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Der Bulle und der König

von

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Große Pläne

„Yamai-chan!“
 

Yamai blickte verdutzt auf, als er, mit der Arbeit fertig, hereinkam. Was war das für ein beängstigend warmer Empfang? Dass er das noch erleben durfte! Doch dann kam er ins Stutzen: wie konnte Takashi schon wieder high sein? Oder immer noch? Nein, das war zu lang, er hatte seit gestern abend nichts bekommen. Er musste nüchtern sein. Und trotzdem so... fröhlich? Er schien ganz der Alte, wie er da auf allen Vieren auf dem Futon kniete und Yamai verschmitzt anlächelte. Yamai ging schon mal in Abwehrpose, denn normalerweise hatte Takashi einst so gelächelt, wenn kurz darauf die Fäuste flogen. Er ließ den Jungen nicht aus den Augen, als der aufstand und auf ihn zukam.
 

„Yamai-chaaaan“, quakte er, schlang seine Arme um Yamais Hals und zog den Rest seines Körpers an ihm hoch, um Yamais Hüfte mit den Beinen zu umklammern. „Wa... was..?“, stammelte Yamai verunsichert, als er sich nach hinten beugte, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten.

„Yamai-chan, der wievielte ist heute?“

„Hä? Was weiß ich, der zwanzigste September oder so...“

„Stimmt, ich hatte ja erst im April Geburtstag... schenkst du mir trotzdem was?“

„Was willst du?“, fragte Yamai skeptisch, doch Takashi war drauf und dran, ihm den Kopf zu verdrehen, wie er seinen Unterleib an Yamais Bauch rieb.

„Ich will keinen Schnee mehr“, flüsterte Takashi Yamai ins Ohr, „Du kannst mich auch so haben, ich will dafür nur ein paar Streichhölzer oder ein Feuerzeug dafür.“

„Hä??“

„Aber Yamai-chan, was ist denn daran so schwer?“
 

Um sein Anliegen zu verdeutlichen, warf Takashi sich, noch immer an Yamai geklammert, zur Seite und brachte ihn so zu Fall. Noch ehe Yamai aufstehen konnte, setzte Takashi sich frech auf seinen Schritt und beugte sich zu ihm herunter. Als seine Lippen Yamais berührten, flüsterte er ihm sein Anliegen noch einmal feucht und überdeutlich direkt in den Mund:
 

„Von vorne, von hinten, oral, Plural, morgens, mittags, abends, und ganz, ohne mit diesem widerwärtigen Hebi teilen zu müssen. Für ein Feu. Er. Zeug. Das kannst du doch, oder? Stell dir vor, der King, dein williger Sklave, ganz ohne Drogen, gib’s zu, seit Jahren willst du nichts anderes.“
 

Da war was dran und Yamai grinste so breit, dass seine gesprungenen Lippen einrissen. Takashi kümmerte sich sofort darum, indem er das Blut aufleckte und sich drauf und dran machte, Yamais Oberkörper zu massieren. Es dauerte nicht lange, bis Yamai die passive Haltung satt war und sich wie eine Python um Takashi schlang, bis der sich von seiner Kraft allmählich erdrückt fühlte. Aber das machte nichts, solange Yamai nur seinen Teil der Abmachung erfüllte.
 

Wenig später, nein, viel später, lag Takashi mit einem hinterhältig-zufriedenem Grinsen in Yamais Armen; dass ihm hinten alles schmerzte und vorne alles klebte, war halb so schlimm. Ihm war zwar kotzübel, doch falls er Yamai halt auf die Brust speien sollte, würde der ihm sicher verzeihen. Yamai war dumm und Dummheit war eine unheilbare Krankheit. Er konnte sich noch so selbstbewusst dranstellen, sich noch so viele Muskeln antrainieren, worin auch immer er Takashi überlegen sein mochte, was die Intelligenz betraf, so lachte Takashi auch weiterhin von oben auf ihn herab – wenn er dazu in der Verfassung war. Während er den salzig-schäbigen Geschmack immer wieder mit viel Spucke schluckte, überlegte Takashi, ob er Yamai nicht einfach seine Pläne offenbaren sollte, um seine Motivation, ihm Feuer zu besorgen, anzuspornen. Schließlich wäre das auch in seinem Interesse. Andererseits – was, wenn Yamai den Plan dann allein ausführen und Takashi zurücklassen würde? Auch das wäre in seinem Interesse, nicht aber in Takashis.
 

