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The waves of time

Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Tod. Und von Wiedergeburt…
von

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With heart and soul

Es war ein grauer, verregneter Sommertag. Für einen Tag mitten im Hochsommer viel zu kühl und zu dunkel.

Wir waren erstmals seit Wochen wieder dazu gezwungen in der Mensa der Universität zu Mittag zu essen, nicht im Freien, wie ich und meine Freundinnen es so oft und gern taten wenn es warm wurde.
 

Mein Name ist Madoka. Madoka Sakurai. Obwohl ich in Japan aufwuchs, mit einem europäischen Vater, einer japanischen Mutter und einer jüngeren Schwester, hatte es mich vor zwei Jahren hierher, nach England, verschlagen um das studieren zu können, was mir schon immer ein Bedürfnis und ein Traum gewesen war: Kunst. Genauer gesagt: Design. Hierbei hatte ich keinen Schwerpunkt gewählt. Noch nicht. Foto- und Grafikdesign, Mode und Schmuck, sowie klassische Malerei - alles interessierte mich, alles konnte ich hier kennen lernen. Es war eine hoch angesehene, renommierte Kunstakademie und meine Eltern hörten nicht auf zu betonen, wie glücklich ich mich zu schätzen hatte, dass ich sie besuchen durfte.

Ich war nicht traurig gewesen um die halbe Welt von zu Hause fort zu reisen.

Damals.

Ich hatte nie ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern gehabt. Meine Schwester… Ja, sie vermisste ich von Zeit zu Zeit. Sie hätte gewusst, was zu tun ist. Sie hätte mir den Kopf schon zurechtgerückt.

Aber ich lief wie ein Kaninchen in die Falle. Flog wie eine Motte in das Licht. Ich KONNTE gar nicht anders. Was geschah musste so kommen. Ich hätte es nicht verhindern können. Wenn es nicht hier und jetzt geschehen wäre, dann in einem anderen Leben.

Es war Vorsehung.
 

Der Wanderer ruht nicht.

Ihm ist es nicht vergönnt zu rasten. Seine Seele sucht. Ruhelos. Und jedes Mal aufs Neue nimmt das Schicksal seinen Lauf.
 

Ist dies seine Strafe?

Warum empfinde ich es dann auch als die meine?

Was habe ich verbrochen?
 

