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Nemesis

ItaSasu
von

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V. Seen it before, but not like this

Der Boden schwankt. Oder bin ich das? Mir wird schwindlig, noch bevor ich die Augen öffne. Und mir wird klar, dass ich noch lebe.
 

Ich öffne die Augen einen Spalt. Der Boden bewegt sich. Nein… ich werde bewegt. Ich werde… getragen. Wie eine Puppe hänge ich schwer auf Itachis Rücken. Also lebe ich wirklich noch. Und er auch.
 

"Was ist passiert?", höre ich mich sagen.
 

"Das ist jetzt nicht wichtig", antwortet er mir. Er klingt anders als sonst. Mir ist so seltsam zumute. Es ist kalt. Die Luft riecht nach Schnee.
 

Nur ein ganz klein wenig fester umarme ich ihn, als mir einfällt, was ich getan habe. "Jetzt sind wir quitt", flüstere ich. "Du hast mein Leben gerettet und ich jetzt deins."
 

"Ruh dich aus."
 

Ich habe so viele Fragen. Aber ich bin so furchtbar erschöpft, dass ich einfach tue, was er sagt. Ich schließe meine Augen und nicke nach kürzester Zeit wieder ein.
 


 

Die bleierne Erschöpfung ist nur noch eine verschwommene Erinnerung, als ich das nächste Mal zu mir komme. Es ist als hätte ich tagelang geschlafen, und zwar sehr gut geschlafen. Ich liege in einem Bett. Die Bettwäsche riecht frisch gewaschen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Luxus nochmal erleben würde.
 

Es knistert so eigenartig hier drin. Brennt es? Ich öffne meine Augen, und da ist tatsächlich ein rötlicher Schimmer. Ich schaue nach rechts, von wo das Prasseln kommt. Da ist ein Kamin, in dem ein gemütliches Feuer brennt. Wo zum Teufel bin ich denn hier bloß? Im Zimmer brennt sonst kein Licht und die Vorhänge sind zugezogen, deswegen sehe ich erst einen Moment später, dass Itachi am Kaminfeuer sitzt, mit dem Rücken zu mir.
 

"Itachi", sage ich vorsichtig. Er weiß sicher schon, dass ich wach bin. Aber ich bin verwirrt, ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Ich setze mich auf. Das Zimmer ist spärlich eingerichtet. Die Wände sind aus Holz, richtig urtümlich. Es gibt mein Bett, das an der Wand steht, einen niedrigen Tisch zum hinknien ohne Stühle und sonst nichts. Nur das Fenster mit den dicken Vorhängen und zwei Türen. Neben der Tür links hängt Itachis Mantel.
 

Itachi hat mir noch nicht geantwortet. Das passt gar nicht zu ihm. Ich schlage die Bettdecke beiseite und merke, dass ich nur einen schwarzen Stoffkimono trage. Naja den und einige Verbände. Der Kampf mit Deidara hat mich ganz schön angestrengt, aber ich fühle mich weit erholter als in den letzten Tagen. Offensichtlich habe ich die unangenehmen Folgen des Chidori einfach verschlafen. Ein Glück.
 

Vorsichtig stehe ich aus dem Bett auf, weil ich nicht weiß, ob ich meinen Beinen trauen kann, aber sie halten mein Gewicht aus. Ich nähere mich meinem Bruder, der sich immer noch nicht rührt. Ein bisschen verunsichert setze ich mich neben ihn und erst als ich ihm ins Gesicht sehe, merke ich, dass er im Sitzen schläft. Dieses Mal wirklich. Er muss erschöpft sein, wenn er sich so eine Blöße gibt. Er trägt weder seinen Mantel noch sein Stirnband. Nur die Hose und sein Netzhemd.
 

Mir kommt der Gedanke, dass ich so eine Situation eigentlich hätte ausnutzen müssen. Wenn schon nicht um ihn zu töten, dann doch wenigstens, um abzuhauen. Aber das wäre inzwischen einfach nur noch peinlich. Ich habe ihn gerettet. Vielleicht war es ja umsonst, weil er sich auch ohne meine Hilfe selbst hätte retten können, das weiß ich nicht. Aber ich bin dazwischen gegangen, um meinem Bruder das Leben zu retten. Mein Körper und mein Verstand sind sich offenbar nicht einig, wenn es um ihn geht. Ich wollte ihn beschützen. Jetzt noch so zu tun, als wollte ich seinen Tod, wäre lächerlich. Ich muss mich der Wahrheit stellen.
 

