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Zodiac

∼ Die etwas andere Art der Rache ∼ KaibaxWheeler
von

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W(a)agemut

Titel: Zodiac – Die etwas andere Art der Rache

Serie: Yu-Gi-Oh!

Pairing: KaibaxWheeler

Disclaimer: Yu-Gi-Oh! gehört beileibe nicht mir und ebenso wenig verdiene ich Geld hiermit.
 

Wa(a)gemut
 

Ich schätze, jeder Mensch hat in seinem Leben Tage, an denen er sich fragt, warum er morgens nicht einfach das Klingeln des Weckers ignoriert hat, und voller Trotz im Bett geblieben ist. Ich für meinen Teil frage mich dies eigentlich jeden zweiten Schultag und es erstaunt mich sicherlich genauso wie die Lehrer, dass ich trotzdem in ermüdender Regelmäßigkeit zum Unterricht erscheine. Wenn auch in sieben von zehn Fällen mit deutlicher Verspätung. Aber hey, die Pädagogen können sich freuen, dass ich überhaupt komme. Rein theoretisch könnte ich auch einfach zuhause bleiben. Jedoch lassen meine Zukunftswünsche das nicht wirklich zu.
 

Außerdem bezweifle ich, dass meine derzeitigen Noten eine weitere Verschlechterung unbeschadet überstehen können. Ich befinde mich in einer ersten Lage.
 

Diese Tatsache war sicherlich auch der Grund, warum ich momentan in einem unmöglich kalten Informatikraum auf einem noch unmöglicherem kalten Stuhl vor mich hinzitterte (es war Winter und die Schule sah es einfach nicht ein, die Klimaanlage für die Computer auszuschalten!) und versuchte, etwas von dem, was unser geschätzter Informatiklehrer dort an der Tafel zu erklären suchte, zu verstehen. Ich war bemüht meine Zähne nicht so laut klappern zu lassen, dass ich wohlmöglich seine Worte nicht mehr hören konnte und starrte mit beinahe schon seltsamer Faszination an das Schema, welches an der Tafel prangte. Versuchte, es zu begreifen. Erfolglos.
 

Meine Haltung sank in einer unvermeidbaren Reaktion in sich zusammen.
 

Warum hatte ich dieses Fach noch mal gewählt? Weil ich dachte, dass es cool sei? Das war es ja auch – im wahrsten Sinne des Wortes. (So wie ich hier jede Stunde fror.) Weil ich Yugi und besonders Téa beweisen wollte, dass ich auch etwas ohne ihre Hilfe schaffte?
 

Hier hatte ich mein Resultat: Téa hatte Recht.

Informatik war zu hoch für mich. Ich wusste vielleicht, wie man einen Computer anschaltete, begriff, wie man im Internet surfte, doch ein Programm programmieren? Nein, dieses Wunder war einem Joey Wheeler offenbar vorenthalten. Genauso, wie die seltene Gabe, das System der Mathematik zu verstehen, doch unterschieden sich diese beiden Künste nicht drastisch voneinander. Beides hatte mit flexibeler Logik zu tun und die besaß ich nun mal leider nicht.
 

Ratlos starrte ich auf den leicht flimmernden Bildschirm vor mir, in einem aussichtslosen Versuch, das Gerät dazu zu bringen - durch meine Blicke angestachelt - das Problem von selbst zu lösen.

Nachdem etliche Minuten verstrichen waren, die Schulstunde sich immer weiter ihrem Ende zuneigte und die Zeit, die ich zum Lösen der Aufgabe hatte, immer drastischer abnimmt, hob ich schließlich die Hand und ließ meinen Zeigefinger in einem letzten verzweifelten Aufbäumen meines Überlebenswillens auf das Enter niederfahren.
 

Ein Fenster öffnete sich auf dem Bildschirm, gepaart mit einem roten Warnsignal und ich erbleichte.

Hastig zog ich meine Hand zurück, starrte mit schreckensgeweiteten Augen auf die Nachricht, die mir mitteilte, dass sämtliche Informationen von der Festplatte soeben gelöscht wurden.
 

Ich blinzelte, schüttelte ungläubig den Kopf und schluckte schwer.
 

Das durfte jetzt nicht war sein! Ich hatte doch nur eine gottverdammte Taste gedrückt, wie konnte ich da bitte die Festplatte löschen?! War das der Fluch, der auf einem Joey Wheeler - wie ich es war - zu liegen schien, seit ich denken konnte? Oder war es einfach meine elende Unfähigkeit?
 

Als der Bildschirm vor mir sich nach und nach verdunkelte und die Nachricht zusammen mit meinen bisherigen Ergebnissen verblasste, ließ ich meinen Kopf kraftlos nach hinten fallen.
 

Warum immer ich?
 

oOo
 

Ein Wheeler zu sein, bedeutete offenbar von einem Fluchg verfolgt zu werden. Ich sollte mich damit abfinden.
 

Ich konnte froh sein, dass ich noch nicht zum Nachsitzen verdonnert wurde, angesichts meines kleinen Missgeschicks. Doch ich wurde auch nicht, wie bereits befürchtet, aus dem Raum geschmissen. Stattdessen saß ich nun vor Kaibas Rechner und starrte auf dieselbe Aufgabe, wie noch vor wenigen Minuten, einige Plätze weiter rechts.
 

Das man mich überhaupt noch an einen Rechner ließ war schon ein Wunder …
 

Zu meinem Glück war der reiche Pinkel heute nicht da, sonst hätte ich mir spätestens als klar wurde, dass mein Rechner nicht mehr zu retten war, wieder spöttische Kommentare seinerseits anhören können. Darauf konnte ich getrost verzichten! Doch Fortuna war mir offenbar heute in dieser Hinsicht gnädig gestimmt, denn Kaiba fehlte bereits den ganzen Vormittag. Hatte wahrscheinlich wieder einen nicht zu verschiebenden Termin von höchster Priorität, wie er es immer so schon beschrieb. Tze, von so hoher Priorität konnten die auch nicht sein. Immer musste er sich mit seiner Firma und dem ganzen Drumherum so furchtbar aufspielen. Als würde es alle interessieren, dass er ein so reicher, so toller was-weiß-ich-was war!
 

Gut, wen, abgesehen von sämtlichen Mädchen an dieser Schule. Und vielleicht auch einigen Jungen. Okay, wen, abgesehen von allen anderen, würde es schon interessieren?

Mich ganz sicher nicht!
 

Ich schweifte ab.
 

Mein Blick richtete sich auf das Programm vor mir und ich gab rasch einige Befehlsfetzen in die angewählte Zeile ein, bevor ich nach einigem Zögern erneut auf Enter drückte.
 

Nichts geschah.

Ich knurrte leise. Mal wieder typisch. Warum sollte zur Abwechslung auch mal etwas klappen?
 

Ein Fenster öffnete sich auf dem Desktop und ich zuckte verschreckt zurück, hatte ich doch mit solchen Dingen noch vor wenigen Minuten äußerst schlechte Erfahrung gemacht. Doch kaum hatten meine Augen die Zeilen vor mir überflogen, änderte ich die Richtung meiner Bewegung und beugte mich ungläubig vor, starrte mit großen Augen auf den Bildschirm.
 

Nee, oder? Nicht ernsthaft!
 

Tageshoroskop – Skorpion 24.10 - 22.11
 

Ich blinzelte. Einmal, zweimal, doch das Bild blieb dasselbe. Ich hob die Hand und rieb mir über die Augen, doch als ich sie wieder sinken ließ, befanden sich die Zeilen noch immer dort, wo sie vorher waren. Nicht möglich! Ich musste mich irren, andernfalls war mein gesamtes Weltbild im Eimer!
 

In Zeiten von Jupiter ist fast alles möglich. Erfolge sind vorprogrammiert, wenn Ihr Selbstvertrauen und

Ihre Selbsteinschätzung im richtigen Mischungsverhältnis bleiben. Risiken können eine fast atemberaubende Dynamik entwickeln und direkt zum Olymp des Erfolges führen. Kein Planet fördert die Expansion so, wie Jupiter. Kein anderer kann aber auch so sehr zur Ich-Bezügen und Überheblichkeit, die bekanntlich vor dem Fall kommt, animieren. Doch sind Sie als Skorpion von Haus aus mit einer guten Selbstwahrnehmung gesegnet. Nutzen Sie sie.
 

Ich warf einen Blick über meine Schulter und sah mich verstohlen in der Klasse um. Alle waren mit der gegebenen Aufgabe beschäftigt. Niemand hatte bemerkt, welche schwerwiegende Entdeckung ich soeben gemacht hatte.

Schnell wandte ich mich wieder dem Bildschirm zu, wollte nicht unnötige Aufmerksamkeit auf mich ziehen und starrte wiederholt gebannt auf die Zeilen vor mir.
 

Dass derart simple Sätze einmal eine derartige Faszination auf mich ausüben würde, hätte ich mein Lebtag nicht erwartet.

Ich konnte noch immer nicht fassen, was sich mir soeben offenbart hatte und in einer kraftlosen Reaktion der Überforderung, stützte ich mein Gesicht auf meiner Hand ab.
 

Informationen schossen durch meinen Kopf, wollten sich zunächst nicht zusammenfügen, doch mit einem inneren Anstoß meinerseits zwang ich sie dazu, die unglaubliche Erkenntnis zu formen. Und so unglaublich sie klang, so sehr sie mein Weltbild erschütterte, hinderte es das Grinsen nicht daran, sich auf meinem Gesicht auszubreiten.
 

Wenn ich mich nicht irrte – und davon ging ich nicht aus – war der unangreifbare Kaiba, der unerschütterliche, furchtbar rationale Seto Kaiba, ein Horoskopleser. Unglaublich. Genial!
 

Wie ich darauf kam?
 

Nun, dieser Computer war unter den Schülern – insbesondere unter den Mädchen, die natürlich alles über ihn wussten und so weiter und so fort - bekannt als Schulischer Kaiba-Computer™. Auch wenn er für alle Schüler zugänglich war, niemand wagte sich an dieses Gerät, aus Furcht, von Kaiba zurecht gewiesen zu werden, was - wenn man mich fragte, jedoch leider nicht wirklich tat - der größte Schwachsinn überhaupt war.
 

Es lag einfach an Kaibas Ausstrahlung, dass niemand es wagte, sich den Dingen zu nähern, die er berührt hatte, aus Angst zu Eis zu erstarren oder sonst etwas Furchtbares zu erleiden. Darum hatten mich vorhin auch verstohlenen Seitenblicke getroffen, als ich kurzum vor „Kaibas“ Computer gesetzt wurde.
 

Dennoch, alles bloßer Humbug. Übertreibung. Hörensagen.
 

Warum hatten alle so einen verdammten Respekt vor Kaiba? Gut, er hatte Geld, er hatte Macht, aber sonst? Okay, dummer Formulierung, aber in meinen Augen war dies nichts, was ihn zu einem besseren Menschen machte, als ich es war. Gut, vielleicht weil ich nicht zu der Sorte Mensch gehörte, die zu denen mit Geld und Macht aufblickten – ich verachtete solche Geldsäcke schlichtweg. Darum auch mein Hass auf diesen versnobten Kaiba!
 

Alles was er anfasste war in meinen Augen nicht heilig, ich lebte eher in der Angst, dass diese Dinge mich unvermittelt attackierten. Ich traute Kaiba nämlich alles zu. Sogar, dass er womöglich aus seinem Stuhl eine mörderische Töte Joey Wheeler-Waffe anfertigte. Vielleicht klang das ein wenig paranoid – gut, es klang weitaus mehr, als nur ein wenig paranoid – aber angesichts der heftigen Auseinandersetzungen, die wir bereits hinter uns hatten, war diese Paranoia durchaus berechtigt.
 

Um zurück zu meiner These zu kommen: Es konnte schlichtweg niemand anderes als Kaiba sein, der das Horoskop las, da niemand sonst, der vom Sternzeichen her Skorpion war, diesen Rechner benutzte. Es bestünde natürlich noch die Möglichkeit, dass sich jemand doch an diesen Computer geschlichen hatte, um gerade eben heimlich ein Horoskop zu lesen und allen Verdacht von sich zu weisen ...
 

Ich musste mit Yugi reden! Sofort!
 

Als hätte Fortuna mich heute endlich einmal im positiven Sinne erhört, erklang in diesem Moment die Schulglocke. Normalerweise hätte sie mich wenig ermutigt, stand mir doch noch eine zweite Stunde in diesem Raum bevor – es lebten die Doppelstunden – doch nun sprang ich wie von der Tarantel gestochen auf und jagte wie ein Blitz durch die Klasse, aus dem Raum.
 

Yugi und die anderen hatten Englisch Literatur gewählt – ein Fach, das mir nicht im Entferntesten in den Sinn gekommen wäre. Die Tür zur Klasse stand offen – es war ja immerhin Pause. Ich betrat den Raum.
 

„Hey Leute.“
 

„Joey, wie läuft’s?“ Yugi hatte aufgesehen und auch Téa und Tristan blickten zu mir. Sie standen neben Yugis Platz, hatten sich offenbar bis eben unterhalten. Ich gesellte mich zu ihnen.
 

Mit einem typischen Joeygrinsen erzählte ich ihnen von dem Zwischenfall mit meinem Computer und meiner Umsetzung auf Kaibas Platz.
 

Yugi musterte mich besorgt. „Du hast den anderen Rechner doch noch heile gelassen oder?“
 

Ich winkte lässig ab. „Klar. Ich möchte ja nicht wissen, wie unser Goldjunge Kaiba reagiert, wenn er spitz kriegen würde, dass ich seinen geheiligten Schulcomputer ruiniert habe. Wie kann man sich nur derart in etwas reinsteigern, wo er doch bei sich in seiner Firma oder bei sich zuhause sicher Massen von weitaus besseren Computern hat?!“
 

„Du weißt doch, wie er ist“, warf Téa ein.
 

„Ja, leider.“
 

„Aber der Computer hat dich offenbar nicht zerfleischt. Und dein Gesicht wurde dir auch nicht weggesaugt“, meinte Tristan mit einem Grinsen. Ich starrte ihn perplex an, doch er fuhr bereits fort. „Soviel zu den Horrorgeschichten, die sich um den Kaiba-Computer ranken. Ich hab da schon viel schlimmerer gehört, aber das“ – er musterte mich von oben bis unten – „ist offenbar auch nicht eingetreten. Es sei denn - du bist nicht zufällig impotent?“
 

Yugi und Téa fingen an zu kichern, während ich rot anlief.
 

„Was soll das denn bitte heißen?!“, fuhr ich Tristan ungehalten an, packte ihn grob am Kragen und zog ihn ruckartig zu mir. „Kannst du mir mal sagen, wieso du meine Potenz anzweifelst?!“
 

Der Lärmpegel im Raum sank so schnell, wie der Wasserstand im Hochsommer. Ich spürte die verwunderten Blicke, die auf mir ruhten. Langsam ließ ich Tristan los, der sich mit einem verlegenen Husten den Kragen richtete.
 

Ich strich mir fahrig durch die unzähmbaren Haare. „Äh, lasst euch nicht stören, wir proben nur für ein Theaterstück. Ist noch in Bearbeitung, von einer neuen AG, die es auch noch nicht lange gibt – eigentlich ist sie auch noch in der Entstehung. Es geht dort um ... Probleme im Leben und wie man sie bewältigt.“
 

Ich bekam aus den Augenwinkeln mit wie Yugi, Tristan und Téa sich Stück für Stück weiter von mir entfernten. Na herrlich. Da hatte ich mich ja wunderbar in die Scheiße geritten.
 

Ich wollte am liebsten schreien oder im Boden versinken. Oder noch besser, Kaibas Computer aus dem Fenster werfen! Doch das durfte ich ja nicht. Sonst müsste ich ihn wahrscheinlich noch bezahlen. Denn die Ausrede, dass der Computer mir rein zufällig aus dem Fenster des dritten Stocks gefallen war zog sicher nicht. Schade.
 

Die noch immer argwöhnischen Blicke und das Getuschel meiner Mitschüler ignorierend, machte ich einen Schritt auf Yugi zu, in Gedanken schon wieder bei dem eigentlichen Ziel meines Besuchs, bei ihm.
 

„Du Yugi, sag mal Alter, wie viele in unserer Klassenstufe sind eigentlich Skorpione?“
 

Er blickte mich verwirrt an. „Skorpione? Vom Sternzeichen her?“
 

„Gott, Joey, warum kommst du ausgerechnet jetzt mit so einer Frage?“ Das war Tristan. Den würde ich mir bei Gelegenheit noch zur Brust nehmen.
 

„Hm, in den anderen Klassen? Minamoto ist glaube ich Skorpion, soweit ich weiß“, meinte Téa nachdenklich. „Ansonsten ...", sie zuckte mit den Schultern, „Skorpione sind sehr selten. In den unteren Klassen gibt es, soweit ich weiß mehr als bei uns. Aber ansonsten fällt mir nur Kaiba ein. Ja, ich glaube das waren wirklich alle. Aber warum willst du das wissen?“
 

„War Minamoto jemals hier in unserem Informatikraum?“
 

„Nein, er hat japanische Geschichte belegt.“
 

Ich war in meiner Vermutung mehr als nur bestätigt. Dieses Horoskop musste einfach zu Kaiba gehören. Ein Plan keimte in mir auf. Ein sehr sehr fieser Plan. Ein Plan, der Kaiba all das zurückzahlen lassen würde, was er mir je angetan hatte!
 

„Ähm ... Joey? Dein Grinsen ist unheimlich. Was ist denn so wichtig an den Skorpionen?“ Téa musterte mich aufmerksam.
 

„Nichts. Sagt mal, kennt einer von euch sich gut mit Computern aus?“
 

Diese Frage schien sie zu verwirren. „Joey, wer von uns ist denn im Informatikunterricht?“
 

„Nein, genau darum geht es mir doch. Ich brauche jemanden, der sich gut mir Computern auskennt, um mir zu helfen.“
 

Sie überlegten. Tristan kam als erster zu einer Lösung. „Ich glaube Duke war nicht schlecht auf diesem Gebiet. Darum hat er ja auch den Wirtschaftskurs genommen. Du könntest mit ihm reden.“
 

„Echt? Okay, danke Tristan.“ Zumindest verspürte ich jetzt nicht mehr den Drang, ihn zu erwürgen. Das hatte er gut gemacht. „Na bitte, damit hätten sich meine Fragen auch schon geklärt.“
 

Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Die Fragen meiner Freunde ignorierte ich. Ein Grinsen lag auf meinen Lippen. Vorfreude erfüllte mich. Kaiba, dieses Mal würdest du es sein, der vorgeführt würde. Diesmal, würde ich am Ende als letzter lachen, verlass dich drauf. Und wie zur Bestätigung lachte ich leise.
 

Mochten die Spiele beginnen!

S(kor)pionage

S(kor)pionage
 

„Also echt, Joey, ich könnte mir weitaus besseres vorstellen, als hier zu sitzen.“

„Bitte Duke, tu mir diesen Gefallen.“

„Ich müsste meine Wirtschaftshausaufgaben erledigen.“

„Das kannst du nachher doch genauso gut.“

„Ich verstehe nicht, wieso du meine Hilfe brauchst. Hast du nicht noch vor einer Woche noch große Reden geschwungen, dass Informatik kein Problem für dich sein würde?“

„Jeder kann sich irren.“

„Bist du krank?“

„Nö, wieso?“

„Solche Worte aus deinem Mund?“

„Ja und?“

„Vergiss es.“
 

Unsere Stimmen vermengten sich mit den wenigen Geräuschen im Café. Außer uns waren nur vereinzelte Leute da. Ein Glück, jedoch auch nicht weiter verwunderlich. Die Schule war kaum beendet, die meisten Schüler saßen nun Zuhause an ihren Hausaufgaben oder arbeiteten heimlich irgendwo, um sich etwas nebenher zu verdienen. (Warum sprach man ein Verbot für Nebenjobs aus, wenn sich ohnehin drei Viertel der Schule nicht an dieses Gebot hielten?)
 

Ich wurde allmählich unruhig, da ich merkte, dass Duke mehr als nur unmotiviert war. Dabei brauchte ich ihn doch! Ohne ihn war ich mit meinem Plan aufgeschmissen. Ich beschloss, zu meiner Geheimwaffe zu greifen. Es würde wehtun, doch ich war bereit, alles zu opfern.
 

„Hör mal, Duke ... wenn du mir hierbei hilfst, dann hast du mein Einverständnis mit Serenity auszugehen.“

„Ja?!“
 

Ich hatte ihn. Zu einem hohen Preis, aber das war es mir wert.
 

„Ja.“

„Und du meinst es auch ernst?“
 

Herrgott, jetzt wurde er auch noch misstrauisch. Zählte das altbewährte Wheelerwort denn überhaupt nichts mehr?
 

„Sicher meine ich es ernst. Sehe ich für dich aus, als würde ich scherzen?“

„Nein ...“

„Na siehst du. Hilfst du mir jetzt?“

„Wenn’s sein muss.“
 

Ach nee, jetzt ließ er wieder den unbeteiligten raushängen? Dabei hab ich das gierige Funkeln in seinen Augen genau sehen können! Glaubte der echt, mich für dumm verkaufen zu können? Kaiba konnte das vielleicht, aber er nicht. Soweit käme es noch.
 

„Duke.“

„Was?“

„Ernsthaft.“

„Ist ja gut.“
 

Na endlich, hatte ja auch lange genug gedauert. Jetzt stand meinem Plan nichts mehr im Weg. Kaiba, nimm dich in Acht, Joey Wheeler wird dich mehr als nur kalt erwischen!
 

„Also, worum genau geht es?“
 

Ich hatte lange überlegt, was ich ihm sagen wollte. Letztendlich war ich zu dem Schluss gekommen, dass er es mir unmöglich glauben würde, wenn ich ihm erzählten würde, dass ich für die Schule üben wollte. Joey Wheeler übte so gut wie nie (nur dann, wenn er mit Tristan um einen Burger bei Brugerworld wettete), meine Worte würden ihn folglich mehr als nur ein wenig misstrauisch werden lassern.
 

Darum hatte ich beschlossen, ihm eine abgewandelte Form der tatsächlichen Wahrheit zu erzählen. Nicht alles, auch nicht den korrekten Wortlaut, aber die Grobfassung mit leichter Abweichung.
 

„Weißt du, ich habe da etwas Interessantes entdeckt. Über eine Person, die ich gut kenne und der ich schon immer eins auswischen wollte.“

„Also über Kaiba.“
 

Mist. Soviel zu der Grobfassung. War ich so leicht zu durchschauen?
 

