Das Wiedersehen
Cloud ließ seinen Blick über die Ruinen von Midgar schweifen. Erinnerungen an die letzten Kämpfe, die er hier ausgefochten hatte, kamen wieder in ihm hoch.
Würde es diesmal wieder zu einem solchen Kampf kommen?
Er hoffte nicht. Aber er wusste auch nicht, wer der Feind war, den er hier erwartete.
Er hatte Probleme damit gehabt, Tifa davon zu überzeugen, dass sie nicht dabei sein musste. Es war ihm lieber gewesen, dass sie bei den Kindern blieb.
Anschließend hatte Shelke ihn begleiten wollen, aber auch sie hatte er abweisen müssen. Er wollte das alleine machen, sofern er nicht einschätzen konnte, wie stark sein Feind war.
Er lehnte gegen sein Motorrad Fenrir und wartete.
Unwillkürlich musste er sich vorstellen, wie er wohl aussehen würde, wenn er nebenher noch rauchen würde, so wie Cid. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, verschwand aber sofort wieder.
Die Sonne ging langsam unter und färbte den Himmel rot.
Wenn nicht bald etwas passiert, werde ich wieder heimgehen... ich kann nur hoffen, dass die Bezahlung für diesen Job stimmt... ich hätte vorher darüber sprechen sollen. Seine Bezeichnung war zu schwammig, viel zu schwammig.
Neben all den typischen Geräuschen, die in den Ruinen existierten, mischten sich plötzlich weitere: Schritte und das Geräusch von abbröckelnden Steinen.
Cloud griff nach seinem Schwert und stellte sich angespannt in Position, während der oder die Unbekannten näherkamen.
Er holte aus – und ließ das Schwert herunterfahren, in dem Moment in dem die Gestalten in sein Blickfeld traten.
***
Reno gab einen entspannten Laut von sich und streckte sich genüsslich. Er sank tiefer in seinen Stuhl. „Das ist ein Leben, was, Rude?“
Sein Kollege neigte nur den Kopf. „Hnn.“
Reno grinste. „Komm schon, mach doch nicht immer so ein Gesicht. Wir haben immerhin frei.“
„Ich würde das nicht frei nennen“, erwiderte Rude. „Wir warten immerhin auf einen möglichen Gegner.“
„Denkst du wirklich, jemand wird hier auftauchen?“
„Warum sollte niemand hier auftauchen?“, stellte Rude die Gegenfrage.
Angesichts dieser Rhetorik schwieg Reno lieber.
Sie schwiegen sich gegenseitig an, der Rotschopf genoss seinen Drink und auch die friedliche Atmosphäre, die sie umgab. Es war ungewohnt, dass Frieden um zwei Turks herrschte, aber es war nicht schlecht.
Reno sah seinen Kollegen an und glaubte, in dessen ausdruckslosen Gesicht genau sehen zu können, woran er dachte. „Sehnsucht nach dem Schneewittchen?“
„Hnn?“
„Du hast diesen leicht melancholischen Blick drauf, den du immer hattest, wenn die Sprache bislang auf sie fiel.“
Rude runzelte seine Stirn. „Hnn.“
Reno nickte zufrieden. „Also habe ich recht. Hmm, du weißt doch, wo sie wohnt. Warum gehst du nicht einfach mal vorbei oder so?“
„Sie haben schon längst ihren Aufenthaltsort wieder gewechselt.“
„Echt?“
Ein knappes Nicken, dann verschränkte Rude die Arme vor der Brust und senkte den Kopf.
Wieder verfielen beide in Schweigen. Diesmal fehlte der Frieden um die beiden.
Reno bereute bereits wieder, das Thema überhaupt angesprochen zu haben.
Doch da hob Rude bereits den Kopf wieder. „Jemand kommt.“
Reno hob eine Augenbraue. Bislang waren immer wieder Leute an ihnen vorbei gekommen ohne dass Rude etwas gesagt hatte. Dass er das gerade jetzt sagte, musste heißen, dass die Person genau auf sie zukam.
