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Diener der Nacht

von

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Kapitel 2 - Ein Vampir als Mitbewohner

So, da ist es, das zweite Kapitel. Etwas lang geworden. o_Ô Na ja, ich denke, das stört euch nicht wirklich, oder? ^^
 

Viel Spaß damit.
 

++++++++++
 


 

Kapitel 2

Ein Vampir als Mitbewohner
 

Gabriel ließ sich schwer schnaufend auf einen Stuhl fallen. "Gut", sagte er. "Du bist also ein Vampir. Und was willst du von mir?"

"Gute Frage. Erst einmal ein Obdach. Meine Möbel sind heute Morgen ausgeräumt worden. Ich bin sozusagen mittellos", antwortete Jérôme und ließ sich ihm gegenüber nieder.

"Erst einmal? Und was dann? Mein Blut?", fragte Gabriel ironisch und drehte sein Haar zusammen, welches er sich dann über die Schulter warf.

"Nein. Im Moment zumindest besteht keine Gefahr für dich. Da müsste schon der absolute Notstand ausbrechen. Ich sagte ja schon, ich vergreife mich nicht an Unschuldigen."

"Und was hat der Junge angestellt, um deiner Meinung nach den Tod zu verdienen?", hakte der Musiker nach.

"Na ja, er war ein Drogendealer. Hat jede Menge Zeug in seiner Schule vercheckt. Nicht das harmlose Zeug. Wirklich harte Sachen. Ach ja, und er hat ein Mädchen vergewaltigt. Die arme Kleine hat Selbstmord begangen, weil sie von ihm schwanger war. Hat ihn wenig gekümmert", erklärte der Vampir achselzuckend.

"Woher weißt du das alles? Und ist das für dich Grund genug, ihn umzubringen?", wollte Gabriel ungläubig wissen.

Jérôme seufzte. "Ich kann Gedanken lesen. Manchmal, wenn ich es will. Und vom Prinzip her nein. Aber ich muss töten um zu überleben. Das ist nun mal leider notwendig. Da such ich mir lieber die, die schon einiges auf dem Kerbholz haben. Glaub mir, es gibt solche Vampire und solche. Einige stehen zum Beispiel voll auf Jungfrauenblut. Andere wiederum beißen mit Vorliebe Kinder. Schwachsinn, wenn du mich fragst."

"Also suchst du dir das kleinere Übel aus?"

"Richtig."
 

Ein langes Schweigen trat ein. Keiner von beiden wusste, was er sagen sollte. Gabriel betrachtete Jérôme nun etwas genauer. Jetzt im Licht sah er wieder anders aus. Zuerst hatte er geglaubt, er wäre weiß wie die Wand, doch das stimmte nicht. Eigentlich hatte der Vampir einen gesünderen Teint als er selbst. Er hatte ein ziemlich kräftiges Kinn, was ihn männlicher wirken ließ. Sein Gesicht schien nicht älter als Mitte bis Ende zwanzig zu sein, doch seine Augen schienen wesentlich älter und hatten die Farbe eines klaren Sommerhimmels. Gabriel musste zu seinem eigenen Entsetzten feststellen, dass ihm auch seine sinnlichen Lippen keineswegs entgingen. Gedankenverloren starrte er auf Jérômes Mund, der sich plötzlich zu einem sanften Lächeln verzog.
 

"Zufrieden mit dem, was du siehst?", fragte er.

"Ist mir egal", antwortete Gabriel achselzuckend. "Ich bin nicht schwul."

"Das haben auch schon andere vor dir behauptet. Tatsächlich war sogar ich so frei, irgendwann mal einem Mann entgegen zu schleudern, dass ich ihm niemals in Bezug auf die körperliche Liebe zur Verfügung stehen würde", grinste sein Gegenüber.

"Hat's was genützt?"

"Nein. Er war ein blöder Arsch. Ist schon 'ne halbe Ewigkeit her. Ich hoffe, ich sehe ihn nie wieder."

"Na ja, wenn's ne halbe Ewigkeit war, ist er ja vielleicht schon tot", mutmaßte Gabriel.

"Glaub ich kaum. Er ist auch ein Vampir", erwiderte Jérôme mit matter Stimme und schob sein Haar nach hinten.
 

Gabriel hatte anscheinend an irgendeine alte Wunde gerührt, denn Jérômes Blick wurde abweisend. Der junge Mann wunderte sich ein wenig über den etwas unmodernen Haarschnitt, wenn man das, was da auf Jérômes Kopf wuchs überhaupt als solchen bezeichnen wollte. Eine Kurzhaarfrisur, die nach hinten etwas länger wurde. Wie lange er wohl schon damit herumlaufen musste?

"Gibt's denn viele von euch?", fragte er neugierig.
 

