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Lilian Orphan

von

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Es lag ein angenehm süßlicher Duft in der Luft, den Sayuri augenblicklich roch. „Wahrscheinlich ist Ryo gerade fertig geworden“, überlegte sie und visierte die Tür an, die genau in diesem Moment mit voller Wucht beiseite geschleudert wurde. „FERTIG, MEINE FREUNDE!“, rief er begeistert als er hineinspazierte, „Ich hoffe nur, dass du Pflaumenkuchen isst, Sayuri.“ Sie wollte gerade antworten, als sie von weiter hinten ein leises Grummeln bemerkte. Verwundert drehte sie sich um und erblicke Masao, der gerade aufgewacht war. „Mist“, dachte sie, „Jetzt hat er bestimmt wieder schlechte Laune, weil Ryo zu laut war.“ Langsam erhob Masao sich und trottete zu Ryo hinüber. „Oh, sorry, ich wusste nicht dass du geschlafen hast“, entschuldigte Ryo sich. Masao warf ihm einen drohenden Blick zu. „Weck’ mich gefälligst nicht immer auf!“, fuhr er ihn an. „Ich hab’ doch gesagt, dass es mir Leid tut!“, verteidigte sich Ryo. Masao seufzte und schritt ohne ein weiteres Wort aus dem Raum.
 

„Ryo, du Idiot, warum musstest du ihn auch wieder wecken?!“, beschwerte sich Kaori, „Danke, jetzt haben wir wieder den Salat.“ „Es tut mir doch Leid!“, jammerte Ryo und stellte leicht beleidigt den Kuchen auf den Couchtisch und ließ sich aufs Sofa fallen. „Nehmt euch ruhig vom Kuchen. Der ist ja nicht zur Deko da“, bemerkte Ryo. „Du hirnamputiertes Kleinkind!“, rief Kaori genervt, „Da können wir den Boden ja gleich mit Krümeln bestreuen. Beweg’ deinen faulen Hintern und hol’ uns Teller.“ „ICH habe den Kuchen gebacken!“, protestierte Ryo, „Also holst DU die Teller!“ „Lass’ MICH das machen“, meinte Sayuri und stand auf. „Setz’ dich wieder hin, Sa-chan. Ich mach’ das schon“, sagte Kaori in mütterlichem Ton und erhob sich. „Sa-chan?“, fragte Sayuri irritiert. „Ja, das ist jetzt dein Spitzname“, erklärte Kaori, lächelte sie an und verließ das Wohnzimmer.
 

Wenig später spazierte Kaori mit vier alten Porzellantellern wieder herein. „So, ich hab’ noch einen mehr mitgenommen, für den Fall, dass Masao sich nachher wieder beruhigt hat. Ich bezweifele es zwar, aber man kann ja nie wissen“ sagte sie mit einem leichten Grinsen auf ihrem Gesicht während sie noch im Türrahmen stand. „Du, Kaori?“, fragte Sayuri, „Warum seid ihr eigentlich hier?“ „Im Wohnzimmer?“, wollte Kaori wissen. „Nein, warum ihr hier im Untergrund lebt, und nicht in der Oberwelt zusammen mit euren Familien“, sagte Sayuri. Kaori ließ die Teller fallen, die sofort in tausende kleine Stücke zerbrachen. Ihr Gesicht war nun kreidebleich, ihre Augen wirkten leer und verängstigt. Wie angewurzelt stand sie da und bewegte sich kein Bisschen.
 