Ich sehe ihn an und mir wird in aller Deutlichkeit klar, dass dieser Mann, der früher ein über alles geliebter Mensch für mich war, ohne mich jetzt nicht mehr da wäre. Wäre ich nicht aufgewacht, hätte ich es nicht gesehen… ich hätte ihn für immer verloren. Ohne meine heißersehnten Antworten. Ohne ihm alles sagen zu können, was mich quält. Ohne ihm sagen zu können, was er mir angetan hat, als er mich verlassen hat. Der Gedanke tut so weh und macht mich gleichzeitig auf eine eigentümliche Weise glücklich. Ich habe etwas bewirkt. Mein Handeln hat etwas verändert, ich war nicht bloß ein Klotz am Bein. Meine Familie konnte ich nicht retten, ihn aber schon. Ich war zu etwas nütze und das macht mich wirklich, wirklich glücklich.
 

Quitt sind wir eigentlich nicht. Er hat mein Leben mindestens zweimal gerettet, das ist mir schon bewusst. Aber kommt es dabei wirklich darauf an, wie oft man jemanden rettet? Ich fühle mich, als hätte ich meine Schuld beglichen.
 

"Itachi", sage ich nochmal.
 

Jetzt öffnet er langsam die Augen, hebt den Kopf und sieht mich an. Im ersten Moment ist sein Blick völlig orientierungslos. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, blinzelt dann aber und hat sich auch schon wieder gefangen. Was er sagen wollte, werde ich nie erfahren. Stattdessen deutet er mit einer Kopfbewegung rüber zu dem Tisch. "Du solltest etwas essen." Ich folge seinem Blick. Auf dem Tisch steht eine Schüssel, aber ich habe noch keinen Hunger. Erst will ich Antworten.
 

"Sag mir erst, wo wir sind und was passiert ist."
 

"Wir befinden uns irgendwo in den Bergen", antwortet er und starrt ins Feuer. "In einem Gasthof, nicht weit von einem kleinen Zivilistendorf. Viel mehr Alternativen gab es auch nicht, jetzt sind nämlich die Akatsuki hinter uns her. Die, die noch übrig sind."
 

"Also ist Deidara tot. Aber der hat sich ja selbst umgebracht. Was ist mit Kisame?"
 

"Den habe ich getötet, noch bevor Deidara sich in die Luft gesprengt hat." Er starrt noch immer gedankenverloren ins Feuer. "Deidara war nicht zu bremsen. Und als Kisame gesehen hat, dass ich ihn angreife, ist er auch auf mich losgegangen. Ich musste ihn beseitigen, sonst wäre er zu den Akatsuki gerannt und hätte sie mir sofort auf den Hals gehetzt. So hatten wir wenigstens einen Vorsprung."
 

Ich bringe ihm wohl kein Glück. Aber dass er mit den Akatsuki gebrochen hat, kann ich nicht wirklich bedauern. Mich beschäftigt eher die Frage nach dem Warum. "Wieso hast du das getan?"
 

Jetzt sieht er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Ich komme zurück und das halbe Haus steht in Flammen. Die Tür wird aufgesprengt und du springst blutend raus. Und Deidara ist hinter dir her wie der Teufel. Was hätte ich tun sollen? Zulassen, dass er dich umbringt?"
 

Gleichgültig zucke ich die Schultern. "Wieso nicht?"
 

Darauf bekomme ich keine Antwort. Ist wohl besser so. Er ist für seine Verhältnisse ohnehin sehr gesprächig. Vielleicht hat das, was passiert ist, ihm auch zugesetzt.
 

Langsam wird mir die Tragweite unserer Entscheidungen bewusst. Itachi hat meinetwegen die Akatsuki verraten und damit seinen Zufluchtsort aufgegeben. Genau wie ich hat er jetzt niemanden mehr. Wir sind beide auf der Flucht. Itachi verlangt keine Erklärung dafür, dass Deidara mir an den Kragen wollte. Er war schon immer so, hat die Dinge so genommen, wie sie kamen. Meistens jedenfalls. Vielleicht gilt dasselbe auch für die Tatsache, dass ich ihn gerettet habe. Dass es so war, weiß er mit Sicherheit. Eigentlich bin ich auch ganz froh, dass er es nicht erwähnt. Würde er mich fragen, wieso ich ihm das Leben gerettet habe, wüsste ich darauf keine Antwort.
 

