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Der schwarze Schatten der Seele

von

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Sieger und Besiegte

30. Juni 1998 (Voldemorts Hauptquartier)

Ein Zauber wurde gemurmelt, irgendwo hinter Hermine, außerhalb ihres Blickfeldes. Und plötzlich – konnte sie sich wieder bewegen.

Erschrocken wirbelte sie herum.

Eine Frau hatte sich zu ihr herunter gebeugt. Sie hatte lange, schwarze Haare und grinste entschuldigend. „Tut mir Leid, Hermine. Hab dich von hinten einfach nicht erkannt. Und bevor die Todesser zurückfeuern, hab ich halt auf alles gezielt, was sich noch bewegt.“

„Seit wann ist der Orden hier?“, fragte Hermine, während sie sich mit ihrer rechten Hand ihn Rücken massierte. Der Tritt kurz zuvor hatte weh getan.

Tonks zuckte nur mit den Schultern. „Meine Uhr hab ich zu Hause vergessen. Wir haben einen Patronus von Fleur bekommen, ich bin sofort mit den anderen her. Hat eine Weile gedauert, bis wir den Durchgang gefunden haben. Tut es sehr weh?“

Sie schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Nun, im Stehen, konnte auch sie den großen, aus goldenen Fäden gewobenen Käfig sehen, in dem sich vermutlich Harry und Voldemort duellierten.

Nun hatte sie auch wieder Ron im Blick. Dieser half gerade Malfoy wieder auf die (recht wackeligen) Beine und brachte ihn aus dem Blickfeld der Ordensmitglieder, von denen noch immer die meisten zu der goldenen Kuppel starrten.

Auch Tonks war ihrem Blick mit den Augen gefolgt. „Ist das etwa...?“

„»Der Schatten«, richtig.“, flüsterte Hermine ihr zu und grinste dabei, obwohl das Pochen in ihrem verletztem Arm wieder anschwoll, „Aber ich denke, er wird uns nicht böse sein, wenn wir ihn Draco Malfoy nennen.“

Die Schwarzhaarige pfiff anerkennend durch die Zähne. „Wer hätte das gedacht?“

„Ich dachte, du bist eine Frau der Tat, nicht der Tratscherei, Nymphadora.“, mischte sich ein Mann ein und nickte gleichzeitig von den beiden Frauen zum goldenen Käfig und dann zu den Todessern, die genauso irritiert schienen, wie der Orden. Hermine kannte ihn flüchtig, doch er hatte sich ihr nie mit Namen vorgestellt.

Die Angesprochene nickte ihm zu und dann war Tonks wieder die Aurorin. „Recht hast du, Felix. Auf geht’s. STUPOR!“

Der Fluch traf zielgenau einen der Todesser in der Nähe des Brunnens. Ein weiterer Zauber folgte und plötzlich schienen sich alle Umstehenden aus ihrer Starre zu lösen und die Luft war erfüllt von Magie – und Hermine fand sich mitten im größten Getümmel wieder. Sie sah Tonks, wie sie sich mit zwei Todessern gleichzeitig duellierte und keine fünf Meter weiter ein Mann, der dem unfreundlichen Heiler aus dem St. Mungos Hospital zum Verwechseln ähnlich sah und wahrlich in seinem Element zu sein schien.

„Halt den Kopf unten, Mädchen!“, rief Felix, der Hexer mit den braunen Haaren, mit dem Hermine bereits Seit-an-Seit appariert war.

Hermine allerdings dachte nicht daran, sich in Sicherheit zu bringen. Den Griff um ihren Zauberstab noch einmal verstärkt, ging sie, so geduckt wie möglich, in Deckung, um ungesehen Zauber feuern zu können. Sie warf nur noch einen Blick zurück. Doch dieser eine Blick genügte, um zu sehen, wie ein grüner Lichtblitz auf den Mann zuraste, der gerade auf einen anderen Todesser feuerte. Er sah den Todesfluch nicht...
 

