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Wenn Legenden wahr werden...

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3. Ein Gast wider Willen

Ein Blick auf die Uhr ließ mich wieder in die Wirklichkeit zurückkehren. 22:30 Uhr. Ich lächelte, als ich daran dachte, wie fesselnd ein Buch doch sein kann. Ich legte es beiseite und streckte mich wohlig. Auch wenn es für meine gewöhnlichen Verhältnisse noch nicht spät war, konnte ich die sich in mir ausbreitende Angeschlagenheit nicht ignorieren. In den Augen zeichnete sich bereits ein leichtes Brennen und auch das lästige Pochen im Kopf meldete sich zurück. Wer weiß, vielleicht hätte ich doch auf ärztliche Untersuchung zurückgreifen sollen...Mein Blick fiel auf den Anhänger, der immer noch auf dem Couchtisch lag. Hmm...wieso wunderte es mich nicht, dass heute niemand vorbei gekommen, um ihn abzuholen? Vielleicht wollte die Person mir Zeit zum Erholen lassen? Oder sie hat den Verlust noch nicht bemerkt? Letzteres erschien mir ziemlich unwahrscheinlich, denn der Kette nach zu urteilen, wurde der Anhänger getragen und man müsste schon mehr als unaufmerksam sein, um sein Fehlen nicht zu bemerken. Na was soll’s, ich konnte dem Besitzer wohl kaum eine Nachricht schicken, da wird er ich schon selbst drum kümmern müssen.

Da die Müdigkeit langsam aber sicher die Oberhand zu gewinnen schien, sah ich keinen Grund, dem natürlichsten aller Menschenbedürfnisse nicht nachzugeben und machte mich bereit für’s Bett. Als ich schließlich zufrieden die Decke über mich zog und mir erlaubte, auch den letzten Muskel zu entspannen, wanderten meine Gedanken noch mal zu meinem Unbekannten. Irgendwas an ihm störte mich (und damit meine ich nicht, dass ich sonst an unheimliche nächtliche Zusammenstöße gewohnt war), doch dieses Gefühl war zu undefinierbar, um es genau beschreiben zu können. Immer noch grübelnd versank ich langsam im sanften Nebel des Schlafs.

Nacht. Dunkel. Ich laufe. Eine Bedrohung. Hinter mir. Ich will schneller rennen. Werde langsamer. Immer langsamer. Angst. Nichts als nackte Angst. Beine fühlen sich wie Zement an. Komme nicht weiter. Komme nicht von der Stelle. Muss stehen bleiben. Kriege keine Luft. Es kommt näher. Immer näher. Immer näher. NEEEEIIIIN!

Schweißgebadet und mit Herzrasen riss ich mich aus dem Schlaf. Genau rechtzeitig, um zu sehen, wie eine große respekteinflößende schwarze Gestalt direkt neben meinem Bett stand. Immer noch unter den Einwirkungen des Traums entglitt mir ein lauter Schrei und ich sprang mit ungewöhnlicher Geschicklichkeit aus dem Bett. Alles in mir verkrampfte sich vor Panik und ich stellte mich bereits auf jeden möglichen Angriff ein. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen verharrte die Gestalt und gab mir somit die wenigen wertvollen Sekunden, die ich brauchte um mir klarzumachen, dass ich immer noch in meinem Zimmer und am Leben bin. Endlich war ich in der Lage, den Störenfried genauer anzusehen. Oh Wunder, es handelte sich doch tatsächlich um meinen großen Unbekannten, der wohl eine Vorliebe für ein kunstvolles Auftreten hatte. Im hellen Schein, der aus dem Fenster kam, habe ich ihn sofort wiedererkannt. Das blasse unverkennbare Gesicht, das tiefschwarze Haar, das jetzt im schwachen Schein von einem bläulichen Schimmer überzogen wurde. Der lange schwarze Mantel und die zugleich graziöse Statur – er schien eher einem mystischen Porträt entsprungen zu sein als dass er lebendig wäre. Einige Minuten schauten wir uns gegenseitig an (zumindest hatte es den Anschein, dass er mich ebenfalls musterte). „Ähhm....Guten Abend“ brachte ich schließlich das Schweigen und kam mir mit der Begrüßung sogleich unermesslich blöd vor. Mein Gegenüber schaute mich noch einen Moment an, bückte sich dann aber ohne ein Wort zu verlieren zu meiner Bettkommode und öffnete die oberste Schublade. Natürlich, was denn sonst, dort lag auch der besagte Anhänger, der ja wohl auch der Grund für sein Erscheinen war. Nachdem er’s rausgenommen hat, drehte sich der Fremde immer noch schweigend um und machte den Anstand zu gehen. „Warte!“ brachte ich schließlich aus mir heraus. So einfach konnte ich ihn nicht wieder verschwinden lassen. In meinem Kopf tummelten sich Tausende von Fragen, die zwar angesichts der momentanen Lage auch in den Hintergrund meines Verstandes gerückt sind, nicht aber an ihrer Wichtigkeit für mich verloren haben. Er blieb stehen. „Ich wollte nur das holen, was mir gehört. Entschuldige, wenn ich dich geweckt haben sollte.“ Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Seine Stimme klang so befremdet in diesem Zimmer. Sie war von einer unglaublichen aber nicht unangenehmen Tiefe erfüllt und schien auch tief in mich hinein zu dringen. „Ich...ich wollte mich noch bei dir bedanken. Du...“

