen konnten auch ohne mich schlafen. Schliesslich nickte ich. Ich lies Yoke hinein und versteckte ihn in der Besenkammer. Wenn Sotahi ihn Sähe, würde sie mich bestimmt bei Noame verraten.

Ich schickte sie und Wogi, sich zu waschen. Dem Jungen musste ich noch helfen. Dann brachte ich sie zu ihren Strohmatten und deckte sie zu. Ich pustete die Kerze aus und wünschte ihnen eine gute Nacht.

Yoke wartete schon ungeduldig auf mich. Flink verliessen wir das Haus und ich zog schnell die Tür hinter uns zu. Dann atmete ich die kühle Nachtluft. Über uns spannte sich der Sternenhimmel. Der Mond schien uns den Weg.

An der nächsten Hausecke trafen wir die Restlichen vom “Clan der Strassenkatzen“. Mimi und Momo umarmten mich herzlich. Die beiden Zwillinge konnte man kaum auseinander halten. Rushi klopfte mir mit seiner gewaltigen Hand auf die Schulter. Irgendetwas knackte ziemlich unangenehm. „Na Jasha, alles klar?“, fragte er mit seiner tiefen Bärenstimme. Ich nickte und lächelte gequält. Als er sich Yoke zuwandte, rieb ich mir seufzend die Schulter. Das gab mal wieder einen blauen Fleck. Aber es war mir egal. Etwas abseits stand Ondras. Aber als er mich sah, lächelte er. „Schön, dass du doch noch gekommen bist.“

Fast lautlos schlichen wir durch die Strassen. Wir waren wirklich fast wie Streuner. Wir kannten uns alle schon seit Jahren. Und irgendeinmal hatten Mimi und Momo dann geglaubt, wir bräuchten endlich einen Namen. Und weil wir soviel herum zogen und uns alle aus Haldo nur “Die Streuner“ nannten, war Ondras dann auf “Der Clan der Strassenkatzen“ gekommen. Anfangs war ich davon nicht so begeistert gewesen, weil mein gemischtes Blut wohl nicht ganz unschuldig an diesem Namen war, aber mittlerweile gefiel er mir auch.

Nach einer Weile setzten wir uns an einer Hausmauer auf den Boden. Oft sassen wir so und starrten Ewigkeiten den Sternenhimmel an, ohne etwas zu sprechen. Aber plötzlich sagte Rushi: „Wir könnten eigentlich mal die Glocke läuten!“ Sofort schauten wir alle den Glockenturm rauf. „Ist ziemlich hoch“, meinte Ondras. Auch Yoke sah ziemlich skeptisch aus. Aber Momo und Mimi waren begeistert und ich fand die Idee auch toll. Und so war die Sache beschlossen.

Im Schatten der Häuser näherten wir uns dem Turm. Ich sah mir die Wand genauer an. An den Ecken waren Figuren in den Stein gehauen. Daran konnte man sich halten. Auch Unebenheiten und Querbalken in der Wand konnten als Griffe dienen. Dennoch würde es ganz schön schwer werden. Ich huschte zurück zu den anderen, die in einer Hausnische sassen. „Es ist schwierig, aber nicht unmöglich“, sagte ich zu meinen Freunden. Ein übermütiges Licht blitzte in meinen Augen auf. Momo, Mimi und Rushi grinsten. Ondras sah noch einmal am Turm hoch, aber dann lächelte auch er und sagte: „Wer sollte da schon hochkommen, wenn nicht wir?“

Nur Yoke sah ganz und gar nicht erfreut aus. Ich ging auf ihn zu und nahm seine Hände. „Hey, was ist denn los? Freust du dich nicht?“ Yoke sah mir verzweifelt in die Augen. „Ich habe Angst“, flüsterte er. „Ich habe Angst, dass dir etwas passieren könnte. Wenn du dort oben runter fällst...“ „Hey, mir wird schon nichts passieren.“ Ich umarmte ihn und drückte ihn ganz fest. Er seufzte, aber dann ging er los. Rushi, Ondras und die Zwillinge warteten schon auf uns. Wir kletterten rund um den Turm verteilt alle gleichzeitig los. Rushi kam ganz schön ins Schwitzen und schnaufte wie ein Flusspferd. Er fluchte ununterbrochen.