Ich stehe auf, gehe rüber zum Fenster und schiebe die Vorhänge zur Seite. Es ist ziemlich dunkel draußen. Und es schneit. Schnee… wir müssen tief in den Bergen sein. Dass es hier Gebiete gibt, in denen fast ständig Schnee liegt, weiß ich. Aber ich war noch nie an so einem Ort. Auf einmal erscheint mir mein Fluchtversuch aus Itachis Haus, als ich mich nachts einfach ins Gras legen konnte ohne zu frieren, entsetzlich lange her. Ich lasse die Vorhänge los und drehe mich wieder zu ihm um. Wie wütend ich auf ihn war… das ist nur noch eine verblasste Erinnerung.
 

Jetzt bin ich nur noch verwirrt. Ich habe sein Leben gerettet. Und ich kann es nicht einmal bedauern. Was ist nur los mit mir?
 

Ein bisschen ratlos gehe ich rüber zu dem Tisch. Auf dem Teller sind Reisbällchen. Ich nehme einen und beiße hinein, obwohl ich keinen Hunger habe. Ich weiß noch nicht, wie lange ich geschlafen habe. Auf jeden Fall habe ich eine ganze Weile nichts gegessen. Das kenne ich schon, nach einiger Zeit hat man nicht mal mehr Hunger. Deshalb muss ich mich zwingen, zu essen.
 

"Was ist mit Orochimaru?", erkundige ich mich, weil es mir grade wieder einfällt.
 

"Tot", antwortet Itachi knapp.
 

Das ist gut. Ein Problem weniger. Ich wünschte, ich hätte ihn selbst umgebracht. Aber wenigstens war es ein Uchiha, der ihn beseitigt hat. Ich kann damit gut leben.
 

Itachi schweigt wieder und ich habe nichts mehr zu sagen. Ich stelle mich ans Fenster und blicke stumm nach draußen.
 


 

Ich bin wirklich kein Fan von großen Naturschauspielen. Aber an diesem Ort ist es unheimlich friedlich. Ich stehe im Garten des Gasthauses und von hier aus kann man runter bis ins Tal sehen. Gestern Nacht hat es irgendwann aufgehört zu schneien und jetzt ist die Sicht völlig klar. Vielleicht ist es gut, dass ich jetzt hier bin. Ein paar Augenblicke des Friedens werden mir gut tun. Vielleicht brauche ich diese Ruhe, um endlich Klarheit zu bekommen.
 

Itachi ist vor einer halben Stunde gegangen, kommentarlos, und ich habe keine Ahnung, wo er hin ist und wann er wiederkommt. Würde ich eine Flucht momentan in Betracht ziehen, würde ich trotzdem bleiben. Ich habe nichts zum Anziehen und es ist bitter kalt. Meine Zehen spüre ich kaum noch, ich hätte nicht einmal das richtige Schuhwerk, um diesen Berg wieder runterzusteigen. Ich käme keine drei Kilometer weit. Wahrscheinlich hat er mich nur deshalb allein gelassen.
 

Seine Abwesenheit habe ich genutzt, um diesen Ort zu erkunden. Der Gasthof ist nicht besonders groß, es gibt nur zwei Stockwerke mit schätzungsweise je fünf Zimmern. Er liegt total einsam am Hang, wenn man hinten im Garten steht, so wie ich jetzt, kann man ins Tal sehen. Hier gibt es nichts als Schnee und Bäume. Auf der anderen Seite gibt es einen schmalen Weg, der wohl in das Dorf führt, das Itachi erwähnt hat.
 

Wie aufs Stichwort höre ich Schritte im Schnee und er stellt sich zu mir. Ich starre weiterhin runter ins Tal, wo die ersten Lichter angehen. Es ist spät, bald wird es dunkel.
 

"Was wirst du jetzt tun?", frage ich ihn, ohne ihn anzusehen. Ich weiß, dass er versteht, was ich meine.
 

"Ich weiß noch nicht. Vor den Akatsuki habe ich keine Angst. Gegen mich kommen sie nicht an."
 

"Aber gegen mich schon", sage ich nachdenklich. Er müsste sich nicht verstecken, wenn ich nicht wäre. Wieder einmal bin ich nichts als ein Klotz am Bein. "Und ich habe keine Freunde mehr. Ich kann nirgends hin." Eisiger Wind bläst mir ins Gesicht. Ich trage immer noch bloß den Kimono, aber erst jetzt fange ich langsam an zu frieren. Trotz allem ist mein Körper immer noch abgehärtet. Das ist gut zu wissen. "Als ich vor dir weggelaufen bin… bevor Kabuto mich gefunden hat… da habe ich darüber nachgedacht, nach Konoha zurückzukehren." Interessiert beobachte ich, wie mein Atem an der kalten Luft verdampft.
 

