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Nemesis

ItaSasu
von

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XXII. Didn't mean to waste your time, thanks for wasting mine

Ich habe viel nachgedacht. Vor etwa zwei Stunden bin ich hier in dieser Zelle zu mir gekommen und seitdem habe ich nur hier gesessen und gegrübelt. Ich hätte mich längst befreien können, diese Gitterstäbe sind für mich kein Hindernis. Aber das wissen die anderen auch. Sie sind es nicht, die mich halten sollen. Hinten, am Ende des Ganges, ist eine schwere Tür und ich weiß, hinter ihr wartet das eigentliche Hindernis auf mich. Anbu, die Tsunade abkommandiert hat, um mich um jeden Preis an einer Flucht zu hindern. Sie warten dort, damit ich nicht vorbereitet bin. Damit ich nicht schon vorher sehen kann, mit wem ich es zu tun habe. Sobald ich meine Zelle verlasse, werden sie es wissen und mein Kommen erwarten.
 

Deshalb lasse ich mir Zeit. Ich versuche, mich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Im Geiste bin ich alle Anbu, die ich kenne, durchgegangen und habe versucht, mir Abwehrstrategien auszudenken. Jede Teamkombination habe ich zusammengestellt und eine eigene Strategie entwickelt. Wen ich zuerst angreife, wen ich mir bis zum Schluss aufheben kann, vor wem ich mich in Acht nehmen muss.
 

Aber eigentlich ist das alles gar nicht wichtig. Die Anbu sind nicht das Problem. Mir ist klar geworden, dass Itachi wusste, ich würde in dieser Zelle enden. Mit drei Tagen hat er mir unverhältnismäßig viel Zeit gegeben und deshalb glaube ich, dass er das hier bereits einkalkuliert hatte. Bevor er mir glaubt, gibt es noch etwas, das ich tun muss.
 

Und ich denke, jetzt habe ich verstanden, was es ist. Nicht die Anbu sind das Problem. Sondern meine Freunde. Sakura und Naruto sind es, die mich hierbehalten wollen. Und wenn Tsunade tatsächlich sämtliche Anbu hier unten postiert hat, am Ende werden es meine Freunde sein, die ich töten muss, um freizukommen. Sie werden nicht zu Hause rumsitzen, und den Ablauf der Frist abwarten. Sie kennen mich und sie wissen, dass ich alles versuchen werde, um zu entkommen. Deshalb werden sie auf mich warten, ich weiß nur nicht, wo.
 

Das ist es, was Itachi von Anfang an wollte. Ich soll sie töten.
 

Deshalb sitze ich wohl noch immer hier. Wenn ich meine Zelle verlasse, gibt es kein Zurück. Dann muss ich mir den Weg freikämpfen und dann muss ich meine Freunde angreifen. Auch wenn ich unendlich wütend auf die beiden bin, der Gedanke, gegen sie kämpfen zu müssen, lässt mich nicht so kalt, wie ich das gerne hätte. Es geht einfach nicht. Ich kann sie nicht hassen. Und ich will sie nicht töten.
 

Aber wenn ich es nicht tue, sehe ich Itachi vielleicht nie wieder.
 

Mein Bruder ist wirklich grausam zu mir. Er hat mich in eine Ecke manövriert. Ich weiß, was ich zu tun habe, ich weiß, dass ich von ihm manipuliert werde, und doch werde ich am Ende keine Wahl haben. Ich muss mich endgültig entscheiden und ich bin furchtbar wütend auf ihn, dafür, dass er mir so eine Entscheidung aufzwingt. Ich kann und will Naruto nicht töten. Es würde mich nie mehr loslassen.
 

Es muss noch einen anderen Weg geben.
 

Auf dem Gang höre ich Schritte. Ich rücke ein Stück vom Gitter weg und bin nicht sonderlich erstaunt, als Sakura vor meiner Zelle auftaucht. "Sasuke", sagt sie tonlos. Nachdenklich sehe ich sie an. Und ich ertappe mich dabei, wie ich über ihren Kampfstil nachdenke, über ihre Stärken und Schwächen. Innerlich bereite ich mich bereits auf einen Kampf gegen sie vor. "Redest du nicht mehr mit mir?" Sie setzt sich vor das Gitter.
 

"Ich habe einfach kein Interesse mehr an dir", antworte ich kühl. Ich will ihr wehtun. So wie ihr Verrat mir wehgetan hat.
 

"Naruto hat mir von Itachis Ultimatum erzählt", sagt sie.
 

"Und?", würge ich widerwillig hervor. Eigentlich ist sie die Letzte, mit der ich darüber reden will.
 

"Ist das wahr? Wenn du in zwei Tagen noch nicht zurück bist, dann lässt er dich wieder alleine?"
 

"Ja."
 

Sie rückt näher an die Gitterstäbe, so als könnte sie mir damit auch näher sein. "Und du möchtest wirklich zu ihm zurück?"
 

"Ja."
 

"Warum?" Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ausgerechnet sie müsste das wissen. "Sag es mir", bittet sie mich. "Ich muss es wissen."
 

"Weil ich glücklich war mit ihm."
 

"Aber es war doch auch schön, hier in Konoha. Ich fand es jedenfalls schön, als wir drei zusammengewohnt haben. Du warst mal glücklich hier, ohne ihn."
 

Ich lehne meinen Kopf gegen die Wand und sehe sie an. Ja, es war schön. Es war toll, ein richtiges zu Hause und wieder eine Familie zu haben. Ich war nicht unglücklich. Aber Itachi war nicht da und ich habe sein Fehlen immer gespürt. Wenn ich es mir aussuchen könnte, wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, dann hätte ich gerne beides. In einer perfekten Welt hätte ich ihn UND meine Freunde. Aber so ist das Leben eben nicht. Und wenn ich wählen muss, weiß ich, wofür ich mich entscheide. "Was denkst du, wie glücklich ich hier jetzt noch sein kann, wenn ich weiß, dass ich hätte bei ihm sein können? Und dass es nicht so ist, weil meine besten Freunde mich verraten haben?"
 

Sie sieht mir direkt in die Augen, sieht schockiert aus. "Wir haben dich nicht verraten! Wir meinen es nur gut mit dir!"
 

"Warum meinen immer alle, für mich entscheiden zu müssen?" Ich schließe die Augen. "Naruto liebt mich, hat er zu mir gesagt." Was für ein sinnloses Gespräch. Warum rede ich eigentlich so viel? "Bist du dir sicher, dass ihr mich nicht hier festhaltet, weil ihr beide egoistisch seid? Er will mich für sich haben, genau wie Itachi."
 

"Das ist nicht…"
 

"Ganz egal, wann ich hier rauskomme, ich werde das Dorf auf der Stelle verlassen. Und ich werde ihn suchen, für den Rest meines Lebens. Wenn ihr das verhindern wollt, müsst ihr mich hier verrotten lassen. Ist das das Beste für mich?"
 