Aber dennoch war der Mann entspannt. Also kein Feind. Doch wer war es dann?
Die Schritte verstummten plötzlich. Reno wandte den Kopf und musterte die Person. „Du bist...“
***
Das Ticken der altmodischen Uhr war das einzige Geräusch im Büro des Shinra-Präsidenten.
Rufus liebte diese Uhr, sie erinnerte ihn an früher, als seine Welt noch einfacher gewesen war und sein einziges Ziel die Herrschaft über den Shinra-Konzern gewesen war.
Heute war alles komplizierter und neben der Unterstützung der WRO, kämpfte er gegen einen unbekannten Feind mit einem noch unbekannten Ziel. Auch wenn er nicht genau wusste, weswegen er das tat oder tun sollte, aber der Professor wollte es so und Rufus hielt es für eine schlechte Idee, ihm zu widersprechen.
Gemeinsam mit Tseng und Elena saß Rufus in seinem Büro und wartete auf seinen Gast, der demnächst kommen müsste.
Elena seufzte leise und fuhr wie ertappt zusammen, als sie es bemerkte. Ihr Blick ging zu Tseng, ihre Ohren färbten sich rosa.
Rufus schmunzelte. Ja, in Anwesenheit von Tseng war Elena immer noch so verlegen wie eh und je, daran hatte sich absolut gar nichts geändert.
Plötzlich konnte der Präsident Schritte auf dem Gang hören. Tseng und Elena standen auf.
Vor dem Büro stoppten die Schritte, jemand klopfte gegen die Tür.
Rufus nickte den beiden Turks zu.
Tseng und Elena gingen hinüber. Die junge Frau stellte sich neben die Tür, der Oberturk zog seine Waffe und stellte sich in schussbereite Position. Er nickte ihr zu, sie erwiderte das Nicken – und öffnete die Tür.
***
„Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, warst du noch kein Lieferjunge“, erklärte Rod, „deswegen hatten wir keine Ahnung, dass es wirklich du bist.“
Cloud nickte langsam. Er wollte sich nicht an seine letzte Begegnung mit den beiden zurück erinnern, aber je mehr er dagegen ankämpfte desto stärker drangen die Erinnerungen auf ihn ein.
„Ich dachte, ihr hättet die Turks verlassen“, sagte er schließlich, um sich abzulenken.
Samantha nickte. „Hatten wir auch. Aber wir wurden gebeten, zurückzukommen. Und zumindest für Roddy war das die bessere Alternative.“
Sie kicherte, Rod sah sie nur angesäuert an.
Clouds Blick ging wieder umher. „Wisst ihr, auf wen wir hier warten?“
Die beiden zuckten mit den Schultern. „Nein, keine Ahnung. Wir wurden einfach in diese Mission reingeworfen. Wir arbeiten erst seit gestern wieder.“
Der blonde Lieferbote schmunzelte. „Haben die anderen euch denn nicht erzählt, dass ich es bin?“
„Sie haben erzählt, dass sich ein Ex-SOLDIER namens Cloud nun als Lieferbote verdingt“, erklärte Samantha. „Wir dachten dabei nicht an dich. Du warst ja kein SOLDIER.“
„Jetzt wisst ihr es ja.“
Die beiden Turks nickten. „Dann müssen wir nur noch warten, ob und wann der mysteriöse Fremde erscheint, den wir hier erwarten sollen.“
Erneut erklangen Schritte.
„Kommen noch mehr von euch?“, fragte Cloud.
Rod schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“
Die drei griffen nach ihren Waffen und sahen angespannt und nervös in die Richtung aus der die Schritte kamen.
Und dann kamen die Schritte um die Ecke.