„Okay, ja, über Kaiba. Und diese Sache, die ich entdeckt habe, ist ziemlich nützlich für mich. Allerdings liegt sie auf seinem Rechner in die Schule und ich wollte dich fragen ... ist es möglich von außerhalb Zugriff auf Kaibas Schulrechner zu bekommen?“
 

Er starrte mich an, als hätte er mich noch nie in seinem Leben gesehen.
 

„Äh Duke? Alles in Ordnung mit dir, Alter?“

„Joey, bist das du?“

„Äh ... ja?“
 

Was hatte er denn? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, Unglauben und beiahe schon Panik in seinem Blick sehen zu können.
 

„Da kamen gerade Worte aus deinem Mund, mit denen ich nie in meinem Leben gerechnet hätte.“
 

War das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung? Ich entschied mich spontan für letzteres.
 

„Na schönen Dank auch. Ich meine es ernst.“
 

Er fuhr sich in einer überforderten Geste durchs Haar. „Mit anderen Worten, du willst, dass ich mich in Kaibas Schulcomputer einhacke oder dir zumindest zeige, wie es geht?“
 

Meine Miene hellte sich merklich auf. „Genau.“

„Bist du irre?“

„He, vergiss nicht, mit wem du hier sprichst.“

„Offenbar mit einem Verrückten.“

„Hey, habe ich dich als ‚machtbesessenen Mistkerl’ bezeichnet, als du mich damals in das Hundekostüm gesteckt hast?“

„Ja.“

„Oh, ich dachte ich hätte dich nur einen ‚miesen, elenden Betrüger’ genannt?“

„Davon wusste ich nichts.“

„Ups.“
 

Soviel zu meiner großen Klappe.
 

„Vergiss meine letzten Worte einfach.“

„Das werde ich.“
 

Verdammt. Meine Erfolgsquote sank von Sekunde zu Sekunde mehr.
 

„Komm schon Duke, das ganze ist mir extrem wichtig. Das ist die Chance, Kaiba endlich das zurückzuzahlen, was er mir alles angetan hat!“

„Ist gut, ich helfe dir.“

„Danke Duke, du bist der netteste, aufopferungsvollste, verständnisvollste –“

„Aber nur unter der Bedingung, dass du mir sagst, worum es geht.“
 

Ich verstummte. Mit einer solchen Bedingung hatte ich nicht gerechnet. Damit hatte er mich kalt erwischt.
 

„Also, ich weiß nicht, Duke. Ich wollte eigentlich ...“

„Keine Infos, kein Deal.“

„Ach komm schon, jetzt hab dich nicht so.“

„Nein.“

„Du~uke.“

„Hör mit diesem Jammertonfall auf. Das Winseln hält ja keiner aus.“

„Du hörst dich ja schon genauso an, wie Kaiba. Scheußlich.“

„Joey.“

„Was?!“

„Sag es oder ich gehe sofort.“
 

Er machte Anstalten, sich zu erheben. Panisch klammerte ich mich an seinen Arm.
 

„He, he, he, Duke, alter Kumpel, bleib doch noch ein bisschen. Ich glaube es wird Zeit, dass Onkel Joey dir eine nette kleine Geschichte erzählt.“

„Na bitte.“
 

Stockend berichtete ich ihm schließlich von meiner Entdeckung. Sein Gesichtsaudruck wechselte von Verblüffen, zu Unglauben und schließlich zu absoluter Fassungslosigkeit.
 

„Ich fass es nicht. Kaiba glaubt an Horoskope?!“
 

Ich schüttelte den Kopf. „Das wissen wir eben nicht. Alles was ziemlich sicher scheint, ist, dass er sie zumindest liest. Ob er sie auch befolgt, kann ich nicht sagen.“

„Aber du hast es doch gelesen. Stand da nicht etwas drin, was zu seinem Verhalten gepasst haben könnte.“

„Nein. Es ging hauptsächlich um die Sterne und seine derzeitige Verfassung. Außerdem war er doch heute überhaupt nicht in der Schule.“

„Und was hast du vor?“
 

Ich fasste mir nachdenklich an die Stirn. „Na ja, als erstes, wollte ich mir Zugriff auf seinen Rechner verschaffen – deshalb habe ich mich an dich gewandt – und danach wollte ich versuchen, sein Horoskop zu manipulieren. Wenn er wirklich daran glaubt“ – ein breites Grinsen erschien auf meinen Zügen – „dann kann ich endlich Rache an ihm nehmen. Ich würde ihn so vorführen, dass er hinterher nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.“
 

Duke schüttelte ebenfalls grinsend den Kopf, „Typisch Joey, echt. Nur jemand wie du kommt auf so eine haarsträubende Idee. Es ist praktisch unmöglich, ihn so zu beeinflussen, wie du das willst. Alleine diese Vorstellung: Kaiba als fanatischer Gläubiger seines Horoskops. Unfassbar.“
 

„Aber die Beweise sprechen für sich!“, brauste ich auf. Duke sollte mir nicht meinen schönen Plan kaputt machen.
 

„Komm mal wieder runter Joey und betrachte das ganze mal etwas objektiver.“

„Wie?“

„Versuche einfach, deine Rachegefühle ein wenig im Zaum zu halten.“

„Ja ja, ist schon gut.“

„Okay, hast du es? Gut. Und jetzt hör mir zu. Ich wiederhole deinen ‚Plan’ noch einmal, und du sagst mir, was dir als erstes dazu einfällt. Allerdings ohne sofort an deine Rache zu denken.“

„Wenn du meinst.“

„Sehr schön. Also, dein Plan sieht wie folgt aus: Du hast vor, dich in den Schulserver zu hacken und dir Zugriff auf Kaibas Computer zu verschaffen. Als nächstes, willst du – wenn ich dich richtig verstanden habe – sein Horoskop manipulieren um zu testen, ob Kaiba tatsächlich daran glaubt und wenn das – Gott bewahre mein Weltbild – wirklich so sein sollte, hast du vor, Kaiba frontal gegen die Wand laufen zu lassen.“

„Nein, ich wollte ihn nur –“

„Das war eine Metapher Joey. Ich meine nicht, dass du ihn wirklich gegen einen Wand laufen lassen willst. Du willst ihn bloßstellen, blamieren, vorführen oder wie man es sonst noch nennen kann.“

„Genau.“

„Gut, soweit so gut. Was sagst du dazu?“

„Ich finde diesen Plan genial.“

„Du ... du glaubst echt daran?!“

„Das ist mit Abstand die beste Idee, die ich je hatte. Kaiba bloß zu stellen, ohne dass er es merkt. Ich bin ein Genie.“

„He, Mister Kaibabezwinger, komm mal wieder runter auf den Boden der Realität.“

„Ich bin unten.“

„Das bezweifle ich aber.“

„Ach komm schon Duke, denk doch mal nach.“

„Ich habe die letzten Minuten mehr als nur nachgedacht und bin zu folgendem Schluss gekommen: Vergiss es. Vergiss diesen ‚Plan’ ganz schnell wieder, da kann nichts Gutes bei raus kommen. Alleine der Gedanke. Joey, glaubst du echt, Kaiba ist so blind und merkt nicht, dass jemand seine Dateien manipuliert?“

„Nicht, wenn du es richtig und gut machst.“

„Aber Kaiba ist die Person für Computer überhaupt! Sein Job ist es, Programme zu entwickeln, Hardware, Software und was weiß ich nicht alles. Der bemerkt es!“

„Aber du bist nach ihm der Beste. Wahrscheinlich bist du nicht einmal schlechter als er. Was meinst du, warum ich mit dir darüber rede?“

„Verdammt Joey, du willst dich in den Server der Schule hacken!“

„Falsch, du wirst dich in den Server der Schule hacken.“

„Vergiss das mal ganz schnell wieder. Ohne mich.“

„Du bekommst freies Feld bei Serenity.“

„Was?!“

„Ich werde dich nicht aufhalten, wenn du mit ihr ausgehen willst. Ich leihe euch sogar meinen Wagen – wenn ihr euch ganz dünn macht, könntet ihr zwei vielleicht gleichzeitig reinpassen. Und ich müsste ihn vorher reparieren lassen, er fährt nämlich nicht mehr. Wenn du willst, bezahlte ich euch auch die ersten drei Dates - meinetwegen auch die ersten fünf, wenn ich eine Extraschicht schiebe - und wenn du mit ihr zusammen sein willst – sofern sie einverstanden ist – habt ihr meinen vollen Segen.“

„Äh ...“

„Ich bitte dich Duke, tu mir diesen Gefallen und hilf mir. Versuch es wenigstens.“

„Ich weiß nicht.“

„Wenn wir das schaffen, wenn wir Kaiba tatsächlich bloßstellen, dann arbeite ich eine Woche lang umsonst bei dir im Spielladen.“

„Also wirklich, Joey ...“

„Oder ich mache eine Woche lang deine Hausaufgaben.“

„Bloß nicht, da bin ich alleine besser bedient.“

„Verdammt, such dir was aus, aber hilf mir!“
 

Nun schien Duke wirklich erstaunt. Noch mehr als über meinen Plan. „Ist es dir echt so wichtig?“
 

„Himmel, sehe ich so aus, als würde mich das ganze kalt lassen?!“

„Nicht wirklich.“

„Da hast du es. Ich würde alles tun, nur um Kaiba seine Demütigungen zurückzuzahlen!“

„Joey, du überrascht mich.“
 

Nun war ich an der Reihe verwirrt zu blinzeln. Ich musste ein ziemlich verpeiltes Bild geboten haben, der er grinste mich unverschämt an.
 

„Okay, ich bin dabei. Aber wenn es beim ersten Versuch nicht klappt, dann hören wir sofort auf, klar? Dadurch machen wir uns strafbar, ich hoffe, das ist dir klar, und ich hab ehrlich gesagt keine Lust auf eine Fahndung.“

„Dann streng dich aber bitte an. Ich hab diesen Platz hier im Café nicht umsonst für mehrere Stunden frei gehalten, damit man es nicht zu uns zurückverfolgen kann.“

„He, du denkst ja richtig mit.“

„Stell dir vor Duke, das tue ich tatsächlich.“

„Na dann lass uns mal anfangen. Zum Glück hast du dich an mich gewandt. Ich kann zu Recht behaupten, dass ich im Bereich Computer mindestens auf Kaibas Niveau bin.“

„Ach, auf einmal siehst du das jetzt auch ein? Hat aber ganz schön lange gedauert. Jetzt prahl noch länger damit rum und die Zeit ist gleich um.“

„Kleiner Poet.“

„Denkste.“
 

Damit war unser Pakt geschlossen. Nun, vielleicht kein richtiger Pakt, aber ich hatte Duke als meinen Verbündeten gewonnen. Ich hatte den Plan, er die Ahnung. Okay, das mochte befremdlich klingen, zumal ich zum ersten Mal in meinem Leben einen wirklich brauchbaren Plan hatte und Duke mir dabei half, ihn zu verwirklichen. Offen gesagt, ohne ihn wäre ich restlos aufgeschmissen. Ich würde es nie schaffen, mich in den Schulserver zu hacken.
 

Es mochte trotzdem riskant sein, dieses Unterfangen aus einem Internetcafé, in dem wir uns derzeit befanden, zu starten, aber es war auch nicht unbedingt dumm. Somit konnte niemand der Wind davon bekam erfahren, um wen es sich bei den Hackern handelte. Schon wieder eine geniale Idee meinerseits. Ich blühte regelrecht auf.
 

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich Kaiba hatte!
 

oOo
 

„Verdammt, für eine Schule haben die aber eine solide Firewall.“

„Was nicht heißt, dass du die nicht knackst, oder?“

„...“

„Duke?“

„Ich weiß nicht.“
 

Na herrlich. Zwei Stunden saßen wir nun hier und Duke war noch immer nicht zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen. Dieses Unterfangen schien von Anfang an zum Scheitern verurteilt zu sein.
 

Ich konnte ihm dabei auch nicht helfen, er war auf sich gestellt. Meine Aufgabe war es, darauf zu achten, dass uns niemand beobachtete und im Fall der Fälle den Bildschirm vor neugierigen Blicken abzuschirmen. Denn die Zahlencodes, die darüber flackerten und Duke, der hin und wieder leise fluchte, erwiesen sich als Aufmerksamkeitsfänger.
 

„Schon irgendwas geschafft?“, raunte ich ihm aus dem Mundwinkel zu, lächelte danach eine junge Frau freundlich an, die argwöhnisch zu uns herüber blickte.
 

„Sehe ich deiner Meinung nach so aus, als hätte ich etwas geschafft?“, war die gereizte Antwort.
 

Da war jemand offenbar nicht in der Stimmung für Smalltalk. Herrlich, meinem Mitstreiter gingen schon die Nerven aus. Ein plötzliches, triumphierendes „ha!“ in meinem Rücken ließ mich jedoch augenblicklich wieder Hoffnung schöpfen. Ich wirbelte herum.
 

„Und?!“

„Ich bin drin.“

„Klasse!“
 

Ich war drauf und dran, ihm um den Hals zu fallen. Allerdings hätte diese Reaktion Platz für Spekulationen geschaffen und darauf war ich nicht wirklich erpicht. Stattdessen schnappte ich mir einen freien Stuhl und drängte mich dicht neben Duke.
 

„Zeig mal her.“

„Nicht so ungeduldig, jetzt muss ich noch Zugriff zu Kaibas Computer bekommen.“
 

Ich verzog meinen Mund. Na großartig, noch mehr Zeit. Mein Geld reichte kaum noch für eine weitere Stunde. Während Duke mit schnellen Fingern etwas auf der Tastatur eingab starrte ich benommen auf den Bildschirm. Innerlich malte ich mir bereits die größten Gemeinheiten aus, die ich Kaiba widerfahren lassen konnte.
 

Erst als Duke mich unsanft mit dem Ellbogen anstieß, kam ich wieder ganz zu mir. Ich reckte den Hals. „Ja, was ist?“
 

„Ich hab’s.“
 

Sofort war ich wieder hellwach. Begierig sah ich ihn an.
 

„Ja? Und? Und?!“

„Jetzt sei nicht so ungeduldig.“

„Duke, ich kann mit Mühe und Not diese Stunde noch bezahlen, danach wird es äußerst knapp“, knurrte ich missgestimmt. „Da ist es doch wohl nachvollziehbar, dass ich ein wenig ungeduldig bin, oder?!“

„Ja ja, ist gut.“
 

Der Typ nahm mich nicht ernst.
 

„Ich bin jetzt auf Kaibas Schulrechner. Wundert mich, dass er da keinen Zusatzschutz programmiert hat, ich hätte mit besseren Vorkehrungen gerechnet.“

„Tja, der Großkotz fühlt sich offenbar zu sicher.“

„Mag sein.“

„Und, was ist mit dem Horoskop?“
 

Ein Grinsen manifestierte sich auf seinen Lippen. Die Maus in seiner Hand machte einen raschen Schwenk nach rechts, er klickte zwei Mal.
 

„Bingo.“
 

Ich begann unwillkürlich zu strahlen.
 

„Du hattest Recht Joey, der gute Kaiba hat tatsächlich ein Horoskop. Ich fasse es nicht. Wenn ich das hier richtig sehe, ist das ein Abonnement. Der Typ bekommt alle paar Tage sein Horoskop zugeschickt.“
 

Ich hätte vor unterdrückter Freude platzen können. Volltreffer!
 

„Joey“, richtete Duke sich wieder an mich, während sein Blick auf dem Bildschirm ruhte, er einige Dateien durchsuchte, „wann habt ihr immer Informatik? Wann sitzt Kaiba an seinem Rechner in der Schule?“
 

Ich überlegte nicht lange. „Weil es unser Wahlfach ist, haben wir vier Stunden die Woche, aber das weißt du ja. Eine montags, die Doppelstunde heute, also donnerstags und morgen haben wir die vierte. Dein Kurs liegt etwas anders oder?“
 

Duke nickte abwesend. In seinen Augen spiegelte sich das Lichts des Bildschirms wider. „Das passt. Genau an diesen Tagen bekommt er sein Horoskop zugeschickt. Ein weiterer Beweis für deine Theorie. Dieses Abo kann nur zu Kaiba gehören. Warum er allerdings so leichtsinnig ist, es sich ausgerechnet auf seinen Schulrechner schicken zu lassen ...“
 

„Vielleicht befürchtet er ja, dass es bei ihm in der Firma eher entdeckt werden kann. Was weiß ich, was er dort für einen Rechner hat. Vielleicht will er den auch nicht mit einem Horoskop ‚beschmutzen’. Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Wichtig ist, dass wir es jetzt sicher wissen.“
 

Duke wandte den Kopf uns sah mich an. In seinen Augen lag eindeutig Tatendrang. Offenbar hatte ich ihn angesteckt. Unglaublich, dass ich mich ausgerechnet mit ihm zusammengetan hatte ...
 

„Und jetzt?“
 

Seine Frage riss mich aus den Gedanken. Mein Grinsen kehrte zurück, um einiges unheilvoller als zuvor.
 

„Jetzt, mein lieber Duke, werden wir einen Weg finden, dieses Abo zu kündigen – ohne das Kaiba es merkt - und ihm anschließend ein selbst gemachtes von uns zu verpassen, damit wir ab sofort sein Horoskop verfassen können.“

„Hast du denn eine Ahnung von Horoskopen?“
 

Jetzt konnte ich trumpfen. Ich hob meine Schultasche. Schnell ließ ich meine Hand in ihr verschwinden und griff nach einem Buch. Triumphierend hielt ich es ihm vor die Nase. „Dieses Schätzchen hab ich aus der Schulbibliothek.“
 

Duke betrachtete es überrascht und nahm es mir aus der Hand, schlug es wahllos auf, überflog einige Zeilen. „Unsere Bibliothek hat solche Bücher?“ Er hob den Blick und musterte mich skeptisch. „Du hast einen Bücherreichausweis?“

„Nö. Den hab ich mir in der Pause von Téa geliehen.“

„Hätte mich auch überrascht.“
 

Ich überging diesen Kommentar geflissentlich. Die Zeit wurde allmählich knapp. „Weißt du, ich hab in Mathe mal einige Seiten gelesen“ – ich ignorierte Dukes fassungslosen Blick (warum war es so abwegig, dass ich auch mal ein Buch las?!) und fuhr unbeirrt fort – „und ich glaube ich weiß in etwa, wie das abläuft. Wie steht’s mit dir?“
 

Er zuckte die Achseln. „Wenn man Mädchen beeindrucken will braucht man schon eine ungefähre Ahnung von Horoskopen, die glauben doch fast alle daran. Darum hab ich schon einige Zeitschriften mit Horoskopen gelesen.“
 

Um ehrlich zu sein überraschte es mich bei Duke nicht. Mit Schrecken wurde ich mir wieder der Tatsache bewusst, dass ich ihm für meine Schwester und ihn meinen Segen versprochen hatte. Mein Magen drehte sich um. Um mich davon abzulenken, richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm. „Was meinst du Duke, schaffst du es, dieses Abo verschwinden zu lassen und durch ein gefälschtes zu ersetzen.“
 

Er warf mir einen Blick von der Seite her zu. „Willst du mich beleidigen? Im Gegensatz zu meinem Hacken von eben ist das ein Kinderspiel.“

Ich knurrte. „War ja nur eine Frage.“

„Gib mir zwei Minuten.“

„Was, zwei? Du brauchst nur zwei Minuten?!“

Er sah mich schief an. „Soll ich mir extra Zeit lassen oder jeden einzelnen Schritt kommentieren?“

„Verdammt nein, jetzt mach schon.“
 

In den folgenden zwei Minuten fragte ich mich, warum ich das Fach Informatik belegt hatte. Duke erklärte zwar hin und wieder einige seiner Handlungen doch folgen konnte ich ihm mit seiner Computer-Fachsprache so gut wie gar nicht. Darum war ich letztendlich auch nicht viel schlauer, als er mir stolz sein gefälschtes Abonnement für Kaibas Horoskop präsentierte.
 

Wie er es geschafft hatte, das alte zu kündigen war mir noch immer ein Rätsel.
 

„War ganz einfach“, versicherte er mir mit einer schrecklichen Kennermiene. „Wenn man das schon Jahre lang macht, dann ist es ein Kinderspiel.“
 

Ich befasste mich aber nicht seit Jahren mit Computern, ich besaß nicht soviel Geld wie er oder Kaiba, um mir jedes Jahr den neusten Computer vom Markt zu leisten. Bei mir reichte es für eine Büchse von vor drei Jahren, die mir die Ohren voll summte und einen Wackelkontakt hatte.
 

Ich schluckte diese Bemerkung, wollte ich Duke doch nicht vergraulen. Ich brauchte ihn – ohne ihn war mein Plan nutzlos.
 

„Jetzt ist das ganze wesentlich einfacher“, erklärte er mir geduldig. „Ich muss jetzt nur in diese Zeile die E-Mail Adresse eingeben, von der aus das Horoskop an den Schulrechner geschickt werden kann und dann ist es wirklich simpel. Keine Sorge, diesen Absender sieht man hinterher nicht mehr. Da es dein Plan war und deine Rachegedanken sind, nehme ich an, dass du von Zuhause aus das Horoskop verfassen willst, stimmt’s?“
 

Ich war überrascht wie Recht Duke hatte. Er hatte also auch mitgedacht? Guter Junge.
 

„Ja“, gab ich zu. „Das hatte ich vor. Und du kannst es echt so einstellen, dass ich von meinem Computer aus nur den Text eingeben muss und dann bekommt Kaiba das Horoskop?“

„Genau. Kluger Junge.“
 

Ich hätte vor Freude jubeln können.
 

„Duke, du bist ein Genie!“

„Ich weiß.“

„Was würde ich nur ohne dich tun.“

„Deinem unmöglichen Racheplan hinterher trauern.“

„Da hast du Recht.“

„Wie lautet deine Mail Adresse?“
 

oOo
 

Ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich würde es tatsächlich schaffen! Ich würde zum ersten Mal in meinem Leben Kaiba verlieren lassen. Er würde all seine hämischen Bemerkungen zurückgezahlt bekommen. Fortuna musste mich einfach lieben!
 

„Komm Joey, schweif nicht ab, wir müssen das Ganze bald fertig bekommen.“
 

Ich blickte auf. Duke saß mir gegenüber auf einem modischen Stuhl, stellte gerade seine Tasse Kaffee ab und legte die Blätter beiseite, die er gelesen hatte. Seit einer Stunde saßen wir nun in diesem kleinen Café in Domino. Nachdem ich für den Computer im Internetcafé gezahlt hatte, hatte Duke mich auf einen Kaffe eingeladen.
 