Kopfschüttelnd flüstert sie: "Nein." Und nach einem kurzen Moment der Stille sagt sie: "Ich weiß nicht mehr, ob wir das Richtige getan haben. Naruto denkt, dass alles gut wird, wenn wir dich von ihm fernhalten, aber ich weiß nicht mehr, ob es das Beste für dich ist."
 

Ich quittiere ihre Schuldgefühle mit einem knappen Achselzucken und ich reagiere auch nicht weiter darauf, als sie sich erhebt und sich von mir verabschiedet. Verzweifelt schließe ich die Augen und lausche ihren Schritten, die sich langsam, fast schleppend entfernen. Sie klang sehr traurig, aber das ist nicht mehr mein Problem. Ich muss mich an den Gedanken gewöhnen, dass sie und Naruto jetzt nichts weiter als Hindernisse sind, die zwischen mir und Itachi stehen.
 


 

Ich habe lange genug gewartet. Egal, wie lange ich darüber nachdenke, mir wird nichts mehr einfallen, um nicht in Itachis Falle zu tappen. Ich muss es einfach versuchen und darauf hoffen, dass es mir gelingt, Naruto und Sakura zu entkommen, ohne sie töten zu müssen. Orochimaru hat mir beigebracht, meinen Körper zu verformen, so ähnlich wie er es zu tun pflegte. Ich kann meine Gliedmaßen nicht verlängern, aber mit diesem praktischen Jutsu reicht es aus, um mich durch die Gitterstäbe zu quetschen.
 

Was auch immer mich am Ende des Ganges erwartet, sie werden alles tun, um mich an meiner Flucht zu hindern. Ich zweifle nicht daran, dass Naruto die Wahrheit gesagt hat. Die Anbu erwarten mich und ich werde mir den Weg freikämpfen müssen. Ich wünschte, ich hätte eine andere Wahl, müsste nicht noch mehr Blut vergießen, nur um Itachi etwas zu beweisen.
 

Aber Konoha hat mich aufgegeben und ich werde niemanden verschonen, der sich mir in den Weg stellt.
 

Als ich meinen Fuß auf den Gang setze, geht ein Raunen durch die anderen Zellen. Die anderen Gefangenen haben natürlich mitbekommen, dass ich meine Zelle verlassen habe. Sie kleben an den Gitterstäben und bitten mich, sie freizulassen. Manche drohen mir, andere betteln, aber ich ignoriere sie alle. Es wäre eine Möglichkeit, wenigstens einen von ihnen hier rauszulassen und vorzuschicken, um die Anbu abzulenken. Aber es würde Zeit kosten, eine Tür zu öffnen und davon abgesehen habe ich kein Interesse daran, mich mit diesem Abschaum zu verbünden. Das ist es nicht wert, wenn sie sich nicht einmal aus ihrer Zelle befreien können, werden sie die Anbu nicht lange ablenken können.
 

Ich schaffe es auch alleine.
 

Wortlos gehe ich den Gang entlang, ignoriere die Stimmen, die mich rufen, und halte noch einmal inne vor der schweren Holztür am Ende des Ganges. Ich halte mir noch einmal vor Augen, was auf dem Spiel steht. Wenn es zu einem Kampf kommt – und das wird es – dann darf ich nicht schwach sein. Ich darf kein Mitleid haben, denn sonst verliere ich vielleicht alles.
 

Ich schiebe die Tür auf und mein gesamter Körper ist angespannt, weil ich mit einem augenblicklichen Angriff rechne. Als mich hinter der Tür bloß ein leerer Raum erwartet, bin ich überrascht. Hier ist niemand. Erst vermute ich, dass sie sich verborgen halten, aber ich würde es merken, wenn jemand hier wäre. Ich würde jemanden atmen hören, würde fremdes Chakra spüren. Da ist aber nichts.
 

Was hat das zu bedeuten?
 

Am Ende des Raumes führt eine Treppe hoch und vorsichtig steige ich die ersten Stufen hoch. Es wäre taktisch unklug, mich hier anzugreifen, aber wer weiß, was sie vorhaben. Bei jedem Schritt bin ich in Alarmbereitschaft, rechne mit fliegenden Shuriken, mit Angriffen oder Genjutsu. Aber nichts passiert. Niemand greift mich an und ich verstehe nicht, was das zu bedeuten hat. Es macht mich unruhig.
 

Ich weiß nicht, wie viele Stockwerke ich schon hinter mich gebracht habe. Die Treppen und Gänge sind endlos und ich habe keine Ahnung, ob ich mich nicht längst in diesem Labyrinth verlaufen habe. Als ich schon denke, dass ich nie mehr hinaus finde, sehe ich plötzlich in der Ferne ein Licht, das viel wärmer ist als das kalte, grelle Licht der Neonröhren. Tageslicht. Ich beeile mich, haste die letzten Stufen hoch und gelange in den Raum im untersten Stockwerk des Hokage Gebäudes. Durch die großen Fenster fällt warmes Tageslicht. Ich habe es geschafft. Jetzt trennt mich nur noch eine Wand von der Freiheit.
 

Eine Wand und –
 

"Sasuke."
 

Ich habe es ja gewusst. Es wundert mich noch immer, dass ich mich nicht durch eine Horde Anbu kämpfen musste, aber dass ich auf diese beiden stoßen würde, war mir klar. Sakura und Naruto haben schon auf mich gewartet und automatisch suchen meine Augen den Raum ab, um zu sehen, ob Shikamaru auch hier irgendwo ist. Aber ich kann sonst niemanden entdecken. Die zwei sind allein. Dieses Mal läuft es wohl wirklich auf einen Kampf unter uns hinaus.
 

"Was ist mit den Anbu?", frage ich und lasse mir die Unsicherheit nicht anmerken. "Kommen diese Feiglinge erst aus ihren Löchern gekrochen, wenn wir hiermit fertig sind?"
 

"Tsunade hat die Anbu von hier abgezogen. Am Ende wirst du sowieso gehen, hat sie gesagt. Dafür schickt sie ihre Leute nicht in den Tod."
 

So ist das also. Wenn es selbst Tsunade kapiert hat, warum dann nicht auch diese beiden? Warum? Warum muss ich ihr Blut vergießen? Ich will das nicht. Warum tut Itachi mir das an?
 

Ich bin nicht seine Marionette. Dass ich ihn liebe heißt nicht, dass ich alles tue, was er von mir verlangt. Er wünscht, dass ich alle Brücken hinter mir abbreche. Soll mir Recht sein. Aber ich lasse mich nicht zwingen, meine Freunde zu töten.
 

Ein einziges Mal will ich über meinen Schatten springen. Nur dieses eine Mal will ich meinen Stolz wegwerfen und etwas tun, was ich noch nie getan habe. Das ist es wert, wenn ich dafür mich selbst und die beiden retten kann. Ich will keinen blutigen Kampf, der mich anschließend die nächsten Jahre bis in meine Träume verfolgen wird. Ich will nicht, dass Itachi seinen Willen durchsetzt und ich will nicht, dass es wirklich in einer Katastrophe endet.
 