„Yamai-chan“, krächzte Takashi müde, „Ich weiß, wen wir bitten können, uns das Feuerzeug oder die Hölzchen zu besorgen. Makoto würde das bestimmt machen, meinst du nicht?“

„Ich weiß nicht“, erwiderte Yamai zweifelnd, „Der ist doch nicht gerade zuverlässig, oder? Ich frag Kazanosuke, der besorgt auch das Koks.“

„Eben weil Makoto dumm ist, will ich ihn darum bitten. Außerdem is der Raucher und würde nicht auffallen, falls man ihn damit erwischen sollte. Kaza-chan arbeitet hier schon lange, der weiß, warum hier kein Feuer erlaubt ist. Vergiss den. Bitte den nur, Makoto herzubitten, mich nimmt der nicht ernst. Sag, er soll Makoto ausrichten, dass ich mich entschuldigen und mit ihm über mein Testament reden will, dann kommt er bestimmt.“

„Hm...“

„Machst du das?“
 

Mit einer Schnute, wie sie entzückender kaum sein konnte, zog Takashi einen Finger über Yamais Wange. „Bitte, bitte“ auf Schlampensprache.
 


 


 

Makoto kam. Aufgrund des Wortes „Testament“ sogar ganz ohne Extraeinladung. Diesmal wurde er schon direkt hinter der Panzerglastür von Takashi empfangen, denn der hatte mal wieder „Freigang“ – oder war es „Freiergang“?.
 

„Mako-chaaaan!“, quakte er, rannte auf den erschrockenen Makoto zu und bremste nur ganz kurz vor ihm. Mit zwei hocherhobenen Primo-Zeichen und einem verlegenen Lächeln.

„Takashi“, staunte Makoto, „Du siehst viel besser aus als letztes Mal.“

„Letztes Mal“, juchzte Takashi fröhlich, „Da war ich nicht ganz klar. Aber jetzt is wieder alles paletti, was treibt Bukuro?“

„Öh... wie immer... obwohl, Takashi, wegen Kyo...“

„Ich hab mich blöd benommen, Mako-chan“, unterbrach Takashi ihn, ohne sich für Makotos Anliegen zu interessieren. „Kannst du mir noch mal verzeihen? Soll doch nicht im Streit enden.“
 

Enden...
 

Makoto grinste verlegen und rieb sich den Nacken. Natürlich verzieh er ihm, so wie er auf die Dauer jedem alles verzieh. Umso verdatterter blickte er drein, als Takashi das sofort als einen Freibrief wertete, Ansprüche zu stellen. Typisch Takashi, ganz der Alte! Lästig...
 

„Feuer? Bist du vom Koks auf Crack umgestiegen, oder was?“

„Nein, nein“, lachte Takashi, „Aber weißt du, Ben-chan, der Neger der aussieht wie ich, der hat totale Entzugsprobleme und es würde ihm wirklich helfen, wenn du ihm ein paar Zigaretten und ein Feuerzeug besorgen könntest. Über mich, dir vertraut er vielleicht nicht. Ben-chan ist ein Angsthase, weißt du? Aber bring’s heimlich mit, Rauchen ist hier verboten!“
 

Was interessierte Makoto dieser Ben-chan? Auch das Interesse an Ben-chan interessierte Makoto nicht und wenn es Takashi so wichtig war, war das wohl nicht zu viel verlangt.
 

