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Verloren und gefunden

von

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~Chapter one~

I.
 

[ In Minas Tirith. Nach der Schlacht auf den Pelennor-Feldern, in der König Theoden ruhmreich den Tod fand, und seine Nichte Éowyn bei dem Versuch ihn zu retten durch den Hexenkönig schwer verwundet wurde. ]
 

Und als Aragorn und Fürst Imrahil mit ihren Rittern am Abend siegreich und müde in die Stadt einritten, erwartete Pippin sie am Tor.

"Aragorn," rief er ihm aufgeregt zu, " welch ein Glück, dass du kommst. Gandalf schickt mich. Merry ist schwer verwundet und Herr Faramir und ...".

Wortlos zog Aragorn ihn auf sein Pferd und ritt in Eile mit ihm hinauf zu den Häusern der Heilung. Dort erwartete ihn Gandalf. Einen Augenblick lang schloss dieser den Freund fest in die Arme. "Mein Freund, dass du lebst ! Doch komm. Höchste Eile tut Not. Viele liegen auf den Tod verwundet und bedürfen dringend deiner Heilkunst. In Faramir wütet ein Fieber, dem er bald erliegen wird und.."

"Und Meriadoc soll schwer verwundet sein. Rasch, führe mich zu ihnen, Gandalf !"

Und eiligen Schrittes wollte er weitergehen, da hielt Gandalf ihn am Arm zurück. "Nein, folge mir zuerst zu Frau Éowyn. Ich fürchte, um sie steht es am schlimmsten."

"Éowyn !", rief Aragorn zutiefst erschrocken aus. " Aber wie kann sie hier sein ? Und verwundet ?!"

Gandalf antwortete : "Oh, mein Freund, als Krieger verkleidet muss sie mit den Rohirrim in die Schlacht geritten sein. Und sie muss den Herrn der Nazgul geschlagen haben, soviel konnte ich von Merrys verwirrtem Bericht verstehen. Doch hat er sie auf den Tod verwundet."

"Den Herrn der Nazgul geschlagen ? Komm, bring mich zu ihr ! Oh, welches Entsetzen !", rief er in höchstem Schrecken und Staunen aus.

Man hatte Éowyn in einer Kammer in den Häusern der Heilung zu Bett gebracht. In ihr wütete ein grausames Fieber. Kalter Schweiß bedeckte ihr schönes Gesicht, und alle Farbe war daraus gewichen. Und als Aragorn sich näher zu ihr beugte, fand er, dass sie kaum noch atmete und das Leben nur noch schwach in ihren Adern pulsierte. Eine entsetz-liche Angst um sie legte sich für einen Augenblick wie eine kalte Hand um sein Herz. Doch dann rief er den Frauen, die sich um sie sorgten, entschlossen zu : "Bringt mir Athelas, Königskraut, so rasch und viel ihr könnt. Und bereitet in der Zwischenzeit einen Kessel mit heißem Wasser ! Rasch ! Keine Minute ist hier zu verlieren !"

Und zu Gandalf gewandt fuhr er fort : "Sie muss unter den Schwarzen Atem gekommen sein, denn sonst sehe ich keine Verletzung an ihr bis auf den Schwertarm, der gelähmt scheint, und große, tiefe Schürfwunden an Hals und Schulter, doch diese Verletzungen sind nicht tödlich." Er betrachtete sie einen Moment lang schweigend, dann rief er aus : " Dem Herrn der Nazgul entgegenzutreten, welch tapfere, tollkühne Wahnsinnstat !"

Und als man Aragorn das Königskraut brachte, nahm er den Kessel voll dampfendem Wasser vom Feuer und tat es hinein. Sofort verbreitete sich eine köstliche Frische im ganzen Raum. Eine Brise schien durch das Zimmer zu gehen wie ein Windhauch von den höchsten Gipfeln des Schneegebirges, gänzlich rein und unverbraucht, als habe sie noch nie ein lebendes Wesen zuvor geatmet. Die Luft selbst schien zu prickeln, und alle, die sie atmeten, fühlten sofort, wie ihre Müdigkeit verging und ihr Herz frei und leicht wurde. Doch keine Regung oder Veränderung war an Frau Éowyn wahrzunehmen.