Sayuri erschrak. „OH NEIN!“ HAB’ ICH WAS FALSCHES GESAGT?“, fragte sie hektisch. Kaori antwortete nicht. Sie war, wie hypnotisiert. „Keine Sorge, Sayuri. Das konntest du ja nicht wissen“, versuchte Ryo sie zu beruhigen, „Kaori redet äußerst ungern darüber.“ „Worüber?“, fragte Sayuri nach, die allmählich ruhiger gewordne war. Plötzlich regte Kaori sich wieder. Ohne den spitzen Scherben auf dem Boden Beachtung zu schenken setzte sie sich wieder in den freien Sessel. Sie atmete tief ein und wieder aus. „Über meine Familie“, murmelte sie. „War irgendetwas passiert?“, erkundigte Sayuri sich. „Nun“, sagte Kaori mit zittriger Stimme, „Es war vor einigen Jahren. Da war ich ungefähr so alt, wie du jetzt, Sayuri. Ich hatte meine Japanisch-Klausur zurückbekommen. Ich hatte eine Zwei minus. Normalerweise hatte ich immer Einsen geschrieben, in allen Fächern. Genau, wie der Rest meiner Familie. Nicht nur, dass wir Unmengen an Geld hatten, wir waren auch noch alle Überflieger. Irgendwie unmenschlich, ich weiß“, sagte sie und lächelte etwas unsicher, „Ich hatte mich auch über die Zwei minus gefreut. Ich hatte nämlich kaum für diese Klausur gelernt. Es war, wie ein Wunder für mich, dass ich keine Fünf hatte. Überglücklich bin ich nach Hause gerannt. Aber als ich meinen Eltern die Klausur gezeigt hatte, waren sie unmöglich wütend geworden. Sie haben mich angeschrieen, mir gedroht, mich tagelang in meinem Zimmer eingesperrt. Jeden Tag hasste ich meine Eltern mehr. Irgendwann war ich so verzweifelt, dass ich abgehauen bin, ohne ihnen etwas davon zu sagen. Ohne eine Nachricht. Ich hatte nur mein Geld mitgenommen, meine Fensterscheibe mit einer Stehlampe zerschlagen und bin einfach gesprungen. Mein Zimmer lag nicht so weit oben, deswegen hatte ich mich auch nicht großartig verletzt. Dann bin ich gerannt. So schnell, wie ich noch nie gerannt war. Ich wollte weg, einfach weg. Weg von diesen Unmenschen, die sich Eltern schimpften. Ich bin in den Untergrund gerannt. Ich weiß nicht warum, es trieb mich einfach dorthin. Den ganzen Tag hatte ich dort verbracht, bis Masao auf mich gestoßen war. Zuerst hatte ich etwas Angst vor ihm, aber schnell hatte ich Vertrauen zu ihm gefasst. Er hatte mich hier hin gebracht und mir ein Obdach geschenkt. Allerdings hatte er sich nicht sonderlich um mich gekümmert. Das hat Ryo übernommen. Und obwohl Masao sich kaum um mich gesorgt hatte, war er mir immer noch lieber, als diese… diese abartigen, widerlichen Monster, die mich in diese Welt gesetzt haben!“ Kaori brach in Tränen aus. „KAORI-SAN! BITTE NICHT WEINEN!“, rief Sayuri, stand auf, ging zu Kaori und versuchte, sie zu beruhigen, „Bitte, bitte nicht weinen.“ Kaori sah sie mit großen Augen an und hielt inne. Für einen kurzen Moment war es totenstill. „Wenn du mich so bittest“, flüsterte Kaori und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, „Dann hör’ ich gerne auf, zu weinen.“ Sie lächelte sanft.
 

Ryo war aufgestanden. „Möchtest du meine Geschichte auch noch hören?“, fragte er Sayuri. „Wie du willst“, antwortete sie und setzte sich wieder zurück in den Sessel. „Oh, bitte nicht“, murmelte Kaori vor sich hin. „Also“, sagte Ryo bestimmt, „Ich hab’ dir ja erzählt, dass ich schwul bin. Nun ja, das war ich nicht immer. Zumindest nicht bewusst. Ich hatte nämlich mal ‚ne Freundin. Ich hab’ sie geliebt, und sie mich. Hm, vielleicht nicht ganz. Weil einmal ist sie mit so einem bildhübschen Kerl zu Hause aufgetaucht. Diese arrogante Ziege! Hat mich einfach rausgeschmissen. Sie hatte gesagt, dass sie ihn viel attraktiver fand, als mich. Tja, und so bin ich abgehauen. Ich wollte eigentlich mit der U-Bahn in eine andere Stadt fahren, und nie mehr wiederkommen, aber dann hab’ ich gesehen, wie Masao heimlich diesen Gang langging. Aus purer Neugier bin ich ihm unauffällig gefolgt. Irgendwann hat er mich dann doch erwischt. Nach langem Anflehen und Jammern hat er mir dann erlaubt, bei ihm zu wohnen, aber nur, wenn ich ihn in Ruhe lassen würde.“ „Ich wundere mich sowieso schon, warum er dich noch nicht rausgeworfen hat“, meinte Kaori und lachte leise, was Ryo aber ignorierte. „Tragisch, mein Schicksal, findest du nicht auch, Sayuri?“ fragte er sie und seufzte. „Äh, natürlich“, antwortete sie, „Aber warum bist du dann schwul geworden?“ „Ich hatte die Nase voll von Weibern, die sind alle gemein. Männer wissen doch immer noch am besten, was Männer wollen“, erklärte er und grinste.
 