Jérôme schien froh über den Themenwechsel zu sein, denn er antwortete prompt: "Nein, eigentlich nicht. Weltweit etwa um die Hundert. Du hast also etwa ein Prozent der gesamten Weltvampirbevölkerung bei dir zu Hause."

"Und wo leben die meisten? In Transsylvanien?"

"Gott bewahre, nein. Wo genau kann man nicht so allgemein sagen. Einige hier, einige da. Das mit den Karpaten ist ein Märchen. Da gibt's auch nicht mehr als sonst irgendwo auf der Welt."

"Und du bist einer der älteren?"

"Vielleicht. Ich weiß es nicht genau. Aber mal was anderes: Willst du mich verhören?"

"Nein. Ich will nur was wissen über meinen neuen Mitbewohner. Das heißt, sofern ich dich hier wohnen lasse…"

"Sofern? Das heißt, du willst mich wirklich wieder rauswerfen? In die eisige Kälte der Nacht und das ganz fürchterlich grausige Licht der Sonne? Das fände ich aber äußerst unfair und ziemlich fies von dir", sagte Jérôme und sah Gabriel mit Hundedackelbettelblick an.

"Na gut. Du darfst bleiben. Aber erst einmal nur ein paar Nächte, klar?" Bei diesen Worten sprang der Vampir freudig kreischend auf und fiel Gabriel um den Hals. "Ich danke dir", flüsterte er ihm ins Ohr. Der junge Musiker schob ihn sofort wieder von sich.

"Schon gut. Musst nicht gleich übertreiben. Nachdem du ja schon weißt, wo ich wohne, wirst du auch wissen, wer ich bin, nicht wahr? Nur zur Vollständigkeit aber noch mal: Ich bin Gabriel Hart, 25 Jahre. Beruf: Sänger und Kellner. Noch irgendwas unklar?"

"Darf ich in deinem Bett schlafen?"

"Nein."

"Och, schade. Dabei ist locker Platz für zwei."

"Mag sein, aber der zweite bist garantiert nicht du. Also, im Bad sind Handtücher, rote und blaue. Die roten sind für dich. Falls du ne Zahnbürste brauchst, die sind im Spiegelschrank. Dort ist auch Seife. Da du ja kein Einkommen hast, erwarte ich zumindest von dir, dass du die Wohnung in Ordnung hältst. Ist das ein Problem für dich?"

"Nein, Herr General."

"Gut. Wie sieht denn dein Tages- beziehungsweise Nachtablauf aus?"

"Na ja, ich stehe bei Sonnenuntergang auf und leg mich bei Sonnenaufgang hin."

"Ich fürchte, ich werde dich ein wenig in deiner Freiheit beschneiden müssen, Jérôme, du wirst dich nämlich nach mir richten müssen, wenn du hier wohnen willst. Ich gehe, sofern nicht gerade Konzerte sind oder ich Nachtschicht habe, meist um zwölf oder eins ins Bett und stehe um sieben oder acht auf. Dazwischen ist Nachtruhe. Ich wäre froh, wenn du dich daran halten würdest."

"Kein Problem."

"Was noch? Hm. Im Moment fallen mir keine weiteren Verhaltensregeln ein. Wenn mir doch noch was in den Sinn kommt, sag ich Bescheid."
 

Gabriel überlegte noch kurz, doch ihm fiel nichts mehr ein. Er besah sich das Chaos an Lebensmitteln auf dem Boden und hob gerade ein paar Äpfel hoch, als er Jérômes Arme um sich spürte. "Ich bin dir wirklich dankbar", raunte der Vampir in seinen Nacken. Der junge Mann ließ die Äpfel wieder fallen weil ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief. Jérôme hatte so eine unverschämt sexy Stimme.

"Okay, noch eine Regel", sagte Gabriel laut und fest und wand sich aus Jérômes Umarmung. "Keine Annäherungsversuche." Der Vampir schaute ein wenig beleidigt drein, doch das scherte Gabriel wenig. "Wenn du hier bleiben willst, dann keine Annäherungsversuche, klar?"

"Okay. Keine Annäherungsversuche. Hab's kapiert." Sprach' s und verließ die Wohnung, um zu jagen und sich abzureagieren.
 

Gabriel atmete erleichtert aus. Sein Herz schlug so schnell, dass er erst ein paar Mal tief Luft holen musste. Hoffentlich fand Jérôme bald eine neue Bleibe. Wer wusste schon, wozu dieser Mann sonst noch fähig war?
 