Ich falle auf die Knie. Mit entsetzten Gesichtern sehen sie zu, wie ich meine Hände flach auf den Boden lege und meinen Kopf tief beuge.
 

"Bitte", sage ich und es fällt mir unendlich schwer, selbst jetzt und mit den besten Absichten, meinen Stolz runterzuschlucken. "Lasst mich zu ihm gehen." Nichts ist mir je so schwer gefallen und eigentlich glaube ich nicht, dass sie auf mich hören werden. Aber ich muss es versuchen.
 

"Sasuke", kommt es von Naruto. Er klingt erschrocken, fast erschüttert. "Sasuke, was tust du da?" Trifft es ihn, mich so zu sehen?
 

Verbissen starre ich auf den Boden, schäme mich für meine Schwäche und diese erniedrigende Haltung. Und dennoch verharre ich so, weil ich weiß, was auf dem Spiel steht. Ich werde es nicht nochmal sagen. Ich kann nur noch abwarten, ob sie auf mich hören werden oder nicht.
 

"Das ist aus dir geworden?", schreit er plötzlich. Ich höre Schritte, sehe auf und dann fange ich mir einen Faustschlag ins Gesicht ein. Ich falle nach hinten, aber es war nicht mehr als eine Verzweiflungstat. Es sollte kein Auftakt für einen Kampf sein, sondern es war bloß ein lascher Schlag, weil er sich offensichtlich nicht mehr anders zu helfen wusste. Ich setze mich auf und taste die Wange ab, die er getroffen hat. Es fließt nicht einmal Blut. "Das hättest du nie gemacht! Der Sasuke, den ich kenne, wäre nie vor irgendwem auf die Knie gefallen! DAS hat er aus dir gemacht?" Naruto schreit und hat gleichzeitig Tränen in den Augen. Was ich getan habe, muss sein Bild von mir ziemlich ins Wanken gebracht haben.
 

"Früher hatte ich nie etwas, das es wert war, dafür meinen Stolz wegzuwerfen", antworte ich ruhig und sehe ihn eindringlich an. Er hat gar nicht begriffen, dass ich das nicht für Itachi tue.
 

"Und er ist das wert? Nach allem, was er getan hat?"
 

Bevor ich antworten kann, mischt Sakura sich ein. Sie legt Naruto die Hand auf die Schulter und sagt beschwichtigend: "Begreifst du nicht, dass er das für uns tut?"
 

"Was?"
 

"Meinst du, Sasuke hat Angst, gegen uns zu verlieren? Du weißt doch, wie großkotzig er ist." Es war wohl ein Versuch, einen Scherz zu machen, aber keiner von uns kann darüber lachen. Dazu ist die Lage zu ernst. "Er will nicht gegen uns kämpfen, begreifst du das nicht?"
 

"Itachi wünscht, dass ich euch töte", sage ich leise. "Anders kann ich mir nicht erklären, dass er mich hergeschickt hat." Ich schaue Naruto in die Augen und sage: "Er hasst dich."
 

"Du tust doch sonst immer alles, was er will."
 

"Ich will es nicht. Ich will euch nicht töten, ich will nicht zum Mörder werden, auch nicht seinetwegen." Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Warum ich auf einmal so offen reden kann, wenn es mir zwei Jahre lang nie gelungen ist. Vielleicht, weil das hier, so oder so, unsere letzte Begegnung sein wird. "Ihr wart für mich meine Familie. Ich will euch nicht töten, weil ihr mir wichtig seid."
 

In Narutos Augen kann ich sehen, wie er aufgibt. Wie sich seine Stimmung von wütend zu verzweifelt wandelt und er begreift, dass es aussichtslos ist. Dass er mich nicht haben kann, selbst wenn er mich zwingt, hierzubleiben. Dass wir nicht mal mehr Freunde sein können, wenn er weitermacht.
 

"Dann geh!", schreit er mich an. Weint er? Ich kann es nicht genau erkennen. Es klingt so, als würde er weinen. "Wenn es dir so wichtig ist, dann geh!"
 

Ich stehe auf und gehe wortlos an ihnen vorbei. Was passiert ist, lässt mich nicht kalt. Es tut mir weh, dass es Naruto schlecht geht und auch wenn ich fast wünschte, es würde mir nichts mehr ausmachen, bin ich trotzdem froh, dass es so gekommen ist. Ich musste nicht gegen sie kämpfen.
 

Als ich schon an der Tür bin, sagt Sakura meinen Namen. Ich halte inne und sie sagt: "Entschuldige. Entschuldige bitte, Sasuke."
 

Ich stehe einfach da, den Arm schon ausgestreckt, um nach der Türklinke zu greifen, und zögere doch. Weil ich nicht weiß, wie ich mich verabschieden soll. Es gibt nichts mehr zu sagen, weil ich sie im Stich lasse und mich für Itachi entschieden habe. Aber es fühlt sich schlecht an, ohne ein Wort zu gehen. Was kann ich noch sagen? Naruto schweigt. Ich schiebe die Tür auf und sage sehr leise: "Es tut mir leid." Ich meine es wirklich ernst.
 

Und dann renne ich los und drehe mich nicht mehr zu ihnen um. Es ist vorbei. Niemand kommt mehr, um mich aufzuhalten.
 

Ich hab es geschafft.
 


 

Ich bin schon ein verkorkster Typ. Wenigstens ist es mir bewusst, aber besser wird es dadurch auch nicht. Ich bin zurück, lange vor Ablauf der Frist bin ich wieder bei dem Haus, wo alles angefangen hat. Die Sonne ist vor gut einer Stunde untergegangen und es ist dunkel geworden. Weil ich mich so beeilt habe, habe ich Schrammen und kleine Schnittwunden am ganzen Körper, von den Ästen, die mir entgegengepeitscht sind und auf die ich in der Eile nicht geachtet habe.
 

Und jetzt bin ich hier, nur noch einen Schritt von dem, was ich mir so sehnlichst wünsche, entfernt, und ich weiß nichts mit mir anzufangen. Ich bringe es einfach nicht über mich, nach der Klinke zu greifen und diese Tür zu öffnen. Ich habe es wirklich versucht, sie fühlte sich schwer wie Blei an. Irgendwas hindert mich und ich weiß nicht, was es ist. Auf einmal habe ich einen irrsinnigen Fluchtinstinkt, am liebsten würde ich auf dem Absatz Kehrt machen und weit, weit weg rennen. Nicht, weil ich vor Itachi weglaufen will. Sondern vor dem, was mich da drinnen erwartet.
 

Es kann nicht so einfach sein.
 

