Wie jeden Morgen, wenn Schule war, stand Toki vor seinem Spind.
Es hatte noch nicht zum Unterricht geläutet, aber dennoch war er spät dran. Verzweifelt versuchte er die Tür aufzubekommen.
Die Kombination der Zahlenschlosses war richtig, dass wusste er genau, doch das alleine brachte die Tür auch nicht auf.
„So ein Mist!“, leise fluchend zerrte er weiter an ihr.
Wenige Minuten später lies er von der Tür ab, nur um dann, in seiner Frustration, mit dem Fuß gegen den Spind zu treten.
Wie als wäre nichts anderes nötig gewesen ging er dann endlich doch noch auf.
„Na also geht doch“, stieß Toki erleichtert hervor.
Schnell schnappte er sich einen Stapel Bücher und Blöcke, warf die Tür wieder ins Schloss und rannte den Gang in Richtung Klassenzimmer entlang.
Genau in dem Moment als die Glocke zum Unterricht schellte trat er in den Raum.
//Gerade noch rechtzeitig//
Ein erleichterter Seufzer lief über seine Lippen. Nun wanderte sein Blick durch das Zimmer.
Niemand war in dem Raum. Toki runzelte die Stirn.
„Was ist den jetzt hier los? Hab ich mich etwa in der Tageszeit geirrt?“
Angestrengt dachte er nach woran es liegen könnte das keine Menschenseele da war.
Plötzlich fiel es ihm wieder ein.
„Verdammt!“ Wie vom Blitz getroffen rannte er aus dem Raum.
Toki hatte sich im Zimmer geirrt. Es war Dienstag und da fand der Unterricht für gewöhnlich im 2.Stock und nicht im Erdgeschoss statt.
Geschwind sprintete er die Treppen nach oben. Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Endlich
angekommen langten seine Finger schon nach der Türklinke, als die Tür plötzlich auf ging
und der Lehrer vor ihm stand.
„Kaname warum sind sie so spät?“, sprach dieser mit ernsten Ton.
„Sensei meine Verspätung tunt mir leid. Ich war erst im falschen Zimmer gewesen.“
Mit leiser Stimme antworte er auf die Frage des Lehrers.
„Na ja das ist ja nicht das erste Mal.“
Toki wollte etwas darauf sagen, ließ es dann aber doch sein.
„Was stehst du hier noch rum? Los beweg dich auf deinen Platz! Du behinderst meinen
Unterricht!“
Diese scharfen Worte ließen Toki zusammen zucken. Er brachte nur noch ein „Ja, Sensei“
hervor und schob sich dann an dem Lehrer vorbei in Richtung seines Platzes.
Entnervt legte er seine Sachen auf den Tisch und setzte sich hin.
Er spürte die belustigten Blicke seiner Mitschüler die auf ihm ruhten, doch auf die wollte er
gerade nicht achten.
Schweigend machte er sich daran seine Sachen zu ordnen, dabei kam ein Brief zum Vorschein
der ihm vorher nicht aufgefallen war.
Erstaunt musterte er den Brief.
Eigentlich war nichts sonderlich auffälliges an ihm zu erkennen, aber schon die Tatsache das
er sich unter seinen Sachen befand machte ihn neugierig.
Gerade in dem Moment als er ihn öffnen wollte stand sein Lehrer wieder vor ihm.
Entsetzt starrte Toki in dessen Augen.
„Entweder Sie stecken diesen Brief augenblicklich weg oder Sie sehen ihn erst am Ende des
Jahres wieder!“
//Am Ende des Jahres?!// Nein das konnte er nicht ernst meinen, doch darauf ankommen
lassen wollte er es auch nicht.
Also musste er wohl oder übel den Brief weglegen.
Er faltete ihn zusammen und steckte ihn in sein Hosentasche.
Währendessen entfernte sich der Lehrer bereits wieder von seinem Platz.
Der Brief wirkte wie ein Magnet auf Toki. Er wollte ihn unbedingt lesen, doch die Zeit bis zur
Pause wollte einfach nicht vergehen.
Nach knapp einer Stunde, die ihm wie Jahre vorkam, läutete es endlich zur Pause.
Augenblicklich zog er den Umschlag wieder aus der Tasche. Er konnte nicht mehr warten.
Schnell riss er den Kuvert auf und zog einen zusammengefalteten Zettel heraus. Toki faltete
ihn auseinander. Eine klare, leicht geschwungene Schrift kam zum Vorschein.
Er begann den kurzen Text zu lesen. Seine Augen weiteten sich als er den Abschnitt las.
„Treffen?!“, murmelte er vor sich hin.
Kurz glitt sein Blick zur Uhr die über der Tafel hing.
//Noch knapp 5 Minuten...//
Ob er es noch bis aufs Dach der Schule schaffen würde?
Ein Versuch war es wert und der geheimnisvolle Schreiber des Briefes wartete schließlich auf
ihn.
Wer da wohl auf ihn wartete?
Von der Schrift her zu deuten musste es ein Mädchen sein. Er musste es einfach wissen.
Schnell sprang Toki von seinen Stuhl auf und rannte aus dem Klassenzimmer auf das Dach
hinaus.
Nur noch wenige Schritte dann hatte er es geschafft.
Jetzt stand er direkt vor der Tür. Nervosität ergriff ihn.
Für einen Augenblick schloss er die Augen und atmete tief aus um ruhig zu bleiben, dann
ergriff er mit seiner Hand die Türklinge und drückte sie nach unten.
Die Tür öffnete sich.
Zaghaft trat er hinaus. Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht, so das er die Augen leicht
zusammen kneifen musste um etwas zu erkennen.
Und genau vor ihm am Zaun stand die Person die den Brief geschrieben hatte.