Jérôme kam pünktlich um Mitternacht zurück. Gabriel war ihm dafür sehr dankbar, denn er war müde und abgekämpft und ging sofort ins Bett. Der Vampir hingegen hatte sich eine Abendzeitung aus einem Papierkorb gefischt, um sich noch ein wenig die Zeit zu vertreiben. Wie langweilig. Eigentlich hatte er gehofft, er könnte sich noch ein wenig mit seinem neuen Mitbewohner unterhalten. Er seufzte und ließ sich am Küchentisch nieder, wo er die Zeitung aufschlug und einige Berichte überflog. Richtig spannend war das nicht, doch was sollte er machen? Für ihn war es jetzt etwa zwölf Uhr mittags. Nach einer Stunde hatte er jeden noch so kleinen Fitzelbericht der Zeitung schon zweimal gelesen. Und nun? Er beschloss, sich ein wenig in der Wohnung umzusehen. Im Wohnzimmer stand eine große, altmodische Schrankwand. Diese nahm er sich nun genauer vor. Was er interessant fand waren ein paar Bücher und ein paar PS-2-Spiele.
 

Wahllos zog er eines der Bücher aus dem Regal und schaute auf den Titel. Die Bibel. Urgs. Weg damit. Mit dem Zeug hatte er seinerzeit seine Jugend verschwendet. Seine Erinnerungen schweiften zurück zu der kleinen Komturei in der Bretagne, in der er seine Jugendjahre verbracht hatte und die Zeit danach, in der er seinen Glauben verlor. Er stellte das Buch der Bücher zurück und zog ein anderes heraus. "Der Herr der Ringe". Schon besser. Vielleicht sollte er doch mal wieder was für seine literarische Bildung tun. Er hatte zwar damals schon viel von einem britischen Professor namens Tolkien gehört, dessen Geschichten so unglaublich, ja noch nie da gewesen waren, sich jedoch nie um ihn geschert.
 

Gabriels Wohnzimmer bestand aus der Schrankwand, dem Fernseher mit der Spielkonsole, einer kleinen Musikanlage und einer gemütlichen Sitzgruppe, die mit schwarzem Leder bezogen war. Auf diese ließ er sich nieder, legte die Füße hoch und begann, zu lesen. So verging die Nacht.

Als Gabriel um sieben Uhr aufstand, war Jérôme bereits in seinen Sarg zurückgekehrt und schlief selig. Er träumte von Elfen, die komischerweise alle wie Gabriel aussahen.
 

Es war nach neun als Gabriel nach Hause kam. Er schloss die Tür auf und hängte den Mantel auf, wie immer. Irgendwas war anders, doch er konnte nicht genau sagen, was es war. Erst einmal ging er ins Wohnzimmer, in welchem er durch das Glas der geschlossenen Tür einen Schatten bemerkte. Was er sah als er die Tür öffnete konnte er fast nicht glauben.
 

Jérôme hatte sich den Wischmobb geschnappt und wischte mit ihm durchs Wohnzimmer. Und nicht nur das. Er benutzte den Stiel als Mikrophon, in welches er Playback sang. Die Musik, zu der er sich, fast ein wenig wie Elvis zu seinen besten Zeiten, bewegte, drang aus dem Kopfhörer, den er in die Stereoanlage eingestöpselt hatte. Soweit Gabriel den Rhythmus erkannte, dürfte es sich um Metallica handeln. Zudem sah Jérôme mit dem Stirnband und der rosa Schürze (Moment. Rosa Schürze?!) zum Schreien komisch aus. Ebendies tat Gabriel. Er brach in schallendes Gelächter aus. Jérôme entging das nicht. Er nahm den Kopfhörer ab und schaute seinen Mitbewohner fragend an.
 

"Was machst du denn da?", prustete Gabriel.

"Na ich halte die Wohnung in Ordnung. Wie der Herr gesagt hat. Was dagegen?", muckte der Vampir auf.

"Ach was, überhaupt nicht. Übrigens: nettes Schürzchen." Er grinste frech.

Jérôme sah an sich hinab. "Die hab ich mir von deiner Nachbarin geliehen. Sehr nette alte Dame. Wollte mich gleich zum Tee einladen."

"Nette alte Dame? Die von nebenan? Mich hat sie immer nur zusammen gepfiffen."

"Tja, mein Freund, du weißt eben nicht, wie man mit jungen Damen umgeht", sagte Jérôme und legte zum ersten Mal einen schwachen französischen Akzent in seine Worte.

"Junge Damen?! Die ist mindestens achtzig", erwiderte Gabriel ungläubig.

"Vierundachtzig, wie sie mir verkündete. Und für mich ist sie jung. Abgesehen davon: Ich kann äußerst charmant sein, wenn ich will."

"Hier riecht' s gut…", stellte Gabriel fest und schnupperte.

"Ich hab dir was zum Essen bestellt", erklärte Jérôme. "Dachte, du wärst nach der Arbeit vielleicht ein wenig hungrig. Es steht in der Küche."