"Wenn du es möchtest, kann ich dich nach Hause bringen", sagt er tonlos. "Ich setze dich in Konoha ab und ziehe allein weiter."
 

"Dann bin ich nicht länger dein Gefangener?", frage ich ohne Vorwurf in der Stimme. Ich weiß sehr wohl, dass ich ihm nicht geantwortet habe.
 

"Ich wollte nur verhindern, dass du dir etwas antust."
 

"Das war nichts weiter als eine Kurzschlussreaktion", antworte ich. "Auf die Leere war ich nicht gefasst, ich war nicht ich selbst." Ich schaue hoch zum Himmel. Den Polarstern sieht man schon. "Du hattest nicht das Recht, mich einzusperren." Ich wundere mich selbst darüber, wie ruhig ich plötzlich mit ihm darüber reden kann. "Mein Leben geht dich nichts mehr an. Es hat dich nicht zu interessieren, ob ich lebe oder sterbe."
 

"Das hat es sehr wohl. Du hattest nicht das Recht…" Mitten im Satz unterbricht er sich und führt ihn auch nicht zu Ende. "Ich brauche deine Erlaubnis nicht, um auf dich aufzupassen", sagt er stattdessen.
 

Ich seufze. "Ich verstehe dich einfach nicht."
 

Wir schweigen beide eine Weile, dann sagt er: "Gehen wir rein. Dir ist kalt."
 

Ich folge ihm brav zurück ins Haus. Drinnen ist es angenehm warm und im Flur begegnen wir einer Frau, so um die vierzig schätze ich, ein bisschen rundlich und mit freundlichen Augen. Sie sieht mich an und strahlt. "Dem jungen Mann geht es wieder besser! Das freut mich!"
 

Itachi nickt knapp, ich werfe ihr nur einen neugierigen Blick zu. Als er mich hergebracht hat, war ich bewusstlos. Was hat er ihr wohl erzählt? Ich nehme stark an, dass sie diesen Gasthof betreibt oder zum Personal gehört. Was hat er wohl zu ihr gesagt, als er mit einem bewusstlosen jungen Mann im Arm hier ankam? Wortlos geht er an ihr vorbei und ich folge ihm die Treppe hoch. Das Haus scheint momentan nicht sehr gut gebucht zu sein. Oben begegnet uns keine Menschenseele. Vielleicht sind wir sogar die einzigen Gäste hier.
 

Das Feuer ist ausgegangen. Itachi kniet sich vor den Kamin und mit einem gut gezielten Feuerball entfacht er es erneut. Er starrt ins Feuer und sagt zu mir: "Keiner weiß, dass wir Shinobi sind." So etwas habe ich mir schon fast gedacht. Weshalb sonst sollte er ohne sein Stirnband rumlaufen? Wahrscheinlich wäre es zu auffällig, wenn zwei Ninja hier auftauchen würden. Die Akatsuki könnten davon erfahren und dann wären wir in Gefahr. Oder ich zumindest. Itachi scheint sie ja nicht zu fürchten.
 

Ein paar Minuten lang setze ich mich ans Feuer und wärme mich auf. Es ist wirklich gemütlich hier drin. Ich brauche keinen Luxus, aber von allen Orten, an denen ich in den letzten Wochen und Jahren war, ist dieser hier mir der Liebste. Bei Orochimaru war es stets kalt und finster. Das erste Haus, in das Itachi mich gebracht hat, war zu normal, zu… lebendig. Ich konnte die Anwesenheit der vorherigen Bewohner fast noch spüren. Und für Deidaras Behausung gibt es sowieso keine Worte. Hier aber ist es gemütlich und warm und wir sind nur zu zweit. Ich bin befreit von meinem Hass, ich habe genug zu Essen, meine Verletzungen sind fast alle abgeheilt.
 

Aber wir können ja nicht ewig hierbleiben. Es gibt überhaupt kein "wir". Ein Wort von mir reicht aus, damit er mich nach Hause bringt. Dann bräuchte er sich nicht mehr zu verstecken. Das hier ist nicht von Dauer und ich weiß auch nicht, ob ich es lange aushalten würde. Es ist ein kurzer Abschnitt auf einem Weg, den ich noch nicht wirklich vor mir sehen kann.
 

