Entferntes Treiben
Langsam und kerzengerade watete sie durch das Wasser. Lautlos und mit geschlossenen Augen, geradewegs auf die Mitte des großen Teiches zu. Ihr strahlendweißes Kleid, welches sonst bis auf den Boden reichte, schwamm im Wasser hinter ihr und ihr langes braunes Haar viel ihr makellos die Schultern herab.
Alles war ganz still, nur das entfernte Zwitschern eines Vogels war zu vernehmen, dann knirschte etwas am Ufer. Ein kleiner Junge in gleichem, jedoch weiter geschnittenem Gewand hockte mit neugierigem Blick auf dem Boden und scharte ungeduldig mit den Füßen im Sand. Mit neugierig aufgerissenen Augen verfolgte er jede ihrer Bewegungen. Unachtsam lehnte er sich dabei immer weiter nach vorne. Die Spannung in der Luft stieg mit jedem Moment der verging.
Die zierliche Junge Frau hatte die Mitte des Teiches erreicht und blieb stehen. Die Hände vor der Brust gefaltet und die Augen immer noch geschlossen bewegten sich ihre Lippen plötzlich zu einem stummen Gebet. Der Junge lehnte sich weiter nach vorne, geriet ins Wanken und rutschte wieder ein Stück zurück. Minuten vergingen, ohne dass sich an der Situation etwas änderte. Einzig der Vogel zwitscherte weiter vor sich hin.
Plötzlich drehte sie sich zur Seite, ging in einem Fluss in die Hocke und verlängerte die Drehung zu einem immer fortwährenden Kreis. Ihre ausgestreckte Hand glitt dabei durchs Wasser und endlich durchbrach das dadurch entstehende Plätschern die gespenstige Stille. Die zweite Hand in den Himmel gehoben drehte sie sich immer wieder im Kreis und hinterließ sich weiter und weiter entfernende Kreise im Wasser. Eine ruckartige Bewegung und die Hände wechselten ihre Position, wobei das Wasser in hohem Bogen spritzte. Erneut drehte sie sich im Kreis, diesmal anders herum.
Das Plätschern wurde lauter, als sie ihren Tanz beschleunigte. Der zwitschernde Vogel wurde lauter, weitere gesellten sich hinzu. während sie diesen Wechsel mehrfach wiederholte. Es schien fast, als würde der ganze Wald auf das Resultat dieser Zeremonie lauern.
Plötzlich ertönte ein lautes Platschen, schreiende Vögel brachen aus den Bäumen aus. Für einen Moment herrschte ohrenbetäubender Lärm. Doch die weiß gewandte Tänzerin schien all das gar nicht wahrzunehmen. Unaufhaltsam tanzte sie ihren Tanz, schwang nun beide Hände ins Wasser und spritzte einen großen Wasserschwall von sich weg.
Kleinlaut kletterte der kleine Junge ans Ufer zurück. „Mist!“ fluchte er leise und hielt sich sogleich erschrocken die Hand vor den Mund. Mit aufgerissenen Augen fuhr er zu der Tänzerin herum, aber die tanzte noch immer weiter.
Mit immer schnelleren und ausschweifenderen Bewegungen strebte sie dem Höhepunkt des Tanzes entgegen
Ein wenig beruhigt sie offenbar nicht gestört zu haben setzte sich der Junge wieder ans Ufer. Sein Gesichtsausdruck war noch immer zerknirscht. Die ernüchternde Störung hatte ihn Kontrolle über eine Neugierde gelehrt und so saß er schuldbewusst und zusammengekauert am Rande des Teiches. Er traute sich nicht seine Kleider auszuwringen.
Der außergewöhnliche Tanz schien unterdessen seinem Höhepunkt nahe gekommen. Immer wieder tauchte sie die Hänge in verschiedener Abfolge und Position ins Wasser um es kurz darauf in die Luft zu werfen. Stetig wuchs ihre Hingabe und schien alles um sie herum mit der wiederkehrenden Ruhe wieder in ihren Bann zu ziehen. Der Wald war abermals still, horchte auf ihren Tanz. Ihr inzwischen nasses Haar flog durch die Luft und landete schwer auf ihrem Körper an dem das ebenso nasse Gewand klebte.
Unwirsch, jedoch mit gleich bleibender Eleganz und Grazie, sowie fließenden Bewegungen tauchte sie ins Wasser ein bis sie fast gänzlich darin versunken war. Dann schoss sie plötzlich in die Höhe, riss möglichst viel Wasser mit sich und stand mit bebendem Atem und zum Himmelgerichteten Armen still. Die nun offenen Augen richteten sich ebenso zum Himmel. Es war so weit. Das Ritual war beendet.
Stille kehrte wieder ein. Einige Minuten blieb sie regungslos so stehen, doch nichts geschah. Dann kehrte sie mit verwirrtem Blick zum Ufer zurück.
„Es tut mir leid! Ich wollte das nicht, Miss Serenja! Jetzt habe ich die Götter erzürnt!“
Der Junge war aufgesprungen und mit Tränen in den Augen auf sie zu gerannt.
„Ich habe eure Konzentration gestört. Verzeiht! Bitte verzeiht!“ jammerte er weiter und ließ sich vor ihr auf die Knie fallen, bevor er sich an ihr Kleid klammerte.
„Es ist nicht deine Schuld, Bervol. Beruhige dich.“ Gab Serenja mit ruhiger, sanfter Stimme zur Antwort und strich ihm beruhigend über das Haar.
„Aber ich war so unachtsam und habe das Ritual dadurch gestört!“ schluchzte er hervor, sah sie jedoch hoffnungsvoll an.
„Das macht überhaupt nichts. Ich war nicht gestört und die Götter werden dir ebenso verzeihen. Immerhin war es doch Interesse an ihren Mächten das dich vor Neugierde habt vornüberkippen lassen, oder nicht?“
Noch immer nicht ganz zufrieden gestellt rang er mit sich selbst.
„Meint ihr?“ fragte er schließlich kleinlaut.
„Aber ja.“ Sagte sie und küsste ihn auf die Stirn, wobei ihr die langen, nassen Haare über die Schultern fielen.
„Und nenn mich endlich du und Serenja.“
Sie wandte sich zum Gehen um und zog Bervol sanft mit sich.
„Tut mir trotzdem leid. Ich mach’s nie wieder!“ sagte er, nun wieder etwas heiterer. Den besorgten Ausdruck in dem Gesicht der jungen Gläubigen sah er nicht…
~Ich freue mich sehr das das letzte Kapitel euch gefallen hat! Hier ist die Fortsetzung, etwas kürzer, aber auch sehr interessant. Wir wechseln kurz den Ort des Geschehens. ;D
Wie immer freue ich mich über Kommis und natürlich Kritik! :D
*knuddelz* ~