"Sehr nett von dir. Richtiggehend aufmerksam. Womit hab ich denn das verdient?"

"Einfach so. Und jetzt setz dich und iss. Wenn ich fertig bin mit Putzen geh ich und such mir selbst was zu beißen. Ich hoffe, du magst chinesisch."

"Klar. Ich arbeite bei einem Italiener. Da bin ich für jede Abwechslung froh", rief ihm Gabriel aus der Küche zu. "Sag mal, willst du dich zu mir setzen? Alleine ist es so langweilig."

"Meinst du das ernst?", antwortete Jérôme.

"Sicher. Komm rüber."
 

Jérôme stellte die Musik ab, zog die Schürze aus und kam zu Gabriel in die Küche. Er setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber und beobachtete ihn. Er fand es faszinierend, dass dieser mit Stäbchen essen konnte. "Auch ein Stück Hühnchen?", fragte der Musiker unvermittelt und hielt ihm ein Teil hin.

"Nein, vielen Dank", lehnte Jérôme ab. "Ich kann keine normale menschliche Nahrung zu mir nehmen. Mir wird davon schlecht."

"Oh. Verstehe", meinte Gabriel und zuckte die Achseln. "Das kommt von deiner einseitigen Ernährung. Das ist ganz ungesund, weißt du?"

Jérôme kicherte. "Ja. Besonders für meine Opfer."

"Apropos. Willst du mich wirklich kalt machen so wie den Typen hinter dem Club?", fragte Gabriel wie nebenbei und schaufelte Reis in sich hinein.
 

Jérôme stützte sein Gesicht auf seine Hände. "Wir spielen ein Spiel, immer noch. Aber es besteht keine unmittelbare Gefahr für dich. Ich weiß, ich hab dir Angst gemacht. Das tut mir unheimlich Leid. Aber weißt du, ich hatte einen fürchterlichen Tag. Der Kerl, mit dem du mich gesehen hast war schon der fünfte in dieser Nacht. Die wollten sich alle nicht anbaggern lassen. Ich hatte Hunger wie blöd und ganz ehrlich: Sein Blut war ganz schön bitter. Keine Ahnung, was der genommen hat. Dann bist du plötzlich aufgetaucht und ich war doch ohnehin schon auf hundertachtzig. Normalerweise bin ich gar kein so übler Kerl. Ich hoffe, dass du dieses Gesicht von mir nie wieder sehen musst", erklärte der Vampir.
 

Gabriel sah ihn einen Moment lang schweigend an. Dann sagte er: "Ist okay. Jeder hat doch mal seine Tage. Aber eines sag ich dir: Mach das nie wieder, klar?"

"Klar. Nie wieder. Ehrenwort." Er hob zwei Finger zum Schwur.

"Kann man auf das Ehrenwort eines Vampirs viel geben?", neckte Gabriel.

"Möglicherweise nicht. Aber das eines Ritters nimmst du an, oder?"

"Du warst ein Ritter?", rief der Sänger. "Irre. Davon musst du mir unbedingt erzählen!"

Der Vampir lächelte. "Irgendwann, aber nicht heute. Das sind dunkle Erinnerungen, die ich im Moment nicht ausgraben möchte. Ich hoffe, du verstehst das."

"Oh ja. Sicher. Kein Problem. Du musst auch nicht, wenn du nicht willst", murmelte Gabriel kleinlaut.
 

Der Rest der Mahlzeit verlief schweigend. Jérôme beobachtete Gabriel fasziniert. Er erinnerte ihn ein wenig an eine Katze. Seine schlanken Glieder, die er mit einer solch natürlichen Eleganz bewegte, sein seidiges schwarzes Haar und natürlich seine leuchtenden goldenen Augen. Gabriel ließ sich geschafft nach hinten sinken und hielt sich den Bauch. "Ich esse nie wieder was. Du hast hoffnungslos zu viel bestellt", stöhnte er.

"Du hättest ja nicht alles essen müssen. Es hätte bestimmt auch noch für morgen gereicht", schmunzelte der Vampir. "Übrigens", er deutete auf Gabriels Mundwinkel, "du hast da noch was…"

"Hm? Ach so. Das heb ich mir für morgen auf", erklärte der junge Mann und räkelte sich ein wenig.

"Darf ich…?", fragte Jérôme.

"Was denn?"

Der Blondschopf beugte sich zu ihm hinüber und entfernte behutsam die kleinen Reiskörnchen, wobei er mit der Daumenkuppe über Gabriels Unterlippe strich.

"Was hab ich dir zum Thema Annäherungsversuche gesagt?", wollte Gabriel wissen und schaute ihm dabei fest in die Augen.