Keine Ahnung, was weiter passieren wird. Ich sollte versuchen, das Beste daraus zu machen.
 

Es klopft an der Tür und ich bitte die Person herein. Es ist die Frau von eben und noch bevor sie etwas sagt, schweift ihr Blick neugierig durch das Zimmer. Wir müssen vorsichtig sein. Sie sieht sehr freundlich aus, ich zweifle nicht daran, dass sie keine bösen Absichten hat. Aber sie ist offenbar neugierig und so wie ich sie einschätze, wird sie alles, was sie von uns erfährt, sofort weitertratschen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Dorfbewohner jede Kleinigkeit über die Fremden, die bei ihr zu Gast sind, erfahren werden. Sie darf nicht zu viel wissen.
 

Sie lächelt mich freundlich an und sagt: "Ich dachte mir, vielleicht braucht ihr noch eine Schlafgelegenheit. Wir haben momentan kaum Gäste, deshalb bringe ich euch das hier." Sie hält einen Futon im Arm, mit dem sie ins Zimmer kommt und den sie jetzt vor dem Kamin ausbreitet. Es ist eine freundliche Geste und ich bedanke mich höflich bei ihr. Gleichzeitig beginne ich mich zu fragen, wie lange ich wohl ohne Bewusstsein war. Es kam mir vor, als hätte ich mehrere Tage geschlafen, aber wenn sie erst jetzt auf die Idee kommt, sind wir vielleicht erst heute hier angekommen. Sie mustert mich wohlwollend und fragt: "Darf ich fragen, was zwei so hübsche junge Männer hierher verschlagen hat?" Ob jemand es je gewagt hat, Itachi einen hübschen jungen Mann zu nennen, wenn er in Hörweite war? Ohne die Sharingan sieht er offenbar weit weniger bedrohlich aus, sodass die Frau keine Angst vor ihm hat.
 

"Wir wollten einen Freund besuchen und haben uns im Schnee verirrt", antwortet Itachi. "Wir werden uns ein paar Tage hier aufwärmen und wieder zu Kräften kommen, dann ziehen wir weiter."
 

Ihre Neugierde ist ganz offensichtlich noch nicht gestillt. Aber wir beide sind so wortkarg, dass es ihr schwerfällt, uns weiter auszufragen. Sie bittet uns, Bescheid zu geben, falls wir irgendetwas brauchen sollten und wünscht uns eine gute Nacht. Nachdem sie gegangen ist, schließe ich die Tür von innen ab.
 

Mit einem Kopfnicken deutet Itachi auf das Bett. "Du schläfst auf dem Bett."
 

Ich setze zu einem Protest an, aber er schüttelt bloß den Kopf. Ich habe wirklich keine Lust, mich mit ihm zu streiten. Deshalb setze ich mich auf das Bett und frage mich, wie spät es wohl ist. Meine innere Uhr schätzt es auf etwa sieben Uhr abends. Eigentlich viel zu früh um zu schlafen, aber anders kann man sich hier kaum beschäftigen. Itachi spricht nur das Nötigste und ich habe auch nichts zu sagen. Deshalb lege ich mich hin und Itachi macht es sich auf dem Futon bequem.
 


 

Ich habe ein oder zwei Stunden vor mich hin gedöst, bevor ich wieder wach werde. Geschlafen habe ich in letzter Zeit genug, ich bin einfach nicht müde. So leise wie möglich setze ich mich im Bett auf. Draußen ist es jetzt wirklich stockdunkel, ich erkenne nur Schwärze durch das Fenster. Ich glaube, Itachi schläft. Jedenfalls atmet er gleichmäßig und reagiert nicht darauf, dass ich wach bin.
 

Das Feuer brennt nur noch sehr schwach, langsam wird es kühl hier drin. Ich stehe lautlos auf und schleiche rüber zum Fenster. So nah an der Scheibe kann ich erkennen, dass es wieder angefangen hat zu schneien. Wenn ich das so sehe, frage ich mich, wie Itachi nach seinem Kampf mit Deidara noch die Kraft aufbringen konnte, mich hier hoch zu schleppen. Es muss unfassbare Reserven haben.
 