Hastig bedankte er sich bei Weasley – er hätte es nie für möglich gehalten, dass er sich einmal dazu würde durchringen müssen – und verschwand dann in der Dunkelheit. Trotz des starken Regens brannten die Zierbäume, die während ihres ersten Kampfes Feuer gefangen hatten, noch immer. Sie waren die einzigen Lichtquellen, wenn man von dem spärlichen Licht, dass aus einigen der Fenstern drang und den farbenfrohen Flüchen, die mit den echten Blitzen am Himmel um die Wette zu leuchten schienen, absah. Er hatte sich nicht nur mehrere mehr oder minder tiefe Wunden zugezogen, er war noch dazu klitschnass und fror erbärmlich, doch sein Überlebenswillen erlaubte es ihm nicht, sich auf diese Probleme zu konzentrieren. Während die dutzend Ordensmitglieder, genauso wie die Todesser, noch immer zu diesem – in seinen Augen ziemlich lächerlichen – goldenem Spektakel blickten, unsicher, was nun geschehen würde, war er ganz gefasst. Und er würde diese Situation nutzen. Er brauchte nicht lange, um einen besonders unvorsichtigen Todesser auszumachen. Er hatte sich die Maskierung vom Gesicht gerissen, um einen besseren Blick zu haben. Vermutlich war er nicht viel älter, als er selbst.

Stumm nahm er Ziel, stumm verfluchte er ihn auch und stumm ging der Todesser zu Boden. Gleichzeitig donnerte eine Frauenstimme: „STUPOR!“ und ein weiterer Gegner ging zu Boden und plötzlich war die goldene Kuppel vergessen und der Kampf wieder in vollem Gange.

Plötzlich flogen die Flüche wieder durch die Luft und wurden abgeblockt – oder auch nicht -, und die Kämpfer, die sich nicht schnell genug schützen konnten, gingen wie zur Warnung für die Umstehenden zu Boden. Die ganze Gruppe war in Bewegung und er hatte Probleme, ungesehen zu bleiben, war er doch nun unmaskiert und somit für beide Seiten zum Abschuss freigegeben. Dennoch gelang es ihm, mit einigen, gut platzierten non-verbalen Zaubereien, dem Feind ein paar Lücken zuzufügen und schließlich war er nicht mehr im Gedränge und konnte aufatmen, mit dem Blick bereits nach einem Schutzwall suchend. Und den brauchte er dringend – Block- und Schildzauber waren nicht seine Stärke.

„Verfluchte Scheiße!“, hörte er einen frustrierten halberstickten Aufschrei hinter sich.

Als er herumwirbelte, erkannte er einen Mann, der nur wenige Meter von ihm entfernt hinter dem halb zerstörten Brunnen kauerte. Er starrte über den Brunnenrand hinweg, duckte sich aber sofort, als ein Blitz auf ihn zuraste. Sein rechter Arm hing schlaff an seiner Seite herab, er war gezwungen, mit der linken zu zaubern, augenscheinlich nicht seine Zauberhand.

Nur ihm Augenwink sah er die nächsten Zauber auch auf sich zu rasen, doch sie verfehlten ihn allesamt. Dafür fand er sich plötzlich ebenfalls hinter dem Brunnen wieder.

Der Blick des Mannes ruhte nur kurz auf ihm, dann konzentrierte er sich wieder auf den Kampf. Statt der erwarteten grünen Augen erkannte er braune und auch die Blitznarbe fehlte.

„Malfoy, nehme ich an? Draco Malfoy?“, begrüßte der Fremde.

Er nickte abwesend, während er Flüche feuerte und dabei überlegte, wieso der Kerl ihn ausgerechnet an Potter erinnerte. „Ich würd dich ja Harry nennen...“

„...Das ist zu viel der Ehre. Darius Potter reicht völlig.“

Von denen gab es zwei? Na ganz große Küche...

Plötzlich spürte er Potters Griff um seinen Oberarm, dann wurde er bereits zu Boden gezogen, während der Springbrunnen hinter ihnen in handliche Stücke versprengt über sie hinweg rieselte.

Ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass ihre Deckung nicht mehr vorhanden war.

„Verfluchte Scheiße! Dann eben auf die unfreundliche Art.“, knurrte Darius, der trotz seiner Verletzung überraschend schnell wieder auf den Beinen war. Er stand keine Sekunde später.

„Okay, Malfoy. Bereit, mit offen mit den ...“, er duckte sich unter einen verirrten roten Fluch weg, „...großen Jungs zu spielen?“

Einem gezielten Levicorpus folgte ein in der Luft hängender Todesser. „Sicher doch.“

„Und ich mache mit!“, ertönte eine dritte – weibliche – Stimme über den Kampflärm hinweg.