Ich hatte nie an so etwas wie Vorsehung geglaubt. Doch es war an jenem grauen, kalten Augusttag, so weit fort von dem Ort, den ich mein Zuhause nannte, an dem ich meinem Schicksal begegnete.
 

~~~oOo~~~
 

Mir war gar nicht bewusst, dass Clarissa mich angesprochen hatte. Es fiel mir erst an dem langen Schweigen auf, das plötzlich an dem Tisch herrschte, den wir in der Mensa für uns beansprucht hatten. Clarissa, Gladys und Mei Lin hatten sich bis eben lebhaft unterhalten. Ich war ohnehin immer eher eine… „stille Person“ gewesen. Das war auch in meiner Kindheit schon nie anders gewesen. Auch den jungen Frauen an meinem Tisch war dies nicht neu. Daher hatten sie wohl nicht viel darauf gegeben, dass ich mich in ihre Unterhaltung nicht einmischte, die sich sowieso nur um Männer, Mode oder Make-up drehte. Es ist auch zuviel gesagt, dass diese Mädchen meine Freundinnen waren. "Kommilitonen, mit denen ich mich besser verstand, als mit manch anderen Kommilitonen." Ja, das trifft es wohl am besten.

Perplex starrte ich also in Clarissas feixendes Gesicht, als sie mich nun, wohl nicht zum ersten Mal, ansprach.

„Mahlzeit, Prinzessin! Wurde auch Zeit dass du uns mit einer Audienz beehrst! Gut geschlafen?“

Mei Lin lachte verhalten hinter vorgehaltener Hand, wie es bei Asiaten häufig zu beobachten war.

Gladys’ mit Sommersprossen gesprenkelte Nase krause sich.

„Wer weiß, von was sie gerade so geträumt hat….“

Clarissa blickte vielsagend zur Theke hinüber, an der eine lange Schlange Menschen mit Tabletts in der Hand stand, um sich eine Portion vom heutigen Essen zu holen.

„Nun ja, wie ich schon sagte: Vielleicht hat auch SIE der Blitz getroffen, als sie den neuen Referendar gesehen hat. Gib’s doch zu, Madoka, du träumst gerade von fliegenden Haaren, geschmeidigen Bewegungen unter satinbezogenen Decken…“

Sie konnte nicht mehr an sich halten und lachte schallend über ihre eigene, unglaubliche Witzigkeit.

Ich wurde müde. Das Gemurmel dutzender Unterhaltungen in diesem Saal begann mich einzulullen.

Ich verspürte ein dringendes Bedürfnis zu Gähnen. Wie so oft in letzter Zeit. Alles um mich herum… berührte mich nicht wirklich.

Wie lange war das schon so? Ich wusste es nicht.

„Perfekt, um deine Zeichen-Blockade endlich hinter dir zu lassen, was meinst du?“ Clarissa kicherte. Nach wie vor war ihr Blick auf den jungen Mann gerichtet, der als letzter in der Reihe stand.

„Mal ehrlich, Mado. Sieh ihn dir mal genau an. Er ist in aller Munde!“

Auch Gladys deutete grinsend in seine Richtung.

Hatten sie denn alle den Verstand verloren so ungeniert eine fremde Person anzustarren? Was war nur los mit ihnen? Strahlte der Typ irgendeine bizarre Art von… Pheromonen aus, oder wie?

Die Neugier siegte auch bei mir.

Natürlich.

Im Nachhinein glaube ich, dass alles vielleicht anders gekommen wäre, wenn ich in diesem einen, schwachen Moment eben NICHT nachgegeben hätte…

Ich sah ihn an.

Und war im ersten Moment nicht einmal… Nein, ich fühlte… Gar nichts. Und DAS war seltsam. Es war, als würde sich mein Innerstes in Erwartung von Etwas, das kam, mit einem Vakuum füllen, einer Leere, einem völligen Fehlen von… ALLEM.

Er war etwas kleiner als der männliche, europäische Durchschnitt, das sah man gleich, doch ich schätzte, dass er wohl dennoch ungefähr meine Größe haben mochte. Seine Gesichtszüge, obwohl nur im Profil zu erkennen, waren eindeutig asiatisch, sein Haar allerdings, völlig untypisch für diesen Menschenschlag, schimmerte in einem dunklen, tiefroten Kupferton und fiel ihm lang, zu einem Zopf gebunden, den Rücken hinab. Er stand ganz ruhig da und wartete. Dennoch hatte ich vom ersten Moment an den Eindruck von… Wachsamkeit. Er trat mit der Schlange ein wenig vor. Selbst die kleinste Bewegung schien geschmeidig, fließend, beinahe vorsichtig und lauernd.

Wartend.

Ich starrte. Ich merkte es nicht einmal wirklich.

Der Moment, in dem ich zurück gekonnt hätte, war vergangen. Vorbei. Ich sah nur noch ihn.

Und wo zuvor eine Leere gewesen war, da begann nun eine Wärme, eine heiße Flamme, in meinem Inneren zu wüten. Eine Flamme, die mich nie wieder verlassen würde – und die mich verbrennen konnte, wenn ich nicht vorsichtig war… Seltsam. Woher dieser Vergleich?

Aber den anderen schien es nicht viel anders zu ergehen.

„Japaner. Jedenfalls sagt das Prof. Gregory. Er ist vor zwei Tagen angereist. Niemand weiß genau, welche Fachrichtung er unterrichten wird. Aufregend, nicht wahr? Er wirkt so...“