Wenn dies die letzte Prüfung gewesen sein sollte, die Itachi mir auferlegt hat, kann es nicht so simpel sein. Ich war auf einen Kampf mit den Anbu vorbereitet, sogar darauf, im Notfall Naruto und Sakura töten zu müssen. Nichts davon ist passiert. Auch wenn ich zwischendurch verzweifelt war, auch wenn es schmerzhaft war, den Verrat meiner Freunde ertragen zu müssen, es war trotzdem viel zu einfach. Vielleicht hat nicht einmal Itachi vorhersehen können, dass es so kommt. Dass ich auf die Knie falle und meine Freunde mich gehen lassen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich jetzt hier bin. Dass ich die Frist einhalten konnte, dass sogar noch etwas mehr als ein Tag davon übrig ist.
 

Und wenn es bis hierhin so einfach war, dann bleibt nur noch eins: er ist nicht in diesem Haus. Wenn ich diese Tür aufmache, wenn ich reingehe, dann habe ich Gewissheit, und ich weiß nicht, wie ich es verkraften werde, wenn er nicht da ist. Was ich gesagt habe, stimmt, ich werde ihn suchen, immer und immer weiter, aber wenn er es wirklich schon wieder getan hat… wenn ich schon wieder an einen verlassenen Ort zurückkehren und begreifen muss, dass das, was ich liebe, mich verlassen hat…
 

Angst schnürt mir die Kehle zu, obwohl ich mir so fest vorgenommen hatte, ihm zu vertrauen. Ich kenne ihn. Es gibt immer einen Haken.
 

Irgendwann werde ich nachsehen müssen. Aber noch nicht jetzt. Ich will den Moment der Erkenntnis noch ein bisschen hinauszögern. Seufzend setze ich mich auf die erste Stufe und warte, ohne überhaupt zu wissen, worauf.
 

Müde ziehe ich die Knie an und lege meinen Kopf darauf. Ewig kann ich hier nicht sitzen bleiben, aber ein bisschen vielleicht noch. Ich greife in die Innentasche des Mantels und hole den Ring raus. Abwesend spielen meine Finger damit, immer wieder schiebe ich ihn mir auf einen meiner viel zu dicken Finger bis es eben nicht mehr geht. Ich bin furchtbar müde.
 


 

Ein Regentropfen, der mir mitten auf den Kopf fällt, weckt mich. Ich bin wohl eingenickt und im ersten Moment bin ich so desorientiert, dass ich fast Panik kriege. Ich sitze immer noch vor der Tür und irgendwie bin ich darüber enttäuscht. Im tiefsten Inneren hatte ich wohl gehofft, er würde mich hier finden und reinholen. Aber dazu müsste er überhaupt da sein.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, aber inzwischen ist es sehr kalt geworden und es hat angefangen, zu regnen. Die kalten Wassertropfen prasseln auf mich herab und ich merke, wie sehr ich friere. Mühsam stehe ich auf. Meine Knie protestieren, weil ich so lange in dieser Haltung dagehockt habe, aber ich ignoriere es und drehe mich um zu Tür. Ich muss da rein, so oder so. Es wird nichts ändern, wenn ich mir hier draußen den Tod hole, ob er nun schon lange weg ist oder nicht, hier draußen kann ich nicht bleiben.
 

Lautlos schiebe ich die Tür auf und überlege, ob es ein gutes Zeichen ist, dass sie nicht abgeschlossen ist. Drinnen ist es still und dunkel. Es macht mich nervös, obwohl das alleine eigentlich noch kein Grund zur Sorge wäre. Itachi hält sich selten im unteren Stockwerk auf und es ist spät. Wenn er hier ist, ist er wahrscheinlich oben und schläft, oder er hat geschlafen, bis ich reinkam. Er hat meine Anwesenheit sicher bemerkt, wenn er da ist. Und wird mir trotzdem nicht den Gefallen tun, mir entgegen zu kommen.
 

Ich mache die Tür von innen zu und schalte das Licht ein. Selbst im Licht wirkt es kaum weniger gespenstisch. Meine durchnässte Kleidung und mein Haar tropfen auf den Holzboden, ein unrhythmisches Geräusch, das mich nervös macht.
 

Ich schüttle den Gedanken ab und steige die Treppe hoch, und immer noch höre ich nichts. Aber in irgendeinem Zimmer brennt Licht, ich sehe den schwachen Lichtstrahl im düsteren Flur und mein Herz macht einen Sprung. Es ist sein Zimmer.
 

Jetzt renne ich los, poltere die letzten Stufen hoch, reiße die Tür auf und stürme in den Raum. Erwartungsvoll sehe ich mich um, habe schon seinen Namen auf den Lippen, aber der Raum ist leer. Hier ist niemand, das Licht brennt, aber es ist niemand da. Wie ein Idiot stehe ich mitten im Zimmer und versuche zu verstehen. Wo ist er? Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.
 

Es ist zu früh für Panik und das weiß ich auch. Also kämpfe ich sie nieder und laufe los, renne durch das Haus, mache überall Licht an, suche nach einem Lebenszeichen von ihm. Aber ich finde gar nichts. Alle Zimmer sind gespenstisch leer. Ich renne nach draußen, suche im Regen und in der Dunkelheit den Garten ab, ich laufe sogar bis zu unserem Trainingsplatz, aber überall empfängt mich nur dieselbe, erdrückende, menschenleere Stille.
 

Und irgendwann finde ich mich wieder in seinem Zimmer, da, wo ich meine Suche begonnen habe, und bin genauso hilflos wie vorher. Itachi ist nicht hier.
 

Eigentlich war ich doch darauf vorbereitet. Es war viel zu einfach. Aber jetzt, wo ich zu begreifen beginne, dass er nicht hier ist, fühlt es sich an, als würde irgendwas in mir drin zerreißen. Mein Magen schmerzt und in meinen Augen brennen Tränen. Er hat es doch versprochen! Er hat gesagt, er würde auf mich warten! Dieser Mistkerl! Warum kann es nicht ein einziges Mal so enden, wie ich es mir wünsche?
 

Wie konnte er mir das schon wieder antun?
 

Auf wackeligen Beinen gehe ich rüber zum Bett, falle davor auf die Knie und lege meinen Kopf auf die Decke. Die Bettwäsche riecht nach ihm, nach uns beiden. Nach Glück, das nie von Dauer sein konnte und einer dicken, fetten Lüge, die ich so bereitwillig geglaubt habe. Ich kann einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, woher ich noch die Kraft nehmen soll, ihm nachzulaufen, ihn zu suchen. Mein ganzer Körper zittert, mir ist furchtbar kalt. Ich kann nicht einmal weinen. Ich fühle mich so hoffnungslos und verzweifelt, dass nicht einmal mehr die Tränen kommen. Ich sitze einfach nur da und warte. Und dafür hasse ich mich selbst am allermeisten:
 

Irgendwie glaube ich immer noch, dass vor Ablauf der Frist diese Tür aufgehen und er zurückkommen wird.
 


 

"Hey, Sasuke." Eine traurige Stimme dringt bis zu mir vor. Jemand legt eine Hand auf meine Schulter und setzt sich neben mich. "Sasuke." Wieviel Zeit vergangen ist, seit ich hier angekommen bin, weiß ich nicht.
 