Da strich Aragorn den Sud des Königskrauts sanft auf ihre Stirn und rief sie flüsternd : "Éowyn, erwacht ! Der Schatten ist von Euch gewichen, den Ihr besiegt habt." Und da sie sich noch immer nicht regte, rief er sie noch einmal leise und küsste ihre Stirn. Und so begann sie wieder tief zu atmen, doch noch immer schien sie in einen schwarzen Traum versunken und schien nicht daraus erwachen zu können. Und da Aragorn sah, wie es um sie stand, füllten sich die Augen des ernsten und höchst tapferen Mannes, ohne dass er es bemerkte, still mit Tränen. Leise rief er aus : " Wehe, welch grausames Geschick, das diese tapfere, edle Frau unter meinen Händen sterben lässt, verwundet in einer Schlacht, die nicht die ihre hätte sein sollen !"

"Lässt sich denn gar nichts weiter tun ?", hörte er Gandalfs mitleidige Stimme hinter sich fragen. Und Aragorn sah auch in seinen Augen, dass es ihn um die tapfere, schöne Herrin von Rohan zutiefst dauerte. Aragorn schüttelte müde den Kopf und sprach : "Ich weiß mir keinen Rat mehr. Ich spüre, dass etwas in ihr sich dagegen wehrt zu erwachen. Sie scheint sich dem Ende zu ergeben und kein Lebenswille ist mehr in ihr. Ich fürchte, selbst Elrond könnte sie nicht erwecken, wenn er hier wäre. All meine Heilkunst ist jedenfalls vergebens, wenn sie nicht leben will."

Da erschien der Vorsteher der Häuser der Heilung und bat ihn dringlich, sich Faramirs anzunehmen, der dem Tode gefährlich nahe zu sein schien. Und schweren Herzens verließ er Éowyn, nicht ohne Gandalf eindringlich gemahnt zu haben, bei ihr zu wachen, bis er zurückkehren würde. Und da außer Faramir noch viele Verwundete dringend zu versorgen waren, konnte Aragorn erst nach zwei Stunden wiederkehren und trat in großer Sorge an ihr Bett. Gandalf schüttelte bedauernd den Kopf und sagte : "Ich fürchte, es steht wieder schlimmer um sie, mein Freund. Ich rief sie wieder und wieder, doch sie regt sich nicht." Und Aragorn sah, dass ihr Atem wieder so flach ging wie zuvor und sie noch tiefer in ihre dunklen Träume versunken schien. Das entsetzliche Fieber schien sie unaufhaltsam zu verzehren.

"Gandalf", bat er entschlossen, nachdem er ihr stilles Gesicht einen Moment lang schweigend betrachtet hatte , "lass mich mit ihr allein, mein Freund. Alle sollen hinaus gehen." Und da er allein mit ihr war, ging er neben ihrem Bett auf die Knie. Und er nahm ihre fiebrige Hand fest zwischen seine beiden Hände, und indes er sein Gesicht ganz nahe zu dem ihren hinunterbeugte, sprach er leise, doch eindringlich zu ihr : "Éowyn, hört mich ! Es ist Aragorn, der Euch ruft. Lasst Sauron nicht den Sieg über Euch, Herrin ! Wollt Ihr Euch ihm am Ende doch ergeben ? Ich weiß, dass Ihr noch Kraft in Euch habt ihm zu widerstehen. Erwacht, Éowyn, Ihr könnt es ! " Und da sie sich noch immer nicht regte, küsste er noch einmal ihre Stirn, doch ließ er seinen Mund dieses Mal einen Augenblick dort verweilen, und der Kuss wärmte ihre Stirn. Und Tränen benetzten ihr Gesicht, die still von seinen Wangen auf sie herunterfielen. Und in wachsender Furcht und Verzweiflung flüsterte er : "Verlasst mich nicht, schöne Éowyn, die Ihr tapferer und lieblicher seid, als Worte es auszudrücken vermögen !"