„Fremdländisch?“, schlug Gladys vor und nickte Clarissa dann zustimmend zu.

„Du hast Recht und er wirkt hier irgendwie… fehl am Platz.“

Wir schwiegen und schauten weiter. Es MUSSTE ihm aufgefallen sein. Ich spürte Scham in mir aufsteigen. Jetzt. Viel zu spät. Wir benahmen uns wie pubertäre Teenager. Aber ich konnte auch nicht wegsehen. Und dann…

drehte er den Kopf und sah zu unserem Tisch herüber.

Ich fühlte mein Herz einen Schlag komplett aussetzen – und dann, wie es doppelt so schnell weiterjagte. Es war nicht nur ein subjektiver Eindruck. Ich war plötzlich ganz sicher, dass er nicht einfach zu uns hinsah, sondern MICH ansah.

Lange.

Warum?

‚Wer bist du? Wo kommst du her und was willst du von mir? `

Schwer dröhnten die Schläge meines Herzens in meinem Kopf. Mein Puls raste.

Er hatte ein schönes, ebenmäßiges Gesicht. Die Augen waren mandelförmig und ihr Ausdruck…

Mein Herz zog sich zusammen.

Schmerz. Trauer. Einsamkeit…

Woher kamen diese Gefühle, so plötzlich, so unwillkommen, so unvermittelt? Die Flamme in mir flackerte. Warum sah er mich an? Ich wollte, dass er wegsah, gleichzeitig spürte ich das Verlangen, weiterhin in dem Blick seiner dunklen Augen versinken zu wollen, den Schmerz mit ihm zu teilen…

'Warte.

Bald…'

Wessen Stimme war das?
 

„Hallo? Bist du noch anwesend?“ Clarissa blickte mich missbilligend an.

„Herrje, ich hätte meine Klappe halten sollen.“

Ich blinzelte, als wäre ich aus einem Traum erwacht und schüttelte dann den Kopf, mehr um meine Gedanken zu klären, als Clarissas Aussage zu verneinen.

„Ich… Es geht schon. Mir geht es nur nicht so gut heute…“

„Genau wie gestern… Und vorgestern… Mann, komm mal wieder runter! Eine Malblockade bedeutet nicht das Ende aller Dinge, Mado.“

Das war es nicht. Nicht allein.

Irgendetwas… fehlte.

Und nicht erst jetzt.

Ich hatte es gemerkt, als ich hier anfing Kurse zu besuchen. Ich hatte es gemerkt, als ich in das Flugzeug hierher gestiegen war. Ich hatte es schon zu Hause, in Japan gefühlt. Nein. Eigentlich schon die ganze Zeit über, während ich zur Schule ging, während ich aufwuchs. Seit ich auf die Welt gekommen war.

Ich war unvollständig. Eine bessere Umschreibung fiel mir nicht ein. Etwas fehlte in meinem Leben. Ich wusste nicht was. Es war mir nur jetzt erst bewusst geworden.

Aber wodurch?

Unmöglich, dass es an jenem einen, seltsamen… Augenblick gelegen haben mochte, der mir Gefühle von mir selbst offenbart hatte, die ich zuvor nie gekannt hatte und von denen ich geglaubt hatte, sie niemals empfinden zu können!

Oder doch?

Er?

Wegen ihm?

Flüchtig sah ich erneut zu dem jungen Mann hinüber. Er war weiter vorgetreten und sah auch nicht mehr herüber. Aber mein Herz schlug noch immer wie wild. Feine Schweißperlen hatten sich auf meiner Stirn gebildet.

Und erneut fragte ich mich:

Wer war er? Wieso war er hier?

Sein Blick… So seltsam… vertraut. Und doch auch fremd und beängstigend.

Warum?

Warum wurde mir erst jetzt, hier und heute, in diesem zeitlosen Augenblick, klar, dass ich unvollständig war? Es war Narretei sich einzubilden, dass ich nun in ihm gefunden haben sollte, was mich vervollständigte. Ich war einfach nicht der Typ Mensch, der so schnell einem anderen verfiel.

Doch mein Körper sprach eine andere Sprache. Und ich staunte und horchte in mich hinein. Konnte nicht fassen, was da in mir vorging. Meine Finger zitterten. Das war doch nicht ich…

„Ich… werde besser nach oben gehen. Ich habe heute keine Kurse mehr. Ich denke… ich lege mich kurz hin.“

Mit einer beinahe fahrigen Bewegung stand ich auf. Das Glas, in dem noch Orangensaft war, kippte um, setzte mein Tablett unter Wasser. Ich achtete nicht darauf. Mit einem Mal hatte ich es einfach nur eilig hier wegzukommen.

Mei Lin sog erschrocken die Luft ein.

„Pass doch auf!“, sagte Gladys mit wohlwollendem, vielsagendem Spott in der Stimme.

„Traumtänzerin…“

Ich fuhr auf dem Absatz herum und lief aus der Mensa, die Blicke dutzender Studenten auf mich ziehend. Und mit einer Stimme in meinem Kopf, in meinem Inneren, in meiner Seele.

'Warte.

Bald…'



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  WolfsDream
2008-01-29T22:58:53+00:00 29.01.2008 23:58
Eigentlich passiert ja nicht viel in diesem Kapitel und dennoch hat es gereicht mich wieder vollständig in deinen Bann zu ziehen.
Ich...hmmmh...wie beschreib ich das am Besten.*grübel*