„Du bist mir zu keinem Dank verpflichtet.“ Er machte sich nicht mal die Mühe, sich umzudrehen. Was faszinierte mich so an seiner Person? Doch auf eine gewisse Weise fühle ich mich angegriffen. Der Typ hat mich vor einem wirklich bitteren Schicksal bewahrt und ich hab nicht mal die Möglichkeit, mich erkenntlich zu zeigen! Konnte es nicht ein normaler Menschlicher gewesen sein, der meinen Dank wenigstens zu schätzen wüsste? Apropos normal...

„Wer bist du?“ platzte es aus mir buchstäblich heraus. Das wollte, nein, das musste ich einfach wissen. Irgendeine plausible Erklärung für das ganze Geschehen hier finden. Zumindest das war er mir schuldig. Er drehte den Kopf ein Stückchen zu mir um, so dass ich ¼ seines Profils sehen konnte.

„Glaub mir, das willst du lieben nicht wissen. Und es ist auch besser für dich, du erfährst es nicht.“ Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. Wie konnte der Typ sich anmaßen, wirklich zu wissen, was gut für mich ist! Na gut, abgesehen davon, dass er schon ein Mal etwas getan hatte, was wirklich gut für mich war, muss das noch nichts heißen. Außerdem, wer ist denn hier mitten in der Nacht aufgetaucht und hat mir einen Mordsschreck eingejagt!

„Ich sagte doch, ich wollte nur holen, was mir gehört. Und außerdem hab gar nicht ich dich aus dem Schlaf gerissen.“ Ich zuckte vor Schreck. Das kann doch nicht sein. Der kann doch nicht....

„Ich brauch mich gar nicht zu bemühen. Deine Gedanken kann man bis hierher hören. Nennst du das dankbar sein?“ Die Ironie war unverhörbar. Ich schüttelte mit dem Kopf. Das ging definitiv zu weit. Ich fragte mich langsam, was ich über Folgewirkungen bei schwachen Kopfverletzungen wissen sollte. Es...

„Ich sagte doch, du willst es nicht wissen. Vergiss am besten die ganze Geschichte. Vergiss, dass du mich gesehen hast und dass ich hier war. Und wenn es dir so wichtig ist, dann nehme ich deinen Dank eben an.“ Im gleichen Ton hätte er sagen können, dass er eine neue Zahnbürste gekauft hat. Und ich soll das Ganze vergessen? Doch jetzt meldete sich plötzlich mein Körper mit entschiedenem Protest gegen die gegenwärtige Anspannung. Ohne etwas dagegen unternehmen zu können, schwankte ich plötzlich und sank (ohne selbst darauf vorbereitet zu sein) zu Boden. Ich glaube, es hat ein paar Sekunden gedauert, bis ich schließlich realisiert habe, dass mich zwei Hände hoch hoben und auf das Bett setzten.

„Ich habe dich nach Hause gebracht, sich um deine Verletzung zu kümmern, war deine Sache.“ Seine Stimme klang immer noch sachlich und kalt. „Hab ich mich auch“ gab ich leicht verbissen zurück. Dankbarkeit hin oder her, auch wenn ich jetzt in seiner Schuld stand, könnte er sich wenigstens um etwas Höfflichkeit bemühen. Immer noch etwas benommen schaute ich zu ihm hoch. Er stand direkt vor mir und sein Anblick (auch wenn ich es nicht gerne zugegeben hätte) raubte mir unfreiwillig den Atem. Nicht das es nur am Äußeren lag, seine ganze Ausstrahlung hatte etwas Mystisches und geheimnisvolles an sich. Ein komisches Kribbeln ging durch meinen Körper, eine Welle von angenehmer Bewunderung. Wer war der Typ, dass er so ein Gefühl in mir auslöste? Mein Blick wanderte unwillkürlich über seine ganze Gestalt. Da ich immer noch auf dem Bett saß fiel mein Blick auf seine Hand und ich sah, wie ein paar flüssige rote Fäden aus dem Ärmel kamen und die Finger entlang rinnen.