Denn ihre mutige Tat hatte tief an sein Herz gerührt, und in diesen Stunden, da er so um ihr Leben fürchten musste, war er gewahr geworden, dass er sie mit ganzer Seele liebte.

Da regte sie sich unruhig und atmete tief, und als er sie noch einmal leise bei ihrem Namen rief, schlug sie zu seiner großen Freude mühsam die Augen auf. Mit kaum vernehmlicher, schwacher Stimme rief sie nach Theoden und ihrem Bruder, und in ihren Augen sah er den großen Schmerz und das Entsetzen, darunter sie litt.

Fester drückte er ihre Hand und sprach sanft zu ihr : "Seid ganz ruhig, Herrin. Euer Bruder ist wohlauf. Und auch Ihr seid gerettet und werdet bald wieder gesund sein und werdet wieder glückliche Tage sehen !"

Da sah sie ihn an, und niemals zuvor hatte er solche Trauer und Pein und Hoffnungslosigkeit in den Augen irgendeines Menschen gesehen. Und sie schüttelte mühsam den Kopf und flüsterte schwach : "Nein, Herr Aragorn. Ich fühle, dass meine Zeit gekommen ist. Und nichts begehre ich mehr vom Leben, denn diese Welt wird bald ganz und gar in Schatten versinken. Ich habe meinen König vor den Fängen dieser abscheulichen Bestie bewahrt und mich im Kampf dem Feinde gestellt, wie es mein Wunsch gewesen, und damit will ich zufrieden sein. Lasst mich nur, Herr. Es ist gut so." Und als sie so sprach, war ihr Auge trocken, und sie war gefasst und schien ihren Frieden mit ihrem Ende gemacht zu haben.

Doch ihre Worte trafen Aragorn schmerzvoll wie nichts zuvor in seinem Leben. Und er nahm ihr zartes, blasses Gesicht zwischen seine beiden Hände und so zwang er sie sanft, ihm in die Augen zu sehen, und flüsterte verzweifelt : "Éowyn, höchst tapfere und schöne Éowyn ! Durch Eure ruhmreiche Tat habt Ihr dazu beigetragen, dass wir wieder hoffen dürfen auf den Sieg gegen Sauron, denn Ihr habt einen seiner mächtigsten Hauptleute besiegt. Auch ist noch Hoffnung durch den Ringträger ! Wollt Ihr ihm jetzt doch den Sieg über Euch lassen und nicht erleben, wie Mittelerde befreit wird von seinem Joch ?" Doch er sah in ihren Augen, dass das, was er sprach, sie nicht mehr berührte, und sie antwortete angestrengt : " Nein, Aragorn, ich sah das böse Ende. Und selbst wenn doch alles einen guten Ausgang nähme, so habe ich für meinen Teil doch schon zuviel verloren, was mir lieb und teuer war, als dass ich nach dem Leben mich noch sehnte. Um mich ist nur Tod und Verlust und zerstörte Hoffnung." Da rief er aus : "Getäuscht wurdet Ihr durch die bösen Trugbilder in Euren dunklen Träumen ! Und diese kommen von dem Einen, denn Ihr seid unter den Schwarzen Atem seiner Ringgeister geraten." Er schwieg einen Augenblick, dann sprach er flüsternd weiter : "Und wenn auch dieses Euch nicht mehr kümmert, so wisset, liebliche Herrin von Rohan, dass ich es nicht ertragen könnte, zu verlieren, was ich gerade so Wunderbares gefunden habe. Verlasst mich nicht, Éowyn, denn es bricht mir das Herz !" Dann versagte ihm die Stimme vor Kummer, und er sprach nichts mehr.