***
Reno starrte die weißhaarige Frau immer noch ungläubig an. „D-du bist doch...“
Blanche nickte. „Ganz genau.“
„Aber was tust du dann hier? Solltest du nicht beim Professor sein?“
Die junge Frau setzte sich auf einen dritten Stuhl, der am Tisch stand. „Dem Professor droht keine Gefahr. Im Gegensatz zu euch beiden.“
Reno blinzelte verdutzt. „Uns?“
Sie nickte. „Die Person, die hierher kommen wird, ist gefährlich. Gefährlicher als so manch anderer Gegner, gegen den ihr bisher gekämpft habt.“
„Wurde das nicht schon von dieser Weapon behauptet, die uns beinahe platt gemacht hätte?“
„Ja. Aber Elodia verfügt über denselben Level wie Topaz Weapon, mindestens.“
Reno lehnte sich seufzend zurück. „Das nervt. Was soll das denn? Wann haben wir endlich wieder Ruhe?“
„Sobald dieser Feind geschlagen ist.“
„Bist du dir da auch ganz sicher?“
Blanche nickte. „So hat es Alex gesagt.“
Reno runzelte seine Stirn. „Alex?“
„Der Professor“, erklärte Rude. „Blanches Bruder, Mediams Vater, Nessys Mann...“
„Ah ja, ich erinnere mich. Der Voodoo-Doktor.“
Blanche und Rude sahen ihn genervt an. Zumindest dachte Reno sich das. Hinter Rudes Sonnenbrille war nichts zu erahnen und Blanches Gesichtsausdruck war so neutral wie eh und je. Wenn Reno nicht genau gewusst hätte, dass die beiden nicht miteinander verwandt waren, hätte er das doch glatt geglaubt.
„So und jetzt?“, fragte der Rotschopf schließlich.
Blanche wandte den Kopf. „Sie kommt.“
Alle drei standen auf und wandten sich in die angegebene Richtung. In einiger Entfernung konnte Reno ein junges Mädchen erkennen, das auf sie zukam.
Nicht schon wieder ein weiblicher Feind... das nervt langsam...
„Macht euch bereit“, wisperte Blanche. „Sie wird nicht lange zögern.“
Die Turks nickten und stellten sich in Kampfposition.
***
„Tut mir wirklich Leid“, sagte Elena panisch, während sie immer wieder den Staub von Alex' Sachen wischte. „Wirklich, das wollte ich nicht!“
„Schon gut“, erwiderte Alex. „Ist schon in Ordnung. Ich finde es gut, dass ihr so wachsam seid. Wenngleich ihr wohl ein wenig nervös seid. Wen habt ihr erwartet? Jenova persönlich?“
Er lächelte leicht.
Elena räusperte sich und trat einen Schritt zurück.
Rufus schüttelte Alex' Hand. „Herzlich Willkommen, Professor Cole. Sind Sie allein hier?“
„Ja. Blanche ist in Kalm, Mediam auf dem Weg nach Midgar und Vivi ist zuhause geblieben.“
Rufus deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. „Setzen Sie sich doch.“
„Vielen Dank.“
Alex setzte sich, der Präsident lief um den Schreibtisch herum und ließ sich auf seinem Stuhl nieder. „Also, was genau haben Sie mir zu erzählen? Wer ist der Feind, gegen den wir kämpfen? Was hat er vor?“
Der Professor lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Der Feind hat uns alle jahrelang beobachtet und dabei auf die richtige Zeit zum Zuschlagen gewartet.“
Elena verzog ihr Gesicht.
Ich hasse dieses philosophische Gequatsche. Warum kommt er nicht einfach zum Punkt und sagt uns, was wir wissen wollen?
„Dabei war er allerdings nicht nur untätig, sondern hat seine eigenen Ziele vorangetrieben.“
„Und wer ist er?“, platzte es aus Rufus heraus. „Was ist sein Ziel?“
Alex öffnete seinen Mund, um zu antworten, hielt aber inne und starrte auf einen Punkt hinter Rufus.
Der Präsident fuhr herum, sah aber nur einen verschwommenen Fleck, der Ähnlichkeit mit einer menschlichen Silhouette hatte.
„Wer ist da!?“
Tseng und Elena griffen nach ihren Waffen und machten sich bereit zum Angriff.