Auch diese Person erkannte er. Es war Ginny Weasley, nicht so arg mitgenommen, wie er es erwartet hätte, aber dafür anscheinend voller Adrenalin.

„Wirst du nicht.“

Es war kein Befehl des Potters, sondern anscheinend eine Feststellung.

Das rothaarige Mädchen schien den Mund zum Protest öffnen zu wollen, doch der Mann, der mittlerweile Rücken an Rücken mit ihm stand, fiel ihr barsch ins Wort. „Keine Widerrede! Schau nach Bill! Vielleicht lebt er noch.“

Das Mädchen seufzte ergeben, verschwand aber ohne ein Wort des Protestes. Einen Moment später fanden sich die beiden Männer mit erhobenen Zauberstäben im Gedränge wieder, zu der stummen Übereinkunft gekommen, dass der eine attackierte, während der andere sich um die Schutzzauber kümmerte.
 

Sie spürte noch den Schlag in den Rücken, schon ging sie unsanft zu Boden. Als sie die Augen wieder öffnete, schmeckte sie bleiernes Blut, doch sie ließ sich keine Zeit, um sich zu fragen, woher dieses Blut kam. Genauso ignorierte sie das warnende Pochen in ihrer linken Schulter und die Tatsache, dass sie nicht mehr lange aushalten würde. Stattdessen raffte sie sich neuerlich auf, um weiter zu kämpfen. Wie oft sie bereits gestürzt war, konnte sie nicht sagen, wollte sie nicht sagen, noch nicht, denn noch war es nicht vorbei. Ihr Blick huschte über die Massen, erkannte Tonks, die sich nun bereits mit drei Todessern duellierte, erkannte einen Mann, der hinterrücks einem Schwarzmagier einen Fluch auf den Hals hetzte, er trug eine schwarze Kapuzenrobe, deren Maskierung sich gelöst hatte und den Blick auf schwarzes, fettiges Haar und eine verboten lange Nase freigab, erkannte zwei weitere Männer, der eine blond, der andere schwarzhaarig, beide Rücken an Rücken, und erkannte weitere Gesichter, Ordensmitglieder, Todesser, aber weder Harry, noch Ginny, noch Ron, erkannte einen grünen Blitz, der auf sei zuraste...

Sie duckte sich gerade noch rechtzeitig. An ihrer statt traf der Unverzeihliche eine Frau mit wallender schwarzer Haarmähne, die sich mit einem Todesser duelliert hatte und die nun leblos zu Boden sank, die Augen weit aufgerissen und leer.

Mit Gewalt musste Hermine den Blick losreißen, erschrocken von dem Anblick, erschrocken aber auch von dem Gedanken, dass es hätte sie sein können...

Der Todesser bemerkte sie nicht, stattdessen wandte er sich an den Mann in der schwarzen Robe und mit dem genauso schwarzen Haaren und dann sank auch er getroffen zu Boden, ob nun von einem gezielten Fluch oder durch einen Blindgänger sah sie nicht.

Dafür sah sie nun wieder die goldene Kuppel, die Priori Incantatem, unter der Harry vermutlich noch immer gegen Voldemort kämpfte. Und in dem Licht, welches das Gewebe verbreitete, erkannte sie eine weitere Person. Sie war nur als Schatten erkennbar, und schien von dem seltsamen Zauber ergriffen, doch sie blieb von den Kämpfern beider Parteien völlig unbehelligt.

Ein Blitz zog sich über den Himmel, dicht gefolgt von einem tiefen Donnergrollen, und erhellte für einen Moment zusammen mit der Kuppel das Geschehen. Und genau in diesem Moment dachte sie, die Person erkannt zu haben. Sie blickte kurz über die Schulter zurück, der Kampf tobte unvermindert weiter, doch niemand schien in diesem Augenblick mehr Beachtung zu schenken, als die der Vorsicht, damit er nicht über sie fiel. Einen Gedankengang später verwarf sie die Idee, sie wieder in den Kampf einzumischen, jedoch und ging geduckt, in der Hoffnung, so keine allzu offensichtliche Zielscheibe abzugeben, auf ihren Freund zu. Auch sie blieb unbehelligt, viel zu konzentriert kämpfte die Ordensmitglieder gegen die immer wieder nachströmenden Todesser und kein Ende schien in Sicht.