Und obwohl Éowyn am Ende all ihrer Kräfte war, sah sie ihm bei seinen letzten Worten mit größtem Erstaunen in die Augen und sah darin die Wahrheit dessen, was er so leidenschaftlich und verzweifelt ihr gestand. Und plötzlich wandelte sich ihr Herz, und der Schatten verging, und eine Hoffnung fühlte sie in sich entstehen, die kein Verstand erklären konnte. Und als er ihre Hand innig küsste und flüsternd fragte : "Versprecht Ihr mir, Herrin, dass Ihr leben werdet ?", da nickte sie wortlos und drückte schwach seine Hand zum Zeichen Ihres Versprechens. Dann schlossen sich ihre Augen vor Erschöpfung, doch Aragorn fühlte nun, dass sie leben würde. Und als Éowyn nach Stunden wieder erwachte, da erinnerte sie sich nicht mehr seiner Worte, und so fühlte sie mit Staunen, dass ihre schwarze Verzweiflung vergangen war und sich neues Leben in ihr regte und eine neue Hoffnung und Freude trotz aller bitteren Schmerzen und Trauer um den Tod des Königs, die sie sich nicht erklären konnte.
 

Als Aragorn am nächsten Abend kam, um wieder nach ihren Wunden zu sehen, fand er Éowyn schlafend. Sehr behutsam strich er Balsam auf die hässliche tiefe Schürfwunde an ihrem weißen Hals, um ihren Schmerzen nicht weiteren Schmerz hinzuzufügen, und bezaubert ließ er dann seine Hand einen Augenblick auf dem schönen, zarten Hals der Schlafenden ruhen.

"Deine Hand verweilt lange auf diesem Hals, mein Freund.", hörte er hinter sich die ruhige, schmunzelnde Stimme Gandalfs, der unbemerkt hereingetreten war, " Nun, es ist ja auch ein besonders schöner Hals, nicht wahr, schlank und alabasterweiß."

Aragorn wandte sich um. Der Zauberer schien zu überlegen, ob er seine Gedanken aussprechen sollte.

"Sage nur, was du denkst, Gandalf !", seufzte Aragorn. Gandalf zögerte noch einen Augenblick, dann fragte er ruhig: " Du liebst sie, nicht wahr ?" Aragorn nickte nur.

" Nun, wer könnte es dir verdenken, mein Freund", sprach Gandalf bedächtig weiter, indes sein Blick auf Éowyn ruhte, die still und weiß in ihrem Bett lag, " Sie ist schön, die schönste Frau, die ich je erblickt habe in meinem Leben, welches nun schon dreihundert Menschenalter währt. Die Schönste jedenfalls, soweit es die Sterblichen betrifft. Wann sah man jemals solch prachtvolle Augen ! Lieder müssten darüber geschrieben werden !" Ein wenig schmunzelnd über seine eigene Begeisterung fuhr der alte Zauberer nach einem Moment ernster fort : "Und fragt man mich, so rührt ihre Art der Schönheit das Herz eines Mannes sogar tiefer an als die der Unsterblichen. Wie eine Blume im Frühling erscheint sie mir, die sich tapfer und stolz gegen den letzten rauen Hauch des Winters behauptet, mit starkem Willen und voll Feuer, und dennoch zart und verletzlich - nicht unantastbar schön, schön und anbetungswürdig, aber fern wie die Sterne.

Und doch wie hoch und edel ist sie unter den Sterblichen, denn das Blut von Númenor fließt in ihr so unverfälscht wie in dir. Sie ist eine Tochter von Königen und in ihr ist mehr Tapferkeit, Mut, Geist und Kühnheit als in vielen Söhnen von Königen. Ich sah die Augen eines jeden Mannes, ob Elb, Zwerg oder Mensch, in ihrer Nähe leuchten, und ," er sah Aragorn forschend in die Augen, " sie hat dich erwählt, mein Freund. "

"Alles was du von ihr sagst, steht so in meinem Herzen. Dein Auge blickt führwahr tief. Aber ich gab einer anderen ein Versprechen, Gandalf, vor langer Zeit schon und von ganzer Seele. Und sie ist bereit, alles für mich aufzugeben, ihre Unsterblichkeit !" Seufzend barg er für einen Moment sein Gesicht in den Händen : "Wahrlich, nichts ist grausamer und beschämender für das Herz und die Ehre eines Mannes, als zwei solchen Frauen zu begegnen und beide zu lieben."