Wir werden bald weiterziehen müssen. Dieses Idyll kann nur von kurzer Dauer sein und ich muss bald eine Entscheidung treffen. Ob ich überhaupt eine Wahl habe, weiß ich nicht. Kann ich, darf ich, will ich bei Itachi bleiben? Der Gedanke erscheint mir absurd. Aber nach Konoha zurückzukehren scheint momentan fast genauso abwegig. Es fühlt sich alles so unvollendet an. Ich habe so viel Zeit mit Itachi verbracht, aber ich habe immer noch keine Antworten auf meine Fragen erhalten. Ich weiß nicht, was er wirklich denkt, was tatsächlich in ihm vorgeht. Ich weiß nicht, wieso ich ihn nicht töten konnte oder wieso ich das Gefühl hatte, ohne ihn nicht weiterleben zu können, als ich dachte er wäre tot. Es ist alles so unfertig, diese Geschichte braucht doch einen Abschluss. Vorher kann ich nicht loslassen, oder ich würde wieder genauso rastlos nach Konoha zurückkehren, wie ich es vorher war.
 

Aber ich weiß auch, dass es kein Ende gibt. Das hier ist die Tragik meines Lebens und die nimmt kein Ende, nur weil ich das gerne möchte. Itachi wird mir keine Antworten geben. Und er kann mir sowieso nicht alle Fragen beantworten. Er kann mir nicht sagen, warum ich sein Leben retten wollte.
 

Vielleicht werden wir schon morgen aufbrechen. Und ich werde so rastlos sein wie heute. Wenn ich an die Zukunft denke, sehe ich nur Ungewissheit und Einsamkeit.
 

Ich ziehe den Vorhang zu und gehe rüber zum Kamin. Ein schwacher Feuerball stärkt das Feuer und ich schiebe einen Holzscheit nach. Dann drehe ich mich um. Hier beim Feuer ist es wärmer als im Bett. Das mag nur eine bequeme Ausrede sein, denn eigentlich sehne ich mich bloß nach etwas Körperkontakt, aber momentan denke ich auch nicht groß darüber nach, sondern krieche einfach zu Itachi unter die Decke. Er wird wach, als ich mich an ihn drücke, sieht mich im rötlichen Licht erstaunt an, aber er stößt mich nicht weg. Einen Arm legt er schwer um mich, dann schließt er die Augen und döst wieder weg.
 

Es dauert nicht lange, bis auch ich wieder eingenickt bin.
 


 

Die Bilder meines Traums verblassen. Mir wird gerade erst bewusst, dass ich erwache. Wovon hab ich geträumt? Ich weiß es schon nicht mehr. Da ist irgendwas. Ich spüre den warmen Atem eines anderen auf meinem Gesicht. Da ist was an meiner Wange.
 

Ich könnte beim besten Willen nicht die Augen aufmachen. Ich schlafe noch halb, ich fühle mich so wohl. Das soll nie vorbeigehen. Je länger ich das Gefühl festhalten kann, desto besser. Alles andere ist auf einmal so weit entfernt.
 

Vielleicht träume ich ja doch noch.
 

Etwas berührt jetzt meine Lippen. Irgendwo, im hinterletzten Winkel meines Verstandes, weiß ich, dass dies der Moment wäre, um in Panik zu geraten. Aber der Rest von mir fühlt sich einfach so unheimlich wohl. Jemand küsst mich. Das ist nicht Orochimaru, oder? Orochimaru fühlt sich unangenehm kalt an. Aber diese Person ist warm. Und riecht so vertraut. Fast wie damals…
 

Ganz automatisch suche ich die Nähe des anderen. Ich weiß, dass er es ist. Wie könnte ich es nicht wissen? Selbst in meinen Träumen erkenne ich ihn.
 

Mein Herz ist so leicht. Irgendwas sagt er zu mir, aber ich bekomme es kaum mit. Ich merke nur, wie ich an seine Brust gezogen werde und er mich umarmt. Das ist so gut. Das ist wie damals. Damals als ich…
 

Nii-sans Bett ist so viel wärmer als meins. Und er riecht so gut. Ich schlafe gerne bei ihm, selbst wenn ich dafür zugeben muss, dass ich schlecht geträumt habe. Nichts ist schöner als wenn er mich zu sich ins Bett lässt und ich in seinen Armen einschlafen kann.
 

"Wovon hast du geträumt?", fragt er mich. Das tut er sonst nie. Vielleicht will er mich dazu bringen, endlich stillzuhalten, weil ich mich in seinen Armen unruhig hin und her wälze.
 

Ich will es ihm sagen, aber ich traue meiner Stimme nicht mehr. Es ist absurd, ich kann es ihm nicht erzählen. Ich habe geträumt, dass Nii-san mich hasst. Selbst jetzt noch bekomme ich bei dem Gedanken einen Kloß im Hals und wage es nicht zu sprechen, weil ich glaube, ich fange gleich an, zu weinen. Es ist so albern und doch ist mein Herz plötzlich so schwer. Er könnte mich doch niemals hassen.
 