„Du blutest ja!“ entfuhr es mir. Eine Spur zu hastig zog er seinen Arm weg.

„Da ist nichts.“ An seiner Stimme hat sich nichts geändert doch ich war mir sicher, eine Veränderung in seinen Augen gesehen zu haben (und fragt mich jetzt nicht, wie ich es in der Dunkelheit hingekriegt habe). „Vielleicht solltest du dir um deinen Kopf doch ein bisschen mehr Gedanken machen“ meinte er spöttisch.

„Von wegen!“ Von mir selbst überrascht stand ich mit einem Satz auf, schritt auf ihn zu und nahm seine Hand. „Und was ist das bitte schön?“ Erst nach einem kurzen Moment fiel mir auf, wie kalt seine Haut doch war. Als ob er kurzärmlig bei Minusgraden stundenlang auf der Straße gestanden hätte (obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die Kälte auch dann dieses Ausmaß erreicht hätte). Von der Spontaneität meiner Bewegung überrumpelt verharrte er für eine Sekunde, zog dann seine Hand ruckartig weg. Erst jetzt, da ich ihm so nah stand und sein Mantel bei der Bewegung leicht zur Seite gerutscht ist, bemerkte ich auf der linken Seite einen großen dunklen Fleck auf seinem Hemd. Ob Instinkt oder nicht, aber ich zweifelte nicht, was das war.

„Du bist verletzt.“ stellte ich trocken fest und bemühte mich, meine Stimme möglichst kühl klingen zu lassen. „Kein Wunder, dass du so blass bist.“ Wieso grinst der Kerl denn plötzlich? „Lass mich mal sehen...“

„Was bildest du dir eigentlich ein?!“ Jetzt mischten sich seinem Ausdruck eindeutig härtere Töne bei. Abrupt drehte er sich um und schritt in Richtung Tür „Ich habe bereits mehr als genug Zeit verschwendet!“

„Du kannst jetzt nicht einfach so verschwinden!“ Ich wunderte mich gleich über die Bestimmtheit meiner Stimme.

„Ach, kann ich nicht?“

„Denkst du ich lass dich hier jetzt blutend und eindeutig verletzt rausspazieren?“ Offenbar amüsiert hob er eine Augenbraue.

„Bist du dir wirklich sicher, dass du mich daran hindern kannst?“ Tja, darauf ließ sich erstmal nichts erwidern. Plötzlich kehrte er um und stürmte auf mich zu, so dass ich unwillkürlich zurückwich und, gestützt auf die Ellenbogen auf dem Bett landete.

„Und bist du dir sicher, dass du mich auch aufhalten willst?“ Dicht über mir gebeugt, schaute er mir direkt in die Augen. Sein Blick war so unglaublich durchdringend und ich konnte nicht verhindern, dass mich ein kalter Schauer erfasste.

„Du wolltest wissen wer ich bin? Von mir aus, dann sollst du es eben erfahren. Ich bin ein Vampir! Und ich hoffe du weißt, was dieses Wort bedeutet.“ Klar, natürlich. So musste ich unbedingt an einen Irren geraten. Als nächstes erzählt er mir noch, dass er irgendwo in einem alten verlassenen Schloss hauste und einen kleinen süßen Werwolf als Schoßhündchen hielt.

„Woher willst du wissen, dass ich mit dir nicht das gleiche mache, wie mit dem Kerl letzte Nacht?“ Er rückte noch näher heran, seine Stimme wurde eine Tonlage tiefer und ähnelte jetzt mehr einem Flüstern. In seinen Augen funkelte es gefährlich. Ich muss zugeben, ich fühlte mich gerade ziemlich eingeengt, auch wenn seine unmittelbare Nähe wieder eine ungewöhnliche Regung in mir verursachte.

„Weil du bereits die Möglichkeit dazu hattest. Und trotzdem bin ich unbeschadet in meiner Wohnung aufgewacht“ Also für mich war das ein überzeugendes Argument.