Tatsächlich war es Ron, den sie zu sehen geglaubt hatte, das erkannte sie nun, wo sie sich näherte. Wie gebannt starrte er auf das aus goldenen Fasern gewobene Netz und beobachtete fasziniert, wie sich die einzelnen Fäden bewegten, voneinander lösten und schließlich zu einem neuen Muster zusammenschlossen. Auch erkannte Hermine nun zwei Gestalten in der Kuppel, auch wenn das Licht im Inneren zu stark war, als dass sie hätte genaueres sehen können. Vereinzelt tauchten hinter der goldenen Wand weitere menschliche Schatten auf, ganz nah, als hätte man sie sie berühren können, wenn man es nur schaffen würde, seinen Arm durch die Maschen zu strecken. Doch diese Schatten wirkten nicht real, sondern durchscheinend, vielleicht wie ein graues Gas, wie Rauch, nur fester. Sie konnte nicht alle dieser Figuren sehen, dafür war ihre Sicht ins Innere zu sehr eingeschränkt, doch sie schätzte, dass es sehr viele sein mussten.

Noch dazu lag ein undefinierbares Summen in der Luft, dass abschwoll und wieder anschwoll und mit den seltsamen Gestalten zusammen zuhängen schien. Ein paar Mal dachte sie, Gesichter erkennen zu können, darunter das von Harry, doch das konnte nicht sein, denn dieser kämpfte mit Sicherheit noch immer...

„Was passiert hier nur?“, fragte Ron sich selbst, er hatte sie noch nicht bemerkt, viel zu gebannt starrte er auf das Stück Magie vor ihm. Dennoch antwortete sie ihm, vielleicht aus dem Reflex heraus, zu jeder Frage eine Antwort zu finden...

„Priori Incantatem. Erinnerst du dich an unser viertes Jahr?“

Erschrocken wirbelte er herum und richtete den Zauberstab auf ihr Herz und genauso erschrocken ließ er den Stab wieder sinken, als er sie erkannte.

„Mensch, Hermine! Willst du mich umbringen?“, stöhnte er, doch ein seltsames Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass er froh war, sie zu sehen.

„Wenn ich dich hätte umbringen wollen, Ron, dann hätte ich dich vermutlich nicht angesprochen.“

Er nickte beklommen und sah wieder zur Kuppel.

„Da drin ist Harry. Ich hab ihn gesehen. Und du ... du-weißt-schon-wer ist auch da drin, glaub ich.“, murmelte er nach einer Weile, ohne den Blick abzuwenden.

„Harry hat uns davon erzählt, richtig? Als er im Trimagischen Turnier gegen Voldemort gekämpft hat. Damals hat er die Verbindung abgebrochen...“

„Sieht nicht so aus, als hätte er es diesmal vor, he?“

Aber wenn Harry nicht vor hatte, die Verbindung zu trennen – was plante er dann? Und plante er überhaupt etwas?

„Deckung! Verdammt, geht in Deckung!“

Irgendwo im Unterbewusstsein erkannte sie die männliche Stimme und erkannte, dass diese Stimme sie meinte und dass sie ihren Befehl befolgen musste. Bevor sie wirklich realisiert hatte, was geschah, lag sie bereits flach auf dem Boden – keinen Moment zu früh, denn schon rasten mehrere grüne Lichtblitze über sie hinweg, prallten gegen die Kuppel in ihrem Rücken und wurden gen Himmel abgelenkt.

Irritiert blickte sie auf und erkannte drei vermummte Gestalten, die Zauberstäbe erhoben und nun gegen den Gegner kämpfend, der Hermine und Ron gewarnt hatte.

„Was bei Merlins Bart... ist das Ginny?!“, hörte sie Ron neben sich murmeln.

Tatsächlich kämpfte ihr Retter, groß und schlaksig gebaut, nicht allein, sondern Seite an Seite mit einer weiteren Person, die mehr als zwei Köpfe kleiner war. Das Haar beider leuchtete im Zwielicht des Kampfes seltsam rot. Weasley-rot.

„Wir müssen ihnen helfen!“, stellte sie überflüssigerweise fest, während sie sie wieder aufrappelte. Seit dem letzten Sturz war ihr linker Arm endgültig unbrauchbar, aber das interessierte sie nun nicht, da es galt, zu kämpfen.