"War das denn einer?", fragte Jérôme verschmitzt. "Also was du so alles interpretierst…"
 

War es denn einer gewesen? Oder hatte er sich etwa gewünscht, dass es einer wäre? Nein. Er fand den Vampir zwar auf irgendeine merkwürdige Art faszinierend aber doch nicht so.
 

Jérôme lächelte nur. "Ich geh dann mal auf die Jagd. Bis um eins bin ich wieder da, versprochen. Bis dann." Er räumte noch schnell den Wischmobb weg, schnappte sich den schwarzen langen Ledermantel und verschwand.
 

Der November wurde kalt. Eisig kalt. Drei Wochen lebten Jérôme und Gabriel nun schon zusammen und die Vorweihnachtszeit rückte näher. Manchmal, wenn Jérôme nichts Besseres vorhatte, begleitete er Gabriel zu seinen Auftritten. Meistens allerdings ging er seinen eigenen Geschäften nach. Seit dem Putzabend hatte Gabriel ihn nicht mehr nach seiner Vergangenheit gefragt und Jérôme hatte auch nichts mehr in der Richtung erwähnt. Eines Abends kam Gabriel früher als sonst nach Hause. Jérôme war gerade erst aufgestanden und schaute verwirrt, als sein Mitbewohner schon so bald zurück war. "Alles in Ordnung?", fragte er mit Zahnbürste im Mund.

"Ich glaub, ich hab mir 'ne Erkältung eingefangen", erklärte Gabriel. "Nichts Weltbewegendes. Aber der Chef meinte, ich sollte nach Hause gehen. Ich hab übrigens was für dich."

"Für mich?" Jérôme spuckte den Schaum aus, spülte nach und kam aus dem Bad. Die Tatsache, dass er nur schwarze Schlabberhosen und ein offenes, weißes Hemd trug, fiel Gabriel sofort auf.
 

Es war das erste Mal, dass er einen Blick auf Jérômes nackten Oberkörper erhaschen konnte. Nicht, dass er das gewollt hätte, doch sein Blick wurde automatisch angezogen. Er hatte erwähnt, dass er ein Ritter gewesen war und Gabriel glaubte ihm das, ohne zu zögern. Er war breitschultrig und gut gebaut. Ein richtiger Waschbrettbauch lugte aus dem Hemd hervor. Knapp oberhalb seiner linken Brustwarze war eine feine Narbe, doch die störte nicht im Mindesten.
 

Um sich abzulenken kramte Gabriel in seiner Tasche bis er fand wonach er gesucht hatte. "Bitteschön", sagte er und reichte Jérôme zwei Schlüssel, die an einem kleinen Ring zusammen hingen.

"Was ist das?", wollte der Vampir wissen.

"Dein Haustür- und Wohnungsschlüssel. Hab ich nachmachen lassen, damit du freier agieren kannst und nicht immer auf mich Rücksicht nehmen musst", erklärte der junge Mann mit einem Lächeln, doch dieses verblasste, als Jérôme ihn skeptisch musterte. "Warum schaust du mich so an?", fragte er.

"Du siehst gar nicht gut aus…", kam als Antwort.

"Ach was. Ist nur 'ne Erkältung, wie gesagt. Du hast ja jetzt deine Schlüssel also kann ich ins Bett gehen und mich auskurieren. Mach dir keine Gedanken."

"Nicht so voreilig", mahnte Jérôme und zog Gabriel an sich. Er legte eine seiner kühlen Hände auf dessen Stirn um die Temperatur zu fühlen.

"Hmmm. Tut gut", murmelte dieser.

"Ist ja auch kein Wunder. Du hast Fieber", antwortete der Blonde und hob den jungen Mann hoch, um ihn ins Bett zu bringen.
 

Dieser protestierte heftig. "Lass mich runter, Jérôme. Ich bin kein kleines Kind! Ich kann selber laufen!"

"No way. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich dich im Stich lasse, wenn du krank bist." Er legte ihn aufs Bett und sagte dann: "Du ziehst dich um und legst dich hin. Ich bin in einer halben Stunde wieder da." Damit drehte er sich um, zog sich kurz an und ging. Gabriel fragte sich, wohin er wollte, doch er tat wie ihm geheißen. Tatsächlich war Jérôme eine halbe Stunde später wieder zurück. Er kam kurz zu Gabriel und fragte: "Und, wie geht's?"

"Beschissen."

"Alles andere hätte mich gewundert. Hast du heute schon was gegessen?", fragte der Vampir besorgt

"Nein. Hatte keinen Hunger", antwortete der Sänger wahrheitsgemäß.