„Hast du mich gerade nicht einen Irren bezeichnet? Brauchen Verrückte eine logische Erklärung für ihr Handeln?“ Tja, das war ein Treffer. Vor allem da ich mir sicher war, meine Gedanken vorhin nicht laut ausgesprochen zu haben.

„Ich dachte du hast bereits gemerkt, dass du nicht alles zu sagen brauchst.“ Ich spürte wie mir erneut mulmig wurde. Entweder war er ein sehr guter Schauspieler und es war gerade einfach nur ein Zufall oder...

„Oder ich bin ein echter Vampir, dem es nicht die geringste Mühe macht, in deinen Gedanken herumzustöbern.“ Aber das war doch krank! In welcher Zeit befanden wir uns hier eigentlich? Ich war doch kein kleines Kind, das auf irgendwelche Ammenmärchen reinfallen würde! Doch um aus meiner Lage herauszukommen entschied ich mich für einen Gegenangriff (vielleicht wurde durch den Schlag wirklich etwas in meinem Kopf beschädigt, wenn das wirklich ich war, die hier so handelte).

„Vampir oder nicht, du scheinst zumindest aus Fleisch und Blut zu bestehen“ und ich nutzte seine Nähe aus, um den Mantel beiseite zu schieben und mir den Blutfleck genauer anzusehen. Viel weiter kam ich nicht, denn er richtete sich auf und machte einen Schritt zurück. Einem Moment lang musterte er mich und......lachte dann plötzlich auf. „Sag mal, wie verrückt bist DU eigentlich? Da sagt dir einer, dass du einen Vampir vor dir hast und du verhältst dich, provozierender geht’s nicht mehr!“ Ich beobachtete überrascht und zugleich fasziniert, wie sich seine Züge beim Lachen aufhellten und stellte fest, wie sympathisch und anziehend er plötzlich wirkte. Da ich auch nicht wusste, was ich jetzt erwidern sollte, grinste ich ihn einfach nur an.

„Oder brauchst du noch einen eindeutigeren Beweis?“ Seine Stimme klang jetzt zwar wieder kühler, doch in den Augen blieb immer noch der amüsierte Ausdruck. Ohne weitere Erklärungen ging er zu meiner Zimmerpflanze, die (wie es mir im nächsten Moment schien, nichts ahnend und unschuldig) vor sich hin blühte und berührte sie zart. Nach einem kurzen Augenblick glaubte ich tatsächlich zu sehen, wie die Farbe des Pflänzchens verblasste. Die Blätter und der Stängel zogen sich immer mehr zusammen, die Blüte verlor an ihrer Fülle bis schließlich nur ein schlaffes vertrocknetes Überbleibsel zu sehen war.

„Ein Vampir, ein Untoter, der die Macht besitzt, den Lebenden ihre Lebensenergie zu rauben“ sagte er still und drehte sich zu mir um. „Und jetzt?“ Ich muss zugeben, spätestens jetzt saß ich einfach nur sprachlos da und überlegte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ich, aus welchen Gründen auch immer, halluziniere. Aber so langsam schien mir keine andere Wahl zu bleiben, als diese Tatsache zu akzeptieren, egal wie makaber sie mir gerade erscheint. Ich schaute meinen “Gast“ an. Und warum eigentlich nicht? Muss ich mich etwa wundern, dass ausgerechnet ich auf einen Vampir traf? Hatte nicht ich bereits seit meiner Kindheit immer einen Hang zum Mysteriösen und Geheimnisumwobenen? Und hab nicht ich es immer geschafft, mein Leben alles andere als normal zu gestalten? Irgendwas in meinem Verstand schien diese Theorie merkwürdigerweise zu akzeptieren, so als ob es eine lang erwartete Bestätigung für irgendwas wäre. Als Antwort lächelte ich.

„Ich brauch keinen Beweis. Es scheint, als hätte ich keine andere Wahl, als dir zu glauben. Aber könntest du ausnahmsweise so freundlich sein und mich endlich deine Verletzung ansehen lassen?“ Ich weiß nicht, mit welchen Menschen er sonst Umgang pflegte, aber es sah so aus, als ob er durch mein Benehmen überrascht aber auch belustigt wäre. Einen Moment an musterte er mich aufmerksam, lachte dann wieder und zuckte schließlich mit den Schultern.

„Von mir aus. Mir scheint, als würdest du vorher sowieso keine Ruhe geben.“

„Erraten“ grinste ich ihn an. Ich erhob mich und ging in Richtung Tür. „Komm mit.“



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