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Mondscheinkinder

von

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Das Mondscheinkind

„Naja, ich komme halt...aus Belgien. Ich lebte in Lier bei Antwerpen. Ich war ein Unfall, das Kind aus einem One-Night-Stand, bei dem meine Mutter so betrunken war, dass sie nichtmal wusste, wer mein Vater war. Sie trug mich nur aus, weil sie schon im 4.Monat war, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr und nicht mehr abtreiben durfte. Ich wurde im Krankenhaus geboren, wo man schnell meine Krankheit feststellte. Meine Mutter bekam strikte Anweisungen und hielt sich auch dran. Aber das war auch das einzig Gute an ihr. Sie ignorierte mich meist, trank viel, flirtete mit fast jedem und ließ mich mit etwas Spielzeug die meiste Zeit allein im Haus zurück. Ich weiß nicht, ob sie gearbeitet hat, ich denke mal, da Miete und Essen bezahlt wurden. Schule und Kindergarten konnte ich wegen meiner Krankheit nicht besuchen, ich war im Grunde im Haus gefangen. Alleine.

Als ich um die acht Jahre alt war...kam ich ins Krankenhaus.

Meine Mutter hatte mich bei einem ihrer seltenen Hausaufenthalte sturzbetrunken ohne Grund in den Garten gesperrt. Ohne Maske und Handschuhe. Ich hatte das Glück, dass meine Nachbarn nebenan von meiner Krankheit wussten und gerade grillten. Sie warfen mir die Tischdecke über und brachten mich schnell in das nächstbeste Krankenhaus. Ich musste viermal das Krankenhaus wechseln, musste alles über mich ergehen lassen, von der Intensivstation für Verbrennungs- krankheiten über Krebsvorsorge bis zur Hauttransplatation wurde ich herumgereicht, ehe ich schließlich entlassen wurde und in ein Heim für Lichtallergiker kam. Dort wars aber auch nicht besser, ich lebte dort zehn Jahre meines Lebens, doch die ganze Zeit davon nur in meinem Einzelzimmer. Essen bekam ich gebracht und an den Aktionen der Anderen konnte ich nicht teilnehmen, da sie Dinge wie Spazieren gehen bei Bewölkung machten oder bei Regenwetter in den Zoo gingen. Da ich nur in der Nacht vor der Sonne wirklich geschützt bin, konnte ich nichts mitmachen, die Nachtwanderungen im Sommer machte ich freiwillig nicht mit, da ich eh kaum jemanden aus dem Heim wirklich kannte. Jedenfalls blieb ich da die ganzen zehn Jahre. Und vor vier Monaten bekam ich dann einen Brief, der mich hierhin einlud, um an mir ein Gegenmittel für Xeroderma pigmentosum zu finden.“

Die Beiden starrten mich entsetzt an, eine ganze Weile schwiegen sie, ehe Mary vorsichtig fragte: „ Du bist hier...als Versuchskaninchen?“ Ich nickte nur schulterzuckend. „Stellt euch nicht so an, bei euch ist es doch auch nicht anders.“ Plötzlich stand Mary auf und schlug die Hände auf den Tisch. „Das ist etwas vollkommen anderes! Bei mir endet es im schlimmsten Fall mit Narben und bei Masa kann es passieren, dass sein Auge verletzt wird und er richtig erblindet! Aber wie wollen sie bei dir die Wirkung testen, sollst du sonnenbaden gehen?! Selbst wenn es nur ein bisschen verbrannte Haut ist, was, wenn du genau deswegen Hautkrebs bekommst oder sich die Wunde so sehr entzündet, dass dein Arm oder so abgenommen werden müssen?! Was du machst, ist Selbstmord!!“

Sie schrie so laut, dass die anderen Patienten sowie die Bedienung erschrocken zu uns sahen, obwohl sie wohl nicht verstanden, worüber sie redete. Ich dagegen sah Mary, wie ich finde, ziemlich ruhig an. Ich verstand voll und ganz, worauf sie hinauswollte und es war mir schon seit dem Lesen des Briefes klar gewesen, dass ich hier unter Umständen schon nach zwei Wochen tot sein könnte. Mir war aber nicht ganz klar, wieso ich dennoch hier war. Obwohl...

Mein Leben lang in einem Haus gefangen.

Mein Leben lang von Licht und Leben weggesperrt.

Jeden Tag Schmerzen und Angst ausgesetzt.

Eigentlich hätte ich schon vor zehn Jahren sterben sollen, an jenem Tag im Garten. Ich hätte dort verbrennen sollen, auf dem Weg ins Krankenhaus oder in eben diesem einfach verenden sollen. Keine Operationen, keine Vorhänge, kein Mitleid und keine Abschottung mehr. Nur ein Grab, dass auf einem Friedhof steht mit Blumen drauf, genau da, wo die Sonne am Meisten hinscheint. Ich hätte einfach wie 80% aller XP-Patienten im Kindsalter sterben sollen oder zumindest wie fast der ganze Rest mit 16 oder 17 mich demonstrativ freiwillig in die Sonne stellen sollen. Ich muss doch wahnsinnig sein, ernsthaft weiter zu leben, obwohl mir nichts, aber auch gar nichts an schönen Dingen bisher passiert war.

Mary starrte mich immer noch aufgebraust an, erwartete von mir offensichtlich eine verbale Reaktion auf ihre Vorwürfe. Masa sah derweilen in unsere Richtung und schien ein wenig besorgt, sagte jedoch nichts. Ich sah wieder zu Mary und sie schien sofort zu merken, dass ich etwas sagen wollte, da sie sich sofort anspannte und mich richtig herausfordernd ansah. Ich sah ihr dagegen einfach ins Gesicht, ehe ich sagte: „Was, wenn ich Selbstmord begehen will?“



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