Er streichelt mir über die Stirn und flüstert: "Schlaf jetzt, Sasuke."
 

In der Dunkelheit taste ich nach seiner Hand und halte sie fest. Es ist kindisch und das weiß ich, aber ich denke, solange ich ihn festhalte, kann er nicht weggehen. Und mich nicht verlassen.


 


 

Ich kann kaum atmen. Irgendwas hält mich fest. Es weckt düstere Erinnerungen und noch kaum wach versuche ich mich dem Griff zu entwinden. Es gelingt mir nicht und ich öffne verschlafen die Augen. Eigentlich denke ich, dass es bloß ein Traum war, aber da sind immer noch diese Arme, die mich festhalten. Es ist kühl. Wieso…? Mein Kimono ist weit runtergerutscht, mein Oberkörper ist bloß und ich gerate in Panik. "Nicht!", schreie ich und meine Stimme bewegt ihn dazu, loszulassen.
 

Augenblicklich weiche ich zurück und sitze schwer atmend und völlig durcheinander auf dem Boden. Der runtergezogene Kimono hängt irgendwie wie ein Fremdkörper auf mir. Itachi sitzt aufrecht auf dem Futon und sieht mich an. "Sasuke?"
 

Mir wird klar, dass meine Panik völlig ungerechtfertigt war. Ich habe geschlafen. Der Kimono ist einfach so runtergerutscht.
 

Langsam werde ich paranoid. Bei dem, was ich schon alles erlebt habe, ist das auch kein Wunder. Ohne meinen Ausbruch zu erklären, stehe ich auf und stelle mich vor den Kamin. Das Feuer ist schon wieder fast ausgegangen und ich beschäftige mich damit, es neu zu entfachen. Es ist eine gute Ausrede, um ihn nicht ansehen zu müssen.
 

Ich erinnere mich daran, dass ich geträumt habe. Nein, ich bin gestern wach geworden. Wieviel davon habe ich geträumt? Ich weiß, dass es nahtlos in den nächsten Traum überging, wo ich wieder klein war und bei ihm im Bett geschlafen habe. Die Erinnerung macht mich melancholisch. Wenn ich damals geahnt hätte, in wessen Bett ich da steige… Nun, wenn ich darüber nachdenke… heute weiß ich es und bin trotzdem gestern Nacht unter seine Decke gekrochen. Vielleicht hab ich einfach keine Chance, wenn es um ihn geht. Und ich bin dazu verdammt, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
 

Im Halbschlaf ist niemand zurechnungsfähig, das weiß ich. Aber was ich da zugelassen habe… was ich getan habe… wie will ich das noch erklären? Ich drehe mich zu Itachi um und sehe ihn lange an. Hassen kann ich ihn nicht mehr. Was fühle ich eigentlich, wenn ich ihn ansehe? Sein Haarband ist heute Nacht aufgegangen. Erfasst von einer morbiden Faszination sehe ich zu, wie er danach sucht und dann nur wenig geschickt versucht, die Haare wieder zu bändigen. Er wirkt müde. Jetzt, so kurz nach dem Aufwachen, wirkt er wie ein völlig anderer Mensch, mit den schwarzen Augen und dem müden Blick und den offenen Haaren. Jetzt gerade sehe ich weder den geliebten Bruder noch den verhassten Mörder in ihm. Es ist, als wäre da ein Fremder, den ich gerade erst kennenlerne. Ein Mensch. Der nach dem Aufwachen genauso wenig perfekt aussieht wie jeder andere auch. Dem es irgendwie schwerfällt, sich mit müden Fingern die Haare zusammenzubinden.
 

An diesem Fremden kann ich mich nicht satt sehen. Sein zerzaustes Haar, der orientierungslose Blick, die Bewegungen, die trotz seiner Erschöpfung so elegant wirken… Mich erfasst eine tiefe Sehnsucht, diesen ganz normalen, menschlichen, nicht perfekten jungen Mann kennenzulernen.
 

Es ist eine grausame Wahrheit und zum ersten Mal gestehe ich sie mir ein. Ich bin immer noch fasziniert von Itachi. Nach so vielen Jahren hat sich daran nichts geändert.
 