" Lange hast du widerstanden, soviel mag für deine Ehre gelten. Ich habe es dir angesehen. Doch rate ich dir jetzt, erforsche dein Herz. Und frage dich," fügte Gandalf bedächtig hinzu, "in wessen Leben deine Liebe mehr Schaden anrichten würde als sie am Ende vielleicht aufzuwiegen im Stande ist." Mit diesen Worten ging er hinaus.
 

Als der Abend fortschritt, erwachte Éowyn aus dunklen, quälenden Träumen. Ihre Augen waren verschleiert von Schmerz und Fieber, dass es Aragorn zutiefst dauerte."Éowyn", sprach er sie mit sanfter, leiser Stimme an, "was kann ich tun, um Eure Schmerzen zu lindern ? Wollt Ihr trinken ?"

Ihre schönen Augen fanden seinen Blick. Meergrau waren sie, dunkel wie die See bei Sturm. Und er sah, dass in ihnen die stolze Kühle, einst Maske ihrer Verzweiflung, einer neuen, köstlichen traurigen Sanftheit gewichen war. Da verfiel sein Herz ihr ganz und gar.

Und Éowyn sah, wie eine ernste, zärtliche Weichheit in seinem Blick trat, und trotz ihrer großen Schmerzen fühlte sie staunend, dass nun ihr bitterer Winter verging und dem Frühling wich.

"Mein Herr Aragorn", fragte sie mühsam, "was verweilt Ihr hier und seid nicht in der Schlacht ?"

" Die Schlacht ist vorüber. Wir haben gesiegt – für heute ", antwortete er sanft.

"Dann sind gewiss tapfere Krieger zu versorgen, die Eurer Heilkunst bedürfen."

"Sie sind versorgt, Éowyn, und schlafen. Und mein Platz ist bei der, deren Mut und Tapferkeit ihre Taten überstrahlt wie die Sonne die Sterne." Sie hob an zu widersprechen, da nahm er schweigend ihre Hand und verbeugte sich in tiefer Ehrerbietung und küsste ihr die Hand.

"Doch was rede ich von Eurer Tapferkeit, Herrin, während Ihr Schmerzen leidet !", fuhr er fort, und das zärtliche Mitleid in seiner Stimme ließ ihr Herz schneller schlagen. Er reichte ihr einen Becher, und seine Hand prüfte sanft ihre fiebrige Stirn. Sie trank und schloss für einen Moment erschöpft die Augen und wagte nicht zu fragen oder auszusprechen, was sie zwischen ihnen entstehen fühlte. Und ihr Herz zitterte, ob er gehen würde, weil sie für den Augenblick versorgt war, oder ob er bliebe. Und Aragorn blieb schweigend an ihrem Bett sitzen und war versunken in den Anblick ihres schönen, stillen, blassen Gesichts.

Da öffnete sie wieder die Augen und fragte ihn : "Wollt Ihr noch einen Moment bleiben, Aragorn, wenn Eure Pflichten es erlauben, nur solange, bis ich eingeschlafen bin ? Ich glaube, meine Träume werden dann nicht mehr so dunkel sein." Ihre Stimme war jetzt die eines jungen, traurigen Mädchen, gepresst durch mühsam ertragenen Schmerz, und rührte ihn tief.

"Es wäre mir eine Ehre und eine noch viel größere Freude, schöne Herrin von Rohan, wenn Ihr mir dies erlauben wolltet. Denn Worte vermögen nicht zu beschreiben, wie froh ich bin, dass Ihr gerettet wurdet, und wie wohl es mir tut, Euch gesunden zu sehen.", antwortete er lächelnd, doch sah sie in seinen Augen, welch große Angst und Sorge er um sie gelitten hatte.

Dann schlief sie ein und versank nicht mehr in dunklen Träumen von Tod und dem erlittenen Entsetzen wie zuvor, und am Morgen begannen ihre Schmerzen und ihr Fieber nachzulassen.
 

Aragorn aber blieb bis tief in die Nacht an ihrem Bett, so dass Legolas kam, um ihn freundschaftlich zu ermahnen, dass er schlafen müsse.