Ihr erster Fluch hatte Glück – der Todesser, auf den sie zielte, war so damit beschäftigt, mit den beiden anderen Gegnern zu kämpfen, dass er ihren Fluch nicht kommen sah und stöhnend zu Boden ging.

Die anderen beiden waren stärker, als ihr bewusstloser Kamerad, obwohl sie an zwei Fronten gleichzeitig kämpften. Neben sich hörte sie, wie einer der Zauber Ron traf, doch als er einen Augenblick später bereits den nächsten Fluch sprach, schwand ihre Sorge vorerst. Dennoch blickte sie kurz über ihre Schulter. Sie sah, dass er blutete, sie sah aber auch, dass er nicht stark blutete, auch wenn er mit dieser Wunde keinen Hundertmeterlauf mehr gewinnen würde. Als sie wieder zurück blickte, hing der zweite Todesser, ebenfalls ein Mann, Kopfüber in der Luft, doch Draco, der den Zauber gesprochen haben musste, war bereits wieder in der Masse der Kämpfenden, die nicht kleiner zu werden schien – vielleicht, weil noch immer Todesser hinzu kamen – verschwunden.

Zu viert war es schließlich ein leichtes, auch die dritte Gegnerin auszuschalten, auch wenn den letzten Schlag ein grüner Blindgänger übernahm.

Hermine stützte die unversehrte Hand auf die Knie und atmete tief durch. Langsam aber sicher waren ihre Kraftreserven erschöpft. Sie war in dieser Nacht wahrlich von genug Flüchen getroffen worden, die ihre Kleidung zerfetzt, ihre Arme aufgerissen und ihre Haare angesenkt hatten. Ein Wunder, dass sie allen drei Unverzeihlichen bis jetzt entkommen war, wenn auch manchmal nur um Haaresbreite.

Mittlerweile waren die beiden Anderen die kleine Anhöhe zu ihnen hinauf gelaufen. Als sie aufsah, erkannte sie Ginny, die die Arme in die Hüfte gestemmt hatte. „Ihr tauben Nüsse! Das hätte verdammt nochmal verdammt schief gehen können!“

„Ist es aber nicht.“, hörte sie Ron neben sich murmeln.

„Noch nicht.“, erwiderte ein weiterer Mann, jener, der sie zuvor gewarnt hatte.

Nun, da er vor ihr stand, erkannte sie ihn auch – nicht nur im Unterbewusstsein.

„Bill!“

„Richtig.“, grinste dieser und ließ sich von seinem jüngeren Bruder umarmen, auch wenn ihm die Berührung, so sanft sie auch sein mochte, Schmerzen zu bereiten schien. Zudem waren seine Bewegungen merkwürdig fahrig. Anscheinend hatte er die Flüche, die ihn getroffen hatten, noch nicht ganz verarbeitet.

„Ich habe ihn gefunden, irgendwo mittendrin. Keine Ahnung, wann er wieder zu Bewusstsein gekommen ist. Er konnte mir auch nichts genaues sagen.“, erklärte Ginny. Während sie sprach, behielt sie die Umgebung kritisch im Auge, um neue Gefahren im Keim ersticken zu können.

Der älteste Weasleysohn sah indes zu der goldenen Kuppel hinauf. „Harry ist da drunter, richtig? Zusammen mit du-weißt-schon-wem?“

Ron und Hermine nickten beklommen. Nun sahen auch sie hinauf, zu dem goldenen Gewölbe. Nur Ginny blickte sich weiterhin um.

Irgendwas schien sich verändert zu haben, doch sie konnte nicht sagen, um was es sich handelte.

Plötzlich drang das Geräusch von zersplitterndem Holz an ihre Ohren, lauter, als zu erwarteten gewesen wäre und anscheinend begleitet von einer kleinen Explosion. Und, genauso plötzlich, schienen sich die goldenen Fäden aufzulösen, langsam nur, doch deutlich sichtbar. Zuerst trennten sie sich nur voneinander, die Maschen wurden weiter, gaben den Blick auf das Innere frei. Man konnte Harry und Voldemort sehen, beide in gleißendem Licht und beide am Ende ihrer Kräfte. Der goldene Strahl, der zuvor zwischen den Zauberstäben der Männer pulsiert hatte, trat nun nur noch aus Harrys Stab aus. Das andere Ende verlor sich irgendwo, im hellen Schein, der seinen Gegner umgab.