"Bleib einfach hier im Bett. Ich bring dir eine Schüssel mit Eiswasser und ein Tuch, damit du erst mal die Temperatur senken kannst." Das tat er auch und Gabriel war ihm für seine Aufmerksamkeit dankbar. Er hatte fürchterliche Kopfschmerzen, doch das Eiswasser half tatsächlich. Plötzlich hörte er ein klapperndes Geräusch aus der Küche.

"Was machst du da drüben?", rief er.

"Lass dich überraschen", kam die Antwort. 'Oh je. Der zerlegt meine Küche', dachte Gabriel, doch zu mehr war er nicht mehr fähig, denn er nickte ein.
 

Jérôme hatte eingekauft. Im Lebensmittelmarkt und in der Apotheke. Jetzt stand er ziemlich ratlos vor dem Elektroherd. 'So ein Ding hab ich noch nie benutzt. Um ehrlich zu sein hab ich seit Jahrhunderten nicht mehr gekocht. Ach, wo sind die Zeiten der offenen Kochstellen hin? Alles drauf auf den Herd und fertig.

So schwer kann das doch gar nicht sein. Nur ein paar Knöpfe. Komm schon, Jérôme. Du hast mit Sarazenen gerungen, da wirst du ja wohl noch mit einem Elektroherd klar kommen…’ Doch eine kleine Stimme in ihm sagte: "Damals kanntest du deinen Feind."

"Also gut", sagte er und schob die Ärmel hoch. "Packen wir's an." Doch das erste, das er einschaltete, war die Backröhre und er wunderte sich, warum die Platte nicht heiß wurde.
 

Geschlagene anderthalb Stunden später hatte er es endlich geschafft. Eine Suppe. Endlich. Genau so wie er es damals im Kloster gelernt hatte. Na ja. Fast genau so. Er hoffte, dass sie schmeckte, denn er wollte es nicht riskieren, sie zu kosten. Er füllte einen Teller mit dem – zu seiner eigenen Überraschung ziemlich gut riechenden – Inhalt des Topfes und trug ihn vorsichtig ins Schlafzimmer. Mit einem Lächeln stellte er fest, dass Gabriel eingeschlafen war. Er stellte den Teller auf dem Nachttisch ab und beugte sich hinunter, um seine Stirn zu fühlen. Gabriel zuckte bei der kühlen Berührung zusammen und wachte langsam auf.

"Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken", sagte Jérôme leise.

"Schon gut. Ich hab sowieso nur gedöst", antwortete Gabriel. Seine Augen waren glasig und seine Wangen gerötet. Jérôme reichte ihm den Teller.
 

"Iss wenigstens ein bisschen davon. Ohne was im Bauch darfst du deine Medizin nicht nehmen." Gabriel nahm den Teller und den Löffel und schnupperte kurz. Er stellte fest, dass es wegen seines blockierten Geruchssinns wenig Sinn machte und probierte einfach kurz entschlossen. Jérôme saß in der Hocke neben seinem Bett und wippte aufgeregt. "Und, wie schmeckt' s?", fragte er neugierig.

"Gut. Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich sagen, meine Mum hat das gekocht. Jedenfalls ist es keine Instant-Suppe."

"Stimmt. Da sind nur gute Sachen drin. Gemüse, Kräuter, etwas Salz, Pfeffer, Muskat,…", erklärte Jérôme.

"Moment. Du hast gekocht?", rief Gabriel, verschluckte sich und hustete.

"Ja. Das letzte Mal war vor über achthundert Jahren. Unglaublich, dass ich anscheinend nichts verlernt habe."

"Vor achthundert Jahren? Wie alt bist du denn?", fragte Gabriel schockiert.
 

Jérôme überlegte kurz. "Also, so genau kann ich dir das gar nicht sagen. Weißt du, ich wurde in einer Zeit geboren, in der sich noch niemand wirklich um das Geburtsjahr gekümmert hat. Ein Sommer hin oder her, wen interessiert' s? Ich müsste aber so etwa um das Jahr 1170 geboren worden sein. Plus minus ein oder zwei Jahre…"

"Dafür siehst du aber verdammt gut aus."

"Du findest ich sehe gut aus?", strahlte der Vampir.

"Na ja, wenn man bedenkt, dass du über achthundert Jahre alt bist, dann ja." In Anbetracht Jérômes enttäuschter Miene fügte er rasch hinzu: "Und sonst auch." Er löffelte seine Suppe aus und gab dem Vampir den Teller zurück. "Danke", flüsterte er, denn sein Hals tat weh.

"Keine Ursache." Sein Gegenüber stand auf, räumte den Teller weg und kam mit zwei Tabletten und einem Glas Wasser zurück. "Hier, nimm die. Die sind gegen das Fieber sagte der Apotheker."

"Du warst auch noch in der Apotheke?"