Jetzt trank ich einen Kakao. (Ich hasste Kaffee.) Währenddessen versuchten wir, ein halbwegs anständiges Horoskop für Kaiba zu verfassen. Eins, bei dem es nicht zu offensichtlich war, dass ihm jemand eins auswischen wollte. Wir waren fast fertig, lediglich die Verfeinerungen fehlten noch. Ich merkte Duke deutlich an, dass er langsam gehen wollte. Ich konnte es ihm nachfühlen. Auch ich war mittlerweile ziemlich geschafft, wollte nur noch nach Hause. Doch dort erwarteten mich nur eine unordentliche Wohnung und Hausaufgaben. Toll.
 

„Träum nicht, Joey.“

„Tu ich doch gar nicht.“

„Sicher tust du das. Ich muss dich drei Mal ansprechen, bevor du reagierst.“

„Oh.“

„Ja ‚oh’. Mach ein wenig schneller, ich muss heute noch einiges erledigen. Ich habe schon drei Stunden für dich geopfert.“

„Das weiß ich ja zu schätzen.“ Ich sah ihn entschuldigend an. „Duke, diese ganze Sache ist mir ziemlich wichtig. Die ganzen Jahre über hat Kaiba mir immer das Gefühl gegeben, ich sei schlechter als er und zum, ersten Mal in meinem Leben bin ich ihm überlegen! Endlich kann er das zurückbekommen, was er verdient hat!“
 

Er musste das glückliche Funkeln in meinen Augen gesehen haben, denn er seufzte und schüttelte den Kopf. „Ist ja gut. ich verstehe dich ja. Lass uns trotzdem in bisschen schneller machen, okay?“
 

Ich nickte. Meine Augen überflogen die Zeilen auf dem Papier vor mir. „Also ich finde das ist eigentlich ziemlich gut. Nur der Bereich Arbeit fehlt noch. Ansonsten wird er vielleicht misstrauisch.“

„Was soll man bei ihm denn über seine Firma schreiben? ‚Alles ist bestens’ – mehr fällt mir dazu nicht ein.“
 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das können wir nicht bringen. Wir müssen das ganze so kompliziert umschreiben, wie nur möglich. Vielleicht so was wie ‚Ihrer Weiterentwicklung steht nichts im Weg, Saturn steht günstig, seine Ausstrahlung lässt ihren Erfolg währen’ oder ähnlich.“
 

Duke grinste. „Also echt Joey, solltest du deine Schullaufbahn nicht lieber sofort beenden und ins Horoskopgeschäft umsteigen?“

„Ha ha, sehr witzig.“

„Wirklich Joey, in der Schule eine Niete aber in dem Bereich der Astrologie und Haarspalterei bist du offenbar ein Naturtalent.“
 

Ich hob spielerisch drohend die Faust. „Ich zeig dir gleich, wo ich auch ein Naturtalent bin.“
 

„Nee, lass mal lieber. Man braucht mich noch.“

„Na dann. Hast noch mal Glück gehabt. Sei froh, dass ich so gnädig bin.“

„Ich bin ein Glückspilz.“
 

Seine Stimme troff nur so vor Sarkasmus. Herrlich, mutierte er jetzt etwa zu einem Abkömmling von Kaiba? Bloß nicht!
 

Die Zeit floss dahin, unser gefälschtes Horoskop nahm mehr und mehr Form an und ich begann, richtig aufzublühen. Ein seltsames Verb, ich weiß, aber es traf am ehesten auf mein Verhalten zu. Das Grinsen wollte einfach nicht aus meinem Gesicht verschwinden und ich hatte mich noch nie vorher so ausgelassen gefühlt. Höchstens bei einem Duel Monsters Spiel.
 

„Fertig.“
 

Zufrieden betrachtete ich das Stück Papier, in dem das Resultat aus mehr als einer Stunde Gruppenarbeit steckte.
 

„Kaiba wird morgen sein blaues Wunder erleben.“

„Sofern er tatsächlich daran glaubt.“

Ich grummelte. „Duke, musst du mir immer den Optimismus nehmen?“

„Ich denke nur realistisch.“

„Dann denk leise.“

„Tze, solltest du nicht wenigstens etwas Dankbar sein? Immerhin hab ich das ganze erst möglich gemacht.“
 

Ich hob den Blick und sah ihm ernst ins Gesicht. „Ich bin dir dankbar, Duke. Mehr als das. Du hast mir geholfen, einen Weg zu finden, mich auf dieselbe Stufe wie Kaiba zu stellen. Danke.“
 

Nun wirkte er, als fühlte er sich unbehaglich. „Also so ernst hättest du dich jetzt wirklich nicht bedanken müssen. Gott Joey, ich weiß wie unfair Kaiba immer dir gegenüber war, ich selbst war früher auch nicht besser. Aber ich hab es von Yugi zurückbekommen und jetzt ist Kaiba dran sein Fett weg zu bekommen.“
 

Ich nickte. „Ja, jetzt ist er an der Reihe.“
 

Ich konnte es nicht oft genug hören. Nicht oft genug denken. Nicht oft genug sagen.
 

Es war wie ein falscher Traum. Etwas, das man sich seit Jahren sehnlich gewünscht hatte, war auf einmal zum Greifen nahe.
 

Als Duke und ich uns schließlich voneinander verabschiedeten, ich mich in die andere Richtung umdrehte und langsam zur nächsten Bushaltestelle ging, galten meine Gedanken vollends dem unscheinbaren Zettel, der sicher in meiner Schultasche verstaut war und nur darauf wartete, abgetippt zu werden, um Kaiba das zurück zu geben, was er verdiente.
 

Ein seliges Lächeln lag auf meinen Lippen, das auch nicht verschwand, als ich mich in den überfüllten Bus zwängte, meinen letzten Rest Geld dafür einbüßte und die halbstündige Fahrt eingeklemmt zwischen einer dicken Dame und einem Zeitung lesenden Typen verbrachte.
 

Auch als ich den Bus verließ und die zehn Minuten zu meiner Mietwohnung lief, während es allmählich anfing zu regnen, verblasste dieses Lächeln nicht.
 

Ich schloss die Eingangstür zu dem mehrstöckigen Gebäude auf und betrat eilig das Treppenhaus. Hinter mir nahm der Regen noch an Stärke zu, doch das kümmerte mich wenig. Leise summend bestieg ich die Treppen bis in den dritten Stock, dann hörte man das Klirren der Schlüssel und ich öffnete meine Wohnungstür.
 

Nun wich mein Lächeln allmählich, doch ein leichtes Schmunzeln blieb, als ich die Tür hinter mir schloss und mich einem ungewaschenen Kleiderhaufen gegenübersah, der geradezu nach einer Säuberung schrie. So war es eben, wenn man alleine in einer kleinen Wohnung lebte, die man gerade so bezahlen konnte. Am Wochenende jobbte ich aushilfsweise, ebenso in den Ferien und ab und an in der Woche.
 

Da ich mit meiner Mutter nun wieder einigermaßen klar kam, besuchte Serenity mich des Öfteren und bei dem Gedanken an ihren empörten Ausdruck im Angesicht des Chaos, welches hier herrschte, wurde das Lächeln wieder breiter. Dies hier war nun mal ein astreiner Junggesellenhaushalt, da konnte sie nicht mehr von mir erwarten.
 

Seufzend streifte ich mir die Jacke ab, schlüpfte aus den Schuhen und zwängte mich an dem Kleiderhaufen vorbei, schlenderte in mein Schlafzimmer, welches gleichzeitig auch mein Wohnzimmer war. Tja, so lebte es sich halt mit einem Zimmer, Küche und Bad. Aber ich war damit zufrieden. Es war mein kleines Reich und ich würde es mittlerweile um nichts in der Welt eintauschen. Na ja, vielleicht für einen vollen Kühlschrank.
 

Ich warf mich auf mein Bett und starrte an die Decke. Mein Glücksgefühl hielt noch immer an. Unfassbar.
 

Ich hob den Kopf an und nahm den alten Rechner in Augenschein, der in einer Ecke des Zimmers auf einem Hocker stand. Ein Schreibtisch war zu teuer und hatte kein Problem damit auf dem Boden zu sitzen – solange ich auch ein Kissen hatte.
 

Grinsend rollte ich mich vom Bett runter und robbte gekonnte zum Computer. Mit einer nachlässigen Handbewegung schaltete ich ihn an und während er im Schneckentempo hochfuhr, rappelte ich mich auf und machte einen Abstecher in die Küche um meinen rebellierenden Magen zu beruhigen.
 

Als ich den Kühlschrank öffnete schlug mir eine triste, gähnende Leere entgegen. Ups, da hatte ich wohl vergessen, einkaufen zu gehen. Dann eben nicht. Das Geld war für das Internetcafé drauf gegangen, ich konnte es ohnehin nicht mehr ändern.
 

Ich schloss den Kühlschrank – er hatte den liebevollen Spitznamen Kaiba – nicht gerade sanft (ein Grund für die Namensgebung, Frustabbau war doch etwas Schönes) und wandte mich einem der Schränke zu. Hoffnungsvoll öffnete ich den ersten und wurde fündig. Eine Packung Ramen lächelte mir verführerisch entgegen und mir lief bei ihrem alleinigen Anblick das Wasser im Mund zusammen.
 

Ich goss Wasser in den Wasserkocher – Yugi und Téa hatten ihn mir zu Weihnachten geschenkt, ich war ihnen noch immer dankbar dafür – und schaltete ihn ein. Während ich darauf wartete, dass das Wasser kochte, sah ich nachdenklich aus dem Fenster in den grauen Himmel. Von hier aus hatte man den besten Blick auf das Industriegebiet Dominos. Eine herrliche Aussicht. Wenn man auf Dreck und Fabriken stand.
 

In weiter Ferne, in einem anderen Teil der Stadt erkannte ich durch die verschleierten Regenvorhänge die Umrisse der Kaiba Corporation. Wahrscheinlich konnte man es von jedem Punkt in der Stadt aus sehen, überragte es alle anderen Gebäude noch um Längen.
 

Was Kaiba wohl gerade machte?
 

Stand er womöglich an einer seiner Fensterfronten und ließ seinen Blick über Domino schweifen, betrachtete das Industriegebiet mit einem abfälligen Blick und streifte mit seinen Augen dabei vielleicht sogar dieses Gebäude?
 

Rasch schüttelte ich den Kopf um diesen befremdlichen Gedanken abzuschütteln. Was war auf einmal mit mir los? Meine Gedankengänge nahmen verwirrende Formen an. Erschreckend.
 

Ein Geräusch neben mir erwies mir einen ungeheuren Dienst, riss es mich doch aus meinen seltsamen Gedanken und ich richtete meinen Blick – dankbar für die Ablenkung – auf den Wasserkocher. Ich goss das kochende Wasser in die Schale mit Ramen und rührte abwesend mit den Stäbchen um, während ich mich auf den Weg zurück in mein Schlaf-Wohnzimmer machte.
 

Mittlerweile war der Computer hochgefahren. Ich startete das Internet und wartete. Nebenbei aß ich die Nudelsuppe. Dass ich Internet hatte, verdankte ich meiner Mutter. Sie war der festen Überzeugung, dass es für mich und die Schule nur angebracht sei, wenn ich Internet hätte. Darum bezahlte sie mir auch die Rechnung, denn ansonsten hätte ich es mir unmöglich leisten können. Obwohl ich kein gutes Gefühl dabei hatte, etwas von anderen bezahlt zu bekommen. Ich versorgte mich lieber selbst. Doch in dieser Hinsicht ließ sie nicht mit sich reden, darum hatte ich es mit der Zeit aufgegeben.
 

Ich seufzte, griff mit der freien Hand nach meiner Schultasche und kramte nach dem Zettel. Stolz betrachtete ich ihn. Dann konnte der Spaß ja beginnen. Mit diesem Gedanken fischte ich die letzten Nudeln mit den Stäbchen auf und trank den Rest der Suppe in einem Zug.
 

Eine viertel Stunde später lehnte ich mich befriedigt nach hinten. Triumphierend las ich die geschriebenen Zeilen ein letztes Mal durch. Unschlagbar. Duke und ich hatten ganze Arbeit geleistet.
 

Heute steht Uranus in einem guten Winkel. Beachten Sie, dass er Auswirkungen auf Ihre körperliche Verfassung hat, darum sollte Sport Ihre erste Wahl sein, um Ihre Kräfte auszugleichen und mit Uranus in Einklang zu kommen.
 

Mein Grinsen war mehr als nur selbstzufrieden. Tja Kaiba, dieses Mal würdest du nicht um den Schulsport am Freitag herumkommen. Dieses Mal, wusste ich es zu verhindern. Alleine die Vorstellung an Kaiba im Sportunterricht ließ mein Herz vor Freude Saltos schlagen.
 

Mein Blick wanderte weiter.
 

Suchen Sie zudem Abstand zu Wassermännern. Reizen Sie sie nicht, denn die Nähe des Jupiters zu Merkur schwächt ihre Aura. Zudem verändert die Konstellation dieser Planeten Ihre Wirkung auf andere.
 

Oh ja, ich wollte sehen, ob Kaiba mir tatsächlich aus dem Weg gehen würde. Denn es war bekannt, dass ich Wassermann war.
 

Meiden sie darum auch Wasser, da ihre geschwächte Aura besonders anfällig für dieses Element ist. Ihre Arbeit wird unter diesen Umständen jedoch nicht zu leiden haben. Ihrer Weiterentwicklung steht nichts im Weg, Saturn steht günstig, seine Ausstrahlung lässt ihren Erfolg währen.
 

Es war nicht unbedingt perfekt, aber ein guter Anfang. Ich war davon Überzeugt, dass Kaiba an die Echtheit glauben würde. Er musste einfach. Alleine durch die Tatsache, dass er nicht damit rechnete, dass jemand davon wusste.
 

Ich gab die Adresse ein, die Duke mir auf den unteren Rand des Zettels geschrieben hatte und schickte das gefälschte Horoskop ab.
 

Noch heute Morgen hätte ich es nicht glauben können, hätte mir jemand von dem zukünftigen Verlauf des Tages erzählt, doch nun war ich so zufrieden mit mir und der Welt, wie selten zuvor. Lachend ließ ich mich nach hinten fallen.
 

Während ich an die Decke starrte und mich wie ein kleiner Junge auf den morgigen Tag freute, fiel mir eins der Versprechen ein, das ich Duke gemacht hatte.
 

Ich richtete mich auf und griff nach dem Telefon. Ich wählte und während ich es mir wieder mit dem Rücken auf den Teppich bequem machte, hielt ich es mir ans Ohr. Am anderen Ende meldete sich eine vertraute Stimme.
 

„Hey Schwesterchen, ich bin’s.“
 

Mein Blick wanderte über den dunklen Teppich.
 

„Sag mal, hast du am Wochenende schon was vor?“
 

Über die leere Schale mit einer kleinen Pfütze Nudelsuppe hinweg.
 

„Nicht? Das trifft sich gut. Duke wollte sich mit dir treffen.“
 

An meinem Lieblings-Shirt mit der Aufschrift Ich bin die Rache Gottes vorbei.
 

„Ja, ich bin damit einverstanden, sonst würde ich mich nicht melden. Ja, ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und ich bin auch nicht wieder gegen den Schrank gelaufen. Das war letzte Woche.“
 

Bis hin zu dem weißen Zettel, mit Kaibas Horoskop und einigen Notizen.
 

„Das nennst du ‚plötzlich’? Ich hab meine Meinung Duke gegenüber einfach geändert. Er ist ja eigentlich ganz okay.“
 

Und blieb an einem unscheinbaren Wort hängen. Meine Handschrift. Mein Ziel.
 

„Warum ich so gut drauf bin? Sagen wir mal, ich hatte heut einen wirklich guten Tag.“
 

Rache.

(Scharf)Schütze

(Scharf)Schütze
 

Es ging doch nichts über Freitage. Sie kündigten den letzten Tag der Woche an, ließen auf Erlösung hoffen und außerdem bedeuteten sie derzeit das der Sportunterricht kurz bevor stand.
 

Ich hatte die Nacht über vor Aufregung kaum schlafen können. Mein Geist war hellwach und malte sich bereits die möglichen Geschehen des kommenden Tages aus. Ich stellte mir vor, wie Kaiba, bei dem Versuch eine Bahn in der Sporthalle zu laufen, über die Schnürsenkel seiner Turnschuhe stolperte und der Länge nach hinfiel.
 

In einem anderen Szenario hatten wir das Thema Bockspringen und Kaiba legte in meiner Version eine elegante Bruchlandung hin, die sicherlich ziemlich wehtat, landete er doch am Ende voller Eleganz im Spagat.
 

Ich war eigentlich kein Mensch, der jemand anderem etwas Schlechtes wünschte, doch bei Kaiba gingen bei mir alle guten Vorsätze verloren. Dieser Kerl hatte es nicht anders verdient. Sein Ego war übermäßig groß, sein Weltbild bestand aus ihm als Zentrum und allen anderen Dingen am Rand und verdammt noch mal, ich hasste ihn!
 

Gut gelaunt und Last Christmas pfeifend schlenderte ich die letzten Meter zur Schule, meine Tasche geschultert. Meine Laune hätte besser nicht sein können. Dieser Tag würde zweifellos in die Geschichte eingehen.
 

Weiterhin pfeifend durchquerte ich das Schultor. Ein Blick auf die Schuluhr verriet mir, dass ich heute tatsächlich vor dem Klingeln ankam. Ich war pünktlich. Wenn das mal keine Feier wert war.
 

„Joey!“
 

Ich steuerte meine Schritte nach rechts, peilte dabei die kleine Bank in der hinteren Ecke des Schulhofs an, auf der ich die anderen erspäht hatte. Yugi und Téa saßen auf der Bank, Tristan lehnte seitlich neben ihr und unterhielt sich gerade angeregt mit Duke. Neben ihnen stand Bakura und lächelte leicht belustigt.
 

„Hey Leute.“
 

Grinsend blieb ich vor der Bank stehen und musterte jeden von ihnen. Duke und Tristan unterbrachen ihre Diskussion, denn sie hatten mich ebenfalls bemerkt.
 

„Joey, Alter.“ Tristan kam auf mich zu. „Seit wann bist du denn pünktlich? Ist etwas passiert?“
 

Ich winkte ab. „Nein, hab nur beschlossen, heute keine Stunde des wunderbaren Unterrichts zu verpassen. Der Freitag ist viel zu schön, um ihn zu versäumen.“
 

Die anderen warfen sich viel sagende Blicke zu, dann wandte Tristan sich wieder an mich. Grinsend nahm er mich in den Schwitzkasten. „Ach wirklich? Und das sollen wir dir glauben, nachdem du dich wochenlang nicht darum gekümmert hast, ob Freitag ist oder nicht? Sag schon, bist du krank?“
 

Ich lachte, versuchte dabei, mich aus seinem Griff zu befreien. „Quatsch, mir geht es ausgezeichnet. Ich hab mich nie besser gefühlt.“
 

„Tristan“, kam es mahnend von Téa. „Lass Joey los, sonst geht er uns noch ein. Und es ist doch gut, wenn er zur Abwechslung mal pünktlich kommt. Hast du endlich eingesehen, dass ein weiterer Eintrag nicht unbedingt förderlich ist?“
 

Ich blinzelte und sah sie verpeilt an. „Nö.“
 

Sie fasste sich an die Stirn. „Was frage ich auch?“
 

Ich lächelte selig. „Wir haben jetzt Informatik, das ist Grund genug, pünktlich zu sein.“
 

Die anderen musterten mich skeptisch. Alle, bis auf Duke, der natürlich genau wusste, was mit mir los war. Ich sah, dass er sich ein verdächtiges Lächeln verkniff.
 

„Bist du jetzt auf die Seite der Informatiker gewechselt?“, fragte Yugi freundlich.
 

Ich nickte, warum sollte ich sie belügen? „Ich habe Spaß an dem Fach.“
 

Und das entsprach voll der Wahrheit.
 

oOo
 

Unruhig betrat ich das Schulgebäude. Es hatte eben geschellt und Yugi und die anderen hatten den anderen Gang genommen. Jetzt lag es an mir.
 

Meine Unruhe stieg, je mehr Zeit verging. Ich kämpfte mich durch Massen von Schülern den Gang entlang. Und je näher ich dem Informatikraum kam, desto schneller schlug mein Herz. Ich hatte bis jetzt nicht gesehen und auch Yugi und die anderen hatten noch nicht das Vergnügen gehabt.
 

Was, wenn er auch heute nicht kam? Nein, das durfte nicht sein. Nicht nach alldem, was ich seinetwegen getan hatte. Diese Stunden der Arbeit zusammen mit Duke durften einfach nicht umsonst gewesen sein.
 

Nervös trat ich von einem Bein aufs andere. Ich wagte es nicht, den Raum zu betreten, aus Angst, Kaiba nicht zu sehen. Wie erbärmlich.
 

„Wheeler, hör mit diesem Gezappel auf. Wenn du zur Toilette musst, dann geh.“
 

Mein Herz setzte für einen Moment aus, nur um anschließend in doppelter Geschwindigkeit gegen meine Brust zu hämmern. Langsam drehte ich mich um, sah mich mit einer kalten Aura der Arroganz konfrontiert. Mein Herzschlag nahm noch an Geschwindigkeit zu.
 

Dort stand Kaiba. Abweisend wie eh und je, in seiner streng bis oben zugeknöpften Schuluniform, seinen silbernen Koffer in der Hand und sah mich herablassend an. Ich brauchte einige Sekunden, bevor ich in der Lage war, auf seine Worte zu reagieren. Zu sehr hatte mich sein plötzliches Auftauchen verwirrt.
 

„Kaiba.“
 

„Danke Wheeler, ich weiß, wie ich heiße.“
 

Um zu zeigen, warum ich Kaiba hasste, musste man nur diese Worte wiederholen, dann war alles geklärt. Seine Art machte mich krank, seine Herablassung brachte mich zur Weißglut und seine spöttischer Ton fraß sich wie Gift in mich, war kurz davor, mich von innen heraus zu zerstören. Grauenvoll.
 

„Das ist schön für dich, Kaiba. Wenigstens etwas kannst du dir merken.“
 

Es war sicher nicht meine schlagkräftigste Erwiderung, das merkte er auch. Seine Augenbraue schwang in die Höhe. Eine Mimik die ich mehr als alles andere an ihm hasste. Diese Geste schien mir jedes Mal zu sagen:
 

Ich bin immer wieder verwundert, wie jemand wie du es auf eine Schule und vor allem bis in diese Stufe geschafft hat, wo dein Niveau doch weit unter dem einer Schnecke liegt und die ist wenigstens klug genug, ihr eigenes Haus auf dem Rücken zu tragen.
 