„Na, Takashi“, begann Makoto zögerlich, „Wolltest du mit mir nicht über dein... dein... dein Testament..?“

„Testament?“, prustete Takashi, als hätte er soeben einen wirklich guten Witz gehört, „Nö, was redest du denn da?“

„Ääh? Aber dieser Wärter, der mich angerufen hat, meinte doch, dass du darüber..?“

„Ach so, stimmt! Na ja, ich dachte, das wäre der sicherste Weg, dich hierher zu kriegen!“

„Du bist so ein Arschloch, Takashi... Weißte, schon am frühen Morgen deprimier ich total deswegen und dann war das nur ein Scherz?“

„Mako-chan, du deprimierst wegen mir?“

„Schon immer.“

„Mako-chan, du bist so süß!“, lachte Takashi und der ihm von Yamai eingeflößte Hass schien vergessen. Erst recht, als er Makotos Antwort hörte.

„Du auch“, lachte der und rieb sich verlegen die Nase.

„Noch mal?“, blinzelte Takashi etwas perplex.

„Nein, ich meine, wenn dir die Haare so vor die Augen hängen...“

„Hmm...“
 

Makoto wurde unbehaglich. Musste Takashi immer auf allem herumreiten, was er gern schnell abhaken würde? Doch wie lästig Takashi auch schon wieder sein mochte, Makoto konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Ein bisschen grob drehte er Takashi vom Eingang weg und ging mit ihm in seine Zelle. Yamai war gerade wieder hinausgeschickt worden.
 

„Geständnisse einer Maske?“

„Ach das“, meinte Takashi, als Makoto das Buch entdeckte, das Opa Hige ihm hinterlassen hatte, „Da geht’s um einen Typ, der sich nicht traut, aus sich herauszugehen, weiß aber nich, was ich damit anfangen soll...“

„Hmm, ich glaub schon“, murmelte Makoto, als er den Klappentext überflog. „Ach übrigens, ich hab was für dich.“

„Feuer!“

„Nein“, schnaubte Makoto beleidigt. Wollte denn niemand glauben, dass er auch unaufgefordert nett sein konnte? „Da.“
 

Makoto zog etwas aus seiner Hose – nicht etwa aus der Hosentasche – doch es war, Gott sei Dank, keine Mayonnaise. Das kleine Tütchen mit dem bräunlichen Inhalt flog Takashi an die Stirn und Takashi betrachtete es skeptisch.
 

„Mako-chan“, seufzte er, „Du kannst’s kaum erwarten, mich einen jämmerlichen Junkietod sterben zu sehen, ne? Reicht das Koks nicht, dass du mir jetzt Heroin bringst?“

„Idiot“, fuhr Makoto ihn an, „Riech mal dran! Ich dachte, der nackte Reis is nicht grad berauschend für einen Keksefresser wie dich.“

„Riecht nach Weihnachten“, quakte Takashi melancholisch, als er sich die Zimt- und Zuckermischung, an der er etwas zu stark gerochen hatte, von der Nase rieb. War es der Reiz, den das Zimt auslöste, dass seine Augen plötzlich so feucht waren?

„Du, hör mal, Takashi“, meinte Makoto ernst und nahm Takashi das Tütchen, mit dem er nur noch zu spielen schien, weg und steckte es ihm in die Hemdentasche, aus der er ein anderes Tütchen sofort unbemerkt herauszog und konfiszierte. „Ich weiß nicht, was alles passiert ist, aber lass dich nicht verarschen.“

„Meinst du Yamai-chan?“

„Unter anderem. Ich weiß nicht, was du mit dem Feuer vorhast, aber dieser Ben-chan is doch ne Lüge, oder? Ich meine, hier herrscht absolutes Rauchverbot.“

„Kannst du mich hier rausholen?“

„....“

“Eben.“
 

Makoto wusste zwar nicht, was genau Takashi mit dem Feuerzeug vorhatte, aber hatte er das Recht, ihn zu stoppen?
 

