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Lilian Orphan

von

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Nach einer Weile war Sayuri am Untergrund angelangt. Sie rannte, so schnell ihre Beine es zuließen, aber trotzdem wurde ihr alter Pyjama vom andauernden Regen durchnässt. „Hoffentlich hol’ ich mir keine Erkältung“, dachte sie. Ihr Rucksack schwang auf ihrem Rücken hin und her. Zu ihrem Glück war er nicht sonderlich schwer, sodass sie relativ schnell laufen konnte. Nach einer Weile hatte sie keine Puste mehr und setzte sich an Gehwegrand. Sie hörte die Geräusche der U-Bahn, der Leute, die herumliefen, und der Ansagen, die aus den Lautsprechern dröhnten. Sie fing sich an zu wundern, warum um diese Uhrzeit noch jemand mit der U-Bahn fahren musste. „Hier kann ich nicht ewig bleiben“, dachte sie und ließ den Kopf sinken. Was hatte sie nur getan? Im Waisenhaus hatte sie Freunde, eine überaus fürsorgliche Betreuerin und ein mehr oder weniger festes Dach über dem Kopf. Aber jetzt hatte sie niemanden. Und sie wusste auch nicht, wo sie von nun an wohnen sollte. Sie hatte kein Geld, um sich eine Wohnung zu mieten, und sie wusste auch nicht, wie sie an Geld kommen sollte.
 

Es waren mehrere Stunden verstrichen, und der Untergrund war fast leer. Nur ein seltsam aussehender Mann stand ein paar Meter neben ihr und starrte Löcher in die Luft. Sayuri gähnte. Sie hatte lange nicht mehr geschlafen. Die Nacht war sie wach geblieben. Sie hatte eine Menge über ihr Vorhaben nachgedacht. Auf einmal drehte sich der Mann zu ihr um. „Nein, wen haben wir denn da?“, fragte er sie, und guckte sie dabei recht merkwürdig an. „Sa… Sayuri“, sagte sie, „Und wer sind Sie?“. Er lächelte. „Ich bin jemand, der dir helfen kann. Ich helfe gerne kleinen, unbeholfenen Mädchen“, sagte er leise. Sayuri war auf einmal ganz verwirrt. Wollte dieser Kerl ihr wirklich helfen? Er ging näher zu ihr hin. „Komm’ einfach mit, du wirst schon sehen“, flüsterte er in ihr Ohr. „Ich… Ich will nicht. Lassen Sie mich in Ruhe!“, schrie sie. Doch ohne jegliche Vorwarnung packte er sie am Arm und zerrte sie weg. „NEIN! BITTE NICHT!“, schrie sie weiter. Ihr ganzer Körper zitterte, und das einzige, was sie in dem Moment empfand, war pure Angst. Angst um ihr Leben. Sie kniff die Augen zusammen und betete in Gedanken. Plötzlich hörte sie ein lautes Geräusch. Es schien, als ob jemand mit voller Wucht auf den Boden geknallt wäre. Sie öffnete langsam die Augen. Der Mann, der sie gerade hatte verschleppen wollen, lag mit einer stark blutenden Nase auf dem Boden. Neben ihm stand ein weiterer Mann. Er schien älter, als ihr Entführer, sah aber durchaus gefährlicher aus. Wieder schloss sie ihre Augen und im nächsten Moment nahm ihr Retter sie an die Hand und rannte mit ihr in einen anderen Gang. Ihr Entführer stand leicht irritiert auf, hielt sich seine Nase und rannte in Richtung Oberwelt.
 