„Sa-chan, der Kuchen wird kalt. Dabei haben wir noch gar nicht gegessen“, bemerkte Kaori. „Stimmt. Ich geh’ nur mal eben neue Teller holen“, meinte Sayuri. Kaori seufzte. „Na gut, wie du möchtest. Die Teller sind in der Vitrine im linken Fach“, sagte sie ihr, „Vier Teller, OK?“ „Alles klar“, antwortete Sayuri, stand auf und ging in Richtung Tür. Die scharfen Porzellanscherben hatte sie schon längst vergessen. Allerdings lagen sie immer noch auf dem alten Teppich. Gerade wollte Sayuri die Tür aufmachen, als sie unerwartet stolperte und hinfiel. „ARGH!“, schrie sie. Soeben hatte sich eine besonders lange, scharfe Scherbe mitten durch ihre rechte Hand gebohrt. „SAYURI“, riefen Ryo und Kaori gleichzeitig, sprangen ruckartig auf, um ihr zu helfen. „Sa-chan! Deine Hand blutet!“, bemerkte Kaori. Sayuri kniff die Augen zusammen. Der Schmerz war unerträglich. „Sei stark“, dachte sie, „Sei ein starkes Mädchen.“ Aber sie schaffte es nicht. Eine Träne nach der anderen rann ihre Wange hinunter. Ihre Hand blutete unaufhörlich. „ZIEH’ ES RAUS!“, schrie Ryo Kaori an. „ICH MACH’ JA SCHON!“, antwortete sie und nahm Sayuris Hand. „Tut mir Leid, Sa-chan“, murmelte Kaori und zog fest an der Scherbe, die sofort herausrutschte. „AU!“, schrie Sayuri. Sie wusste nicht, ob sie diese Schmerzen noch länger ertragen könnte.
 

Auf einmal sprang die Tür auf und Masao trat herein. „MASAO! SAYURI HAT SICH VERLETZT!“, erklärte Ryo ihm mit aufgeregter Stimme. Masao sah Sayuri mit ernster Miene an. „Wie ist das passiert?“, fragte er ruhig. „Nun ja“, sagte Ryo, „Kaori sind die Teller hingefallen, und Sayuri wollte neue holen, weil wir Kuchen essen wollten, aber dann ist sie gestolpert und hat sich an einer von den Scherben verletzt!“ Masao musterte die Wunde an Sayuris Hand. „Sollen wir sie ins Krankenhaus bringen?“, schlug Ryo vor. „Nein!“, sagte Masao bestimmt, „Sie bleibt hier!“ „A… aber Masao!“, protestierte Ryo. „Sei leise, Ryo!“, befahl er ihm und ging aus dem Zimmer. Kurze zeit später kam er mit einem Verband wieder, den er um Sayuris Hand wickelte. „Könnte etwas wehtun“, sagte er kalt. Und es tat weh. Es brannte höllisch, aber irgendwie schien Masaos Anwesenheit die Qualen zu lindern. „Danke“, murmelte sie. Daraufhin packte er sie an der anderen Hand und zog sie hoch. „Du gehst jetzt ins Bett“, meinte er. „Masao, es ist doch noch früh“, bemerkte Kaori. Masao ignorierte sie und schleppte Sayuri mit in sein Zimmer.
 

„Leg’ dich schlafen“, sagte Masao. Sayuri legte sich vorsichtig in sein Bett. Sie spürte das warme Licht der Kerzen, das sie durchdrang. Es tat ihr unheimlich gut, und sie hatte den Schmerz fast vergessen. „Ich werde Ryo nachher mal zu dir schicken, damit er nach dir sieht. Bis dann“, verabschiedete Masao sich von ihr und schlich aus dem Zimmer, woraufhin Sayuri sofort einschlief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Chimi-mimi
2007-07-10T15:03:31+00:00 10.07.2007 17:03
pflaumenkuchen XDDDDDDDD

nyo, ist dir gut gelungen ^^
bin schon gespannt wies weiter geht XD
Von: abgemeldet
2007-07-02T19:19:37+00:00 02.07.2007 21:19
ein neues kapi ^3^
man, ryo is iwie hysterisch, kann das sein? ô.o
ach ja: ich bin net dein ppersönlicher sklave, nur beta leser //Mir entgeht kein Fehler! *muahahaha*//
Von:  Ea
2007-07-02T18:09:59+00:00 02.07.2007 20:09
masao gefälllt mir immer besser :) ich mag ihn ;)
diesen einen abschnitt, wo die beiden ihre lebensgeschichte erzählen, da hättest du noch mehr absätze reinbríngen können
das großschreiben in der wörtlichen rede find ich auch wenig störend und leider hab ich auch den ein oder anderen rechtschreibfehler (es heißt DER kuchen) gefunden, aber das kannste alles noch beseitigen :)


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