Nun ja es ist einfach so, dass du mit deinen Worten die gleichen Gefühle in mir weckst, die auch deine Protagonisten empfinden, so intensiv sind deine Beschreibungen!

Von: abgemeldet
2007-10-18T13:10:15+00:00 18.10.2007 15:10
Wow das kapitel was klasse, man hatte echt das Gefühl mit den Mädels an einem Tisch zu sitzen.
Du hast einen wunderbaren Schreibstil..Ich-Form ist nicht schlecht, aber irgendwie kann ich es besser aus der Erzähler Perspektive, wie du in meiner FF lesen kannst.
Von:  Rogue37
2007-04-28T14:19:22+00:00 28.04.2007 16:19
Warte ... bald ...

Oh man, was soll das werden, wenn es fertig wird? Ich liebe deine Worte, deine Art etwas zu erzählen und noch mehr als alles andere liebe ich gerade die ARt deiner Ich-Erzählung. Ich finde das passt zu deiner ARt etwas zu beschreiben ganz ausgezeichnet. Ich-Formen machen etwas persönlich, persönlicher als es bei dir ohnehin immer der FAll ist.

Ich kann ihn sehen, buchstäblich vor mir, mit dem langen geflochtenen Haar, dem hübschen Profil, wie er dort steht, einfach nur steht und nichts weiter tut. Und doch diese Aura. ICh glaube ich kann auch diese Aura sehen. und ich saß hier mit angehaltenem atem, denn natürlich wusste ich, dass er dieses Starren bermerkt haben musste. Man sitzt hier als Leser und wartet auf den MOment, wenn er seinen Kopf wendet udn sie anblickt. Denn man weiß, dass es geschehen wird und es ist keines dieser Dinge, die man vorher weiß und es deswegen langweilig macht. Nein, es brodelt in einem, denn man weiß was geschehen wird, man weiß, dass es geschehen muss, man WILL dass es geschieht und wartet, wartet jedes atemberaubende Wort lang bis es endlich geschieht und dann hält man mit ihr zusammen nur noch länger die Luft an und verliert sich in diesem GEfühl, in diesem surrealen Bild, dass sich dann ergibt. Wie sie beide sich ansehen, wie in ihr eine Stimme erklingt, Worte, Erinnerungen, nein, keine Erinnerungen, das GEfühl sich an etwas zu erinnern, ohne zu wissen an was. Man fühlt das mit und es ergreift einen und lässte einen nicht mehr los.

Ich weiß nicht, ich bin gerade ein sehr empfindlicher MEnsch, mich berührt in all diesen Worten, dieser ERzählung am meisten die Einsamkeit der beiden Hauptcharaktere, die einen so unvorhergesehen trifft. Schwingungen, Bilder, Emotionen, nichts was wirklich greifbar ist, aber doch in mir selbst einen Wiederhall erzeugt, von dem ich überrascht bin.

<hut zieh> Danke, dass du diese GEschichte schreibst. Für dich, für mich, für wen auch immmer. Danke ^^
Von:  Karen_Kasumi
2007-04-17T15:54:18+00:00 17.04.2007 17:54
Hui, da war die Nighty fünf Minuten schneller als ich *lach*

Aber es ist wieder einmal wundervoll.
Sehr...wie soll ich sagen...-intensiv. Man hat das drängende Gefühl, genau so zu sein, wie Madoka (respektive Du). Jede einzelne Faser des Körpers fühlt mit.....fantastisch! *kopf neig* Find ich süß, dass du Nighty erwähnt hast...*lach*
Ach ja....das Gefühl, das etwas fehlt.......Es ist noch dümmer, wenn die Antwort auf dieses Gefühl neben dir sitzt und dich anlacht. Und du weißt nie: Will er Freundschaft? Oder empfindet er vielleicht sogar die selben Gefühle (zumindest im Ansatz) wie du? Es wäre so schön....aber Luftschlösser halten nicht lang.
Ein kurzer, unbedachter Windstoß....und schon sind sie fort. Es ist, als würde man versuchen, Wasser in den Händen festzuhalten....obwohl du keine Lücke lässt, rinnt es dir durch die Finger und versickert in heißem Sand, ohne je wieder zu kommen.
Von: abgemeldet
2007-04-17T15:45:54+00:00 17.04.2007 17:45
Uuuhhhhh, wie mysteriös!!! *händereib* Sie hört Stimmen...^^
HA, und in der Art, wie du ihn beschreibst....wie du dich in der Beschreibung regelrecht verlierst (!!!) sieht man doch mal wieder, wie viel Spaß du daran hast, anderen Menschen deine Kenshin-Faszination näher zu bringen. *grins* Und das auf so nette Weise. *schmunzel*
Die Idee in der Ich-Form zu schreiben find ich richtig klasse, is mal was anderes zu den anderen FFs. Persönlicher. Und diesen Eindruck habe ich auch irgendwie bei dem Rest dieses Kapis bekommen....du teilst hier seeeehr viel über deine wirkliche Person mit, wenn mich nicht alles täuscht. UND natürlich *evilgrin*....wer dich wohl bei den Gedanken an die jüngere Schwester inspriert hat..... ^^ Ich bin geehrt. *verneig*
Zwei Menschen in einer überfüllten Mensa....manchmal ist es ja scheinbar tatsächlich so.
Ich bin wirklich gespannt, was aus dieser Geschichte wohl werden wird.


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