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Das neue Leben der Lady Oscar

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12 Jahre später...

12 Jahre später …

Wir befinden uns in der katholischen Privatschule Cours Saint Charles in Orléans.

„Oscar, guten Morgen!“ „Guten Morgen, Marie!“ Die beiden Freundinnen rannten aufeinander zu und begrüßten sich – wie jeden Morgen – herzlich. Und wie ebenfalls jeden Morgen wurden sie dabei von allen Seiten genauestens beobachtet. Die beiden gaben ein sehr ungleiches Paar ab und waren allseits bekannt wie ein bunter Hund. Die Mädchen himmelten sie an und die Jungen hätten alles für eine einzige Verabredung mit einer der beiden gegeben. Unterschiedlicher hätten sie aber auch nicht sein können. Marie, um die 1,68 groß und mit langem blonden Haar, dass in der Sonne wie Gold glänzte, strahlend blauen Augen und einem feinen Gesicht wie aus Porzellan, immer modisch gekleidet mit der neuesten Mode aus Paris. Ihre Eltern waren aus der gehobenen Mittelschicht, beide Beamte im öffentlichen Dienst. Sie ließen es ihrer Tochter an nichts fehlen wenn es um materielle Dinge ging, jedoch kam die Zeit, die sie mit dir verbrachten, seit jeher zu kurz. Doch seit Oscar vor 10 Jahren in ihr Leben getreten war machte ihr diese Vernachlässigung nichts mehr aus.

Oscar, mittlerweile 15 Jahre alt und um über einen Kopf größer als ihre Freundin, ebenfalls mit langen blonden Haaren und einem dauertrotzigen Gesichtsausdruck auf den eigentlich feinen Zügen putzte sich für gewöhnlich nicht so heraus, auch wenn sie es sich sehr wohl hätte leisten können. Während Marie sehr viel wert auf Frisuren, Makeup und Kleidung legte, wollte Oscar vor allem beweglich und ungezwungen sein, um jederzeit ihrem Bewegungsdrang folgen zu können.

Trotz dieser ungleichen Charakterzüge waren sie nun schon dem letzten Jahr des Kindergartens sehr gute Freunde. Marie erinnerte sich genau daran, wie die damals 5jährige Oscar sie vor ein paar Grobianen beschützte, die Marie seit Tagen ärgerten. Nach der Abreibung, die den dreien dann von einem einzigen Mädchen eingebracht wurde, trauten sie sich nie mehr an die zarte Marie heran. Seit dem waren die beiden auch unzertrennlich, Marie hing gerade zu mit einer Affenliebe an ihrer größeren Freundin, und Oscar sah in ihr die Schwester, die sie nie gehabt hatte. Marie wurde für ihr Aussehen und ihre charmante Art verehrt. Fast jedes Mädchen wünschte sich, wie sie zu sein und zu ihrem Freundeskreis zu gehören. Oscar bewunderte man dagegen für ihre gerechte und quirlige Persönlichkeit, ohne Mühe schlug sie jeden Schüler in sämtlichen Sportarten. Die beiden Mädchen belegten den sprachlichen Schwerpunkt der Schule und hatten zusätzlich noch die Möglichkeit, sich besondere Fächer auszusuchen. Marie hatte sich für die Handarbeiten entschieden, während Oscar sich für das Fechten interessiert hatte. Der Vorteil einer Privatschule.