Ich öffne meine Augen und sehe ihn an. Es ist seltsam, dass er da ist. "Was tust du hier?", frage ich teilnahmslos und blicke starr an ihm vorbei.
 

"Ich wollte wirklich nicht, dass es so kommt." Eine Furche bildet sich auf seiner Stirn und die blauen Augen schimmern traurig. "Aber ich habe befürchtet, dass er nicht hier sein wird. Ich wollte nicht, dass du ganz alleine bist."
 

"Bist du mir gefolgt?"
 

Er nickt und ich schließe die Augen. Ich will ihn nicht hier haben. Er soll gehen, mich in Ruhe lassen. Naruto darf nicht hier sein, das hier ist unser Ort.
 

"Sasuke", sagt er nochmal. Er klingt so, als wüsste er nicht genau, was er sagen soll. Das Trösten anderer war auch nie seine Spezialität und ich wäre froh, würde er es gar nicht erst versuchen. Ich brauche keinen Trost und ich brauche kein Mitleid.
 

"Geh."
 

Anstatt einfach mal zu tun, was ich ihm sage, legt er unbehaglich die Arme um mich. "Ich gehe, wenn du mitkommst."
 

"Ich kann nicht."
 

Er merkt, dass ich halb erfroren bin und versucht irgendwie, meinen Mantel so um mich zu drapieren, dass er mich etwas wärmt. Ich nehme davon allenfalls Notiz, aber dieses Mal erreicht er mein Herz nicht. Es wäre mir völlig egal, wenn er jetzt aufstehen und gehen würde. Ich kann einfach nicht mehr.
 

"Er ist nicht hier, Sasuke."
 

Ein schiefes, zynisches Lächeln quält sich auf meine Lippen. "Weiß ich."
 

"Denkst du, er wird zurückkommen?"
 

"Nein."
 

Verständnislos sieht er mich an. "Warum-"
 

"Vielleicht kommt er ja doch?" Selbst in meinen Ohren klingt es erbärmlich. "Und wenn nicht, dann gehe ich ihn suchen. Ich finde ihn."
 

"Und dann lässt er dich wieder alleine."
 

"Ich weiß." Soll ich den Rest meines Lebens damit verbringen, Itachi nachzujagen? Wie soll ich damit leben, dass er mich immer wieder verlässt?
 

Naruto streichelt mir die Haare aus der Stirn und die vertraute Geste will irgendwie nicht zu dem Bild passen, das ich von ihm habe. "Komm nach Hause, Sasuke. Er hat bewiesen, dass er dich nicht will." Es trifft mich wie ein Stich mitten ins Herz. "Ich werde dir niemals so was antun, ich versprech’s."
 

Er nimmt meine Hand, die, die ich vor meinem Gesicht in die Bettdecke gekrallt hatte, und zieht sie weg. Und er küsst mich. Meine Augen sind offen und ich blicke in sein Gesicht, so nah wie nie zuvor. Nein, fast nie. Mir fällt jetzt erst auf, dass sein Haar feucht ist. Er muss noch länger als ich draußen im Regen gestanden haben. Hat er schon dagestanden, während ich draußen gesessen habe?
 

Seine Lippen fühlen sich warm auf meinen an. Warm und weich. Ich fühle mich ganz seltsam. In mir keimt eine irrsinnig starke Sehnsucht nach der Wärme auf, die er ausstrahlt. Es tut fast körperlich weh, so sehr wünsche ich mir in diesem Moment die schlichte, ehrliche Zuneigung, die er mir so bereitwillig zeigt. Mit ihm müsste ich nicht so leiden. Ich müsste keine Angst davor haben, morgens aufzuwachen um festzustellen, dass er nicht mehr da ist. Das ist auch Glück. Sicherheit, Beständigkeit.
 

Zum ersten Mal wünsche ich es mir wirklich. Ich sehne mich danach, mit ihm mitzugehen. Nicht, weil es vernünftiger wäre, sondern weil ich es so dringend brauche.
 

Der Kuss endet und zurück bleibt das flüchtige Gefühl der Wärme auf meinen Lippen und der brennende Wunsch, Itachi aufzugeben und diese Quälerei endlich hinter mir zu lassen.
 

Warum tue ich mir das alles überhaupt noch an? Wenn ein flüchtiger Kuss meine Entscheidungen so zum Wanken bringt, wieviel ist das alles überhaupt noch wert? Wozu jage ich Itachi eigentlich nach, wenn mich doch immer nur noch mehr Schmerz erwartet? Fällt mir der Grund, den ich dafür mal hatte, überhaupt noch ein?
 

Irritiert setze ich mich auf. Naruto sitzt bloß da und schafft es tatsächlich mal, den Mund zu halten. Und ich versuche, ihn wiederzufinden. Den Grund für das alles hier.
 

Wenn ich über Itachi nachdenke, fallen mir zuerst die unzähligen Male ein, wo er mir einfach nur wehgetan hat. Der Todestag unserer Eltern, wo er mich so sehr gequält hat. Der Augenblick im Morgengrauen vor dem Dorfeingang, wo er mich abgesetzt hat, als wäre ich ein Haustier, das ihm lästig geworden ist. Heute… ein stockfinsteres Haus mit vielen, leeren Zimmern.
 

Warum kann ich an nichts anderes denken?
 

Ich schaue Naruto an und ich ziehe es wirklich ernsthaft in Betracht. Einfach aufstehen und diesen Ort und alles, was damit verbunden ist, hinter mir lassen. Nach Hause gehen und neu anfangen. Ich sehe Naruto an und stelle mir vor, in Zukunft neben ihm aufzuwachen.
 

Ich hab ihn gern. Wenn ich mit ihm gehe, würde er alles tun, um mich glücklich zu machen. Ich müsste nie mehr Angst haben, allein zu sein. Also stelle ich es mir vor. Ein warmes Bett, ein zu Hause und ein Morgen, an dem ich neben ihm aufwache. Wo ich meine Augen öffne und mich sommerblondes Haar und blaue Augen erwarten und Naruto mich in die Arme nimmt.
 

Ich würde ihn hassen.
 

Ich würde ihn hassen, weil er nicht Itachi ist.
 

Wenn ich neben Itachi aufgewacht bin, war mein Herz so von ihm erfüllt, dass ich keine Worte finde, um es zu beschreiben. Es tat weh, bei ihm zu sein, ein dumpfer, zäher Schmerz, ganz tief in mir drin, der so schön war, dass ich mich an ihn geklammert habe, auch wenn ich wusste, es würde nicht ewig währen. Ich konnte nie genug davon kriegen.
 

Auf einmal habe ich es wieder. Das Gefühl und meinen Grund. Mein Herz rast, weil es mich fast überwältigt. Naruto könnte mich nicht glücklich machen, weil er nicht Itachi ist. Ich liebe Itachi so sehr, dass es sich anfühlt, als würde mir jemand die Luft abschnüren. Ich liebe ihn trotz seiner Grausamkeiten und ich liebe ihn genau deswegen, als Bruder, als Mensch, als Mann. Wie konnte ich das vergessen? Ich habe es immer wieder gedacht und gesagt, aber es war mir schon lange nicht mehr so deutlich bewusst, wie jetzt, was das eigentlich heißt. Und warum es das wert ist, dafür zu kämpfen.
 