„Mann! Wart, bis zum Essen!“

„Mh?“
 

Genervt pflückte Makoto Takashis Finger aus dessen Mund. Er musste den ganzen süßen Mist ja sehr vermisst haben. Hoffentlich gab es hier einen guten Zahnarzt. Aber vielleicht lenkte ihn das wenigstens von den Drogen ab. Makoto kannte sich nicht aus, aber jemand wie Takashi, der schnell das Interesse an den Dingen verlor und etwas Neues suchte, würde sich wohl entweder ganz davon befreien oder tiefer versumpfen.

Grinsend stand er vor Takashi, noch immer mit seinem Finger in der Hand. Die Situation wurde immer alberner, wie sie da standen.
 

„Mako-chan, weißt du“, sagte Takashi plötzlich sehr nachdenklich, „Ich muss mich für so vieles entschuldigen, dass ich nich weiß, wo ich anfangen soll.“

„Dann lass es.“

„Yamai-chan hat mir alles mögliche eingeredet, und weißt du, er kann ja eigentlich sagen, was er will.“

„Kann er.“

„Aber dass ich ihm geglaubt hab, is ganz allein meine Schuld...“

„Was geglaubt?“

„Sachen, die er über dich gesagt hat. Weißt du, wenn ich dich nicht kennen würde, wär ich vielleicht sogar von selbst auf manches davon gekommen.“

„Zum Beispiel?“

„Dass du mich... dass du mich gern verhaftet hast, dass du...“
 

Makoto merkte, wie Takashi die Worte nur mühselig an einem Kloß im Hals vorbeibekam und unterbrach ihn.
 

„Du Idiot“, lachte er, „Du warst doch sicher wieder high, als der dir die ganze Scheiße eingeredet hat.
 

Takashi sah ein, dass Makoto keine Entschuldigungen, nur anderes Verhalten, wollte und gab es auf.
 

„Setz dich doch.“

„Nicht auf Yamais Futon, mach Platz. Was haben die hier eigentlich Futons auf Betonböden? Futons gehören auf Tatamis, Mann...“
 

Beide grinsten verlegen vor sich hin, wie sie da saßen und ratlos auf den Boden glotzten. Makoto rieb sich die Nase, Takashi kratzte sich am Kopf, wie in alten Zeiten, wenn beide etwas Unangenehmes zu sagen hatten.
 

„Du hast vorhin irgendwas von Kyoichi gesagt?“

„Hä? Ach so... ja... nein... ähm, das is wahrscheinlich reine Spinnerei, aber angeblich haben den schon einige tanzen sehen.“

„Vor oder nach seinem Ableben?“

„Nach.“

„Bukuro sieht Gespenster. Und mich, hat mich jemand gesehen?“

„Nein.“

„Dabei war ich viel berühmter“, quengelte Takashi eingeschnappt und grinste.

„Du hast dich nicht zufällig sehr zurückgehalten?“

„Nee, aber so ganz fertig war ich mit ihm auch nicht, als du dazwischengegangen bist.“

„Hä?“

„War mir in dem Moment egal, ob der schon abgenippelt war oder nicht, ich wollte erst seinen Schädel brechen hören.“

„Hast du irgendwas brechen hören?“

„Nicht wirklich, aber was soll die Fragerei?“

„Nichts“, stöhnte Makoto und lehnte sich an die Wand. Ihm war plötzlich ganz komisch zumute. Falls Kyoichi tatsächlich am Leben sein sollte, würde er ihn eigenhändig umbringen, so viel stand fest. Na ja, nicht wirklich.
 

Irgendwann hielt Makoto es nicht mehr aus, wort- und tatenlos neben Takashi zu sitzen und mehr an Kyoichi zu denken, als an das zerzauste Etwas neben ihm, das schon wieder mit dem Finger in die Hemdentasche wanderte. Mit der eindringlichen, von einer Umarmung betonten Bitte, sich wieder zusammenzureißen, verabschiedete Makoto sich und versprach ihm, ihm dieser Tage das Feuer zu besorgen.
 

„Was machst du heute Abend noch?“, fragte Takashi neugierig und Makoto, ohne sich umzudrehen, antwortete: „Ich geh zu einer Ballettaufführung.“



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