So oder zumindest so ähnlich ließ es sich interpretieren. Die Grundaussage jedenfalls blieb dieselbe:
 

Idiot.
 

Ich verengte die Augen und starrte ihn zornig an. Dieser Mistkerl hatte es allemal verdient, was ich mit ihm vorhatte. Ich würde ihm alle Schmähungen, alle Erniedrigungen und herablassende Kommentare doppelt und dreifach zurückzahlen.
 

„Wenn du mich weiterhin so anstarrst, Wheeler, fallen dir noch die Augen aus dem Kopf.“
 

Dieser ... dieser ... verdammt, mir fehlten mittlerweile sogar die passenden Worte, um ihn zu beschreiben. So großkotzig und ... ach egal: So wie er konnte doch einfach kein normaler Mensch sein!
 

Ich ballte meine Fäuste, bevor ich herumwirbelte und ihm den Rücken kehrte. Ich würde ihm nicht noch die Genugtuung gönnen, mich bereits vor dem Unterricht an die Grenzen meiner Selbstbeherrschung gebracht zu haben. Nicht mit mir. Nicht heute! Heute war mein Tag.
 

oOo
 

Die Stunde verstrich geradezu quälend langsam. Ich saß vor meinem Schulrechner – man hatte es tatsächlich geschafft ihn innerhalb nur eines Tages zu reparieren, ich war regelrecht geschockt vor Erstaunen – und mein Blick wanderte alle paar Sekunden in Richtung Kaiba. Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte meinen können Adrenalin würde durch meine Adern fließen, bei dem alleinigen Anblick von Kaibas Rücken vor seinem Monitor. Ich konnte nicht sehen, was er momentan machte, doch vor meinem geistigen Auge spielte sich das Szenario lebensecht ab.
 

Kaiba, der verstohlen die Datei des Abos öffnete.

Kaiba, der die Zeilen des Horoskops überflog.

Kaiba, der daran glaubte.
 

Eine derartige Befriedigung hatte ich nicht mehr gespürt, seit ich das letzte Mal beinahe Yugi im Duel Monsters geschlagen hatte und selbst diese Begebenheit konnte meinen derzeitigen Gefühlszustand nur ansatzweise beschreiben.
 

Von dem Unterrichtsstoff den wir diese Stunde durchnahmen bekam ich nur am Rande etwas mit, lediglich die Begriffe Tabellenkalkulation und Berechnung drangen bis zu meinem Bewusstsein durch, doch würde man mich später nach ihnen Fragen, hätte ich sie längst wieder vergessen. Doch das war meine geringste Sorge.
 

Die frage, die mir wie ein züngelndes Feuer auf der Seele brannte, war, ob Kaiba tatsächlich der Anweisung in dem Horoskop folgte und mir, einem Wassermann, aus dem Weg ging. Ich wusste, dass er wusste, dass ich Wassermann war. Nur wusste ich außerdem, dass er es wusste und auch, dass er wusste, dass sein Horoskop ihn vor einer Konfrontation mit Wassermännern warnte. Ich wusste geradezu beunruhigend viel ...
 

Meine Hände zitterten geradezu vor Anspannung und mein Blick war die letzten Momente der Stunde wie hypnotisiert auf die kleine digitale Anzeige in der unteren Ecke meines Monitors gerichtet, auf der die Zeit angegeben wurde. Als es endlich klingelte verharrte ich auf meinem Platz. Nie hatte es mich mehr Selbstbeherrschung gekostet, nicht sofort aufzuspringen und Kaiba direkt anzusprechen und zu provozieren – oder besser ausgedrückt, es zu versuchen.
 

Doch ich zwang mich dazu, sitzen zu bleiben, bis der Großteil meiner Mitschüler den Raum bereits verlassen hatte. Nun erhob ich mich ruckartig, packte meine Schultasche und eilte auf die Tür zu. Kaiba hatte sie ebenfalls erreicht und zeitgleich wollten wir den Raum verlassen. Versehentlich stieß ich ihn an.
 

„Kannst du nicht aufpassen Wheeler.“
 

Er hatte zu sprechen begonnen, bevor er mich angesehen hatte und ich registrierte das kaum merkliche Zögern vor dem Aussprechen meines Namens, als er mich erkannt hatte, mit einem inneren Triumphschrei. [/]Das war es. Mehr Beweise brauchte ich nicht. Kaiba zögerte in meiner Anwesenheit nie, alleine das kurze Aufflackern vor Irritation in seinem Blick hatte mehr als tausend Worte gesagt!
 

Meine Lippen zuckten verräterisch, machten Anstalten, sich zu einem selbstzufriedenen Grinsen zu verziehen, wie Kaiba es normalerweise an den Tag zu legen Pflegte, doch ich zwang mich zur Ruhe, knurrte stattdessen einige wenige unverständliche Worte und rauschte raschen Schrittes an ihm vorbei auf den Flur.
 

Erst als ich einige Gänge, sowie Biegungen zwischen uns gebracht hatte und sicher war, dass er außer Reichweite war, erlaubte ich es mir, stehen zu bleiben und mit einem triumphierenden Ausruf meine geballte Faust in die Luft zu schlagen. Ich ignorierte die verwunderten und skeptischen Blicke einiger Schüler, die in dem Moment an mir vorbeigehen, auch die belustigten Kommentare überging ich, zu sehr begeisterte mich meine Erkenntnis.
 

Kaiba glaubte an Horoskope. Seto Kaiba glaubte an Horoskope. Seto – ‚ich halten nicht einen Cent auf Mutos penetrantes Geschwätz über Schicksal und Bestimmung’ – Kaiba glaubte an Horoskope.
 

Wenn die Hölle in diesem Augenblick nicht zufror, dann würde sie es gewiss niemals tun.
 

oOo
 

„Joey was ist los mit dir?“ Tristan hatte mich in den letzten Minuten der Mittagspause keinen Moment aus den Augen gelassen. „Du grinst seit heute Morgen selig vor sich hin, als hättest du den Himmel auf Erden gesehen.“
 

„Nette Ausdrucksweise, Tristan“, bemerkte Duke und lächelte spöttisch. „Himmel auf Erden? Wo hast du denn diesen Ausdruck aufgeschnappt?“
 

„Klappe“, gab Tristan zurück und schenkte Duke einen giftigen Blick. „Sag bloß nicht, dass es dir nicht auch aufgefallen ist?“
 

„Doch, ist es“, gab Duke zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und Joey, willst du uns nicht sagen, was der Anlass für deine überschwänglich gute Laune ist?“ Allen außer mir entging der sarkastische Unterton in seiner Stimme. Er wusste, wieso ich mich so benahm. Er konnte zwischen den Zeilen lesen und in meinem Verhalten lag mehr zwischen den Zeilen, als irgendwo sonst.
 

„Es ist ein wunderbarer Tag“, bemerkte ich und erst Momente später wurde mir klar, dass Tristan Recht hatte und meine Stimme geradezu widerlich selig klang. Genauso, wie ich bis eben ausgesehen haben musste. Peinlich! Ich richtete mich ruckartig auf und das dumme Grinsen verschwand aus meinem Gesicht.
 

Unangenehm berührt hustete ich, ignorierte dabei Téas belustigten Blick, die ihr Gespräch mit Yugi unterbrochen hatte und mich unverschämt lächeln ansah. „Man könnte beinahe meinen, du seiest verliebt, Joey.“
 

Röte breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich brauchte keinen Spiegel um zu wissen, dass ich soeben Anstalten machte, der Farbe von Ryous Cocktailtomaten zu konkurrieren.
 

„Red keinen Unsinn“, nuschelte ich und wandte mich rasch von ihr ab, bevor ihr noch ganz andere haarsträubende Theorien einfielen. Mädchen besaßen die unglaubliche – und gleichsam beunruhigende – Fähigkeit, in den unmöglichsten Momenten die unmöglichsten Thesen aufzustellen. Dies führte in so gut wie allen Fällen nur zu peinlichen Fragen, roten Köpfen und viel zu vielen Zweideutigkeiten. Noch dazu stimmten sie nie. Zumindest bei mir nicht.
 

„Joey hat ’ne Flamme?“, griff Tristan ohne zu zögern Téas Aussage auf und ich unterdrückte den Drang, laut aufzustöhnen.
 

„Nein Tristan, hast du nicht bemerkt, dass Téa wieder eine ihrer Mädchen-und-ihre-Intuitionen-Phasen hat?“, entgegnete ich in einer lächerlichen Geste der Hilflosigkeit, von der ich wusste, dass sie keine Wirkung haben würde. Wenn Tristan erst einmal einen Gedankengang übernommen hatte, war er die nächste halbe Stunde nicht mehr davon abzubringen. Egal was ich nun sagen würde, alles würden sie gegen mich stellen. Von Duke konnte ich keine Hilfe erwarten, genauso wenig von Yugi und Ryou.
 

Am Ende der Pause hatte ich Tristan und Téa zufolge eine blonde Schönheit mit europäischem Namen und einladender Oberweite als Schwarm, die ihn ihrer Freizeit gerne tanzte, modelte und sang, Mitglied beim Tierschutzverband war, sich leidenschaftlich für Delphine einsetzte und sich nichts mehr wünschte, als den baldigen Weltfrieden.
 

„Nimm es nicht so schwer, Joey“, meinte Duke tröstend. „Du musst jetzt nur jemanden finden, der halbwegs auf diese Beschreibung zutrifft und sie den beiden vorstellen, dann sind sie zufrieden und lassen dich in Ruhe. Kein Problem also, findest du nicht auch?“
 

Wie kam ich an Freunde mit einer derart kranken Phantasie? Ich gab den Versuch auf, nach einer Antwort auf diese Frage zu suchen und konzentrierte mich lieber auf den bevorstehenden Sportunterricht.
 

oOo
 

Nach der hinter mir liegenden Informatikstunde hätte mich nichts mehr überraschen dürfen. Absolut gar nichts. Kaiba glaubte tatsächlich an Horoskope – dies war eine Erkenntnis, die mein Weltbild gleichermaßen zerstörte, wie neu errichtete – doch wie um alles in der Welt hatte ich so blauäugig sein können, anzunehmen, Kaiba könnte trotz allem am Sportunterricht teilnehmen?
 

Während ich mit meinen Freunden quer über den Schulhof in Richtung Sporthalle marschierte wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass es unmöglich war, dass Kaiba ausgerechnet heute am Sportunterricht teilnahm. Er hatte in der ersten Stunde das gefälschte Horoskop gelesen - er hatte überhaupt nicht davon ausgehen können, dass es ihm raten würde, sich sportlich zu betätigen. Darum war es genauso abwegig, dass Kaiba seine Sportsachen dabei haben würde, und als Folge dessen – ich mauserte mich zu einem wahren Denker – würde er auch nicht den Sportunterricht mit seiner Teilnahme beglücken.
 

Meine Laune näherte sich dem Nullpunkt und ich spürte die skeptischen Blicke der anderen angesichts meiner plötzlichen Gefühlsschwankungen auf mir, während die Jungenumkleide in mein Sichtfeld rückte und der kümmerliche Rest meiner einstigen Euphorie sprichwörtlich verpuffte. Auch Tristans gemurmeltes „Er benimmt sich so seltsam, wie ein Mädchen, er kann doch unmöglich seine Tage haben?“ trug merklich wenig zur Besserung meiner plötzlich negativen Verfassung bei, sie wirkte vielmehr kontraproduktiv.
 

Unverständliche Flüche von mir gebend stieß ich die Tür auf, und trat – Tristan einen finsteren Blick zuwerfend – ein, warf meine Tasche zusammen mit einer in der kurzen Zeit beträchtlichen Menge angestauter Frustration auf eine der Bänke. Warum konnte in meinem leben nicht ein einziges Mal etwas nach Plan laufen?! Knurrend trat ich gegen das alte Holz.
 

„Du scheinst es darauf anzulegen, wegen Beschädigung des Schuleigentums einen Verweis zu bekommen, was?“
 

Ich wirbelte herum. Mein Blick fiel auf Kaiba, der am anderen Ende des Raumes auf einer anderen Bank saß, die Beine übereinander geschlagen, die Arme verschränkt und mich gleichsam skeptisch wie abfällig musterte. Nur er schaffte es, diese beiden Ausdrücke zu vereinen es mir zu präsentieren. Ich atmete hörbar ein und aus und öffnete den Mund, bevor ich ihn wieder schloss und stattdessen die Prozedur mangels Beherrschung zu wiederholen.
 

Eine Hand legte sich auf meine Schulter und aus den Augenwinkeln sah ich Tristan, der dicht hinter mir stand und den Kopf schüttelte, obwohl er sich noch nicht einmal sicher sein Konnte, dass ich diese Geste bewusst wahrnahm. Normalerweise hätte ich sie nicht wahrgenommen, weil ich viel zu sehr auf Kaiba konzentriert gewesen wäre, doch heute liefen sämtliche Handlungen gegen die gewohnten Abläufe.
 

„Joey, nicht aufregen.“ Tristans Worte waren leise, dennoch eindringlich.
 

Es wunderte mich, doch sie erzielten tatsächlich Wirkung. Ich atmete zischend aus und mein Blick richtete sich auf Kaiba, der zwar momentan noch schwieg, mich aber weiterhin mit demselben Blick taxierte und den Eindruck erweckte, als läge ihm ein Konter für jede meiner Erwiderungen bereits auf der Zunge. Wie konnte ein einzelner Mensch – ein Junge! - nur derartige Überlegenheit ausstrahlen, obwohl er mit übereinander geschlagenen Beinen vor mir saß? Jeder andere an seiner Stelle sähe beschämend lächerlich aus, nur er nicht. War das fair?
 

Ich zwang mich zu einem misslungenen Grinsen. „Was denn Kaiba, du hier? Kein wichtiges Meeting? Kein Auslandsbesuch? Wie kommt es, wo du dem Sportunterricht doch in der Regel so abgeneigt bist? Hat man dich bekehrt?“
 

Ich wusste, dass ich mit dem Feuer spielte, doch wie ich in den letzten Jahren bereits mehrfach festgestellt hatte, schien es eine Neigung von mir zu sein, mich darauf einzulassen. Mochte die Gefahr, mich zu verbrennen auch noch so groß sein, wenn man sich nur nicht davon stören ließ und bereit war, Risiken einzugehen, störte es wenig.
 

„Ach nein, wie dumm von mir.“ Ich hatte weiter gesprochen, bevor er überhaupt die Chance gehabt hatte, etwas zu erwidern. „Bekehrt werden ja nur diejenigen, die sich ihrer Makel bewusst sind.“
 

Tristans Hand auf meiner Schulter schien an gewicht zu gewinnen. „Bist du verrückt geworden, Joey?“, hörte ich seine Stimme dicht an meinem Ohr, doch ich reagierte nicht. Viel mehr verwirrte mich Kaibas Schweigen. Obwohl es mich eigentlich weniger hätte verwirren sollen, hatte ich doch selbst für diese Reaktion gesorgt, in dem ich sein Horoskop manipuliert hatte, doch zu wissen, dass er sich tatsächlich über längeren Zeitraum daran hielt, war befremdlich. Befriedigend und dennoch befremdlich.
 

Kaibas folgende Handlung war unerwartet. Er löste den Blickkontakt und erhob sich. Erst jetzt fiel mir auf, dass er nicht mehr seine Schuluniform trug. Meine Augen weiteten sich, während Kaiba sich aufrichtete und seinen Blick gelangweilt durch die Jungenumkleide schweifen ließ, in der es – wie mir ebenfalls erst jetzt auffiel – unnatürlich still war.
 

„Eine Bekehrung würde ich es nicht nennen, Wheeler“ – er sah mich weiterhin nicht direkt an – „viel mehr eine Einsicht, zu der ich gelangt bin.“
 

Ich starrte ihn fassungslos an, brauchte Sekunden, vielleicht sogar Minuten, um den Anblick, welchen mir die Sportkleidung bot, zu realisieren. Kaiba trug Sportkleidung. Sündhaft teure Designer-Sportsachen. Shirt, Hose, Schuhe. Woher diese kamen war mir ein Rätsel. Hatte er sie sich tatsächlich bringen lassen? Nebensächlich, viel wichtiger war: Kaiba trug Sportsachen! Ich war nicht der einzige, den dieser Anblick zu schockieren schien. Vielmehr schien dieser Schock der Urheber für die Stille in der Umkleide zu sein.
 

Und während Kaiba mit einem abfälligen Kommentar den Raum verließ und die Sporthalle aufsuchte, brauchten siebzehn Jungen – einschließlich mir (und Yugi) – Minuten, um zu begreifen, dass soeben ein bedeutender Umschwung stattgefunden hatte, dessen Auswirkungen bis dahin noch unbekannt waren.
 

oOo
 

Ich konnte mein Glück kaum fassen. Duke schien mein leise geflüstertes „Ich fass es nicht, es hat tatsächlich geklappt“, welches ich wie ein Mantra die letzten fünf Minuten zu wiederholen pflegte, während mein Blick dabei ununterbrochen auf Kaiba gerichtet war, der abseits saß und sich desinteressiert gab (und nebenbei bemerkt versuchte, die irritierten, schockierten und teilweise auch schmachtenden Blicke der Mädchen zu ignorieren).
 

„Es reicht langsam, Joey“, bemerkte er gereizt, gepaart mit einem scherzhaften Stoß in meine Rippen. „Noch länger und man könnte meinen, Kaibas Anblick hätte dich in den Wahnsinn getrieben.“
 

Wahnsinn traf nicht ganz zu, Euphorie und Hochgefühl beschrieben es eher. Ich konnte es nicht erwarten, mit dem Unterricht zu beginnen. Ich wollte Kaiba sehen, während ihm beim Warmlaufen die Luft fehlte. Ich wollte ihn sehen, wie er über die Schnürsenkel seiner übertriebenen Markensportschuhe stolperte und sich vor der gesamten Klasse bloßstellte, so wie er mich mit seinen Kommentaren zu demütigen suchte. Ich wollte Kaiba sehen –
 

„Joey, es reicht!“
 

Ein besonders schmerzhafter Rippenstoß riss mich unsanft aus meinem Tagtraum. Duke sah mich strafend an, wobei es vielmehr an mir gelegen hätte, ihm für seine ruppige Art Vorwürfe zu machen, doch ein Kopfnicken in Richtung der anderen ließ mich zu dem Schluss kommen, dass er recht hatte. Tristan, Yugi und Téa waren schon verwirrt genug angesichts meines wechselhaften Verhaltens - ich sollte sie nicht noch unnötig argwöhnisch machen.
 

Meinem Hochgefühl sollte bald bittere Ernüchterung folgen.
 

Spätestens beim Aufwärmen wurde mir klar, dass Kaiba zu meinem Leidwesen nicht halb so unsportlich war, wie angenommen. Zugegeben war er weitaus sportlicher, als angenommen. Es war zum verrückt werden! Warum konnte er nicht wenigstens konditionslos sein, warum musste er die zehn Runden zum Warmmachen mit einer Lässigkeit laufen, bei der die meisten von uns Jungen geradezu neidvoll hinterher sahen?
 

(Nicht, dass ich zu denjenigen gehörte, die ihm hinterher sahen. Ich war vermutlich der einzige, der mit seinen Blicken nicht unablässig an Kaiba hing. Zugegeben ... ein oder zwei Mal schon, aber nur um ihn innerlich zu verfluchen und das dritte und vierte Mal auch nur, weil er drauf und dran war, uns zu überrunden und beim fünften Mal hatte ich ihm ein Bein stellen wollen, was allerdings nicht ganz geglückt war - hatte Tristan doch an seiner Stelle einen eleganten Tiefflug hingelegt – und das sechste Mal – das absolut letzte Mal – hatte ich nur zu Kaiba gesehen, um ihm eine wüste Beschimpfung hinterher zu rufen. Aber wie gesagt, sechs Mal bedeuteten keinesfalls ‚unablässig’.)
 

Alles in allem lief absolut nichts nach Plan. Erst, als nach dem Aufwärmen bekannt wurde, dass wir die erste Stunde mit Baseball – oder auch nur einer Abwandlung dessen – verbringen würden, hob sich meine Stimmung wieder etwas an. Baseball – oder auch nur eine Abwandlung dessen – barg viele Tücken und es gab selbst für Kaiba genügend Fettnäpfchen, in die er treten konnte. Noch viel besser wurde es, als sich herausstellte, dass wir in gegnerischen Teams waren. (Man musste sich lediglich beim Abzählen richtig hinstellen – oder sich, wie in meinem Fall, zwischen Duke und Tristan drängen – dann war man umgehend in der Mannschaft, in der Kaiba nicht war.)
 

Baseball gehörte in Japan zur beliebtesten Sportart schlechthin, darum war es nicht verwunderlich, dass es in der Schule auf dem lehrplan war, doch wer immer für diesen Witz einer Abwandlung – geschaffen, um auch in einer kleinen Sporthalle spielen zu dürfen – verantwortlich war, hatte entweder vom Original wenig Ahnung gehabt, oder es darauf angelegt, unschuldige Oberschüler für dumm zu verkaufen.
 

Das Spiel bekam einen Spitznamen aus Europa, Brennball – wer nannte ein Spiel bitte Brennball?! Europäer waren ein seltsames Volk – und während die eine Mannschaft sich in einer Reihe aufstellte, um sich nach und nach gegenseitig mit dem Baseballschläger – ja, er war zu meiner eigenen Überraschung tatsächlich echt – niederzuschlagen, weil keiner von ihnen den richtigen Umgang mit dem Schlagholz beherrschte, verteilte sich die andere Mannschaft wahllos im Rest der Halle. Mädchen bildeten – natürlich – Grüppchen (wie hätte es auch bei Mädchen anders sein können?) während die Jungen wenigstens versuchten einen halbwegs professionellen Eindruck zu vermitteln.
 

Das Spiel konnte beginnen. Und es war interessanter, als angenommen. Zugegeben, es hatte etwas, zu beobachten, wie Tristan im Versuch den Ball mit dem Schläger zu treffen, Duke beinahe den Kopf abgeschlagen hätte, wenn dieser sich nicht geistesgegenwärtig zur Seite geschmissen und dabei den armen Ryou mit sich gerissen hätte. Und es war ebenfalls amüsant zu sehen, wie Yugi mit dem Gewicht des Holzes - das beinahe so lang war, wie er groß war – zu kämpfen hatte, doch all diese Szenerien waren vergessen, als ich mit Werfen an der Reihe war und Kaiba den Schläger hielt.
 