Narutos Angebot kann mich nicht mehr reizen. "Geh nach Hause, Naruto. Ich werde nicht mitkommen."
 

"Warum?"
 

"Weil ich ihn liebe."
 

Naruto sagt kein Wort, er starrt mich bloß an. Ich lege meinen Kopf zurück auf die Decke. Ich werde warten. Mein zu Hause ist hier. Ich schließe die Augen und versuche, dieses Gefühl festzuhalten, das mir gerade eben wieder bewusst geworden ist.
 

"Sasuke."
 

Erschrocken reiße ich die Augen auf. Mein Kopf schnellt in die Höhe und ich glaube schon, dass mein Verstand mir Streiche spielt. Itachi steht neben mir und sieht ausdruckslos auf mich herab. Von Naruto weit und breit keine Spur. "Was zum… Itachi?!", platzt es unintelligent aus mir heraus.
 

Er sieht mich missbilligend an. "Was tust du da, Sasuke?"
 

Ich kann seine Frage nicht beantworten, kann sie nicht einmal wirklich verstehen. Naruto… Ich dachte… Habe ich das bloß geträumt? Ich schwöre, ich habe den Übergang zwischen Traum und Realität nicht einmal bemerkt. Ich habe die Augen zugemacht und dann war Itachi plötzlich da. Verwirrt fasse ich mir an den Kopf. Ich bin ganz schön durch den Wind.
 

Mein Bruder beugt sich runter und zieht mich mühelos auf die Füße. Er verzieht das Gesicht, als er meine eiskalten Arme anfasst. "Sasuke?"
 

Der Blick in seine Augen bringt mich endgültig in die Realität zurück. "Du bist hier!", keuche ich.
 

"Ich bin hier", stellt er emotionslos fest. "Und du auch. So früh hatte ich dich nicht zurückerwartet."
 

Es ist eine der seltenen Gelegenheiten, wo die Worte wirklich drohen, wie von selbst aus mir herauszusprudeln. Ich dachte, du hättest mich verlassen! Du bist noch da! Ich dachte, du hättest es schon wieder getan! Es kostet mich unendlich viel Mühe, sie zurückzuhalten. Ich will es nicht kaputtmachen, ich weiß nicht, wie er reagiert, wenn ihm klar wird, dass ich so dachte. Also frage ich ihn atemlos: "Wo bist du gewesen?"
 

Er entspannt sich etwas und sein Gesicht verändert sich ganz leicht, nimmt einen missbilligenden aber nicht wirklich wütenden Zug an. "Hast du gedacht, ich würde zweiundsiebzig Stunden hier sitzen und auf dich warten? Ich war unterwegs."
 

Es fühlt sich an, als wäre ich aus meinem schlimmsten Alptraum aufgewacht. Er ist noch da. Dieses eine Mal hat er mich nicht verlassen. Ich glaube nicht, dass er weiß, wieviel mir das bedeutet.
 

Er schiebt mich ein Stück von sich weg und löst meinen Mantel. Das Kleidungsstück fällt schwer auf den Boden, immer noch feucht vom Regen. Lange kann ich nicht geschlafen haben. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht zusammenpasst. Der Traum, den ich hatte, war zu real. Selbst jetzt noch könnte ich schwören, dass Naruto wirklich hier war, ich kann ihn fast noch riechen. Und Itachi kehrt genau in dem Moment zurück, wo ich Naruto zurückweise und erkenne, was es ist, das mich ständig wieder in die Arme meines Bruders treibt?
 

Wie immer, wenn ich auf einen dieser Zufälle stoße, schiebe ich die Gedanken daran einfach beiseite. Es ist doch egal, was es war. Es ist alles egal, denn ich bin jetzt hier. Wir sind jetzt hier.
 

Wortlos sehe ich dabei zu, wie er mich auszieht. Als er mir das Hemd über den Kopf streift, hebe ich brav die Arme und merke erst jetzt, wie sehr ich friere. Er ist nicht nass. Wenn er unterwegs war, dann frage ich mich, warum sein Haar noch nicht einmal feucht ist.
 

Nackt, zitternd und frierend stehe ich vor ihm und lasse mich von ihm betrachten. Sein Blick ist erfreut und ich kann in seinem Gesicht lesen, wie selten zuvor. Ich sehe mich selbst durch seine Augen und ich sehe jemanden, der seinetwegen alles aufgegeben hat. Der wirklich ihm gehört, mit Haut und Haaren und ich spüre seine Begeisterung über die Tatsache, dass ich mich ihm am Ende so willentlich und vollkommen ausgeliefert habe.
 

Wollte er mich zerstören, wäre dies der richtige Zeitpunkt. Hätte er das alles nur getan, um mich vollends zu vernichten, dann bräuchte es jetzt nur ein einziges Wort, um mir alles wegzunehmen. Ich wollte nicht mehr so misstrauisch sein, aber wie ich ihn so ansehe, drängt sich mir dieser Gedanke förmlich auf. Er war immer in der Lage, mir wehzutun. Zu jedem Zeitpunkt hätte seine Ablehnung mich kaputtgemacht, aber in diesem Augenblick bin ich so verwundbar wie nie zuvor. Es gibt niemanden mehr, der mich auffangen würde. Und es gibt außer ihm nichts mehr, woran ich mich festhalten könnte. Ich starre auf seine Lippen, die mich so oft geküsst haben, und warte darauf, dass er ein einziges, alles vernichtendes Wort sagt.
 

Verschwinde.

Ich brauche dich nicht mehr.

Ich hasse dich.

Du bist so erbärmlich.

Es steht so deutlich im Raum, zwischen uns, dass ich es beinahe hören kann, obwohl seine Lippen sich nicht bewegt haben. Ich habe seltsamerweise keine Angst, es ist eher so, als wäre ich wie erstarrt in einem einzelnen Moment, unfähig, irgendwas zu empfinden. Ich stehe einfach da, nackt und bloß und schutzlos, und warte. Während er entscheidet, ob alles, was ich bisher getan habe, ausreicht, ob ich damit gut genug für ihn bin.
 

Ich bin wirklich nicht mehr ich selbst. Der Sasuke Uchiha, der ich mal war, hätte sich nie so verletzlich gezeigt, hätte seine Existenz und sein Glück nie so vollkommen von einem Wort, einer Geste, einem Menschen abhängig gemacht. Was ist mit mir passiert? Wann habe ich mich selbst verloren?
 