„Ach Oscar, ich habe keine Lust… Es ist gerade mal Montag, und dann auch noch gleich Mathe… Warum müssen wir dieses Fach haben, wenn wir auf den sprachlichen Teil spezialisiert sind?“ Trotzig blickte Marie ihr ins Gesicht. Oscar lachte. Jeden Montag dieselbe Diskussion. „Ganz einfach, weil wir nun mal auch ein gewisses Maß an Allgemeinbildung haben müssen. Wenn du später mal allein wohnst, musst du schließlich errechnen können, wie viel du monatlich für deine ganzen Luxusartikel verpulvern darfst!“ Marie streckte ihr kurz die Zunge heraus und ging dann nicht mehr näher auf das Necken ihrer Freundin ein sondern wandte sich dem Haupteingang zu. „Ah, André! Bonjour!“ Sie winkte ihm fröhlich zu und rammte Oscar den Ellenbogen in die Seite. „Schau, da ist er ja!“ Ärgerlich winkte die jedoch ab. „Ja und?“ Auch sie hob kurz die Hand zum Gruße. „Nun tu doch nicht so. Es ist doch offensichtlich, dass er dich mag. Er findet dich nett!“ „Toll. Ich find ihn auch nett. Aber ich finde auch Hunde nett oder Babys!“ Grummelnd besah Marie sie sich. „Was ist denn das für nen Vergleich? Ihr wart doch früher unzertrennlich!“ Oscar antworte nicht darauf. Ja, früher… Früher war alles anders. Ungezwungen, unschuldig und einfach. Doch irgendwann konnte sie eben nicht mehr mit ihm raufen oder spontan bei ihm mit übernachten, in einem Bett. Seit etwa 2 Jahren hatte sich viel verändert. Ihre beiden Körper veränderten sich, André wirkte oft gezwungen in ihrer Gegenwart und sie hatte den Eindruck, dass er es auch nicht so gut verkraftete, wenn sie ihn in gewissen Dingen um Längen voraus war. Reiten, Sprinten, Fechten – er kam nicht an sie heran. Allerdings fragte sie sich auch des Öfteren in letzter Zeit, ob er sich nicht absichtlich zurück nahm. Sie schüttelte den Kopf. Es war ihr egal. Die Dinge hatten sich verändert, und wie es aussah, gab es kein zurück mehr in die alten Zeiten. Sie hatten beide den Haupteingang erreicht, deren großen eichenen Türen in das Innere des alten Klosters hineinführten. „Bonjour, Marie, Oscar.“ Er stand dort mit seinem Freund Michel, der ihnen ebenfalls zunickte. Zu viert betraten sie nun das imposante Gebäude, dass immer eine Aura des Altertümlichen ausstrahlte. Oscar fragte sich oft, wie es wohl damals hier gewesen sein mag. Das Leben einer Nonne vor mehr als hundert Jahren… Überhaupt interessierte sie das Fach Geschichte sehr. Endlich eine Gemeinsamkeit, die sie mit Marie teilte. Und auch André konnte sich dem Zauber der Vergangenheit nicht entziehen. Schon als kleine Kinder im Alter von 4 hatten sie beide Begierig immer wieder Geschichten aus der Vergangenheit hören wollen, von Helden und Königen und wahren Begebenheiten. Und sie liebten es, diese Erzählungen (natürlich oft verharmlost) in ihrem Spiel einfließen zu lassen. Mal war Andre ein König und sie seine Gemahlin (bei dem Gedanken daran röteten sich leicht ihre Wangen), ein anderes Mal war sie eine mutige Bürgerin des letzten Standes, die für ihre Ziele kämpfte. Nie war sie schwach oder verloren, für sie gab es keine Niederlagen. Um so mehr für André, der oft den bösen Schergen spielen musste und so mit einiges an Niederlagen einzustecken hatte.