Gebannt starrte Hermine auf die beiden Zauberer, merkte nur im Augenwinkel, wie sich die Fäden des Zaubers immer weiter aufspalteten, in immer dünnere Fasern und sich dabei weiter und weiter ausdehnten. Erst, als sich die Fäden ruckartig zusammen zogen, spürte sie, dass irgendetwas gewaltig schief ging.

„RUNTER!“

Fast außerhalb ihres Blickfeldes bemerkte sie, wie Bill sich mit seinem Bruder auf den Boden war, die gebrochenen Knochen ignorierend. Auch sie ließ sich fallen, den Bruchteil einer Sekunde später als Ginny, doch sie erreichte den Boden nicht mehr, bevor der Priori Incantatem explodierte, sich ausdehnte und alles nieder warf, was sich in seinem Umfeld befand.

Dann war es still.
 

Es dauerte einem Moment, von dem sie nicht genau wusste, wie lange er dauerte, bis ihr wieder klar wurde, wo oben und wo unten war. Sie lag bäuchlings mit dem Gesicht im Schlamm. Ihr linker Arm pochte dumpf und der Rest ihres Körpers pochte ebenfalls, vor Schmerz, aber nicht so intensiv.

Als sie aufsah, erkannte sie Ron, der bereits wieder auf den Beinen war. Auch er war nun nicht nur blutverkrustet, sondern auch über und über bedeckt mit dreckigem, erdigem Schlamm. Er wirkte leicht desorientiert und seine Bewegungen fahrig, als er sich neben seinen Bruder kniete. Doch anscheinend war Bill soweit in Ordnung, dass verriet ihr Rons Miene, die sich sichtlich aufhellte.

Während Hermine sich aufsetzte, fragte sie sich, wieso es so still um sie her war. Vorsichtig betastete sie ihre Glieder, doch obwohl diese schmerzten, schien noch alles soweit funktionstüchtig zu sein.

Auch Ron hatte sie nun bemerkt und war zu ihr gestürzt und berührte sie an der Schulter. „Alles in Ordnung, Hermine?“

Hermine konnte nur schwach nicken, zum Sprechen fühlte sie sich momentan zu schwach. Wieder blickte sie sich um. Sie sah Ginny, die sich den Schlamm aus dem Gesicht zu wischen versuchte und sie sah Bill, der noch immer auf dem Boden lag, doch nun rücklings und tief durchatmend, anscheinend Kräfte sammelnd.

Irgendwann während des Kampfes musste die Dämmerung hereingebrochen sein, ohne, dass sie es bemerkt hätte und nun war es bereits hell, nicht richtig hell, aber hell genug. Vielleicht war es um vier. Die Gewitterfront war über sie hinweg gezogen, man sah sie noch irgendwo sehr weit hinten im Osten, doch sie hatte einer leichteren Wolkendecke Platz gemacht. Wolken von einheitlichem grau, aus denen ein leichter, aber beständiger Nieselregen fiel, den nach den heftigen Schauern der Nacht schon gar nicht mehr spürte. Wie lange dieser Regen allerdings noch andauern würde, war ungewiss – im Westen türmten sich bereits neue, schwarze Wolkenberge.

Nun, da sie saß, erkannte sie auch, dass sie sich nicht mehr auf einer mit Gras bewachsenen Anhöhe befand, doch dafür auf einem schlammigen Feldweg, der eine Anhöhe hinauf führte. Rechts und links von diesem Weg befanden sich Bäume, standen Spalier. Es waren Weiden mit breiten, unförmigen Stämmen und genauso unförmigen Köpfen, aus denen die frischen Triebe ragten. Sie brauchte einen Moment, bis sie verstand, dass sie sich nicht mehr in Voldemorts Hauptquartier befanden, und noch einen Moment, bis sie verstand, dass sie stattdessen auf dem Feldweg saß, der hinauf zum alten Anwesen der Riddles führte. Unter sich spürte sie nun sogar die einzelnen Pflastersteine, die den Weg einst befestigt hatten, nun aber nur noch haltlos im Schlamm zu schwimmen schienen. Weiter oben auf der Anhöhe erkannte sie nicht weit entfernt die zerfallene Ruine des Herrenhauses, die im Licht betrachtet in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hauptquartier der Todesser aufwies. Dort waren zwei, kleinere, Seitenflügel und ein Weg, der hinunter ins Dorf führte und ein zerschlagener Springbrunnen und sogar verwilderte Ziersträucher. Zwischen all dem befanden sich Schatten, Menschen. Sie erkannte, wie eine Figur durch die Reihen der einst gehegten und gepflegten Pflanzen schritt. Allerdings wurde sie vom Licht der hereingebrochenen Dämmerung noch nicht ausreichend beleuchtet, um sie genauer zu erkennen. Auch auf dem Boden machte sie weitere Menschen aus, im Zwielicht nicht mehr als Schatten.