Ich konzentrierte mich ganz auf die Wand. Als Erste erreichte ich den Glockenraum. Hinter mir kam Yoke. Ich schaute zu ihm runter. In dem Moment gab die Figur unter seinem rechten Fuss nach und er verlor den Halt. Er stürzte. Ich spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte. Im letzten Augenblick konnte er sich an einer Figur weiter oben festklammern. Ich hechtete nach vorne und umklammerte seine Handgelenke. Schliesslich gelang es mir, ihn in den Glockenraum zu ziehen. Keuchend und immer noch zitternd vor Schreck setzte ich mich auf den Boden. Zärtlich legte er denn Arm um meine Schulter. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken… Danke!“ Ich sah ihn an, seine zerzausten braunen Haare und die wunderschönen blauen Augen. Ich war so unheimlich erleichtert, dass er hier neben mir sass. ..wenn er gefallen wäre.. Ich hätte mir das nie verziehen. In dem Moment spürte ich, wie seine Finger sanft über meine Hand strichen. Er lächelte sanft und brachte mich damit total aus der Fassung, aber ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden. Langsam näherten sich unsere Gesichter. Das erste Mal fiel mir auf, wie schön geschwungene Lippen er hatte. Dann schloss ich die Augen. Doch genau in dem Augenblick purzelten Momo und Ondras heftig schnaufend zu uns in den Glockenraum, dicht gefolgt von Mimi.
 

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis auch Rushi oben ankam. Er schnaufte wie ein Wal beim Auftauchen und lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Yoke und ich waren immer noch etwas verlegen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass Momo und Ondras nichts gesehen hatten. Yoke hatte nun schlechte Laune und schnauzte Rushi an, weil er so unsportlich war. Doch schliesslich standen wir alle verteilt um die grosse Glocke, die mitten im Raum hing. Ein Strick baumelte hinunter, mit dem man die Glocke läuten konnte. Direkt unter der Glocke war eine Falltür, unter der meines Wissens die Treppe liegen musste.

Wir zogen alle gleichzeitig an dem Strick. Und dann läutete es.

Der Krach so dicht bei der Glocke war kaum zu ertragen, aber wir lachten dennoch alle. Als die ersten Türen aufgingen, öffneten wir schnell die Falltür und rannten die Treppe hinunter. Unten angekommen versteckten wir unter der Treppe, gerade noch rechtzeitig. Schon schloss jemand den Glockenturm von aussen auf, und etwas fünf Menschen stürzten hinein und die Treppe hoch. Als sie aus unserem Blickfeld verschwunden waren, krochen wir schnell hervor. Das war unsere Chance. Prüfend blickte Mimi nach draussen. Die Luft war rein. Wenn wir schnell genug wären, würde uns niemand sehen. Wir preschten los, schnell wie Falken und beinahe unsichtbar. Im Schatten des nächsten Hauses warteten wir kurz, um zu sehen, ob uns jemand bemerkt hatte. Aber das schien nicht der Fall zu sein. Nun rannten wir weiter, durch die Gassen und Strassen, über Plätze und durch Gärten. Beim Marktplatz trennten wir uns. Momo, Mimi und Ondras wohnten im östlichen Teil der Stadt.

Zusammen mit Rushi und Yoke ging ich weiter. Wir erschreckten noch kurz einen älteren Mann, dann mussten auch wir uns trennen. Aber mir war noch überhaupt nicht danach. ..Yoke.. ..ich kann nicht einfach gehen.. Yoke schien ähnlich zu denken. Zu Rushi sagte er: „Geh schon mal vor, ich komme gleich.“ Die beiden wohnten gleich nebeneinander. Rushi verstand und verschwand im Schatten der Finsteren Gasse.

Verlegen sah ich Yoke an. Er lächelte schon wieder so schelmisch.

Doch in dem Moment nahm ich aus den Augenwinkeln ein Licht war. Sofort sah ich mich um. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. In Noames Haus brannte Licht. ..sie ist schon da.. ..sie hat mich erwischt.. ..wird soo enttäuscht sein.. Ich musste sofort nach Hause.