Der Matheunterricht fand immer im ersten Stock des Gebäudes statt. Der Lehrer, M. Pépé, legte sehr viel wert auf Pünktlichkeit und Konzentration. Und somit herrschte schon eine ruhige Atmosphäre, wenn morgens den Raum betrat. Doch diesmal hatte er weder sein Mathebuch in der Hand, wie man es sonst vom ihm gewöhnt war, noch seine Brille auf der Nase, die ihm sonst ein so autoritäres Wesen verlieh, wenn er jemanden durch die kleinen runden Gläser anstarrte. „Bonjour, Messieurs-Dames. Wie Ihnen sicher aufgefallen ist, habe ich heute mein Mathebuch nicht mitgebracht. Damit ich gar nicht erst in Versuchung komme.“ Er blinzelte einigen der Schüler zu. Wenn er nicht gerade strikt darauf bedacht war, seinen Unterricht durchzuziehen, konnte man sehr wohl mit ihm spaßen und sich gut verständigen. M. Pépé war als einer der umgänglichsten und auch verständnisvollsten Lehrer bekannt. Ein Aufatmen ging durch die Klasse, und besonders Marie entspannte sich nun sofort. „Sie sind nun im letzten Jahr dieser Schulform. Ob Sie danach noch weitermachen, liegt bei Ihnen. Vielleicht haben Sie ja auch andere konkrete Ziele, z.B. schon eine Ausbildungsstelle vor Augen. Doch ich bin mir durchaus bewusst, dass man Sie zu diesen Themen schon genug befragt und auch versucht zu beeinflussen. Mir geht es nicht darum.“ Er ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen, um sich sicher zu sein, dass die Aufmerksamkeit aller auf ihn gerichtet war. „Wie Sie wissen, machen die Jahrgänge der 10. Klasse alljährlich eine Kursfahrt. Und nun haben auch Sie diesen Punkt erreicht.“ Die Neugierde schien allmählich zu steigen, und vor allem bei Marie konnte er ein Glitzern in den Augen sehen. „Nun denn…. Wir, die Klassenlehrer der 10. Klasse, haben uns dieses Jahr entschlossen, nach Paris zu fahren. Im Rahmen des Geschichtsunterrichts werden wir dort einige der Sehenswürdigkeiten aufsuchen, unter anderem die Bastille und Versailles: Einige von Ihnen waren dort vielleicht auch schon, in Anbetracht dessen, das Paris ja nicht weit entfernt ist. Aber wir werden eine Führung machen und uns gründlich mit dem historischen Hintergrund und den damaligen Geschehnissen auseinander setzen. Das Flair des Schlosses wird greifbar werden.“ Allgemein war ein Stöhnen zu hören, nur einige wenige schienen sich mit dem Gedanken anfreunden zu können, dass sie ihre einmalige Kursfahrt mit so etwas verplempern sollen. Nur einige wenige konnten sich dafür erwärmen. Andererseits für ein paar Tage in Paris zu sein statt hier in der Schule zu sitzen… das konnte wiederum einige mehr überzeugen. „Wir wollen diese Kursfahrt nun planen. Auch wenn wir mit den anderen Klassen fahren, werden wir im Großen und Ganzen unser eigenes Programm gestalten. In 3 Monaten…“ Er wurde durch ein Klopfen unterbrochen. „Ja, herein!“ Die Klinke der Tür wurde hinunter gedrückt und herein kam ein junger Mann, auch etwa 15/16 Jahre alt mit mittellangen hellbraunen Haaren und ausdrucksstarken grünen Augen. „Bonjour, Monsieur Pépé.“ „Ah, M. Blomquist… Haben sie alles soweit erledigt?“ „Oui, Monsieur. Ich war im Büro zur endgültigen Anmeldung und habe nun auch die nötigen Schulbücher erhalten.“ Bestätigend nickte er auf den Stapel in seinem Arm. „Sehr schön, sehr schön. Kommen Sie rein!“ Der Neue schloss die Tür hinter sich und stellte sich neben das Schülerpodest. „Nur zu, stellen Sie sich nur selber vor!“ Man hörte einen tiefen Atemzug und alle Blicke waren gebannt auf ihn geheftet. „Hallo. Ich bin Axel Blomquist und komme ursprünglich aus Schweden. Wir sind gerade letzte Woche hierher gezogen und ab heute besuche ich nun diese Schule bis zu unserem Abschluss. Ich freue mich auf eine schöne Zeit!“ Er ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen auf der Suche nach einem freien Platz, aber er wurde von einem hübschen blonden Mädchen abgelenkt, dass ihn mit seinen strahlend blauen Augen und einem bezaubernden Lächeln anstarrte. Die beiden sahen sich einfach nur an, ohne auf ihre Umwelt zu achten, bis M. Pépé sich räusperte. „Nehmen sie in der letzten Reihe Platz, dort ist noch etwas neben M. Nordier frei. Er wird Ihnen hier zur Seite stehen und ihnen alles erklären! So, und nun widmen wir uns der Planung unserer Kursfahrt!“



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