Mit der tiefen Einsicht der Elben erkannte er, was in dem Freunde vorging, und nachdem er Éowyn einen Augenblick lang betrachtet hatte, sagte er leise, um die Schlafende nicht zu wecken : "Sie ist wahrlich schön, Aragorn, schön und golden und weiß wie meine edlen Schwestern in Lórien. Und ich spüre, dass sie deinem Herzen wohl tun würde wie du dem ihrem, denn Euer beider Herzen und Seelen sind von der gleichen Art."

"Ja, so ist es, Legolas. Mir ist, als kenne ich sie schon immer. So war es schon, als ich ihr das erste Mal begegnete und die Verzweiflung, doch noch größere Tapferkeit in Ihr erkannte. Doch war mein Herz bereits gebunden und ist es noch."

Legolas sah den Freund einen Augenblick an, als überlege er, wie er sagen könne, was er dachte. "Aragorn", sprach er dann, "weilt dein Herz wirklich noch in Bruchtal wie einst ? Hat es sich nicht längst für diese schöne Schildmaid entschieden ?"

"Zu neu ist die Erkenntnis, dass ich sie liebe, als dass ich dies guten Gewissens beantworten könnte. Doch ungeachtet dessen, wie brächte ich es fertig, Arwen das Herz zu brechen ?"

"Und würdest du das ? Sterbliche können niemals so genau ermessen, was in der Seele eines Elben vorgeht, wie die Angehörigen ihrer Art. Und so sage ich dir, mein Freund, zu deinem Trost, ich weiß, dass es ihr nicht das Herz brechen würde, auch wenn es sie für eine Weile wohl tief betrüben würde. Die Weisheit unzähliger erlebter Winter hat sie gelehrt, dass alles im Leben kommt und vergeht, sich wandelt, selbst die Liebe. Gelassener als Sterbliche kann sie ihr Schicksal annehmen und wieder Freude und neue Hoffnung schöpfen aus der Zukunft. Wie viel verzweifelter wäre aber am Ende ihr Los, wenn sie hier mit dir zurückbliebe, während ihr Volk nach Westen segelt, ihre Gabe aufgeben müsste und dich dereinst lange vor ihrem eigenen Ende an den Tod verlöre."
 

Aragorn bewegte diese Worte lange in seinem Herzen.
 

Am nächsten Tag fand der große Kriegsrat statt, in dem beschlossen werden sollte, wie der Angriff auf das Schwarze Tor verlaufen sollte. Und als der Mittag schon längst überschritten war, wurde endlich beschlossen, dass zunächst Späher auszuschicken wären in höchster Eile, die berichten sollten über die Schlachtvorbereitungen Saurons, derweil Gondor und Rohan beginnen sollten, ihre Heere zum Kampf aufzustellen.

Und so konnte Aragorn an diesem Morgen nicht zu Éowyn gehen, obwohl es ihn sehr verlangte, nach ihr zu sehen. Und immer wieder wanderten seine Gedanken zu ihr, und vor seinem inneren Auge sah er sie auf ihrem Krankenbett liegen in ihrer zerbrechlichen Schönheit und wünschte sich sehr, dass die Beratungen bald vorüber sein mögen, damit er zu ihr gehen könnte.
 

So eilte er, nachdem der Kriegsrat beendet war, sogleich zu ihr und fand sie wach und ihre Augen nicht mehr so verschleiert von Fieber und Schmerzen sondern klar und ungetrübt. Und dennoch war sie sehr müde und erschöpft, so dass er behutsam an ihr Lager trat und leise fragte : "Erlaubt Ihr Herrin, dass ich einen Augenblick hier weile, um zu erfahren, wie es Euch geht ?"

Sie nickte lächelnd und bedeutet ihm, neben ihrem Bett Platz zu nehmen, doch dann senkte sie den Blick wie beschämt und schwieg einen Moment. Dann sah sie ihm in die Augen und sprach leise : "Sehr verzagt und jammervoll muss ich mich benommen haben, als ich in den letzten Tagen hier unter dem Einfluss dieser Schwarzen Träume lag, und wie schwach habt Ihr mich finden müssen, mein Herr. Ich bin sehr beschämt darüber." Und erneut schlug sie die Augen nieder.