Es wurde Still in der Halle. Die Irritation, die Kaibas plötzliche Bereitschaft, am Sportunterricht teilzunehmen, ausgelöst hatte, hatten die meisten Schüler während den vergangenen zwanzig Minuten überwunden – wenn man davon absah, dass ein Teil der Mädchen ihn weiterhin auf Ekel erregende, peinliche Art und Weise hinterher starrten, doch nun wo Kaiba und ich uns gegenüberstanden schien alles wieder zurück zu kehren. Verwirrte Blicke wurden gewechselt und aus dem Schweigen kämpfte sich ein penetrantes Tuscheln in den Vordergrund. Ich fühlte mich, wie in einem schlechten Roman.
 

Kaiba hatte die Stunde über kein Wort von sich gegeben. Er hatte beharrlich geschwiegen und auch meine Bemerkungen weitgehend ignoriert, doch nun musste er mich beachten. Er hatte überhaupt keine andere Wahl.
 

Der kleine Ball in meiner Hand schien von Sekunde zu Sekunde leichter zu werden und ein Grinsen verzog meine Lippen, während ich Kaiba nicht aus den Augen ließ. Wäre dies ein Film gewesen, wir hätten uns gegenüber gestanden mit je einer Waffe in der Hand, darauf wartend, dass einer von uns den ersten Schritt täte. (Ich sollte mir weniger Western ansehen ...)
 

„Worauf wartest du, Wheeler?“ Seine Worte, gepaart mit einem provozierenden Schwingen des Schlägers wirkten auf mich wie ein Startschuss. Ich holte aus, zielte, und warf.
 

Er hätte den Ball niemals treffen dürfen. Physikalisch gesehen war es überhaupt nicht möglich, dass er diesen Ball auf irgendeine Art und Weise hätte treffen können, denn ich hatte auf sein Gesicht gezielt. Wie er es dennoch schaffte, das Leder des Balles mit dem Holz des Schlägers zu treffen, ist mir ein Rätsel. Wie er es noch dazu geschafft hatte, Ryou, der unmittelbar neben ihm und dadurch automatisch in der Bahn des Schlägers gestanden hatte, nicht zu treffen, war ein noch viel größeres Mysterium. Tatsache war jedoch, dass es ein Geräusch gab, welches mir durch Mark und Bein ging, als er den Ball perfekt traf und perfekt durch die Halle schoss.
 

Er verfing sich in dem Kabel-Lampen-Gestell unterhalb der Hallendecke und wunde somit zu einem Fünf-Punkte-Homerun für Kaiba. Dieser elende Bastard! Meine Fäuste zitterten vor unterdrückter Wut, als Kaiba mit einem widerlich süffisanten Lächeln auf den Lippen gemächlich seine Runde drehte. Das gab Rache!
 

Ich sollte sie bekommen. Anders als vorgesehen.
 

Wir hatten die Seiten gewechselt und nun stand meine Mannschaft in einer Reihe und schlug den Ball. Kaibas Mannschaft (ich hatte sie gedanklich so benannt, genauso wie ich meine Mannschaft als Meine Mannschaft betitelte) führte und endlich, nachdem seit Kaibas Homerun weitere zwanzig Minuten vergangen waren und das Ende der ersten Sportstunde in greifbare Nähe rückte, standen wir uns wieder gegenüber.
 

Es war kein Zufall, ich hatte persönlich dafür gesorgt, dass ich schlagen musste, sobald er werfen würde. Ich war fest entschlossen, ihm diese Schmach von vorhin zurückzuzahlen. Ich würde einen Homerun schaffen, der den seinen um Längen in den Schatten stellen würde. (Ich wusste zwar noch nicht, wie ich das erreichen wollte, aber Spontanität war noch nie etwas Schlechtes gewesen.) Ich festigte meinen Griff um den Schläger, holte probehalber damit aus (verfehlte Téa dabei nur um Zentimeter, was sie mir hoffentlich nicht übel nahm) und starrte Kaiba angriffslustig an.
 

„Na los, trau dich.“ Der Satz war überflüssig, die Worte falsch gewählt und wie ich im Nachhinein feststellen würde auch noch anders zu interpretieren, als beabsichtigt.
 

Kaiba schenkte mir einen herablassenden Blick, gepaart mit einem spöttischen verziehen der Lippen, bevor er warf. Ich holte aus, schlug und traf nicht. Ich fluchte und stierte Kaiba finster an. „Du hast falsch geworfen!“ Ich wusste, dass er vollkommen richtig geworfen hatte, genauso wie er es auch wusste und wahrscheinlich jeder andere in dieser Halle ebenfalls, doch ich war nicht bereit, es einzusehen.
 

„Mach dich nicht lächerlich, Wheeler“, entgegnete er und verschränkte die Arme.

„Du hast falsch geworfen!“, beharrte ich standfest. Ich konnte nicht so gegen ihn verlieren.
 

„Alles an diesem Wurf war korrekt“, bemerkte er sachlich und musterte mich eisig. „Willst du etwa meine Urteilskraft infrage stellen?“

„Ja, wenn du nicht einmal in der Lage bist, einen falschen von einem richtigen Wurf zu unterscheiden!“
 

„Wheeler.“ Sein Blick verdüsterte sich, sein Mund war nur noch ein schmaler Strich. Horoskop hin oder her, er machte nicht den Eindruck, als würde er einer Auseinandersetzung mit mir weiterhin aus dem Weg gehen.
 

„Ich verlange eine Wiederholung“, forderte ich ohne ihm Zeit für weitere Worte zu lassen. „Wirf noch mal, aber richtig.“

„Mein Wurf war nicht falsch.“ Er betonte jedes Wort, als wäre es ein Satz.

„Wirf einfach noch mal.“

„Nur weil du zu inkompetent bist, einen Ball zu treffen, heißt es nicht, dass ich einen Fehler gemacht habe.“

„Wirf noch mal, Kaiba!“ Ich wollte diesen Homerun. Ich brauchte diesen Homerun!

„Nein.“

„Kaiba!“

„Nein.“
 

Wirf, oder dein Horoskop wird dir raten, am Montag imit magentafarbenem Mantel in der Schule zu erscheinen!, wollte ich ihm entgegen rufen, doch ich besann mich rechtzeitig eines besseren. Es wäre mehr als nur unklug, ihm die einzige Waffe zu offenbaren, die ich gegen ihn hatte.
 

„Ich schwöre, den nächsten werde ich treffen.“

„Du würdest ihn nicht einmal treffen, wenn er vor dir in der Luft stehen bliebe.“

„Wollen wir wetten?“

„Lass es nicht drauf ankommen, du wirst nur nicht mit der Realität klarkommen, Wheeler.“

„Hast du etwa Angst?“

„Denkst du ernsthaft, du könntest mich provozieren?“

„Also hast du Angst.“

„Du bist noch primitiver, als ich angenommen habe. Erbärmlich.“

„Angst, das Schicksal könnte es nicht so gut mit dir meinen, wie beim ersten Wurf?“
 

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass meine Worte tatsächlich Wirkung erzielen würden. Doch sie taten es, denn seine Haltung versteifte sich.
 

„Ich glaube nicht an das Schicksal, Wheeler.“ Und er warf.
 

Aber an Horoskope, nicht wahr Kaiba?, schoss es mir durch den Kopf. Und ich schlug. Und traf. Nämlich Kaiba.
 

Durch die Wucht meines Schlages zurückgeschleudert, gewann der kleine Ball rasch an Geschwindigkeit. Der Winkel jedoch war denkbar ungünstig. Hätte ich den Schläger nur ein kleines Stück höher oder tiefer gehalten, es wäre nie etwas passiert. Doch so schlug der Ball die eine bestimmte Flugbahn ein, war nicht gewillt, sie zu verändern und traf Kaiba frontal im Gesicht.
 

In Filmen und Büchern ist in ähnlichen oder vergleichbaren Situationen immer von einer Verlangsamung der Zeit die Rede. Die Getroffenen fallen in Zeitlupe, sodass immer noch die Möglichkeit besteht, geistesgegenwärtig zu handeln und sie vielleicht sogar aufzufangen, bevor sie den Boden erreichen.
 

Ich bemerkte davon nichts.
 

Kaiba fiel bemerkenswert schnell. Und das Geräusch, welches sein Aufprall auf den Hallenboden verursachte war auch nicht dumpf, sondern überraschend hohl. Überhaupt hatte sich an der Situation nichts Merkliches geändert. Ich hielt den Schläger in den Händen, ließ ihn langsam sinken. Alle Blicke waren auf Kaiba gerichtet, welcher am Boden lag, die Augen geweitet, den Blick gen Hallendecke gerichtet, während Blut aus seiner Nase lief. Meter entfernt lag der Ball auf dem Boden, unbewegt und unschuldig, als habe er nichts mit dem paradoxen Bild zu tun, welches sich uns bot.
 

Es wunderte mich, dass keines der Mädchen mit einem verzweifelten Aufschrei auf Kaiba zustürzte. Auch keiner der Jungen machte Anstalten, sich zu rühren. Von unserem Lehrer war nichts zu sehen, er hatte sich wahrscheinlich schon vor Minuten in den kleinen Raum zurückgezogen, in dem sich die Sportlehrer trafen, während ihre Schüler sich selbst beschäftigten. Natürlich fehlten die Lehrkräfte immer, wenn sie am meisten gebraucht wurden.
 

Ich drehte den Kopf nach links und rechts, doch mir begegneten ratlose Gesichter. Niemand, wusste, was zu tun war, selbst Yugi schien auf perfide Art und Weise überfordert. Nun kam ich mir tatsächlich vor, wie in einem sehr sehr schlechten Film.
 

„Kaiba?“ Meine eigene Stimme wirkte falsch in einer Situation wie dieser. Dennoch erzielte das Wort Wirkung. Kaiba schien aus seiner Starre zu erwachen. Er blinzelte, hob die Hand und betastete seine Nase. Anschließend hob er die Hand vor seine Augen und betrachtete das Blut auf seinen Fingerkuppen. Dann, vollkommen unvermittelt, richtete sich sein Blick auf mich und ich schluckte schwer.
 

„Wheeler.“ Im Gegensatz zu meiner Stimme, wirkte seine alles andere als falsch. Sie klang sogar mehr als nur richtig und zwar insofern, als dass sie berechtigterweise voller Schärfe und unterdrücktem Zorn war. Er ballte die Hand zur Faust und richtete sich auf. Als er aufrecht saß schien die Blutung seiner Nase nur an Stärke zuzunehmen. Ich hatte wirklich perfekt getroffen. Ob seine Nase gebrochen war?
 

Ich sah von einer Seite zur anderen. Noch immer rührte sich niemand. Ich konnte es verstehen – einen blutenden Kaiba bekam man nicht alle Tage zu sehen – dennoch hatten sie lange genug Zeit gehabt, um sich mit diesem Anblick abzufinden.
 

Mein Blick wanderte zurück zu Kaiba, welcher sich nun eine Hand auf die Nase presste, in einem sinnlosen Versuch, die Blutung zu stoppen. Ich konnte nicht glauben, es tat mir irgendwie leid, dass ich ihn getroffen hatte. Ich war einfach zu gutmütig – und das auch noch bei Kaiba!
 

„Hat einer hier zufällig ein Taschentuch?“ Achtundzwanzig Augenpaare (Kaiba mitgezählt) richteten sich auf mich. Dennoch rührte sich niemand. Nun wurde ich ungeduldig. „Ein Taschentuch! Es wird doch irgendjemand ein verdammtes Taschentuch haben!“
 

„Äh ...ja.“ Tea wühlte unbeholfen in einer Tasche ihrer Sporthose herum, bevor sie ein rosafarbenes Stofftaschentuch hervorholte. Ich packte es im Vorbeigehen und war mit wenigen Schritten bei Kaiba. In seinem Blick lag Argwohn, als ich mich neben ihn hockte, doch offen gestanden konnte ich es ihm nicht verübeln, hatte ich ihn doch vor wenigen Momenten mit einem Baseball beinahe ausgeknockt.
 

„Hier.“ Ich hielt ihm das Stück Stoff entgegen und seine Augen pendelten zwischen mir und meiner Hand hin und her, während er, die Hand noch immer auf der Nase, undeutliche Worte knurrte. Ob es daran lag, dass das Taschentuch rosa war, oder daran, dass ich es war, der es ihm hinhielt, wusste ich nicht, doch ich wurde unruhiger, je länger er nichts tat, sondern mich einfach nur finster anstarrte.
 

„Verdammt Kaiba, damit ist dir auch nicht geholfen“, zischte ich, packte die Hand, mit der er seine Nase bedeckte und zog sich ruckartig nach unten, während ich ihm mit meiner anderen Hand das Taschentuch auf die Nase drückte. Als er zusammenzuckte wurde mir klar, dass ich ihm möglicherweise wehtat, doch im nächsten Moment war es mir egal. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben, reicher Pinkel. Du hättest es ja selbst machen können, aber nein, der Herr ist sich ja zu fein –“
 

Bevor ich den Satz beenden konnte, hatte er meine Hand beiseite geschlagen und hielt sich nun selbst das Taschentuch vor die blutende Nase. (Wie er es geschafft hatte, ohne dass das Taschentuch runter fiel, war mir selbst ein Rätsel.) Ein dunkler roter Fleck breitete sich langsam darauf aus. Ich ließ meine Hand sinken.
 

„Ich könnte dich wegen Körperverletzung anzeigen.“ Seine Stimme war leise und durch das Tuch auf seiner Nase irgendwie dumpf, dennoch waren die Worte schärfer als ein Messer.
 

Ich blinzelte irritiert, bevor ich seinen Blick erwiderte. „Das glaubst du doch selber nicht, Kaiba. Das hier ist Schulsport, da kannst du niemanden zu Rechenschaft ziehen, wenn du dich verletzt.“
 

Die Hand, mit welcher er das sich immer dunkler verfärbende Taschentuch festhielt, zitterte kaum merklich, während seine Augenbrauen sich weiter zusammenzogen. „Du hast mich absichtlich getroffen. In dem Fall kann ich dich wegen vorsätzlicher Körperverletzung anzeigen, Wheeler.“
 

„Absichtlich?“, echote ich und lachte humorlos. „Na sicher Kaiba, das war volle Absicht. Ich wollte dich natürlich treffen, wie konnte es auch anders sein? Willst du mich verarschen?“ Ich sah ihn wütend an. „Denkst du echt, das hätte ich nötig?“
 

„Selbst wenn es keine Absicht war“, knurrte er, „hast du es drauf angelegt.“
 

Meine Geduld war am Ende. Hinzu kam, dass alle anderen sich zwar wieder rührten, jedoch keine Anstalten machten, irgendwie einzugreifen. Wo waren wir denn hier? Ich packte Kaiba kurzerhand am Arm und zog ihn hoch. Er protestierte und versuchte, sich aus meinem Griff zu lösen, doch mit nur einer Hand erwies sich dieses Unterfangen als unmöglich.
 

„Ich hab es satt, mir deine Vorwürfe anzuhören. Dann hättest du eben nicht am Sportunterricht teilnehmen dürfen.“ Ich ignorierte die Tatsache, dass ich dafür verantwortlich war. „Wir gehen zur Krankenschwester, die gibt dem armen armen Kaiba ein Pflaster und dann ist die Welt wieder in Ordnung.“
 

„Es wird nicht bei einer Anzeige bleiben Wheeler“, zischte Kaiba, während ich ihn aus der Sporthalle zerrte und uns die Blicke meiner Mitschüler folgten. „Ich verklage dich außerdem wegen Rufmord und sollte ich wegen deiner Inkompetenz einen Gesichtchirurgen aufsuchen müssen, fordere ich Schmerzensgeld.“
 

„Als ob du nicht genug Geld hättest“, entgegnete ich unbeeindruckt, als wir nach draußen traten.
 

Kaiba strafte mich den ganzen weiteren Weg zur Krankenschwester mit Nichtachtung. Und ich hatte es tatsächlich bereut, ihn mit dem Ball getroffen zu haben? Ich muss einen Kurzschluss gehabt haben, als ich das gedacht hatte.
 

oOo
 

„Ich finde, du solltest seine Worte nicht auf die leichte Schulter nehmen.“

„Duke, Kaiba würde mich nie verklagen.“

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“
 

Das Telefon klemmte zwischen meinem Ohr und meiner Schulter, während ich auf einem Bein versuchte, an das oberste Buch auf meinem Schrank zu kommen, welcher bis beinahe unter die Decke reichte. Es kam nicht selten vor, dass ich derart seltsame Verrenkungen ausführte, denn Objekte in meinem Zimmer entwickelten gerne ein Eigenleben und fanden sich an den entlegensten Winkeln – in diesem Fall auf meinem Kleiderschrank – wieder.
 

„Ganz einfach, Kaiba weiß, dass es bei mir nichts zu holen gibt und im Endeffekt wäre es für ihn weitaus teurer, als für mich. Darum wird er es nicht tun.“

Am anderen Ende der Leitung seufzte Duke. „Echt Joey, deine Nerven möchte ich haben.“
 

Meine Finger tasteten nach dem Buch und streiften es. Ich streckte mich weiter.
 

„War seine Nase gebrochen?“

„Natürlich nicht. Aber er wird einen netten blauen Fleck bekommen und seine Schuluniform ist voller Blut. Aber wie ich ihn kenne, hat er einen Schrank voll davon.“

„Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig, Joey. Wenn das mit dem blauen Fleck stimmt, darfst du dich bei Kaiba auf etwas gefasst machen. Er kann sehr nachtragend sein.“

„Wem sagst du das?“
 

Ich verengte die Augen und biss mir konzentriert auf die Lippen, meinen Blick auf das Buch gerichtet.
 

„Aber ich mache mir keine allzu großen Sorgen. Schlimmer als es schon ist, kann es ohnehin nicht mehr werden. Aber ich sag dir, du hättest das Gesicht der Krankenschwester sehen müssen, als wir vor ihr standen. Hätte ich den Baseballschläger noch in der Hand gehabt, ich glaube, sie wäre ohnmächtig geworden.“

„Kann ich mir vorstellen. Wenn du sagst, Kaibas Uniform sei voller Blut gewesen ...“

„Total. Sah aus, als hätte man eine Blutkonserve darüber geleert. Teas Taschentuch hat überhaupt nichts gebracht.“

„Joey.“

„Doch Duke, ich meine es ernst.“

„Du bist makaber.“

„Tze, und wenn schon. Im ersten Moment tat es mir irgendwie Leid, dass ich Kaiba getroffen habe, aber spätestens, als er mir die Klage angedroht hat, war es vorbei mit dem Mitgefühl. Er hat es verdammt noch mal verdient.“

„Ich kann nicht glauben, dass ich indirekt mitverantwortlich bin“, seufzte Duke.

„Nimm es nicht so schwer, Duke.“
 

Meine Hand ertastete das Buch endlich ganz und ich zog es vorm Schrank. Zu meinem Leidwesen schien das Buch Anhang gefunden zu haben und zwar in Form einiger anderer Bücher, eines verstaubten Teddybären und diverser alten Spielfiguren, die bereits vor Jahren auf den Schrank verbannt worden waren. Mit einem Poltern fielen mir die Sachen entgegen und ich fand mich Sekunden später in einem Haufen Gerümpel, umgeben von einer dicken Staubwolke, wieder.
 

„Joey?“
 

Dukes Stimme klang dumpf und weit entfernt zu mir vor und mit einem Fluchen realisierte ich, dass ich das Telefon verloren hatte und es sich nun irgendwo inmitten des Haufens befand.
 

„Äh Duke, Moment, ich hab dich gerade ... verloren.“

„Joey?“

„Kleinen Moment, Alter, ich habe dich gleich gefunden ... sobald ich wieder sehe, versteht sich ...“
 

Ich begann blind in dem Haufen zu kramen.
 

„Duke? Sprich mit mir, du bist gerade verschollen?“

„Ich bin was?!“

„Genau so, rede mit mir. Wo bist du?“

„Woher soll ich das wissen?“

„Das war rhetorisch gemeint.“

„Was du nicht sagst.“
 

Eine Hand ertastete das Telefon und seufzend hielt ich es mir wieder ans Ohr.
 

„Duke? Sorry, hatte gerade einen kleinen Unfall in Form einer Gerümpellawine.“

„Deine Probleme hätte ich gerne.“

„Du hättest vieles von mir gerne, kann das sein?“
 

Wieder klemmte ich mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter, während ich den Gerümpelhaufen durchwühlte, alte Duel Monsters Figuren beiseite schob.
 

„Ich ersticke in einem Berg von Arbeit und du vergnügst dich mit deinem Gerümpel, noch dazu lassen dich Drohungen jeglicher Art von Kaiba vollkommen kalt. Ja, ich muss zugeben, dass sind Dinge, dich ich momentan gerne auch von mir behaupten würde.“

„Danke für die Lorbeeren.“

„Kein Problem. Schon Pläne für dein Wochenende?“

„Abgesehen davon, Kaiba zu terrorisieren, meinst du?“

„Du ziehst das echt voll durch, was?“

„Worauf du dich verlassen kannst.“

„Ich muss zugeben, ich bin von dir beeindruckt, Joey.“

„Das aus deinem Mund, Duke? Ist denn schon Weihnachten?“
 

Endlich ertastete meine Hand das gesuchte Buch.
 

„Weißt du denn schon, was du als nächstes mit ihm vorhast?“

„Ich arbeite an etwas. Der heutige Tag hat mich inspiriert.“

„Du willst ihm doch nicht etwa wieder einen Ball ins Gesicht schmettern?“

„Nicht direkt.“

„Joey, Körperverletzung ist strafbar.“

„Das brauchst du mir nicht sagen. Außerdem war das heute ein Unfall. Ich hatte nicht vor, ihm beinahe die Nase zu brechen.“

„Das ist beruhigend.“
 

Ich wischte über den verstaubten Buchdeckel, legte dadurch Blick auf den Titel frei. Meine Lippen verzogen sich zu einem vorfreudigen Grinsen.
 

„Ich muss ihn nicht unbedingt mit einem Baseball beinahe bewusstlos schlagen, um an meine Rache zu kommen. Es gibt noch unzählige andere Möglichkeiten.“
 

Mein Blick überflog die Lettern, die den Buchdeckel zierten.
 

„Besser Möglichkeiten. Gemeinere Möglichkeiten.“
 

Grimms Märchen.