„Der Orden, oder?“

Hermine nickte bei Rons Worten.

„Und die Todesser.“, murmelte sie und während sie sprach, kehrte ein wenig von ihrer Kraft in ihre Stimme zurück. „Natürlich. Die Druckwelle hat auch sie erwischt. Aber wo ist...“

„Oh Merlin! Harry! Harry!“

Ruckartig drehten sich beide um. Den Weg hinab konnte man bereits das Dorf Little Hangleton erkennen, doch in diesem Moment sah es weder Ron, noch Hermine. Beide hatten nur Augen für Ginny, die sich über einen leblosen Körper gebeugt hatte und hemmungslos heulte, während sie versuchte, Harry dazu zu bewegen, auf zu wachen.

„Harry! Verdammt! Harry!“

Sie warf einen kurzen Blick zu Ron, doch dieser war fassungslos bereits vor gestürzt, neben seine Schwester, und schien nicht verstehen zu wollen.

Auch Hermine wollte nicht verstehen. Alles in ihr, jede einzelne Faser ihres Körpers, sträubte sich gegen die Befürchtung, die sich in ihr auftürmte. Langsam nur, widerwillig, trat sie vor, den Blick überall und nirgends. Im Augenwinkel machte sie einen weiteren Körper aus, blass, groß und dürr, in einen schwarzen Umhang gehüllt und merkwürdig verrenkt, doch eigentlich sah sie Voldemort gar nicht. Sie sah nur Harry und hoffte, dass es noch nicht zu spät war, obwohl ihr ihr Herz etwas anderes sagte. Doch ihr Herz war nicht ihr Verstand und solange ihr Verstand ihr ihre Vermutung nicht bestätigte, war es für sie nur eine Vermutung, der es auf den Grund zu gehen galt -

Dann sah sie ihn ganz, Harrys Körper, nur Ron und Ginny befanden sich noch zwischen ihr und ihm und dann erkannte auch ihr Verstand, was ihr Herz bereits wusste.

Harrys Gesicht war zu einer irritierten Grimasse verzerrt, der Mund vor Schreck noch geöffnet und die Augen weit aufgerissen und ins Leere blickend.

Kraftlos sank sie auf die Knie, irgendwo an Rons Seite. Er legte seine Hand auf die ihre, doch sie spürte es kaum.

Es war vorbei. Das finale Duell war beendet.

Doch es gab keinen Gewinner.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sitamun
2009-02-21T14:35:20+00:00 21.02.2009 15:35
Das ist doch mal .... was anderes, eindeutig.
Ich hab ja mit einigem gerechnet, aber mit Harrys Tod - vorausgesetzt, es i s t Harry, auch wenn ich so meine Zweifel habe, dass ein Verwandlungszauber nach dem Tod noch wirkt; stellt sich nur die Frage, warum er sich selbst verwandelt haben sollte ... und wenn er es nicht war, wer war's dann? Na, egal. Es ist Harry, basta! - hab ich nicht gerechnet ... weiß nicht, warum Oo.
Wäre doch irgendwie ... ich weiß nicht ...
Aber es ist nichtsdestotrotz ein tolles Kapitel, ich mag es^^.
Besonders die Stelle, bei der Darius auf Malfoy betrifft - bzw umgekehrt. DIE ist einfach genial *lach* ...

... aber ... mmmh~ ... wenn jetzt nur noch der Prolog folgt, das endgültige Ende .... mmmh~² .... irgendwie ... schade .__.


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