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100 themes - 100 tales

Hundert mal Gedankenspiele
von

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Bindung

Bindung
 

Wieder hast du die Grenze überschritten. Trittst aus dir heraus, neben dich. Schwebend. Wirst zum Beobachter deiner selbst. Beobachtest dich, wie du ganz alltägliche Dinge tust, durch den Regen zum Supermarkt läufst, die Wassertropfen vom Schirm schüttelst, bevor du ihn zusammenklappst und in den Laden schlüpfst. Das Gefühl von Irrealität, das so oft dein Begleiter ist, stellt sich wieder an deine Seite, scheint sich zu materialiseren in jedem anderen Menschen, der deinen Weg kreuzt. Du folgst dir selbst, durch die Regale bis zur Kasse, dann wieder hinaus in den Regen. So oft es passiert, du wirst dich nie an dieses Gefühl gewöhnen, nur noch sehr wenig Substanz zu haben. Können die anderen dich sehen? Nicht das Mädchen, dass sich dort auf der Straße bewegt, als einzige nicht hektisch durch den Regen huscht, sondern mit ruhigen und gleichmäßigen Schritten, wie an jedem anderen Tag auch. Sondern dich. Können sie dich erkennen? An der Haltestelle angekommen, stellst du dich ein Stück weit von dir selbst entfernt, beobachtest das Mädchen, wie es dasteht, den Schirm auf der Schulter abgelegt, leicht auf den Fußballen auf und ab wippend. Sie ist nicht ungeduldig. Sie will dich zurück. Fühlt sich nicht wohl, wenn du die Verbindung bis auf den letzten Centimeter ausreizt, um auch einmal hinaus in die Welt zu treten und dir anzuschauen, wie sie sich entwickelt hat. Seit vielen Jahren lebst du in ihr, seit ihr Bewusstsein für sich und die Welt erwacht ist. Hast mit ihr gelitten, gelacht, geweint. An manchen Tagen erkennst du sie kaum wieder, Tage wie heute, an denen sie sanft ist, verträumt, sich selbst gegenüber freundlich. Dann musst du, obwohl du die Wärme in ihr so unendlich genießt, hinaus. Sie dir anschauen. Sie ist hübsch, wie sie dort steht. Ein einfaches Mädchen, mit tiefen, meerblauen Augen.

Es wird Zeit dorthin zurückzukehren, denn auch hier draußen spürst du, dass sie die Wärme in sich ohne dich nicht lange aufrecht erhalten kann. Es war schön sie wieder zu sehen. Aber während ihre Welt hier draußen ist, lebst du in diesem tiefen Blau.

Zurückgekehrt kannst du nur sehen, was sie sieht. Die kristallene Klarheit ihrer Augen ist dein einziges Fenster zur Welt.

Doch du weißt, dass sie lächelt.



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