Wid(d)er Erwartens

Wid(d)er Erwartens
 

Pläne schmieden zählte nie zu einer meiner Stärken. Offen gestanden hatte ich mich damit immer recht schwer getan. Meine Devise war es, spontan und situationsbedingt zu handeln, mich nicht auf Reservepläne A, B oder X zu verlassen.
 

Der Plan, Kaiba seine Schmähungen in Form von gefälschten Horoskopen heimzuzahlen zählte somit zum ersten, einzigen durchführbaren und tatsächlich funktionierenden Konzept, das noch dazu von mir stammte. Ich hatte nicht vor, diese glückliche Fügung des Schicksals in Frage zu stellen - geschweige denn, mich nun auf halsbrecherische Art und Weise von einem Schlachtplan in den nächsten zu stürzen – doch ich kam nicht umhin, zugeben zu müssen, dass eine derartige Entwicklung nicht weitgehend ungenutzt bleiben konnte.
 

Wenn ich es geschafft hatte, Kaiba dazu zu bringen, am Sportunterricht teilzunehmen, zu welchen wundervollen Dingen würde ich ihn sonst noch bringen können?
 

Meine Wochenenden beschränkten sich für gewöhnlich darauf, dass ich den größten Teil des Tages verschlief, mich am frühen Nachmittag zum Frühstücken aufraffte und schließlich den kümmerlichen Rest des Tages mit meinen Freunden verbrachte oder aushilfsweise irgendwo jobbte, um meine Haushaltskasse etwas aufzufüllen (sie hatte es nötig).
 

Dieses Wochenende gestaltete sich etwas anders. Es begann früher und es sollte später enden. Es galt, sich eine Zielsetzung der kommenden Woche festzulegen. Bis Montag brauchte ich einen neuen Entwurf für Kaibas Horoskop und die Herausforderung bestand darin, ein Horoskop zu entwerfen, dessen Auswirkungen nicht alleine Montag, sondern auch noch Dienstag und Mittwoch spür- oder sichtbar sein würden, denn erst am Donnerstag würde Kaiba das nächste Horoskop lesen.
 

Natürlich hatte mein erster Entwurf am Freitag bereits vollen Erfolg gezeigt. Kaiba hatte beim Sportunterricht mitgemacht – ein bedeutender Einschnitt in unsere Schulgeschichte – doch es hatte sich nicht annähernd so entwickelt, wie ich es geplant hatte. Kaiba hatte sich zu meinem Leidwesen als durchaus sportlich erwiesen – wie um alles in der Welt war das überhaupt möglich und warum nahm er bei seiner Kondition dann trotzdem normalerweise nicht am Unterricht teil?! – und er hatte sich nicht wie geplant vor der Klasse bloßgestellt – sei es durch ein Stolpern über seine Schnürsenkel, mein Bein oder etwas anderes.
 

Auch die Tatsache, dass ich ihm durch meinen misslungenen Schlag beinahe das Nasenbein zertrümmert hätte, konnte nicht als Bloßstellung bezeichnet werden, war doch bei den Mädchen die Bewunderung für ihn nur gestiegen, da er keinen Moment Schmerz gezeigt, geschweige denn ohnmächtig geworden war. Auch die Jungen hatten es nicht gewagt, sich in irgendeiner Art und Weise über ihn lustig zu machen – ob es an der Drohung einer Klage gelegen hatte, wusste ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Alles in allem ließ sich somit feststellen, dass die gesamte Sportstunde (er hatte nicht einmal die zweite mitgemacht) in ein Fiasko ausgeartet war. Kaiba war beliebter (und gefürchteter) als je zuvor.
 

Seto – ich kenne keinen Schmerz, nicht einmal wenn Wheeler mir beinahe die Nase bricht – Kaiba hatte also wieder einmal gewonnen.
 

Doch ich war nicht gewillt, es dabei zu belassen. Wie konnte Kaiba die Frechheit besitzen, mich zu besiegen, wo ich die Fäden in der Hand hielt?! Das war unverzeihlich und nicht zu tolerieren! Dafür würde er aufs höchste aller Maßen bezahlen, das schwor ich mir. Und das schönste an all dem war, dass ich am Sonntagvormittag einen Racheplan hatte, der gleichsam brillant wie gerissen war. Kaiba konnte sich dieses Mal nicht retten, es gab einfach keine Möglichkeit.
 

Die Grundlage meines Plans lag in Form von Grimms Märchen direkt neben mir, als ich mit einem unheimlichen Lachen (ja, ich hatte es mir von Kaiba abgeguckt) bäuchlings auf mein Bett warf. Zwischen den Buchseiten lag fein säuberlich zusammengefaltet, der neueste Entwurf des Montagshoroskops, genau zwischen Schneewittchen und dem Anfang von Rotkäppchen.
 

Zum ersten Mal konnte ich es nicht mehr erwarten, dass es Montag wurde.
 

oOo
 

„Und, schon den nächsten Schritt eingeleitet?“

„Vorbereitung abgeschlossen, ist quasi schon in der Durchführung.“
 

Duke lehnte neben mir an einem der Spielautomaten und blickte mit vagem Interesse auf dem Bildschirm vor dem ich saß und momentan mit sinnloser Begeisterung auf Untote schoss. Im Hintergrund lieferten Tristan und Téa sich ein Duell vor dem Tanzautomaten (Téa hatte solange auf den armen Tristan eingeredet, bis dieser sich stöhnend geschlagen gegeben hatte), wurden dabei von Ryou und Yugi angefeuert.
 

„Und?“ Duke beugte sich etwas weiter vor, ich hörte das unterdrückte Interesse in seiner Stimme nun deutlich und kam nicht umhin, zu grinsen.
 

„Was denn, ich dachte, du wolltest nichts mehr damit zutun haben.“

Er murmelte etwas Unverständliches, während ich ins nächste Level aufstieg und nun noch mehr grüne Gegner als vorher hatte. „Das habe ich so nicht gesagt.“
 

„Ach, tatsächlich?“ Ich drückte den roten Knopf auf der Armatur und eine Explosion dröhnte aus den Lautsprechern, während grüne Körperteile über den Bildschirm flogen. „Na wer sagt’s denn!“
 

Hinter mir verdeutlichte ein Fluchen von Tristan, begleitet von mitleidiger Musik, dass Téa ihn soeben in Grund und Boden getanzt hatte. Yugi und Ryou beglückwünschten die Gewinnerin, während Tristan sich beleidigt zu einem Autorennen zurückzog.
 

Ich spürte Dukes durchdringenden Blick auf mir und musste mir einen selbstzufriedenen Kommentar verkneifen. Stattdessen griff ich in die Innentasche meiner Jeansjacke und hielt ihm schließlich einen gefalteten Zettel vors Gesicht, während ich mit der anderen Hand den Steuerknüppel bediente und Angriffen auswich. „Sogar bereits abgetippt und sendebereit“, fügte ich hinzu, als Duke mir den Zettel aus der Hand nahm und ihn auseinanderfaltete.
 

„Nicht schlecht“, gestand er und als ich ihm aus den Augenwinkel einen Blick zuwarf (ich stieg nebenbei erneut ein Level weiter auf), sah ich, dass er anerkennend die Augenbrauen gehoben hatte.
 

„Hat auch lange genug gedauert, bis ich alles zusammen hatte. Ich schwör dir, Kaiba wird sein blaues Wunder erleben.“

„Und was genau hast du nun vor?“
 

Eine aufblinkende Lampe über dem Spielautomaten, zusammen mit euphorischer Musik verkündete mir, dass ich soeben den Highscore übertroffen hatte. Ich drehte mich auf meinem Sitz schwungvoll um hundertachtzig Grad, verschränkte überlegen die Arme und lächelte Duke viel versprechend an. „Lass dich überraschen. Ich kann soviel sagen: Wenn ich mit Kaiba fertig bin, wird ihn niemand mehr wieder erkennen.“
 

Und hinter mir blinkten in bunten Lettern die Worte: You win!
 

oOo
 

Skorpion 24.10-22.11
 

Seien Sie in dieser Woche auf Veränderungen vorbereitet. Zwar reagieren Skorpione sensibel auf Umstellung, doch lassen Sie es einfach zu.
 

Meiden Sie in nächster Zeit vor allem die Raute, da sie negative Strahlung verbreiten und sich nachteilig auf Sie auswirken können. An Tagen wie diesen ist Schwarz die Farbe, die zu Ihrer ersten Wahl gehören sollte, genauso sollten Sie der irritierenden Strahlung der Raute mit dem sechszackigen Stern begegnen. Ob in Form eines Talismans, einer Kette oder lediglich eines Symbols spielt hierbei keine Rolle, lassen Sie sich nicht verunsichern.

Diese Woche verspricht, außergewöhnlich zu werden, Ihre Stimmung wird ungeahnte Höhen erreichen. Lassen Sie sich von Rückschlägen der letzten Woche nicht beunruhigen. Solange Sie diesem Tag mit positiver Strahlung begegnen und keine Bitte ausschlagen, haben negative Einflüsse keine bleibende Wirkung auf Sie.
 

oOo
 

Trotz allem hatte ich am Montag Probleme, rechtzeitig aufzustehen. Euphorie und Vorfreude hin oder her, sie änderten nichts daran, dass ein Joey Wheeler seinen Schönheitsschlaf brauchte. Verschlafen kämpfte ich mich aus den Tiefen der Decke, stieß im Vorbeitaumeln den Wecker um, stolperte und hätte beinahe den Computer umgerissen.
 

Mein Frühstück ließ sich auch als Fast Food bezeichnen, schaffte ich es doch, es mir genauso schnell zuzubereiten, wie es wohlmöglich in Burger World ebenfalls der Fall gewesen wäre. Mit einem Brot im Mund, der Tasche über der Schulter und dem Jacke der Schuluniform in der Hand stolperte ich das Treppenhaus hinab, ließ zwischenzeitlich meine Schlüssel fallen und schaffte es schließlich ohne Genickbruch (ich hatte auf halber Höhe der Treppe beinahe das Gleichgewicht verloren) aus dem Haus.
 

Ich stand bereits an der Bushaltestelle, als mir mit einem Japsen nach Luft, gepaart mit einem Fluch (für den Téa mich mit mehr als nur einem strengen Blick gestraft hätte) bewusst wurde, was ich vergessen hatte.
 

Ich schätze, den Weg von der Bushaltestelle zurück, durch das Treppenhaus und in meine Wohnung, hatte ich noch nie so schnell wie an diesem Montagmorgen hinter mich gebracht. Meine Schultasche war irgendwo zwischen noch offener Eingangstür und Schlaf-/Wohnzimmer abhanden gekommen, doch galt meine Aufmerksamkeit nun einzig dem Computer vor dem ich hockte und der heute Morgen langsamer hochfuhr als jemals zuvor. (Ich wusste, dass er das mit Absicht tat!)
 

Zu meinem Glück hatte ich das Horoskop bereits gestern als Dokument gespeichert und sah mich nun lediglich dazu verpflichtet, es abzuschicken. Mit einem Seufzer der Erleichterung auf den Lippen ließ ich mich nach hinten Sinken. Als ich den Kopf wandte, fiel mein Blick auf den Wecker, der neben mir auf dem Boden lag und dessen Zeiger mich auf hämische Art und Weise anzugrinsen schienen, während der Sekundenzeiger höhnisch tickte.
 

Mit einem Aufschrei war ich auf den Beinen, drückte auf den Ausknopf des Rechners und stürmte aus dem Zimmer. Im Rennen packte ich meine Schultasche samt Uniformjacke und sprintete im Eiltempo aus der Wohnung. Die Tür schlug hinter mir zu, ich flog regelrecht die Treppen nach unten und erreichte die Bushaltestelle genau rechtzeitig, um dem Bus hinterher winken zu können, der soeben abgefahren war.
 

Ich rief ihm hinterher, machte mit meiner Schultasche wilde Gestiken, für die einige Passanten mir irritierte Blicke schenkten, und machte sogar Anstalten, dem Bus hinterher zu laufen, doch sah ich schnell ein, dass das Unterfangen von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.
 

Schwer seufzend und mich meinem Schicksal fügend trottete ich zu der überdachten Bushaltestelle zurück und ließ mich auf die Plastikbank fallen. Schnaufend legte ich den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Der Montagmorgen würde nie seine Schrecklichkeit verlieren, ganz gleich, welches Horoskop auch darauf warten mochte, von Kaiba gelesen zu werden.
 

Wenigstens war ich nun von der ersten Stunde befreit. Der nächste Bus kam erst in vierzig Minuten. Guten Morgen, Joey. Die Woche konnte beginnen.
 

oOo
 

„Joey, wo bist du gewesen?“, fragte Tristan, als er mich erblickte.
 

Knurrend schleuderte ich meine Tasche neben meinen Platz und schmiss mich regelrecht auf den Stuhl. Die erste Stunde war seit zwei Minuten zu Ende, die zweite würde gleich beginnen und erst Sekunden vorher hatte ich mit finsterem Gesichtsausdruck die Klasse betreten. „Steckte im Stau.“
 

„Stau?“, wiederholte Téa, die an ihrem Tisch, direkt neben mir saß und ihren Kopf auf die Handfläche stützte. Ihre großen Augen musterten mich skeptisch. „Wie kannst du im Stau stecken?“
 

Ich stöhnte frustriert. „Nehmt doch nicht alles gleich so bitterernst. Ich hab den Bus verpasst und konnte auf den nächsten warten. Das dauert seine Zeit und wirkt sich genauso aus, wie ein Stau.“
 

„Dann drück dich klarer aus, mein Gott“, gab Téa zurück und lächelte süßlich. „Du scheinst ja mehr als nur gut gelaunt.“

„Es geht mir blendend“, schnappte ich und wühlte abwesend in meiner Schultasche. „Genauso wie jeden Montag – was du mittlerweile wissen solltest – und noch dazu haben wir jetzt Japanisch, wenn ich mich nicht täusche und – wo verdammt noch mal ist mein Block?!“
 

„Äh, Joey?“, fragte Yugi zaghaft, als ich kurzerhand meine Tasche über meinem Tisch ausleerte. Hefte fanden ihren Weg nach draußen, ebenso Bücher, Schnipsel von Papier, vereinzelte Stifte, Radiergummis, Duel Monsters Karten, Münzen – mein Mittagessen war gesichert (sofern ich es schaffte, die Münzen nachher wieder aufzusammeln) – Krümel, Staub, Konfetti –
 

„Joey ...?“ Meine Freunde begegneten dem an Größe zunehmenden Haufen auf meinem Tisch mit Befremdung. Tristan fischte eine der Karten aus dem Haufen und verzog das Gesicht. „Du hast die Karten, ich hab sie schon seit Wochen gesucht! Wie kommen meine Karten in deine Tasche? Bei unserem letzten Duell hätten sie mir sehr geholfen.“

„Kein Plan, Alter“, murmelte ich, ohne seine Worte wirklich wahrzunehmen und wühlte konzentriert im Haufen herum. Doch so sehr ich auch suchte, neben all den Dingen, von denen ich (und meine Freunde zweifellos auch) mich mehr als nur wunderte, was sie in meiner Schultasche zu suchen hatten (wie bitte kam Konfetti in meine Tasche?!), von einem Block war keine Spur.
 

Mit einem Schaudern fiel mir ein, dass er neben dem Computer auf dem Boden lag, zusammen mit der handschriftlichen Fassung von Kaibas heutigem Horoskop. Ich fluchte, fing mir dieses Mal tatsächlich einen mahnenden Blick von Téa ein und ließ mich geschlagen nach hinten sinken. „Das darf doch nicht wahr sein. Mein Block mit allen Hausaufgaben.“ (Mehr oder weniger allen.)
 

„Typisch Joey“, murmelte Tristan und wagte einen weiteren Griff in meinen Schulhaufen. „He, das ist mein Radiergummi. Und mein Kugelschreiber, den Serenity mir zum Geburtstag geschenkt hat ist auch hier. Joey, wie kommen meine Sachen in deinen Besitz?!“
 

Ich sah ihn an, hob nur abwinkend eine Hand. „Bitte, vielleicht ist ja auch das Konfetti von dir. Bedien dich.“
 

„Vielleicht solltest du langsam anfangen, wieder etwas Ordnung in deine Sachen zu bringen“, warf Yugi schließlich mit Blick auf die Uhr ein. „Die nächste Stunde fängt gleich an.“
 

Ich gab einen Laut von mir, der aus einer Mischung aus Jammern, Stöhnen und Knurren bestand, bevor ich mich aufrichtete und begann, den Inhalt meiner Tasche wieder in selbige zu befördern. Murrend schob ich schließlich den Stuhl zurück und begann, die am Boden liegenden Münzen aufzusammeln. So vertieft in dieses Unterfangen sah ich mich erst durch ein Paar dunkler Schuhe gestört, welches halb auf einer der letzten Münzen stand.
 

„Entschuldigung, wenn du nichts dagegen hättest, würde ich gerne –“
 

Ich verschluckte mich beinahe am unausgesprochenen Rest des Satzes, als mir klar wurde, wem die Schuhe gehörten. Natürlich Kaiba. Wem auch sonst? Ich widerstand dem Drang, die Zähne zu fletschen, denn auf allen vieren kniend vor Kaiba auf dem Boden die Zähne zu fletschen würde er zweifellos als Anlass sehen, mich (wieder) mit einem Hund zu vergleichen.
 

„Suchst du da unten einen Knochen, Wheeler?“
 

Fehlkalkulation. Ich musste nicht erst mit den Zähnen fletschen, um bei ihm diese Assoziation hervorzurufen.
 

„Verzieh dich, Kaiba.“

„Du versperrst mir den Weg.“

„Dann such dir einen anderen.“
 

Zugegeben, von unten herab und noch dazu kniend regelrecht zu Kaiba (der noch dazu stand) hinauf zu schreien gehörte nicht wirklich zu meinen favorisierten Freizeitbeschäftigungen. Hinzu kam, dass er noch immer auf der Münze stand, die ausschlaggebend dafür war, ob ich heute ein halbwegs anständiges Mittagessen zu mir nehmen würde oder nicht. Berücksichtigte man all diese Komponenten, war nachvollziehbar, dass meine Laune sich seit Kaibas erstem Auftritt in dieser Woche drastisch dem Nullpunkt näherte.
 

„Sosehr deine derzeitige Haltung auch deiner wahren Natur entsprechen mag, ist sie momentan doch mehr als nur störend.“ Warum stand Kaiba überhaupt? Sollte er nicht auf seinem Platz sitzen? Es gab Ungereimtheiten, bei denen ich mir nicht einmal sicher war, ob ich die Antwort kennen wollte.
 

„Halt die Klappe, Pinkel und geh von meinem Geld runter.“
 

Er blickte an sich hinab, hob den Fuß und gab sich überrascht. „Sie an, ist das dein Monatsgeld, Wheeler? Etwas ärmlich, findest du nicht auch?“
 

Ich wollte nach der Münze greifen, doch er ließ den Fuß bevor ich sie berühren konnte wieder niederfahren. Geistesgegenwärtig riss ich meine Hand zurück und verhinderte ebenso, dass er sie zertrat. Knurrend starrte ich zu ihm hoch. „Spinnst du?!“
 

Erst jetzt fiel mir der dunkle Fleck auf, der seine Nase und die Haut drum herum zierte. Kein Wunder, von hier unten war er nicht halb so deutlich zu sehen, als wenn ich auf derselben Augenhöhe wie Kaiba gewesen wäre, dennoch fiel er auf. Das Resultat des Baseballs. Mein Werk. Kaiba hatte ein Feilchen – auf der Nase.
 

„Sag bitte, Wheeler“, rissen mich seine Worte unsanft aus den Gedanken und ich war ernsthaft versucht, ihn zu bitten, sie zu wiederholen. Hatte ich tatsächlich das gehört, was ich meinte, gehört zu haben?! Wollte der mich verarschen? Doch das herablassende Lächeln, welches seine Lippen verzog schlossen jeglichen Zweifel aus. „Sag bitte und ich gehe vielleicht weiter.“
 

„In deinen Träumen vielleicht!“, fauchte ich und rappelte mich auf. Endlich waren die Seiten wieder ausgeglichen und nun wurde das Ausmaß des Feilchens auch deutlich ersichtlich. Es war nicht wirklich schön, doch zu meinem Missfallen entstellte es ihn auch nicht unbedingt. Im Gegenteil verlieh es ihm etwas Bedrohliches. Konnte er denn nicht wenigstens lächerlich damit aussehen? Warum musste er mir alles ruinieren?
 

„Geh von meinem Geld runter, Kaiba.“

„Sag bitte bitte, Wheeler.“

„Nettes Feilchen, Kaiba.“

Seine Mundwinkel zuckten verräterisch. „Warum kniest du dich nicht wieder hin? Es stand dir so gut.“

„Das könnte dir so passen, was?“ Ich beugte mich kaum merklich vor. „Du hast ein Faible dafür, mich knien zu sehen, nicht wahr, Kaiba?“
 

Erst als die Worte sich nicht mehr rückgängig machen ließen, wurde mir klar, wie erschreckend zweideutig sie klangen. Unangenehm berührt räusperte ich mich und machte einen Schritt nach hinten. Kaiba verschränkte die Arme und musterte mich gelassen. Diese Haltung irritierte mich. Er musste doch wissen, wie meine Worte sich auslegen ließen. Bedeutete sein Verhalten, dass es ihn kalt ließ? War er denn durch nichts aus der Ruhe zu bringen? Musste ich ihm erst wieder einen Baseball ins Gesicht schleudern, um auf eine angemessene Reaktion hoffen zu können?
 

Das Klingen der Schulglocke löste die eingefrorene Situation schließlich auf. Kaiba bedachte mich ein letztes Mal mit einem abfälligen Blick, dann ging er wortlos an mir vorbei zu seinem Platz. Ich bückte mich rasch, hob die Münze auf und kehrte ebenfalls zu meinem – vom Inhalt der Schultasche noch immer schmutzigen – Platz zurück.
 

Während der gesamten Stunde schaffte ich es nur mit Mühe, meinen Blick von Kaiba zu wenden, der zwei Reihen vor mir saß. Yugi betrachtete mich besorgt von der Seite, als befürchtete er, ich würde mit meinem lodernden Blick ein Loch in Kaibas Rücken brennen, doch zu meinem Bedauern, war dies nicht der Fall. Nicht einmal die Spur einer Verbrennung blieb zurück.
 

Manchmal wünschte ich mir, wir wären Comicfiguren und das alles wäre möglich.
 

oOo
 

Informatik. Endlich. Der Moment der Entscheidung. Mehr oder weniger.
 