Er streckt die Hand aus und streicht mit einem Finger über eine kleine Wunde an meiner Wange, die mir einer der vorbeiflitzenden Äste geschlagen hat. Ich zucke ganz leicht zusammen, weil es wehtut, und in seinen Augen schimmert unangemessene Begeisterung. Der Finger fährt über meine Lippen, über mein Kinn, meinen Hals, wo er erneut eine kleine Schnittwunde trifft und ich wieder unwillkürlich zusammenzucke. Er streicht über meine Brust, über jede kleine Schramme und beobachtet dabei ganz genau meine Reaktion.
 

"Ich wollte dich bestrafen", haucht er und seine Hand schließt sich locker um meinen Hals. "Ich wollte dich zerstören. Ich war wirklich, wirklich wütend auf dich." Ich weiß nicht, was er meint. Ich verstehe kein Wort. Ich habe Angst, vor dem, was seine Worte bedeuten. Ist das, weil ich ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht habe? Weil ich Naruto nicht getötet habe? "Aber es ist so schwer, zu widerstehen."
 

Mein Herz pocht heftig gegen meine Rippen. Ich will etwas sagen, ihn fragen, wovon er da nur redet, aber ich bringe keine Silbe über die Lippen.
 

"Am Ende", er kommt näher, beugt den Kopf und küsst meinen Hals, direkt über der Halsschlagader, "habe ich wohl tatsächlich verloren. Weil ich dich auch liebe."
 

Meine Knie geben nach, ich kann mich einfach nicht mehr auf den Beinen halten. Er fängt mich auf, kniet sich mit mir hin und ich weiß nicht mehr ein noch aus. Da ist zu viel, in meinem Kopf und in meinem Herzen, Schmerz, Liebe, Angst, eine vage Erkenntnis und immer wieder seine Worte.
 

Weil ich dich auch liebe.

Er hält mich fest und ich klammere mich an ihn. Er fasst mich an und ich merke es kaum. Ich starre an ihm vorbei, zur Tür, an die Wand, und versuche, das Chaos in meinem Kopf unter Kontrolle zu bekommen. Er flüstert mir etwas ins Ohr, immer wieder, und es dauert eine ganze Weile, bis es langsam bis an mein Bewusstsein vordringt und sich in mein Gedächtnis brennt: "Ich will dich nicht mehr gehen lassen."
 

***
 

...tbc...
 

Nein, das ist nicht das letzte Kapitel. Eins kommt noch. Das hier finde ich wider Erwarten jetzt doch ziemlich gut, weil mir das am Ende gut gefällt. Die Szene mit Naruto und dann das, was Itachi (nicht) sagt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (19)
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Von:  sumomo_hioru
2008-03-23T16:44:26+00:00 23.03.2008 17:44
ich glaube, das war das schöste kapietel, was ich in meinem leben je gelesen habe. das ende war so ergreifend und treibt mir die tränen in die augen...
mahl ganz davon abgesehen, dass ich sowieso im moment äußerst melachonisch betört bin. ich höre mir schon die ganze zeit das opening von Elfen Lied an. es ist ein wunderschönes lateinisches lied. hör es dir doch einfach mahl an^^
cu
su-chan
Von:  Kyraliah
2008-01-14T22:43:22+00:00 14.01.2008 23:43
Ich sitze hier nun schon einige Minuten und überlege, wie ich mich ausdrücken soll. Man sollte glaube ich direkt immer nach einer Seite bei dir anfangen seinen Kommentar zu schreiben, weil man am Ende gar nicht mehr weiss, was einen anfangs mitgerissen, geschockt, verwundert oder einfach gefallen hat.

Bzw, man weiss es schon noch, aber es ist schwer es dann noch in Worte zu fassen. Zum Beispiel das Gespräch zwischen Sasuke und Sakura, das irgendwie ein kleiner Lichtblick für mich in ihrer Freundschaft war. Dann Sasukes 'Ausbruch' das ja eher ein 'aus-spazieren' darstellte.
Zumindest bis er oben angekommen ist.
Sasuke auf den Knien.
Hm.
Der letzte Ausweg den er gesehen hat, hm? Man glaubt dir das beim lesen und leider werde ich nie erfahren was passiert wäre wenn er einfach versucht hätte an ihnen vorbei zu gehen. Hat er dort das letzte bißchen Stolz verloren? Den Stolz den er vor der Tür gebraucht hätte?

Wochen, Monate, ja sogar Jahre hat er auf diesen Moment hingearbeitet, gelitten, geblutet, wurde zerstört und nur halbwegs wieder aufgebaut. Warum konnte er nicht durch diese Tür? Ein letzter Selbsterhaltungstrieb? Der Gedanke aus dem Traum aufzuwachen, den Itachi ihm vorgaukelt indem er ihm gesagt hat er wäre 3 Tage dort? Wovor hat Sasuke Angst?
Vielleicht vor seinen eigenen Emotionen. Vielleicht vor sich selbst? Ich meine, du hast seine Gedanken sehr deutlich gemacht, aber für mich waren die unausgeschriebenen irgendwie deutlicher. Versteht man was ich eigentlich sagen will?

Und dann geht er rein, nur um ganz hart aus seiner Seifenblase raus geschleudert zu werden. Und mich hats gleich mit geschleudert. Ich dachte wirklich er wäre weg und das nächste Kapitel wäre dann quasi der endgültige Selbstmord. Aber sieht aus als hätte ich mich getäuscht.
Gott sei Dank!

Dann bleibt noch dieser merkwürdige Naruto, der ja merkwürdig still war. Hat Itachi sich da nur verwandelt? War er doch im Haus? Ich meine, du hast ja geschrieben das er nicht nass ist, also wäre das so die einzig logisch Schlussfolgerung. Was uns (und besonders mir Fangirly) wieder beweisen würde wie weit Itachi immernoch über Sasuke steht. Diesen 'fast' Gewinn übersehe ich einmal grosszügig. ^^
Somit wäre das dann die letzte Prüfung gewesen. Dem sowieso schon mehr als labilen Sasuke sich selbst als Naruto hinzustellen und den letzten Test zu fahren.

Aber woher weiss Itachi das Naruto noch lebt? War er doch in der nähe in Konoha? (Ich hab ja immernoch auf nen Indiana Jones-like Auftritt von Itachi gehofft *g*) Aber ist egal, diese fast, halbe, dreiviertelte Liebeserklärung macht alles wieder wett!

Yeah Baby.. so muss das. Zwar beweifle ich irgendwie das Itachi den lieben Sasuke nun auf den Händen tragen wird.. aber irgendeine Änderung erhoffe ich mir doch fürs letzte Kapitel.