Aragorn schüttelte leise den Kopf und rief :"Éowyn, tapfere Éowyn, ich bitte Euch, seht mich an ! Schaut nicht beschämt nach unten ! Wisst Ihr denn nicht, wie stark Ihr seid ? Wahrlich, selten bin ich bisher irgend einem begegnet, gleich ob Mann oder Frau, der so willensstark und tapfer war wie Ihr, und in dem ich solch eine innere Kraft erkannt habe. Jemand, bei dem diese Gaben geringer ausgebildet gewesen wären als bei Euch, wäre diesem furchtbaren Schwarzen Atem längst erlegen. Denn viele Krieger, große, starke Männer, denen dasselbe widerfahren ist wie Euch, sind in hier diesen Häusern bereits unter meinen Händen gestorben, weil sie nicht Eure Kraft in sich hatten. Ich kenne diese Schwarzen Reiter und sie sind entsetzlich ! Doch sind sie mir niemals auf jenen fürchterlichen geflügelten Wesen begegnet und ich bezweifle, dass ich den Mut gefunden hätte, gegen diese anzutreten."

Sie unterbrach ihn mit einem Lachen : "Das wollt Ihr mich nicht ernsthaft glauben machen, Aragorn !"

Doch er erwiderte ernst : "Aber ja ! Und welch großes Glück, dass ich mich an ihnen nicht erproben musste, so wie Ihr. Denn niemand weiß wirklich um die Größe seines Mutes, bis er ihn erweisen muss."

Dann sah er sie mit einem seltsamen Lächeln an und sprach noch sanfter als zuvor : " Warum seid Ihr so streng zu Euch, Éowyn ?"

Ein Schatten zog für einen flüchtigen Moment über ihr Gesicht, als sie sich ihrer Einsamkeit und ohnmächtigen Verzweiflung in den bitteren Zeiten der Behexung des Königs erinnerte, und sie antwortete leise: " Wenn ich wirklich zu streng zu mir bin, wie Ihr es sagt, so dann wohl deswegen, weil ich ohnedem die letzten bitteren Jahre meines Lebens schwerlich hätte durchstehen können. Ohnmächtig zusehen zu müssen, wie Rohan, die geliebte Heimat, zerfällt, herabgesunken wie niemals zuvor in seiner glorreichen Geschichte, weil sein König, den ich liebe wie einen Vater, sich der teuflischen Einflüsse diese Zauberers nicht erwehren konnte und ihnen Tag um Tag mehr verfiel. Zur Untätigkeit gezwungen zu sein, weil mein Volk eine Frau als Stellvertreterin seines Königs niemals anerkannt hätte."

Sie hielt inne und sprach nach einem Augenblick gefasster weiter : "Nun findet Ihr mich schon wieder jammernd und klagend !" Sie lachte leise : " Ihr solltet nicht so sanft zu mir sprechen, mein Herr Aragorn, denn dadurch brechen in mir scheinbar alle Dämme."

Er sah ihr mit ernster, zärtlicher Milde in die Augen : "Dann ist es gut so. Denn zu lange habt Ihr zu stark und zu streng zu Euch selbst sein müssen. Und hieran zerbrechen am Ende auch die Tapfersten."

Éowyn schüttelte sachte und staunend den Kopf und flüsterte : " Wie kommt es, dass Ihr mich beinah besser zu kennen scheint, als ich mich selbst, mein Herr ? Ihr hörtet Dinge von mir, die ich niemals einem anderen Menschen anvertraut hätte, außer vielleicht meinem Bruder, und auch nur in der allerhöchsten Not. Und doch fühle ich mich nicht beschämt sondern seltsam getröstet. " Er nahm mit einem undurchdringlichen Lächeln ihre Hand, küsste sie ehrerbietig und erwiderte nur : "Es ist mir eine Ehre und eine große Freude, dass Ihr mir Euer Vertrauen schenkt, liebliche Éowyn." So fuhr sie kühler fort : " Doch lasst es genug davon sein. Zu lange habe ich Euch bereits von wichtigeren Dingen abgehalten. Éomer hat mir berichtet, dass nun in höchster Eile die Heerschau von Gondor und Rohan stattfinden muss. Sicherlich wartet man bereits auf Euch, Aragorn."