Noch immer will ich ihm nahe sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  sumomo_hioru
2008-03-16T20:00:07+00:00 16.03.2008 21:00
jo^^
war wieder mahl ein cooles kap^^
fänds cool, wenn du mahl so nen flashpack zu den szenen mit oro machen würdest... lieb solche szenen halt^^

Von: Rizumu
2008-01-10T14:46:04+00:00 10.01.2008 15:46
Das ist soooooooooooooooo toll *___*
Ich bin mal gespannt wie sich Sauske entscheidet |D
Ob er bei Ita bleibt ...
aber ich glaub mal schon ... |D
Von:  Takui
2007-09-29T12:53:26+00:00 29.09.2007 14:53
Nein, das ist ja sowas von kawaii !!!!! >//////<
Find die Story von mal zu mal besser. Hm...vielleicht hätte ich gestern nicht soviel aufeinmal lesen sollen, sie hat mich nämlich sogar im Traum besucht XD
Ein weiterer Beweis dass sie klassse ist ^^
Von:  -Aki-chan-
2007-09-13T14:40:55+00:00 13.09.2007 16:40
....
*sprachlos*
toll mehr als toll einfach genial.. der HAMMER was du da geschrieben hast
ich finde das dein schreibstyle wirklich toll ist ich könnte noch stunden weiter so lesen *wieder von vorne anfängt zu lesen*
ich finde das du sasus gedanken wirklich gut beschrieben hast man kann sich richtig reinversetzen wie er sich fühlt und so
aber leiden muss er wirklich immer blaue flecke und brüche der arme ^^
was ich am aller aller lustigsten fand war als ita ihm den hinter versohlt hat xD *weglach*
ich freu mich total aufs näste kapitel bitte schreib schnell ^^
*rumhibbel*
will wissen wie es weiter geht
ach jah schreib weiter so !!!!!!!!
*knuddel*
das -Aki-chan-
Von: abgemeldet
2007-09-12T16:35:05+00:00 12.09.2007 18:35
...°.°(anglotz)
das ist... DER HAMMER ^o^!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
wie sasukes gedangen, geschreiben worden sind (begeistert ist)
ich konnt verstehen wie sasuke sich fühlte
es ist so als ob man die gedanken der anderen person wircklich sieht
wie du das machst ist MEGA SUPER OBER HAMMER GEIL!!!!!!! !!!!!! ^o^(begeistert ist)
du musst unbedingt weiter schreiben sonst platze ich vor neugier wie es weiter gehn könnte, aber lass die zeit den es soll genauso gut werden wie anderen kapies

wenn du irgendwann mal wieder sollch eine ff schreiben magst kannst du sie ja mal aus itachis sicht schreiben interesannt wärs schon wie du seine gedanken beschreibst

Von:  mangacrack
2007-09-11T18:17:56+00:00 11.09.2007 20:17
Keine Sorge, wir kennen die Wartezeiten von Animexx!
Und ich finde wie immer keine Worte für deine Kapitel.

Es klingt so natürlich! Nicht überspitzt, nicht zu übertrieben gefühlvoll ... einfach nur zum Schwärmen. Was wohl weiter passiert?
Itachi ist jetzt auf der Flucht ... Sasuke wird er wohl nach Konoha bringen, wenn er glaubt, dass es für ihn zu gefährlich werden wird. Ist ja schließlich um seinen kleinen Bruder besorgt.

Hach.
Wie schön!
Ich werde mich noch eine Weile an dem Kapitel laben und mich von ihm inspirieren lassen.
Ich komme dank dir in letzter Zeit immer auf neue Ideen für Uchiha Geschichten ... woran das wohl liegt? ^^

mangacrack
Von:  Yuyuchi
2007-09-11T17:16:56+00:00 11.09.2007 19:16
Ow Ich liebe diese Story einfach... So süß und knuffig...
Und Ita ist so... so... putzelig <3
Zu niedlich... Kriege ich vielleicht das nächste Mal wenn ein Kapitel on kommt eine ENS von dir?
~Kekse dalass
In PoPoLiebe
Atanaqui-chan
Von: abgemeldet
2007-09-11T16:33:23+00:00 11.09.2007 18:33
So eine tolle Story ich bin richtig begeistert!!!!
Ich bin schon so gespannt auf das nächste kapi!!!!
Kannst du mir eine ENS schicken wenn es weitergeht????
LG Ayumi
Von:  Stampede
2007-09-11T16:05:21+00:00 11.09.2007 18:05
O.O
boa...^^¨
war das süss!^^
wie sasu da denkt ist echt gut gescgreiben!^^

aber ne frage: ist der nun blind oder was??


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