Btw verstehe ich Itachis Sätze auch nicht. Wollte er Sasuke, wo er doch so nackt vor ihm stand, doch wegschicken, weil er sich von 'Naruto' hat küssen lassen? Hm.. versteh den Mann wer will *drop*

.. soll ich das letzte Kapitel jetzt lesen oder nicht? Immerhin hast du geschrieben die Story kann nur in Tränen enden.. hmmmmmm na mal sehen.
Von:  c_a_r_o
2008-01-13T19:08:05+00:00 13.01.2008 20:08
hey!
du hast doch geschrieben das es noch ein kapitel geben wird!? >:-(
is das jetz echt schon abgeschlossen???
hatte mich doch so auf das nächste kapi gefreut...
nya also ch fänds sau schade wenn das das letzte kapi war.
lg
Von:  Kurenai
2008-01-13T10:32:26+00:00 13.01.2008 11:32
Ich hab jetzt die ganze FF auf einmal durchgelesen (ok, eine Pause von 4 Stunden, weil ich auch mal schlafen wollte) und bin hin und weg von dieser FF!
Kann mir die beiden wirklich in solch einer Beziehung vorstellen. Das Sasuke ein Emo ist der leiden will ist ja sowieso klar und warum sollte das Itachi nicht zu seinen Gunsten ausnutzen? *g*

Zu dem jetzigem Kapitel:
Ich bin der festen Überzeugung, Itachi hat sich in Naruto verwandelt um Sasuke zu prüfen. Wüsste nicht, wie der sonst so schnell entkommen sollte.

In einem der ersten Kapitel wurde doch Sasuke der Hintern versohlt... Ich hab meinen Ototou dazu gebracht, beim nächsten mal Fotos davon zu machen XD~
Von: Rizumu
2008-01-11T13:58:48+00:00 11.01.2008 14:58
OMG °___°
Ich hab echt mitgefiebert ... das war schon krank ...
Nur eine Frage stellt sich mir: War Naruto jetzt wirklich da, oder hat Sasuke sich das nur eingebildet? Weiß nicht ... das klärt sich mir nicht.
Von:  ShiroyamaYuu
2008-01-10T12:44:34+00:00 10.01.2008 13:44
So nun komme ich auch endlich dazu dir endlich mal ein Kommentar zu schreiben...

Ich habe deine Ff im Dezember entdeckt und habe sie mit einen Mal durchgelesen,
ich war überwältigt und habe sogar Tränen vergossen.
Ja ich gebe es zu,
mir tut Sasuke immer wieder extrem leid. Aber so ist einfach Itach,
ich finde du schreibst perfekt.
Alles ist auf das kleinste Detail abgestimmt,
jedes Vorkommnis wurde genau durchdacht. Alles trifft zusammen irgendwann, was ich echt erstaunlich finde,
weil ich das in einer deutschen Ff noch nie gefunden habe.
Du bist eine ausgesprochene gute Schreiberin,
ich danke dir für so guten Lesestoff
und hoffe du wirst noch so einiges Schreiben.
Den hiermit erkläre ich mich zu deinen Fan
*lächelt*
Ehrlich ich bin total begeistert von deinen Ideen und
dein Schreibstil ist einfach genial.
Jedes Wort wirkt,
die Gefühle, ob Hass, Schmerz, Wut oder Enttäuschung
spüre ich richtig beim Lesen.
Es kommt einen so vor als wäre man selbst in Sasuke´s Haut
was manchmal echt wie ich finde sehr schmerzhaft ist.

Zu deinen Lemon-Kapiteln
sie sind einfach nur *sorry für den Ausdruck* GEIL geschrieben.
Ich bin sehr kleinlich was Lemons angeht.
Da ich einfach nur gute gewohnt bin und da immer sehr skeptisch bin.
Die Englischen oder Amerikanischen Lemons können sich echt hinter deinen verstecken,
oder sich eben ne Scheibe abschneiden.
Du machst das echt perfekt
und man kann sich das genau vorstellen wie es zwischen den beiden passiert. Du beschreibst Itachi da sehr perfekt wie ich finde,
du zeigst immer wieder das er es liebt Sasuke schmerzen zu bereiten.
Ich muss sagen anders kann ich mir Itachi auch nicht vorstellen.
Für mich ist und bleibt er ein Sadist...

Ich hoffe es wird noch so ein oder zwei Kapitel kommen,
da ich dir einfach noch eine Menge Kommentare schreiben möchte.
Wenn nicht mehr so viele kommen sollten,
hoffe ich inständig und ich denke da spreche ich für die meisten Leser und vorallem Kommi-Schreiber deiner Ff das du uns bald wieder so einen durchdachten und mitreisenden Lesestoff bietest...

Liebe grüße
und vorallem viel Erfolg beim schreiben
ItachiSensei
Von:  Axel
2008-01-06T22:24:32+00:00 06.01.2008 23:24
O.O
OMG...
deine ff is toll... wow...
nachdem ich se mir jetzt komplett ausgedruckt und in einem ratsch durchgelsen hab kann ich einfach nix anneres sagen...
du hast nen super schreibstil und die ff is nich so ne sasuke sieht itachi -> sie bespringen sich geschichte...
da steckt auch richtig was dahinter!
außerdem find ichs gut, dass du nicht irgendwas von wegen orochimaru hat von itachi besitz ergriffen udn deshalb hat dieser dann seine familie umgebracht sachen geschrieben hast... großes lob!
ich freue mich schon aufs nächste kapi^^
best wishes ita~
ps: für mich die bisher beste ita+sasu fanfic überhaupt!
Von:  Nikolaus
2008-01-02T03:48:59+00:00 02.01.2008 04:48
OMG!! O__________________________________________________________O
ich bin so baff (und auch ziemlich müde) das ich nichts richtiges mehr zustande bringen kann. Nur noch das: Du bist unglaublich!
Diese FF is ja mal das crasseste was ich je gelesen hab *suffz* Bei dir zerreist's mich auch - vor Neid ^^ Dein SChreibstil is der Hammer und dann erst die geschichte....ich bin voll hin und weg.
Ich freu mich schon unglaublich auf das nächste kapi, auch wenn es leider das letzte sein wird. Aber ich bin fest überzeugt das es genauso genial, wenn nicht sogar ncoh genialer (geht das überhaupt oÔ) als die anderen Kapitel wird ^^
Mit ganz lieben grüßen und in riesiger Freude;
Harry

P.S.: Das is der account meiner Mum. Normalerweise bin Ich Harry83 ^_-
Von:  Callisto
2008-01-01T13:53:03+00:00 01.01.2008 14:53
Seltsam, mla wieder habe ich das Gefühl das Itachi das alles so eingefädelt hat. Teilweise habe ich sogar daran gezweifelt dass Sasuke wirklich in Konoha ist und nicht in einem Genjutsu.
Zumindestens am Schluss als erst Naruto auftaucht und mit einem Mal Itachi zweifel ich dran das es Naruto war.
Alles in allem also mal wieder ein Kapitel für die Sinne mit einer Spurr Beklemmung. irgendwie ist es aber schade, das Sasuke zu kaputt ist, nicht mehr er selber.
Ich bin auf das letzte Kapitel ehrlich gespannt!
-Callisto-
Von:  Natsuiy
2008-01-01T12:48:04+00:00 01.01.2008 13:48
Das war mal wieder ein supi kap ^^
Mal sehen wies weiter geht.
Aber i.wie ist das etwas komisch mit Naruto und wo dann auch noch Itachi auftaucht Oo
na ja ^^ freu mich schon aufs nächste kapitel :)


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