Wir bekamen einen Arbeitsauftrag, ich fühlte mich überfordert und lief erneut Gefahr, die Daten meines Rechners mit nur einem Tastendruck zu löschen. Ich hatte mich am Wochenende mit Duke darüber unterhalten und ihm zufolge war es so gut wie unmöglich, die Daten auf demselben Weg zu löschen, wie ich es getan hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintrat, lag bei etwa drei Prozent. Natürlich hatten diese drei Prozent sich dazu entschieden, bei mir einzutreten.
 

Ich versuchte, mich auf die gestellte Aufgabe zu konzentrieren. (Auch etwas, worüber ich mit Duke am Wochenende gesprochen hatte. Ich konnte nicht die gesamte Stunde mit Nichtstun oder Kaiba beobachten verschwenden, ohne nennenswerte Leistung zu erbringen.) Dennoch kreisten meine Gedanken um das einzige zentrale Thema: Würde Kaiba wieder dem Rat des Horoskops folgen?
 

Ich sollte die Antwort schneller bekommen, als mir lieb war. Und zwar bereits in der Mittagspause. Wir saßen gemeinsam an einem Holztisch mit Bänken, von dem es insgesamt vier an der Zahl auf unserem Schulhof gab und der zu einem unserer Stammplätze zählte.
 

„Willst du mein Pausenbrot?“ Tristan hielt mir ein halb in Packpapier eingewickeltes Bündel vor die Nase. „Hab die Marmelade mit Ketchup verwechselt und auf die Wurst geschmiert.“
 

Téa verzog angewidert den Mund und Duke verschluckte sich beinahe an seinem Reis (er hatte ein traditionell japanisches Obentô dabei), als ich dankend Tristans Brot annahm. (Immerhin sparte ich mir so das Geld für ein teures Mittagessen.)
 

„Du hast echt vor, das zu essen?!“, stieß Duke zwischen einem Husten und einem Japsen nach Luft hervor und schaffte es trotz des akuten Sauerstoffmangels noch schockiert zu klingen. Téas Blick (noch immer auf mir ruhend) wurde eine Spur fassungsloser und sie wich auf ihrem Platz ein Stück zurück.
 

Ich erwiderte ihre Blicke offen und zuckte gleichgültig die Schultern. „Was habt ihr? Schmeckt auch nicht wirklich anders als Erdnussbutter mit Senf. Noch nie Süßes mit Deftigem kombiniert?“
 

„Das ist absolut ekelig“, bemerkte Téa und schüttelte sich schaudernd. „Joey, du hast einen kranken Geschmack.“
 

Ich neigte nicht verstehend den Kopf. „Serenity hat das mal als exzentrische Gourmetzunge bezeichnet, aber krank hat sie es nicht genannt.“
 

„Man kann sich heutzutage alles schön reden“, erwiderte Téa kopfschüttelnd und gab sich seufzend geschlagen. „Iss nur, Joey. Solange es dir schmeckt.“
 

Ryou saß selig lächelnd neben uns und verschob abwesend Dukes Stäbchen (er hatte gleich mehrere Paare mitgebracht, weiß der Teufel, wieso) zu skurrilen Mustern und Formen. Auf die Frage hin, ob er denn nichts essen wolle, deutete er auf das Obst neben sich und schob sich versonnen eine Weintraube zwischen die Lippen. Ryou war schon eine Person für sich, manchmal hatte ich das Gefühl, er war regelrecht unsichtbar, so unauffällig verhielt er sich.
 

„Da ist Kaiba“, bemerkte Duke geradezu beiläufig und sämtliche Köpfe wandten sich, um einen Blick auf den Gemeinten zu erhaschen. Ich biss herzhaft in Tristans Pausenbrot und spähte aus den Augenwinkeln zu Kaiba. Ich fragte mich, ob das Horoskop bereits Wirkung erzielte.
 

Kaiba kam genau auf uns zu. Natürlich nicht zu uns – er würde sich nie dazu herablassen, seine Zeit mit uns zu verschwenden, doch sein Mittagsplatz befand sich ganz in unserer Nähe. Als er auf gleicher Höhe mit uns war, wurde er sich der Blicke bewusst, die auf ihm ruhten. Er hielt inne und seine Augen wurden eine Spur dunkler, seine Haltung distanzierter und man konnte die mentale Kälte, die er ausstrahlte, geradezu spüren. „Gibt es einen Grund für euer Starren?“ Seine Worte waren knapp bemessen, doch für gewöhnlich war es ein Charaktermerkmal von Kaiba, so wenig wie nötig zu sprechen.
 

Yugi war der erste der reagierte, indem er den Kopf schüttelte. Schließlich folgten auch die anderen seiner Handlung, nur ich rührte mich nicht, schluckte lediglich den Bissen und lehnte mich ein Stück zurück, damit ich einen besseren blick auf Kaiba hatte. „Ja“, antwortete ich schließlich offen auf seine Frage und genoss die sekundenlange Irritation auf seinem Gesicht.
 

„Und was für ein unbedeutender Grund sollte das sein, Wheeler?“, richtete er sich an mich, das Gesicht ausdruckslos, nachdem er die Fassung zurückerlangt hatte.
 

Ich wagte einen kühnen Schritt. „Bist du nicht Grund genug?“
 

Ich hatte ihn. Zum ersten Mal, seit ich denken konnte, war Kaiba sprachlos. Wegen mir. Unfassbar.
 

„Joey?“, flüsterte Téa erstaunt und auch Duke und Tristan wirkten nicht minder überrascht. Yugi schien nachdenklich und Ryou ... widmete sich den Stäbchen. (Nahm er überhaupt etwas von dem wahr, was um ihn herum geschah?)
 

Ich lehnte mich ein Stück weiter auf meinem Platz zurück und beobachtete mit Befriedigung, wie Kaiba um Fassung rang. Ich sog jeden Augenblick in mich auf, verinnerlichte jedes Detail, um nichts zu vergessen.
 

„Mach dich nicht lächerlich, Wheeler“, entgegnete Kaiba, doch die Tatsache, dass er eindeutig zu viele Sekunden für diese simple Erwiderung gebraucht hatten, war Beweis genug für mich. Er war tatsächlich überrascht. Wer hätte das gedacht.
 

Kaibas Blick wurde noch um einige Nuancen (ich hatte das Wort von Téa gelernt, die hatte Französisch und ich war stolz darauf, dass ich es behalten hatte) abweisender. „War das alles?“ Sein Blick wanderte von einem Gesicht zum nächsten, als suche er in unserer Mimik nach einer Verneinung. „Gut, denn dies hier ist nichts weiter als –“ Er brach ab.
 

Niemand von uns hatte auch nur ansatzweise Zeit, um nach dem Urheber dieser Reaktion zu suchen, geschweige denn ihn zu finden, da versteifte sich Kaibas Haltung und er machte einen Schritt zurück. Er öffnete den Mund, zögerte, wandte sich dann mit den Worten „Pure Zeitverschwendung“ um und ging.
 

„Was war denn das?!“, fragte Téa und schüttelte nicht verstehend den Kopf. „Kaiba wird von Tag zu Tag seltsamer.“
 

„Das kannst du laut sagen“, stimmte Tristan zu, der Kaiba mit einer Mischung aus Belustigung und Verwirrung hinterher sah.
 

Ich schwieg. Mein Blick pendelte zwischen Kaiba und dem Tisch hin und her. Dort, wo Ryou die letzten Minuten die Stäbchen von Duke hin und her geschoben hatte, zeichnete sich nun eine klare Form ab. Eine Raute.
 

Strike one!
 

oOo
 

Letzte Stunde. Der Tag hatte sich als weitaus nachgiebiger als erwartet erwiesen. Ich musste zugeben, dass mein Hochgefühl angesichts Kaibas Verhalten dabei eine nicht allzu geringe Rolle spielte.
 

Alles, was mich nun noch von einem freien Nachmittag trennte, war die letzte Stunde. Und sie stellte den Höhepunkt meines Tages dar. Alles in meinem Plan baute auf dieser Stunde auf. Kaiba musste wie vorgesehen handeln, oder ich konnte meine ultimative Rache noch einmal überdenken.
 

„Und wie ich es euch bereits mehrfach in den letzten Wochen angekündigt hatte“, erklärte unsere Lehrerin zehn Minuten später, während nun allmählich Ruhe in den Klassenraum einkehrte, „steht das Schulfest kurz bevor. Jeder Jahrgang wird einen Beitrag für unsere Schule leisten, wie ihr wisst.“ Sie bedeutete Téa, nach vorne zu kommen.
 

Téa war Jahrgangssprecherin. Ihr verdankte ich die genauen Informationen, die ich für den Plan gebraucht hatte. Sie nahm die Kreide in die Hand und begann, die Zeichen eines nur allzu bekannten Titels an die Tafel zu schreiben. Ein Raunen, begleitet von vereinzeltem Lachen erfüllte die Klasse, als Téa die Kreide sinken ließ und sich uns zuwandte. Ich musste grinsen. Auch ich hatte es erst nicht glauben können, doch es war wahr.
 

Grimms Märchen.
 

„Die Schülerversammlung hat entschieden, dass unser diesjähriges Thema des Schulfests die europäischen Märchen der Gebrüder Grimm sein sollen“, begann Téa zu erklären und lächelte nachsichtig, ob der ungläubigen Gesichter, mit denen sie sich konfrontiert sah. „Grund dafür ist der Versuch, einen Teil der anderen Kultur zu integrieren.“
 

„Mit Märchen?!“, entfuhr es Tristan und ein Großteil der Klasse zuckte angesichts seiner Waghalsigkeit zusammen. Jeder wusste, dass man Téas Worte nicht hinterfragen durfte, wenn man an seinem Seelenfrieden hing.
 

Und sogleich zeigte dieser Faux-Pas seine Folgen: Ein gefährliches Blitzen schien sich durch Téas Blick zu ziehen, welcher sich bedrohlich auf Tristan richtete. „Ja, mit Märchen. Hast du ein Problem damit?“ Mechanisch schüttelte Tristan den Kopf und als Téa ihren Blick durch die Klasse schweifen ließ, taten es ihm die anderen umgehend gleich.
 

„Sehr gut.“ Sie schenkte der Klasse ihr unschuldigstes Lächeln und neigte den Kopf. „Dann wäre das geklärt. Nun zum nächsten Punkt. Die Schülerversammlung hat weiterhin entschieden, dass jeder Jahrgang aufgeteilt wird. Dies bedeutet in unserem Jahrgang mindestens vier Gruppen. Unser Konzept für das Schulfest sieht folgendermaßen aus.“ Sie blickte auf die Zettel, die sie in der Hand hielt. „Jeder Gruppe wird ein Märchen zugeteilt. Anschließend muss sie sich ein Projekt überlegen. Es steht ihr frei, wie sie das Märchen integriert, es muss jedoch erkennbar sein und darf in seinem Inhalt nicht grundlegend verändert werden.“
 

Sie sah auf, als wartete sie auf Fragen. Niemand wagte es, sich auch nur zu rühren. Sie lächelte süßlich. „Und nun zum interessanten Teil. Ich habe die Listen der drei Gruppen unserer Jahrgangsstufe dabei, ebenso steht bereits fest, welche Märchen ihnen zugeteilt wurden.“ Wie auf Kommando schien sich die Haltung aller Schüler zu verändern. Interesse und Neugierde lagen in der Luft.
 

Ich blieb ruhig sitzen. Ich wusste, was mich erwartete. Alles lief nach Plan.
 

„Ich will euch keine falschen Hoffnungen machen“, fügte Téa hinzu, „die Listen der Gruppenmitglieder ist ausgelost. Sie wurde durch keine Schülerliste festgelegt.“ Enttäuschtes Gemurmel einiger Seiten folgte. Téa ließ sich nicht beirren. „Ich hänge euch die Listen an die Wand, dann hat jeder die Chance zu sehen, in welcher Gruppe er ist. In den Parallelkursen wird im Moment genau dasselbe getan, ihr habt also nach der Stunde genug Zeit, euch darüber auszutauschen.“
 

Nun wurde es unübersichtlich in unserem Klassenraum. Stühle schabten über den Boden, als Schüler aufstanden und auf die andere Klassenseite zudrängten, darum bemüht, so rasch wie möglich einen ersten Blick auf die Listen erhaschen zu können. Dicht neben mir hörte ich Tristan, der sich zu Duke vorgekämpft hatte und ungläubig schien.
 

Märchen? Wollen die uns auf den Arm nehmen? Wir sind nicht mehr im Kindergarten, wir sind Oberschüler!“

Duke schien überraschend gelassen. „Und? Akzeptier es. Mädchen stehen voll auf das europäische Zeug.“

Eine kurze Pause. „Echt?“

„Ja. Und wenn du dich interessiert gibst, hast du so gut wie gewonnen.“

„Ist ja krass.“
 

Ich wandte mich ab. Meine Aufmerksamkeit hatte sich auf Kaiba gerichtet, der einige Reihen vor mir saß und von all dem Geschehen im übrigen Klassenraum unbeeindruckt schien. Es wurde Zeit, für einen weiteren Test. Das Kratzen der Stuhlbeine über den Boden ging gänzlich in dem Gemurmel meiner Mitschüler unter, als ich mich erhob und die wenigen Meter zu Kaiba hinter mich brachte.
 

Dicht hinter ihm blieb ich stehen. Er hatte mich aufgrund des allgemeinen „Gewusels“ um uns herum nicht bemerkt. Perfekt. Ich blickte über seine Schulter und erkannte, dass er vertieft in einige Unterlagen war (mit allergrößter Wahrscheinlichkeit aus seiner Firma, denn Schulstoff konnte Kaibas Aufmerksamkeit für gewöhnlich nicht lange auf sich ziehen - er war verdammt noch mal ein elendes Genie, dieser reiche Pinkel!) und darum ohnehin wenig von dem wahrnahm, was um ihn herum vor sich ging. Perfekt.
 

Ich beugte mich vor, bis mein Gesicht nur noch ein Stück von Kaiba entfernt war, dann öffnete ich den Mund und fragte: „Blau oder schwarz?“
 

„Schwarz“, antwortete Kaiba ohne zu zögern. Ein triumphierendes Grinsen erschien auf meinen Lippen und ich richtete mich gerade rechtzeitig wieder auf, um einem schmerzhaften Zusammenstoß mit Kaibas Schulter zu entgehen, als er sich ruckartig aufrichtete sich zu mir umdrehte. Ich hatte ihn in einem unachtsamen Moment erwischt, ich hatte ihm eine unterbewusste Antwort entlockt, ich hatte Kaiba überlistet!
 

„Was willst du, Wheeler?“, fragte er leise und seine Stimme klang bedrohlich. Ich wusste, es missfiel ihm mehr als nur ein bisschen, dass er in einem Moment der Unachtsamkeit angesprochen worden war. Noch dazu von mir.
 

„Was sollte diese Frage?“ Seine Frage, war im Vergleich zu meiner keine Frage mehr, sondern viel eher eine unterschwellige Drohung. Sie bedeutete mir, ihm einen nachvollziehbaren Grund für die Unterbrechung zu präsentieren. Einen nachvollziehbaren Grund, den ich natürlich nicht hatte, den ich jedoch genauso wenig brauchte.
 

Ich lächelte Kaiba auf geradezu Ekel erregende liebenswürdige Weise an und antwortete: „Ich wollte nur wissen, ob du blau oder schwarz als bessere Farbe für den Schulboden hältst.“ Dann drehte ich mich um und schlenderte selig lächelnd in Richtung der von Téa ausgehängten Listen.
 

Strike two!
 

Alles lief nach Plan. Einfach alles. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Nach und nach löste sich die Schülertraube vor den Listen auf. Ich musste mir sie nicht erst ansehen, ich wusste, was mich erwartete, dennoch musste mein nächster Schritt eingeleitet werden. Ohne die Liste anzusehen, wandte ich den Kopf und blickte erneut zu Kaiba. Zu meiner Enttäuschung galt seine Aufmerksamkeit wieder den langweiligen Unterlagen in seinen Händen. Konnte er nicht wenigstens ein einziges Mal in diese Richtung sehen? Dann musste ich eben selbst nachhelfen.
 

„Oh, na das ist ja eine Überraschung!“ Meine Stimme übertönte den allgemeinen Klassenlärm um Längen und brachte einige zum Verstummen, einige andere dazu, nur noch lauter und eindringlicher zu tuscheln. Kaiba reagierte wie gewünscht und sah auf. Rasch tat ich so, als würde ich die Listen aufmerksam mustern, doch in Wahrheit achtete ich nicht auf sie, sondern wartete, bevor ich erneut Luft holte. „Kaiba macht auch bei dem Schulfest mit? Na wer hätte das erwartet? Ich dachte immer, er hält nicht viel von solchen Veranstaltungen. So kann man sich irren!“
 

Ich wartete ... wartete ... – und endlich, hörte ich die erwarteten Schritte, die immer näher kamen. Das Gemurmel im Klassenraum wurde angesichts Kaibas Regung noch leiser als bereits bei meinen Worten. Als es schließlich vollkommen still war, wusste ich, dass er unmittelbar hinter mir stand. Nun kam der nächste Schritt.
 

Ich drehte mich um und gab mich von seinem Anblick überrascht. „Oh, hallo Kaiba.“
 

„Was hast du gerade gesagt, Wheeler?“ Sein Blick lag ausschließlich auf mir – aufmerksam und bedrohlich zugleich.
 

Ich neigte den Kopf. „’Hallo Kaiba’?“
 

„Nein, Wheeler, ich meine davor. Versuch doch wenigstens, deinen Verstand zu benutzen. Was willst du damit sagen“ – nun überflog er mit den Augen die Listen hinter mir – „ich würde bei dem Schulfest mitmachen?“ Wahrscheinlich hielt er meine Worte für einen billigen Witz.
 

„Dein Name steht auf der Liste“, bemerkte ich mit einem Achselzucken.

Seine Augenbrauen hoben sich. „Auf welcher Liste?“

„Na auf der von Schneewittchen.“

„Du halluzinierst, Wheeler.“
 

Ich stutzte, drehte mich um und nahm nun zum ersten Mal die Listen in Augenschein. „Nein, ich weiß doch, was ich -“ Ich brach ab, als ich erkannte, dass Kaiba Recht hatte. Sein Name stand nicht dort, wo er sollte. Auf der Liste der ersten Gruppe, wo er Téa zufolge sein sollte, war weder Kaibas Name, noch mein eigener. Zunehmend nervöser werdend überflog ich nun die anderen beiden Listen und nach beunruhigenden Sekunden wurde ich fündig. Tatsächlich waren Kaiba und ich in derselben Gruppe – wie geplant. Aber bei Weitem nicht in der richtigen.
 

„Rotkäppchen?“, entwich es mir und verwirrt suchte ich Téas Blick. Ich hätte besser daran getan, es zu lassen, den Téa stand einige Meter entfernt und lächelte gefährlich. Ihr Blick war eindeutig und unmissverständlich und sagte mir - der ich Téa nun schon seit vielen Jahren gut genug kannte, um sie deuten zu können – „Denkst du echt ich bin so korrupt? Wenn du mich schon bestechen willst,, dann tu es anständig oder lass es bleiben!“ .
 

Vielleicht hätte ich ihr doch, anstelle des Cupons für ein Freigetränk bei Burger World, den von mir finanzierten Besuch im Einkaufszentrum bieten sollen. Jetzt hatte ich die Konsequenzen zu spüren bekommen: Rotkäppchen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mein Plan war zerstört.
 

„Da muss ein Irrtum vorliegen“, bemerkte Kaiba knapp und ich wurde mir der Tatsache bewusst, dass er noch immer hinter mir stand. Ja, ein Irrtum lag vor, aber nicht so, wie Kaiba dass momentan vielleicht definieren würde. „Ich unterstütze das Schulfest finanziell, aber nicht persönlich.“
 

Sofort war unsere Lehrerin zu Stelle – wo sie auf einmal herkam war mir selbst schleierhaft. (Sie hatte sich in den letzten Minuten so unauffällig verhalten, wie es sonst nur Ryou konnte.) „Vielleicht ein Tippfehler? Ich bin sicher, das lässt sich beheben.“
 

Nur wäre Téas Einsatz gewesen. Ohne ihn war ich aufgeschmissen. Ich warf einen flehenden Blick in ihre Richtung und als sie ihn bemerkte, sah ich sie noch eine Spur eindringlicher an. Ich formte mit meinen Lippen die Worte ‚Was du willst!’ und nickte verzweifelt in Richtung Kaiba, welcher sich mittlerweile über die Inkompetenz der Schule ausließ. Téa verstand meinen Wink, ebenso wie mein Angebot und antwortete mit einem ebenso stummen, jedoch nicht minder eindeutigen Bewegen ihrer Lippen: Schuhe!
 

Ich schauderte. Es bangte mir bei dem alleinigen Gedanken an das Grauen, welches mich über kurz oder lang erwarten würde (Schuhe? Mussten es denn ausgerechnet Schuhe sein?!), doch ich nickte bekräftigend. Ich würde alles tun, wenn sie jetzt nur endlich den Mund aufmachen würde. Und endlich – endlich! – machte sie einen Schritt auf Kaiba zu.
 

„Aber Kaiba, es würde unserer Schule zugute kommen, wenn bekannt würde, dass du das Schulfest nicht nur finanziell unterstützt.“ Sie sah ihn offen an, als er sich zu ihr umwandte.
 

Sag es, Téa, dachte ich und hing förmlich an ihren Lippen. Sag es und Kaiba ist schachmatt!
 

„Könntest du nicht ein einziges Mal über deinen Schatten springen und bei dem Schulfest mitmachen?“
 

Und Kaiba konnte nicht ablehnen. Das Horoskop hatte ihm davon abgeraten, er musste sich fügen. Ich konnte den inneren Kampf, den er auf Téas Frage hin mit sich auszufechten schien, förmlich hören. Seine Lippen waren nur noch ein schmaler Strich, seine Augen dunkler als sonst.
 

Und endlich, als ich beinahe darum fürchtete, je eine Antwort von ihm zu hören, öffnete er den Mund und sagte: „Ich werde den Vorschlag überdenken.“
 

Spiel, Satz, Sieg. Ich hatte ihn.
 

Strike three - you are out, Kaiba!

Stein(ige) B(l)ock(ade)

Stein(ige) B(l)ock(ade)
 

Ich befand mich auf einem Höhenflug. Enthusiastisch nahm ich an der Diskussionsrunde in der letzten Stunden teil und stellte zu meiner absoluten Befriedigung fest, dass Kaiba ebenfalls blieb. Er saß abseits und beachtete uns nicht, den Laptop vor sich auf dem Tisch. Aber ich konnte erkennen, wie er hin und wieder aus den Augenwinkeln zu uns herübersah.
 