Doch er schüttelte lächelnd den Kopf : " Wenn Ihr erlaubt, Herrin, so möchte ich gern noch einen Augenblick bei Euch verweilen, denn Eure Gesellschaft ist mir so viel lieber als die der teuren Herren dort draußen mit ihren Kriegsgeschäften. Es sei denn, ich würde Euch ermüden. Denn Ihr müsst noch sehr zu Kräften kommen."

Und so blieb er noch eine Stunde, und Éowyn wunderte sich im Stillen, dass es ihn so sehr nach ihrer Gesellschaft verlangte, doch freute es sie sehr. Er musste ihr von den Schlachten berichten, die nach ihrer Verwundung geschlagen worden waren. Und staunend hörte sie die Berichte und erfuhr daraus viel über seinen großen Mut und seine Tapferkeit, ohne dass er jemals ein Wort darüber verlor. Und auch gestand er ihr bedrückt, dass er fürchtete, nicht würdig zu sein, sein großes Erbe anzutreten und am Ende doch noch der Macht und dem Einfluss Saurons zu unterliegen wie sein großer Vorfahr Isildur, wenn der Tag der letzten, entscheidenden Schlacht gekommen sein würde. Denn sie hatten ein großes Vertrauen zueinander gefasst.

Und hierzu sprach sie : "Aber jeder Mensch hat sein eigenes Schicksal, Aragorn. Und Eures muss darum nicht dem seinen gleichen. Ich glaube nicht, dass Ihr den gleichen Fehler begehen werdet wie er, nur weil Ihr vom gleichen Blut seid. Und da wir nun einmal dabei sind, einander zu raten, so muss ich Euch das gleiche sagen, wie Ihr mir : Vertraut auf Eure Kraft. Denn Eure Seele ist sehr stark und scheint mir weniger nach Ruhm und Macht zu dürsten als die irgendeines anderen Mannes, der mir bislang begegnet ist. Und darum wird Sauron keine Macht über Euch haben."

Da musste er lächelnd, und als sie ihn fragend ansah, sprach er : "Ihr ratet mir dasselbe, was ein anderer, der mich sehr gut kennt, mir einst schon geraten hat. Und so will ich darauf vertrauen, dass Euer beider Ratschlag wahr ist." Er hielt einen Augenblick inne und sah sie versonnen an, dann fuhr er fort : "Ich frage mich, wer von uns beiden am Ende wem tiefer in die Seele zu schauen vermag. Euer Blick ist wahrlich scharf, Éowyn. Und ich fürchte, Ihr habt mir mehr Trost und Mut spenden können als ich Euch, obwohl Ihr auf dem Krankenbett liegt und nicht ich. Ich danke Euch sehr !"

Nun lächelte sie undurchdringlich und erwiderte : "Ihr könnt nicht zu ermessen, wie sehr Ihr mich getröstet habt, sonst würdet Ihr dies nicht sagen. Doch wenn auch ich Euch ein wenig Hilfe habe geben können, so freut es mich sehr." Und trotzdem sie so gefasst und artig sprach, zitterte ihr Herz vor Freude über seine letzten Worte.

Da erschien Gandalf, um ihn zu Heerschau zu rufen. Und so stand Aragorn bedauernd auf und verneigte sich zum Abschied leicht vor ihr und sah ihr noch einmal prüfend ins Gesicht und sprach leise und zärtlich zu ihr : " Versprecht mir, dass Ihr jetzt ruhen werdet, Éowyn, denn Ihr seid noch längst nicht genesen, und das Fieber wird sich wieder verschlimmern, wenn Ihr Euch nicht schont."

Gandalf, der dabei stand, sah mit Freude, dass diese beiden einander noch näher gekommen schienen. Und er fragte sich, wann der Freund der schönen Herrin von Rohan gestehen würde, wie es um sein Herz stand. Denn selten waren ihm zwei Menschen begegnet, die mehr für einander geschaffen schienen als diese beiden.



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