„Ich muss gehen!“ Yoke tat mir so leid. Ich wollte ihn nicht einfach so stehen lassen. Aber Noame würde mir den Kopf abreissen. Schnell gab ich ihm einen Kuss auf die Wange und wollte losrennen, aber er hielt mich am Handgelenk zurück. „Warte“ Er zog mich an sich und seine Lippen berührten meine. Es fühlte sich so wundervoll an. Wie gerne wäre ich jetzt die ganze Nacht hier mit ihm so gestanden. Aber dann liess ich doch von ihm ab und rannte so schnell ich konnte zum Haus.
 

Ich hatte Noame noch nie so wütend erlebt. Sie war wirklich ausser sich. Sie schrie mich an, dass ich ihr Vertrauen missbraucht habe und dass ich nicht als Unsinn im Kopf habe. Dann schlug sie mich, mitten ins Gesicht. Sie hatte mich noch nie geschlagen. Ich verstand das einfach nicht. Es war nicht das erste Mal, dass ich etwas angestellt hatte. ..was ist bloss passiert?..

Schliesslich schickte sie mich ohne weitere Erklärungen ins Bett. Ich ging ohne ein Wort, um sie nicht noch mehr zu verärgern. Als ich ins Schlafzimmer kam, war Sotahi noch wach. Von ihr erfuhr ich gleich darauf, was wirklich passiert war. Ryu hatte Durst bekommen und hatte in die Küche gehen gewollt. Aber es hatten keine Kerzen mehr gebrannt und alles war dunkel gewesen. Deshalb hatte er versucht eine Öllampe anzuzünden. Allerdings hatte er sich irgendwie die Finger verbrannt und die Lampe war zu Boden gefallen. Und dann hatte irgendwie Sulus Strohlager Feuer gefangen. Zum Glück war in dem Moment Noame heim gekommen. Natürlich hatte sie auch gehört, dass die Alarmglocke geläutet worden war. Deshalb war sie überhaupt so früh nach Hause gekommen. Sie hatte schon geahnt, dass es meine Freunde und ich gewesen waren.

Sotahi war eingeschlafen, sofort nach dem sie aufgehört hatte, zu erzählen. Ich fühlte mich so mies, wie nie zuvor. Ich hätte beinahe Sulu getötet! ..ich wollte das nicht, Noame.. ..bitte verzeih mir..



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Kommentare zu dieser Fanfic (12)
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Von:  Blauer_Lapis
2010-08-15T14:22:54+00:00 15.08.2010 16:22
Das war ein cooles Kapi^^
Eine nette Story hast du dir da ausgedacht...ist schon eine lustige Story ^.^
Und sie ist verliebt. Das ist so niedlich :)

Und sie tut mir Leid. Sie wollte nur ein bissel Spaß und dann passiert gleich sowas. Das kann ja keiner ahnen...

Aber es war trotzdem ein schönes Kapi. Ich hoffe, du schreibst bald weiter ;)

glg
CrazyDragon_02
Von:  Blauer_Lapis
2010-08-14T13:29:27+00:00 14.08.2010 15:29
Schlangenmensch...find ich cool^^

Ich find die schwarze Magie hast du gut beschrieben, aber es ist echt grausam...*schauer* Also das will ich definitiv nicht lernen ;)

Aber du hast es trotzdem gut beschrieben. Und dann das Schwert. Ui, sehr cool^^
Weiter so ^o^

glg
CrazyDragon_02
Von:  Blauer_Lapis
2010-08-14T13:21:58+00:00 14.08.2010 15:21
Endlich komm ich mal zum Weiterlesen^^° Sorry, dass es so lange gedauert hat :)

Jedenfalls find ich das Kapi echt cool. Ein wenig verwirrend, da du sie beide in Ich-Form schreibst...aber ich finds toll. Es ist mal was anderes ;)

Jetzt haben sich also der Hirsch und die Wölfin getroffen. Bin mal gespannt, was sie sich so erzählen ^.^

glg
CrazyDragon_02
Von:  Blauer_Lapis
2010-05-28T15:48:25+00:00 28.05.2010 17:48
Die Kleine ist aber vielleicht süß! ^//^
Also ich find das Kapi sehr interessant. Ich mag es, dass du in der Ich-Form schreibst. Ich kenn es von meiner Story, dass es manchmal sehr schwer ist. Aber du hast es echt gut gemacht! ^.^

Das mit der verletzten Meerjungfrau find ich sehr interessant. Und die Geschichte mit der ganzen Familie. Schön, dass der Mann erst sehr gegen ihn ist und nur die Frau (und auch die Kinder) ihn respektiert. Sehr schön!