"Sicher. Du hast ja keine Medizin im Haus."

"Stimmt. Also, gib her das Zeug. Prost." Er schluckte die Tabletten und ließ sich zurück auf das Kissen sinken. "Ich glaube, ich möchte schlafen", flüsterte er noch, bevor er ins Reich der Träume wechselte.
 

Er sah so schön aus wenn er schlief, dass Jérômes Herz einen leichten Hüpfer machte. 'Du meine Güte. So hat's dich ja noch nie erwischt', grübelte er auf dem Rückweg in die Küche. Er räumte auf, wusch das Geschirr ab und wollte dann eigentlich kurz auf die Jagd gehen, als er Gabriel im Schlaf jammern hörte.
 

Vorsichtig schlich er an das Bett heran und legte die Hand auf Gabriels Stirn. Er schien förmlich zu glühen. Sein Körper zitterte und Jérôme zog die Decke etwas höher. Gabriel öffnete kurz die Augen, sah ihn, lächelte und schlief wieder ein. 'Okay, Jagd ist für heute gestrichen', entschied der Vampir, holte sich ein Buch und einen Stuhl und stellte diesen neben das Bett. Natürlich, er hätte sich auf der anderen Seite mit aufs Bett setzen können, doch er wusste, dass Gabriel mit seinen Sachen äußerst unleidlich werden konnte. Es würde ihm im Traum nicht einfallen, Jérômes Handtuch zu benutzen oder im Gegenzug ihn eines von seinen benutzen zu lassen. Dasselbe galt für seinen Lieblingssessel und natürlich sein Bett. Das war absolutes Sperrgebiet und war zur Jérômefreien Zone erklärt worden.
 

Der Vampir schlug die Beine übereinander und begann, zu lesen. Zwischendurch fühlte er Gabriels Temperatur, welche, sehr zu seiner Beunruhigung, nur sehr langsam zurückging. Kurz vor Sonnenaufgang musste er sich zurückziehen, auch wenn er es noch so ungern tat. Vorher stellte er Gabriel noch eine Thermoskanne Tee und eine Tasse hin. Mehr konnte er im Moment nicht für ihn tun.
 

Gabriel verbrachte den Tag mit einer Mischung aus Schlaf und vor sich hin dämmern. Zwischendurch trank er einen Schluck Tee oder wankte aufs Klo, doch er fiel meistens sofort wieder in Schlaf. Seit seiner Kindheit hatte es ihn nicht mehr so erwischt. Die Sonne war noch nicht einmal vollständig untergegangen, da kam Jérôme aus der Abstellkammer und sah nach ihm.
 

Als er erfuhr, dass Gabriel den ganzen Tag wieder einmal nichts gegessen hatte, wärmte er ihm kurzerhand noch etwas Suppe auf und gab ihm anschließend seine Medizin. Gabriels warmes, dankbares Lächeln entschädigte ihn für einiges, selbst für die Tatsache, dass sein Magen langsam nach Futter schrie.

In der Nacht stieg Gabriels Fieber wieder leicht an und Jérôme entschied erneut, die Jagd ausfallen zu lassen. Wenn er es wollte, konnte er jahrelang aushalten ohne zu trinken, doch die Entbehrung ging nicht ganz spurlos an ihm vorbei. Seine Hände zitterten ein wenig, als er Gabriel mit einem feuchten Tuch über Gesicht und Brust fuhr. 'Hoffentlich geht es ihm morgen wieder besser, sonst hast du ein Problem, Jérôme, mein Alter', dachte er.
 

Gabriel erwachte ziemlich früh. Draußen war es noch dunkel, doch als er auf den Wecker sah wusste er, dass es nicht mehr lang dauerte bis zum Sonnenaufgang. Er fragte sich gerade, ob Jérôme schon schlafen gegangen war, da hörte er neben sich tiefe Atemzüge. Der Vampir saß neben ihm auf einem Stuhl und schlief tief und fest.

"Jérôme…", murmelte er. Als er keine Reaktion erhielt, versuchte er es etwas lauter. "Hey, Jérôme, die Sonne geht bald auf."
 

Diesmal reagierte der Vampir. Er öffnete die Augen und blickte Gabriel ein wenig irritiert an. "Was ist?", fragte er verschlafen. Gabriel fielen die dunklen Ringe unter seinen Augen auf. Außerdem war Jérôme unglaublich blass. So, als hätte er tagelang nichts getrunken.

"Die Sonne geht in ein paar Minuten auf", wieder holte der junge Mann.

"Oh. Verstehe. Dir scheint es besser zu gehen. Siehst auch schon viel besser aus", lächelte der Blonde.