Wieder hatte Sayuri ihre Augen geschlossen. Eigentlich war sie nicht so ängstlich, aber in dem Moment, als sie der Mann entführen wollte, war sie in einen schockartigen Zustand geraten. „Du kannst jetzt wieder gucken“, hörte sie eine raue, kalte Stimme sagen. Sie machte die Augen wieder auf und sah sich um. Weit und breit war niemand zu sehen, außer ihrem Retter und ihr selbst. „Siehst du? Geht doch“, sagte er, „Hier bist du in Sicherheit.“ Langsam fühle Sayuri sich wieder besser. Sie musterte den Mann. Er war recht groß, nicht zu dünn und hatte schulterlange, helle, grau-blonde Haare. Er trug einen langen, schwarzen Ledermantel, ein altes, graues Hemd, über dem ein silberner Kreuzanhänger baumelte, eine lockere schwarze Jeans und schwarze Stiefel. Sie sah in sein Gesicht. Es hatte durch und durch männliche Züge. Seine helle Haut hatte einen leichten Gelbstich und einige leichte Falten. Dann bemerkte sie etwas, was ich merkwürdigerweise vorher noch nicht aufgefallen war. An der Stelle, wo sein linkes Auge hätte sein müssen, befand sich eine schwarze Augenklappe aus Leder. Sein anderes Auge war eisblau. Sein gesamtes Erscheinungsbild traf eher auf einen Schwerverbrecher, als auf einen Lebensretter zu. Sie schaute ruckartig verängstigt weg. „Was soll das?“, fragte er sie, „Ich habe dir gerade dein Leben gerettet, und du schaust einfach weg!“ „E… Entschuldigen Sie“, murmelte sie und wurde leicht rot im Gesicht. „Darf ich deinen Namen wissen?“, fragte er sie. „Ich heiße Sayuri“, sagte sie mit leiser Stimme. „Und wie lautet dein Nachname?“, fragte er sie weiter. „Ich weiß es nicht. Ich bin ein Waisenkind“, antwortete Sayuri, „Und wer sind Sie?“. „Masao Igarashi… . Und du kannst mich ruhig duzen“, sagte er in einem gelangweiltem Ton. „Na gut, wie Sie… äh, du meinst“, verbesserte sie sich. „Was macht ein Waisenkind eigentlich um diese Uhrzeit im Untergrund?“, wollte Masao wissen. „Ich habe das Waisenhaus heimlich verlassen. Ich war noch nie außerhalb dieses Hauses. Deswegen möchte ich endlich etwas aus meinem Leben machen“, sagte sie, als wäre es nicht besonders interessant. „Versteh’ ich nicht, warum du dein Leben im Waisenhaus aufgegeben hast, und nun hier in dieser verdorbenen Welt leben willst. Du hast doch gesehen, was passiert, wenn man kleine Mädchen unbeaufsichtigt alleine lässt!“, meinte er. „Es ist mein Wunsch, und du kannst mich nicht dazu zwingen, dass ich diesen Traum nicht lebe! Du hast mir gar nichts zu sagen!“, schrie sie ihn an. Kurz darauf hielt sie sich den Mund zu. Normalerweise war sie nicht so vorlaut gegenüber älteren Leuten. „Tut mir Leid“, nuschelte sie. „Hab’ mal ein wenig mehr Respekt vor anderen Menschen, Kleine“, sagte er kühl, „Sonst bring’ ich dich persönlich in ein anderes Waisenhaus.“ „NEIN!“, rief sie, „ICH WILL NICHT SCHON WIEDER EINGESPERRT WERDEN! BITTE!“ Masao schaute sie schief an. „Na gut, wie du meinst. Aber dafür beruhigst du dich jetzt erstmal etwas“, sagte er und schaute in ihr tief in ihre strahlenden, blauen Augen. Sie holte einmal tief Luft und entspannte sich ein wenig. „Na also“, sagte er, „Und jetzt kommst du mit.“ Sayuri schaute ihn fragend an. „Du wirst jetzt bei mir wohnen“, murmelte er. Sie starrte ihn fragend an. Darauf nahm er sie an die Hand und zog sie einfach mit sich. Aber diesmal hielt Sayuri die Augen offen. „Ich denke, ich kann ihm vertrauen“, dachte sie zufrieden und lächelte.
 

„Da sind wir“, sagte er. Sayuri sah etwas verwirrt aus. Er war vor einer Metalltür stehen geblieben, die sich irgendwo in einem der am meisten abgelegenen Ecken des Untergrundes befand. Rasch öffnete er die Tür und schleppte Sayuri mit sich hinein. Kurz darauf fanden sie sich in einem mittelgroßen Raum wieder, der mit wenig Mühe so eingerichtet war, dass man sich hier wie zu Hause fühlen konnte. „Und HIER wohnst du?“, fragte Sayuri. „Scheint so, als ob es der Prinzessin nicht gefallen würde“, sagte Masao höhnisch zu sich selbst. „Nein, es gefällt mir sogar sehr gut“, erwiderte sie. „Lass’ uns jetzt mal schlafen gehen“, meinte er. Sayuri nickte. Es war bestimmt ein krasses Gefühl, im Untergrund zu leben. Und jetzt würde sie hier nur mit Masao wohnen. Ihr Herz pochte unheimlich schnell. „Kommst du jetzt, oder was?“, fragte Masao, der schon vor der nächsten Tür stand. „Oh… natürlich! Sorry!“, rief sie und ging ihm nach. Er öffnete die Tür und führte Sayuri hinein. Im Raum standen ein altes Bett aus Metall, ein Spind und ein leicht verdrecktes Waschbecken. Fenster gab es in diesem Raum nicht. Auch im vorherigen Raum waren keine Fenster auffindbar. Was würden die auch bringen? Schließlich lebte Masao im Untergrund. Dafür hatte er Kerzen angezündet, schwarze Kerzen, deren warmes Licht den ganzen Raum durchflutete, und ihn so gemütlicher machte. „So, du schläfst da!“, sagte er und zeigte mit seinem Finger auf das Bett. „Wow, er lässt MICH in SEINEM Bett schlafen“, dachte Sayuri. „Danke“, murmelte sie ihm zu und legte sich mit ihrem immer noch leicht nassen Pyjama in Masaos Bett, woraufhin sie sofort einschlief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Chimi-mimi
2007-06-29T08:49:53+00:00 29.06.2007 10:49
süß ^^
und masao hast du gut beschrieben, die stimmung kommt durch ihn besser rüber, als im ersten kap...
Von:  Ea
2007-06-18T07:12:20+00:00 18.06.2007 09:12
der erste typ ist doof, einfach so ein kind zu entführen *kopfschüttel*
du solltest etwas mehr absätze reinbringen, damit die geschichte übersichtlicher bleibt und man nicht so schnell die zeile verliert :)
ich find die geschichte bisher sehr spannen ^^~
mal sehen was eisblauauge noch mit der kleinen macht *gg*


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