Es gibt wieder ein paar kleine Fehlerchen, aber das geht schon. Ich mag deinen Stil. Du schreibst wirklich schön! :)

glg
CrazyDragon_02
Von:  Blauer_Lapis
2010-05-28T15:26:31+00:00 28.05.2010 17:26
Also das ist ja mal ein interessanter Anfang! Vor allem mag ich die Story an sich^^
Ich find es besonders gut gemacht, dass du die zwei unterschiedlichen Götter am Anfang erwähnst. Einer, der eine Seuche schicken will und der Andere, der den Menschen ihr Glück lassen will. Ich find die Zwei klasse. Besonders die Idee mit den Sternschnuppen ist echt schön :)

Und die 7 unterschiedlichen Halbgötter...sehr schön unterschiedliche. Vor allem gefällt es mir, dass du auch Tiere genommen hast, die nicht immer so vorkommen. Sehr schön!! ^.^

Ein paar kleine Fehler sind drin, aber sie hinder den Lesefluss nicht so stark. Von daher...sehr schöner Anfang! *neugierg auf kommendes sei*

glg
CrazyDragon_02
Von:  Licht
2008-02-26T11:07:52+00:00 26.02.2008 12:07
anstreichen tu ich jetzt nix mehr *faul is*
ich mag deine story |D
wirklich doll gemacht und die idee find ich klasse *__*
Von:  Licht
2008-02-26T11:02:01+00:00 26.02.2008 12:02
das is toll geschrieben ^___^
gefällt mir sehr - du bist guuuuuuut |D
hab aber ein paar fehler gefunden:
-"...die Ernten waren reichlich und den Meisten ging es gut." - Meisten musst du klein schreiben
-"Die Menschen auf Teraden freuten sich sehr darüber, den Sternschnuppen..." - den mit 2 "n"
-"Hier sass ein junger Mann..." - sass mit ß
-"Doch der Gott der Jugend lies sich..." - lies mit ß
-"...Strafe, die nur durch den obersten der Götter..." - obersten groß schreiben
-"Und er lies sich etwas ganz besonderes einfallen." - lies wieder mit ß
sorry, dass ich soviel angekreidet hab, ich bin ja selber nit besser XD'''
aber snid ja nur rechtschreibfehler, die jedem passieren und bei seinen eigenen werken überliest man die seltsamerweise immer ^___^
die story an sich find ich aber schööööööön ^____^
Von: abgemeldet
2007-11-10T21:34:00+00:00 10.11.2007 22:34
Ah, nettes Kap.^^
Hach, das Mädel ist verliebt^^
Nett.
Freu mich schon auf die weitere Story^^
Von: abgemeldet
2007-10-14T20:09:38+00:00 14.10.2007 22:09
!!!
Toll!!! >.<
Schlangenmenschfan^^
Bis jetzt der tollte Animo^^
Hat einfach alles^^
Die Schwarze Magie ist auch cool. Besteht aus einem Teil, der Latein klingt und aus Englisch!! xD Klasse^^ xD
Hoffe, du ladest es bald weiter hoch^^
Schick mir dann bitte 'ne ENS^^
Hach, ich mag solche Storys. Schreibe selbst auch gern welche^^
Freue mich auf das nächste Kap^^ (Den Schlangenmenschen am Ende bitte nicht sterben lassen!!! Sag ich jetzt, weil alle, die ich mag, zum Schluss sterben!!!)
Von: abgemeldet
2007-10-14T19:58:14+00:00 14.10.2007 21:58
Wieder ein paar kleine Wortfehler^^
Z.B.
Ich, eben dieser seltsame Hirsch, genannt Alower, hob in dem Moment auch den Kopf. Er hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, beobachtet zu werden. ...
-Da hättest du in der Ich-Form bleiben müssen.

Aber so von der Idee ist es toll!!! >.<
(Und Frage: Die haben alle keine Kleidung an, oder? Find ich klasse^^ Nicht, wile ich pervers bin, sondern weil es logisch ist. Kleidung wäre für sie umständlich... aber so unter Menschen rumzurennen... Klasse^^)



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