"Du aber nicht", stellte der junge Mann mit besorgter Miene fest. "Warst du die ganze Zeit über bei mir?" Jérôme nickte nur. "Oh nein. Das hättest du nicht tun müssen. Du musst Hunger haben."

"Ist nicht so schlimm", lächelte der Vampir. "Ich hab schon Schlimmeres überstanden."

Gabriel überlegte kurz. Dann krempelte er seinen Ärmel zurück und hielt seinen Arm Jérôme hin. "Trink", sagte er.

Jérôme blickte ihn verständnislos an. "Was soll das?", fragte er.

"Nun mach schon. Du hast dich nur um mich gekümmert und dabei dich selbst vernachlässigt. Ich will nicht, dass es dir meinetwegen schlecht geht. Ich sehe dir doch an, dass es so ist. Also, trink von mir. Bitte."

"Du weißt nicht, was du da von mir verlangst…", erwiderte Jérôme.

"Ich hab ja nicht gesagt, dass du mich bis auf den letzten Tropfen aussaugen sollst. Nur, dass du bis heute Nacht durchhältst. Nun mach, die Sonne geht auf."
 

Der Vampir nahm seine Hand in seine eigenen Hände und schaute ihn durchdringend an. Sie waren schwielig. Die Hände eines Kriegers, der lange Zeit ein Schwert geführt hatte, und dennoch. Seine Finger waren lang und schlank und wenn er getrunken hatte, dann waren seine Hände warm und schon fast sanft. Gabriel wusste es, denn er hatte sehr wohl bemerkt, dass der Vampir sich die ganze Zeit um ihn gekümmert hatte.
 

Jérôme führte seine Hand langsam an seine Lippen. Er warf ihm einen fragenden Blick zu und Gabriel nickte. Doch er biss nicht sofort zu. Er hauchte sanfte Küsse in Gabriels Handinnenfläche, was kleine Schauer durch dessen Körper rieseln ließ. Es war ganz klar ein Annäherungsversuch, doch es scherte Gabriel wenig. Als der Vampir die Zähne in seine Haut versenkte, kniff er kurz die Augen zusammen. Jérôme nahm nur ein paar kleine Schlucke, doch die reichten ihm vorerst. Er küsste die Wunde, die er verursacht hatte, um sie wieder zu verschließen und erhob sich dann, um seinen Sarg aufzusuchen. In der Tür drehte er sich noch einmal um. "Danke", flüsterte er.

Das Fieber war zwar gesunken, doch irgendwie war Gabriel jetzt viel heißer, als es ihm im Fieber gewesen war.
 

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Ich würd mich wieder über den ein oder anderen Kommi freuen. Bis zum nächsten Chap. *wink*



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ciura
2008-08-24T08:35:22+00:00 24.08.2008 10:35
+ieks+
XDD
oh maaaaaaaan~
das kapitel ist auch wieder genial geworden!
allerdings wundert es mich das jerome mit nur so wenig blut ausgekommen ist... *drop*
*kopfschiefleg* *schultern zuck*
naja, aber egal~
ist trotzdem toll *lach*
Von:  silvermoonstini
2008-02-16T01:22:40+00:00 16.02.2008 02:22
Wie süüüüüß! Ich finds niedlich wie viel Rücksicht die beiden aufeinandernehmen erst passt Jerome auf Gabriel auf und dann lässt Gabriel Jerome von seinem Blut trinken... Hach seufz*Im 7. Shonen-ai himmel schweb*
Von:  YuMorino
2007-06-26T18:11:45+00:00 26.06.2007 20:11
Hi!!^^
danke für die ens nochmal!!
also das kapi war einfach nur super besonders das mit der nachbarin bei dem französichem akzent würde ich auch schmelzen und ihm alles geben
und dem herd*grins*!!
das war voll süß als jéromé sich um gabriel gekümmert hat und ihm auch das blut gab es war einfach nur süß!!
ich hoffe du schreibst schnell weiter!!
bis dann yu

Von:  -hEtAnA-
2007-06-26T16:51:16+00:00 26.06.2007 18:51
*O* Die beiden sind cuuuuuttttteeee.
Das kleine Spitzzähnchen ist zum knuddeln *kreisch*
Du hast dich mal wieder selbst übertroffen. *lach*
Echt tolles Kapi.

Gruß hetana
Von: abgemeldet
2007-06-26T14:42:50+00:00 26.06.2007 16:42
loooooool
also wenn jerome auch längere zeit ohne zu trinken aushält, wäre das doch nich nötig gewesen.... obwohls ne ziemlich starke geste is^^
cooles kappi^^ freu mich schon wenns weitergeht ^.-
also schreib schnell
Awis
Von:  jean1384
2007-06-26T09:22:38+00:00 26.06.2007 11:22
klasse kap schick mir bitte ne ens wenns weiter geht


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