Doch statt eines Mädchens, wie er vermutet hatte, stand Kazuya aus seiner Klasse vor ihm.
Ungläubig starrte ihn Toki an.
„Was machst du denn hier?“
„Ich habe auf dich gewartet.“
Langsam, mit ruhigen Schritten kam Kazuya auf ihn zu. Nun waren sie nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Toki konnte den warmen Atem Kazuyas auf seinen Mund spüren dann legte Kazuya seine Lippen auf die Tokis.
Toki konnte gar nicht begreifen was in dem Moment geschah.
Er stieß Kazuya von sich und rannte zurück ins Klassenzimmer. Seine Gedanken drehten sich im Kreis.
Atemlos setzte er sich wieder auf seinen Stuhl und stütze den Kopf in die Hände.
//Er hat mich geküsst. Kazuya hat mich geküsst, einfach so!//
Hinter sich hörte er wie sich die Tür öffnete und gleich wieder schloss. Toki wusste genau das Kazuya zurück ins Zimmer gekommen war, aber er traute sich nicht ihm ins Gesicht zu sehen.
Schon der bloße Gedanke an das was gerade geschehen war ließ ihn den Kopf rot anlaufen.
Die Glocke klingelte wieder zum Unterricht, doch während des ganzen restlichen Tages konnte sich Toki nicht mehr auf diesen konzentrieren.
„Arrg...ich bin so ein Idiot!“
Kazuya stand nun wieder völlig allein auf dem Dach.
Vorwürfe überkamen ihn. Vielleicht hätte er es vorsichtiger angehen lassen sollen. Kein Wunder das ihn Toki weggestoßen hatte und davongerannt war.
Mit schweren Herzen machte er sich auf den Weg zum Unterricht.
Als er den Raum wieder betrat sah er kurz zu Toki rüber. Er konnte förmlich spüren wie er sich gerade fühlte und das versetzte ihm einen weiteren Stich ins Herz.
Die Glocke läutete und er begab sich an seinen Platz.
Kazuya versuchte den Worten des Lehrers zu folgen, doch dies fiel ihm außerordentlich schwer und er war froh als die Schule endlich vorbei war.
Er wusste das Toki immer der letzte war der den Raum verließ und das musste er nutzen.
Es dauerte nicht lange bis nur noch er und Toki im Zimmer waren.
Toki wollte bereits zur Tür gehen als er ihn davon abhielt.
„Bitte warte!“
Mit einem verwirrten Blick sah er sich zu Kazuya um.
Er musste schlucken, denn jetzt merkte er das nur noch sie beide da waren.
Würde jetzt das Gleiche passieren wie auf dem Dach?
Abwartend stand er da.
Kazuya kam abermals auf ihn zu, doch diesmal blieb er ungefähr einen Meter vor ihm stehen.
„Es tut mir leid was vorhin passiert ist“, begann er.
„Ich hätte abwarten müssen, ich hätte es nicht überstürzen dürfen.“
Toki vernahm die bereuenden Worte Kazuyas und sein blick sank zu Boden.
„Mir tut es auch leid.“
Zaghaft brachte er diese Worte hervor. Seine Stimme begann zu zittern, doch er bemühte sich ruhig zu bleiben.
„Ich hätte nicht einfach weglaufen dürfen.“ Nun sah er Kazuya direkt an.
Tränen bildeten sich in seinen Augen.
Kazuya bemerkte diese und wollte erst auf ihn zu gehen, hielt dann jedoch inne.
//Was ist wenn ich wieder einen Fehler begehe?//
Er biss sich unmerklich auf seine Unterlippe.
Nicht schon wieder wollte er etwas Falsch machen.
„Ich möchte dich etwas fragen...“ Toki musste sich anstrengen damit ihm keine Tränen herunter liefen.
„Hast du das mit dem Brief und dem Kuss wirklich ernst gemeint oder war das alles nur Spaß?“
Kazuya wirkte etwas überrascht über die Frage, zumal er es ja wirklich ernst meinte und sich nicht über ihn lustig machen wollte.
„Ja ich habe es wirklich ernst gemeint.“
In diesem Augenblick schien sich Tokis Gesicht aufzuhellen.
Er wischte sich seine Tränen mit dem Ärmel seines Oberteiles weg und kam ihm einige Schritte näher.
Nervös blickte Toki zu Boden.
„Kazuya...“, jetzt holte er einmal tief Luft und nahm all seinen Mut zusammen.
„...es hat mich anfangs sehr überrascht was für Gefühle du mir entgegen bringst...“
Abwartend sah ihn Kazuya an. //Was will er mir nun sagen?//
Toki sprach weiter. „...und ich war verwundert und erfreut zugleich, weil ich für dich das Selbe empfinde.“
Kazuya stand wie angewurzelt da. Er wusste nicht wie er darauf reagieren sollte.
„Aber seit wann? Und wieso hast du es mir nicht schon vorher gesagt?“
Seit langer Zeit ging er davon aus das die Gefühle nur einseitig waren und jetzt das.
Toki holte noch einmal tief Luft.
„Seit ich dich das erste Mal sah, doch bis jetzt hab ich mich einfach nicht getraut.“
Er versuchte zu lächeln, doch es viel ihm sehr schwer.
Nun war Kazuya an der Reihe den nächsten Schritt zu tun und er wusste genau was in dem Moment das Richtige war.
Die wenigen Schritte die die Beiden noch voneinander trennten trat er auf Toki zu und umarmte ihn.
Dann schaute er ihm tief in die Augen und legte eine Hand auf seine Wange.
Nun näherte sich sein Mund dem seinen und er küsste ihn innig.
Toki genoss den Kuss sichtlich und machte keine Anstände diesen zu beenden.
Denn es war ein Traum in Erfüllung gegangen, ein jahrelang gehegter Traum.