Wir hatten uns in unseren Gruppen eingefunden, in unserer Stufe waren es vier: Schneewittchen, die zertanzten Schuhe, Rotkäppchen und Rumpelstilzchen. Nun galt es, festzulegen, wie die Märchen genutzt und in das eigentliche Projekt integriert würden. Zu meinem persönlichen Unglück befand sich Téa in meiner Gruppe, wodurch die Diskussion zunächst beunruhigend einseitig verlief.
 

„Wir werden demokratisch entschieden, wie wir Rotkäppchen einbeziehen“, erklärte Téa, während sie majestätisch vor den Anwesenden auf und abschritt. „Ich bitte um Vorschläge.“ Noch ehe eine Hand gehoben, geschweige denn etwas erwidert werden konnte, fuhr sie fort: „Was haltet ihr von einer netten kleinen Vorführung? Oder einem Schattenspiel? Ein Musical wäre bestimmt auch entzückend.“ Das Funkeln in ihren Augen verhieß nichts Gutes.
 

Ich konnte förmlich hören, wie sämtliche Jungen in unserer Gruppe angesichts Téas Auflistung schwer schluckten und unbewusst schauderten. Mir selbst ging es nicht viel anders. Ganz im Ernst, ein Musical? Téa in allen Ehren – und bei allem auferzwungenem Respekt, wie ich hinzufügen musste – aber diese Vorstellung war alles andere als entzückend. Das war einer dieser repräsentativen Mädchenbegriffe, genauso wie niedlich, süß oder – der absolute Horror, das Schlimmste von Schlimmsten – herzallerliebst.
 

„Eine Vorführung ist keine ausgefallenen Idee“, wurde eine zaghafte Stimme laut und augenblicklich richtete sich Téas stechender Blick auf die bemitleidenswerte Gestalt. Sie sankt unmerklich weiter auf ihrem Stuhl zusammen. „Ich nehme nur an, dass wir nicht die einzigen wären, die ihr Märchen vorführen würden. Und ein Schulfest soll doch ausgefallen sein oder nicht?“
 

Téas Blick wurde noch um einige Gerade kühler, dann verschränkte sie die Arme und setzte sich auf ihren Stuhl. „Gut, dann entscheidet ihr, was wir tun sollen. Unser Märchen kennt ihr, wie können wir es sonst nutzen?“
 

„Ehrlich gesagt kenne ich es nicht“, meldete sich einer der Jungen zu Wort.

„Ich auch nicht“, schlossen sich weitere von ihnen an und wichen den fassungslosen Blicken der Mädchen aus.

„Na ja, es kommt aus Europa oder nicht?“, war die verlegene Gegenfrage, die nur mit einem Kopfschütteln kommentiert wurde.
 

„Was ist mit dir, Joey?“, fragte Téa unvermittelt und lächelte mich wölfisch an. „Kennst du das Märchen?“
 

Oh, sie war gerissen. Sie war verantwortlich dafür, dass ich in dieser Gruppe und nicht gemeinsam mit Kaiba einen Raum weiter bei Schneewittchen hockte und ich konnte an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie jetzt versuchte, mich zu provozieren. Ich war das Ventil für ihre schlechte Laune. Na wunderbar. Warum machte sie nicht endlich ihre sich stetig wiederholende Drohung wahr und suchte sich mehr Freundinnen? Warum musste ich als Sandsack herhalten? Jedenfalls hatte Téa mich unterschätzt, ich hatte mich nicht umsonst vorher über sämtliche grimmsche Märchen erkundigt.
 

Natürlich kenne ich es, Téa“, erwiderte ich übertrieben freundlich und lächelte sie lieblich an.
 

„Dann hast du doch sicher nichts dagegen, es uns zu erzählen, oder? Ich schätze damit wären dann alle weiteren Fragen bezüglich des Inhalts geklärt.“

„Sehe ich aus wie ein Geschichtenerzähler? Ich bin Oberschüler.“

„Und ich bin Stufensprecherin, Joey. Außerdem bin ich die Leiterin dieser Märchengruppe.“

„Wir haben dich nie gewählt!“, protestierte ich.

„Wer sagt, dass ich gewählt werden muss?“

„Was ist das für eine Demokratie?“, entrüstete ich mich und nahm das bestärkende Nicken meiner Mitschüler wahr.
 

„Weibliche Demokratie“, entgegnete Téa, begleitet von dem zustimmenden Gemurmel der Mädchen. Sie waren in der Überzahl. Wir hatten verloren. Pech aber auch.
 

Ich kapitulierte und begann langsam, den Inhalt des Märchens wiederzugeben. Die Reaktion auf meine Worte fiel geteilt aus. Die Mädchen schienen dem Märchen angetan, hingen mir regelrecht an den Lippen – ich musste zugeben, dieser Teil meiner Aufgabe gefiel mir – während die Jungen eher gelangweilt wirkten, einige von ihnen starrten mich fassungslos an, hatten offensichtlich nicht damit gerechnet, dass ich, ein ehemaliger Schläger, europäische Kindermärchen kannte. Na großartig, mein Ruf war ruiniert.
 

„Gibt es noch Fragen?“, richtete Téa sich drohend an die Anwesenden und erhielt ein gemeinsames Kopfschütteln als Antwort.
 

„Woher kennst du Märchen?“, raunte einer meiner Mitschüler mir verstohlen zu und ich gab mich betont unbeteiligt. „Ich hab eine kleiner Schwester.“ Ich ging nicht näher darauf ein, doch er gab sich mit dieser Antwort zufrieden und ich war erleichtert. Die Wahrheit hätte ich ihm nie erzählt.
 

„Es scheint als gäbe es tatsächlich etwas, das du weißt, Wheeler“, bemerkte Kaiba, ohne mich anzusehen. „Bedauerlich nur, dass es ausgerechnet Märchen sein müssen. Scheint als wärst du zu nichts Besserem zu gebrauchen.“
 

„Ruhe, auf den billigen Plätzen!“, schnappte ich zurück, nicht gewillt, mir durch Kaiba die Stimmung ruinieren zu lassen. Entgegen meiner Erwartung schwieg er tatsächlich und arbeitete ungerührt weiter.
 

Die Diskussion wurde fortgesetzt, alle wussten nun darüber bescheid, wo sie sich befanden und es mangelte nicht an Vorschlägen. Letztendlich sprach ich die eine, die unvergleichliche Idee, aus: „Wie wäre es mit einem Café?“
 

Stille folgte auf meine Worte, dann begann nachdenkliches Gemurmel. „Das klingt nicht schlecht“, musste sogar Téa zugeben. „Rotkäppchen brachte ihrer Großmutter Kuchen und Wein. Das sind die Grundlagen für ein Café. Joey, du hast ja wirklich aufgepasst.“
 

Ich betrachtete sich strafend. „Schon vergessen, ich hab das Märchen erzählt.“ Sie tat, als hätte sie meine Worte nicht gehört und richtete sich an die übrigen Anwesenden. Es vergingen keine zwei Minuten, bis wir uns geeinigt hatten. Wir würden das Klassenzimmer zu einem Café umgestalten, im Stil einer alten Hütte, soweit es möglich war. Die Rollen im Märchen würden wir mehrfach besetzen und in unserer Verkleidung die Kunden bedienen. Es war eigentlich ziemlich simpel, wir mussten lediglich die Rollen festlegen und uns entschieden, was wir anbieten würden.
 

Die Jungen waren sich einig, sie wollten Alkohol – immerhin hatte Rotkäppchen ihrer kranken Großmutter Wein gebracht, argumentierten sie – die Mädchen beharrten standfest auf Kuchen und Säften. Es dauerte eine viertel Stunde, bis das Läuten der Schulglocke die Fronten zerstreute. Die Suche nach einer Lösung wurde auf den nächsten Tag verschoben, wo uns die Nachmittagsstunden für die Vorbereitungen überlassen wurden, dann packten alle die Sachen zusammen. Diejenigen, die heute Putzdienst hatten, blieben zurück, um die Tische wieder richtig hinzustellen und das Klassenzimmer zu säubern, alle anderen verließen murmelnd und tuschelnd den Klassenraum.
 

Ich warf einen letzten Blick zurück auf Kaiba, der nicht den Eindruck erweckte, als habe er es eilig, dann ging ich mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen. Auf dem Flur traf ich auf Tristan und Yugi und auf dem Weg nach unten tauschten wir die Eindrücke der vergangenen Stunde aus.
 

Ich konnte zu Recht behaupten, dass ich guter Dinge war, selbst meinen Freunden fiel es auf und ich spürte die vielsagenden Blicke, die sich wechselten, beachtete sie jedoch nicht weiter. Heute konnte nichts meine Laune trüben.
 

oOo
 

Ich hätte wissen müssen, dass meine Annahme zum Scheitern verurteilt war. Hätte ich ein bisschen besser aufgepasst, etwas mehr nachgedacht und wäre vielleicht ein wenig zugänglicher für Téa und ihre Bedürfnisse gewesen, dann hätte ich ihren Anruf erahnen können. Ich tat es nicht und dementsprechend unerwartet traf er mich.
 

Sie forderte die umgehende Einlösung meines Versprechens, der heutige Tag musste sie wirklich bis ins Tiefste frustriert haben, ansonsten hätte sie bis zum Wochenende warten können. Doch nun musste sie die angestauten Aggressionen – von denen sie immer weitaus mehr besaß, als man ihr auf den ersten Blick zutrauen würde – in den langen Passagen der Innenstadt und an dem unschuldigen Personal der Schuhläden abbauen. Und nicht zuletzt an mir. Ich hatte es wirklich nicht leicht.
 

„Würdest du vielleicht mal einen etwas weniger leidenden Gesichtsausdruck machen? Man könnte noch meinen, ich würde dich quälen.“ Téa taxierte mich strafend, ich keuchte unter der Last der Taschen, meine Geldbörse bettelte um Gnade.
 

„Entschuldige meinen Egoismus“, entgegnete ich spöttelnd, „aber nachdem meine Würde irgendwo zwischen Prada und Leopardenfellstiefeln verloren gegangen ist, bin ich nicht mehr wirklich interessiert an meinem Gesichtsausdruck.“ Ich versuchte, mein Gewicht zu verlagern, um das Ziehen in meinen Armen zu vermindern. Erfolglos. „Sollen die Leute doch denken, was sie wollen.“
 

„Nicht wenn sie denken, dass du leidest.“
 

Ich sah Téa vorwurfsvoll an. „Aber genau das tue ich. Sie sehen nur die Wahrheit.“
 

„Reiß dich mal ein bisschen zusammen.“ Sie kehrte mir den Rücken zu und ich hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. „Männer geben sich immer stakt und unverletzbar“, schimpfte sie im Gehen, „aber wehe, man spannt sie zum Einkaufen ein, dann werden sie zu kleinen Kindern und jammern ohne Unterlass.“
 

„Ich kann dich hören“, bemerkte ich unter Keuchen und versuchte, anklagend zu klingen. Es gelang mir ansatzweise.
 

„Du sollst es auch hören“, erwiderte Téa mitleidlos. „Sei ein Mann und stell dich nicht so an.“

„Aber Téa, ich leide.“

„Dann lerne, damit umzugehen.“

„Du hast leicht reden.“

„Herrgott Joey, du hast es bald hinter dir. Vergiss lieber nicht, wem du es zu verdanken hast, dass Kaiba in derselben Gruppe ist wie du.“

„Ich weiß es doch, aber du kannst es mir nicht für den Rest meines Lebens unter die Nase reiben.“
 

Ihr Blick war gefährlicher als alles, was ich zuvor jemals gesehen hatte. „Kann ich nicht?“
 

Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde einen Moment lang aussetzen, bevor es mit doppelter Geschwindigkeit wieder gegen meine Brust hämmerte. „Nein, ich ... Téa“, bettelte ich - ich hätte umkehren und lieber meine Würde aufsammeln sollen - „das kannst du doch nicht machen. Sieh mich doch an.“ Ich hob zur Verdeutlichung die mit Taschen beladenen Arme. (Es kostete mich viel Kraft.) „Kann man tiefer sinken?“
 

Ein gefährlicher Glanz schlich sich in ihre Augen und mir wurde ganz kalt bei dem Anblick. „Beschwöre es nicht, Joey Wheeler.“
 

Das musste die Hölle sein. Ich würde vieles tun, damit ich nach meinem Ableben nicht dort landete. Meine Schultern sanken nach unten und ich kapitulierte. Unvermittelt wurde Téas Blick weicher und sie lächelte schwach. Was immer diese Wandlung bewirkt hatte, ich war mehr als erleichtert darüber. „Nur noch ein Laden, dann hast du es hinter dir.“
 

Es sollten noch drei Läden werden, doch angesichts Téas plötzlich guter Stimmung und dem regelrecht freundlichen Gesichtsausdruck beschwerte ich mich kein weiteres Mal. Als schließlich eine Stunde später die Tür meiner Wohnung hinter mir zufiel, schaffte ich es gerade noch bis zu meinem Bett, bevor meine Beine nachgaben und ich mich mit einem gequälten Stöhnen einfach fallen ließ. Ich schlief sofort ein.
 

oOo
 

Am nächsten Tag hatte ich Mühe, mein Bett zu verlassen, doch mit dem aufmunternden Gedanken, dass am Nachmittag die Besprechung für das Schulfest fortgesetzt würde, schaffte ich es schließlich aus meiner Wohnung und auf die Straße hinaus. Ich erwischte sogar den Bus, musste meinen teuer erkämpften Platz jedoch an eine Dame abtreten, die der festen Überzeugung war, sie verdiene ihn mehr als ich. Aber wir waren in Japan, da hatten Schüler das Vorrecht, den hier waren wir die bemitleidenswerten Geschöpfe! Ich machte sie darauf aufmerksam und fing mir eine Ladung empörter Blicke ein. Sie musste Europäerin sein.
 

Die Schulstunden verliefen ereignislos. Es gab keine schriftlichen Überprüfungen, die Lehrer arbeiteten stumpf den Schulstoff ab. Kaiba fehlte den Vormittag über, erst gegen Mittag sah ich seine Limousine vorfahren.
 

Es war erschreckend, kaum jemand nahm noch von diesem Umstand Notiz. Nur zu Beginn eines Schuljahres, wenn die jüngsten Stufenmitglieder neu auf die Schule kamen, konnte man von einer aufsehenerregenden Ankunft sprechen, denn sie waren noch nicht an Kaiba gewöhnt und kannten ihn lediglich aus dem Fernsehen. Dann bildeten sich regelmäßig Schülertrauben und Kaibas Ankunft in der Schule war gleichzusetzen mit der Ankunft des Kaisers.
 

Ich wusste, er genoss diese Aufmerksamkeit, tief im Inneren seines kranken Selbst lachte er sich über die Naivität und das Interesse an ihm ins Fäustchen. Er machte sich darüber lustig, zeigte es jedoch nur mit einem spöttischen Lächeln oder einem triumphierenden Blitzen in seinen Augen. Manchmal kam ich mir vor, als sei ich der einzige, der diese Details bemerkte. Ich hatte bereits Yugi drauf aufmerksam gemacht, dann, als er mich verständnislos angesehen hatte, Tristan und Téa, schließlich aus einem Akt der Verzweiflung sogar Duke und Bakura, doch ohne Zustimmung.
 

Mittlerweile war ich so weit, dass im ersten Drittel unseres Schuljahres jedes Mal schwer seufzte, wann immer Kaiba eintraf und meinem Pausenbrot erzählte, wie unfair die Welt doch war. Es war ein äußerst aufmerksamer Zuhörer.
 

Da das Schuljahr sich jedoch mittlerweile dem Ende neigte und selbst die Neuen sich an Kaiba gewöhnt hatten, lief seine Ankunft verhältnismäßig eindruckslos ab. Ich warf meinem Pausenbrot einen vielsagenden Blick zu, bevor ich mich auf meiner Bank umdrehte und dem Schultor den Rücken kehrte, jedoch hin und wieder den Kopf wandte.
 

Natürlich blieb Kaibas Ankunft nicht gänzlich unbemerkt, das war physikalisch überhaupt nicht möglich. Wann immer Kaiba irgendwo auftauschte veränderte sich die Struktur der Umgebung, alles schien von ihm auszugehen oder auf ihn zuzuströmen. Ich konnte mich dieser Kraft entziehen, viele andere konnten das nicht. Besonders Mädchen.
 

Kaiba hatte nicht zu unrecht einen Fanclub, ich wusste sogar aus sicherer Quelle, dass der Fanclub international war, er reichte sogar bis nach Amerika und neben zahllosen Fanartikeln gab es auch eine Homepage. Ich hatte sie mir einmal angesehen, aber nur, weil ich der Ansicht war, dass es keinen besseren Weg gab, seinen Feind besser kennen zu lernen. Wenigstens wusste ich jetzt, dass Kaibas Lieblingssüßspeise angeblich Schokoladenpudding war. Ha, wer das glaubte, kannte Kaiba nicht.
 

Aber Mädchen und Kaiba waren eine Sache für sich. Ich hatte mittlerweile von vielen Fällen gehört, in denen Mädchen bewusst die Schule gewechselt hatten, um hierhin zu kommen. Sie wollten auf die Schule gehen, auf die Seto Kaiba ging und gaben sich der lächerlichen Hoffnung hin, Kaiba würde sie unter allen anderen Mädchen entdecken. Sie hielten sich für Cinderella (noch ein Märchen, es hörte echt nicht auf) und Kaiba für den Prinzen. Tze, Kaiba hatte rein gar nichts prinzenhaftes an sich. Er erinnerte mich eher an Rumpelstilzchen.
 

Ach wie gut, dass jeder weiß, dass ich Seto Kaiba heiß’.
 

Wer immer da noch behaupten konnte, Kaiba sei furchteinflößend, mit dem stimmte etwas nicht. Dummerweise schien es außer mir jedem so zu gehen. Die Welt war echt nicht normal. Besonders die Mädchen, die Kaiba verfallen waren, mussten des Wahnsinns sein. Was hatte Kaiba, abgesehen von Geld?
 

In Boulevardzeitungen hieß es, er besäße Sexappeal und Ausstrahlung, wer immer das schrieb war entweder blind oder lebte in einem Paralleluniversum. Leider teilten viele - sogar Jungen! - diese Ansicht. Duke hatte mir einmal im Vertrauen gesagt, dass Kaiba für einen Typen wirklich gut aussah und dass man auf natürlich unschwule Art durchaus behaupten konnte, dass Kaiba echt attraktiv wäre. Diese Aussage hatte Duke in meinem Ansehen drastisch gesenkt.
 

Dachte man wirklich so von Kaiba? Sahen die Leute ihn an und dachten ‚Der sieht gut aus!’? War die ganze Welt wirklich so blind, so oberflächlich? Kaiba sah nicht gut aus und auch, wenn er nach außen hin nicht wirklich hässlich war, so war er es doch in seinem Inneren. Zumindest dann, wenn es nicht um Mokuba ging, aber das war eine andere Geschichte. Diese Seite an ihm kannten nur wenige. Mir graute es bei der Vorstellung, was die Medien aus Kaibas Verhältnis zu Mokuba machen würden. Wahrscheinlich würden sie sich darüber das Maul zerreißen, was für einen guten Vater er doch abgeben würde.
 

Doch trotz der Tatsache, dass nur wenige von dieser menschlichen Seite Kaibas wussten, war er so verdammt beliebt. Das ergab nicht den geringsten Sinn. Waren Geld und Aussehen denn wirklich so einflussreich? Was stellte ich mir diese Frage überhaupt, die Antwort lag doch auf der Hand.
 

Sie stand vor mir. Kaiba stand vor mir.
 

Durch diese Erkenntnis jäh in die Realität zurückgeholt, realisierte ich tatsächlich erst jetzt, dass Kaiba direkt vor mir stand. Hatte ich ihn etwa angestarrt? Und was tat er überhaupt hier?
 

„Wheeler, dein Blick war leider nicht zu ignorieren und offen gesagt ist er mehr als nur störend.“
 

Gott, ich hatte wirklich gestarrt. Das war nicht nur peinlich, das war grauenvoll! Ich hatte Kaiba angestarrt und wusste noch nicht einmal, warum. Wohin hatte ich eigentlich gestarrt? Wenn ich ihm ins Gesicht gestiert hatte, war es kein Wunder, dass er mich ansprach. Er hasste es, wenn andere ihm zu lange in die Augen sahen, denn er bestimmte, wie lange man das machen durfte. Noch ein Detail, das ich über ihn wusste und der Abklatsch von einem Fanclub nicht.
 

Ich starrte immer noch.
 

„Wheeler, hör auf damit.“
 

Immer noch.
 

„Hast das viele Kläffen etwa dazu geführt, dass du verlernt hast, dich menschlich zu artikulieren?“
 

Noch.
 

„Wheeler.“

„Ach wie gut doch, dass du weißt, dass ich mit Namen Wheeler heiß’!“
 

Das war nicht geplant. Bevor ich auch nur überlegen konnte, hatten diese Worte meinen Mund verlassen. Ich konnte froh sein, dass in unserer unmittelbaren Umgebung nur wenige Schüler standen. Tristan und Duke, die nur wenige Meter von mir entfernt saßen, hatten meine Worte jedoch deutlich hören können. Fassungslos starrten sie mich an, Kaiba schien nicht minder sprachlos. Wieder hatte ich ihm die Sprache verschlagen. Auf reichlich unkonventionelle Art zwar, aber immerhin. Ich sollte stolz sein, trotzdem fühlte ich mich mehr als unwohl.
 

Zu meinem Entsetzen fasste Kaiba sich beunruhigend schnell wieder und ein gefährliches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Das ist interessant. Darf ich dich dann von heute an Rumpel-Wheeler nennen?“
 

Ich starrte ihn immer noch an, doch er ließ es jetzt zu. Mit zunehmender Fassungslosigkeit erkannte ich, dass er wieder am gewinnen war und in einem Versuch der Selbsterhaltung machte ich eine rasche Bewegung mit der Hand, die ihm gebot, weiter zu gehen. „Geh, geh weg, Kaiba! Geh schon!“ Je länger er blieb, desto weiter konnte er meinen Ausrutscher gegen mich verwenden. Ich hatte gehofft, er würde ihn so verblüffen, dass er zu keinem Kommentar in der Lage war, doch wieder hatte ich mich geirrt. Nicht, wenn ich ihm diesen Kommentar einem Federhandschuh gleich frontal ins Gesicht werfen musste.
 

„Geh weiter, Kaiba!“ Ich winkte ihn vorbei. „Na los, kusch!“ Sein Gesicht verfinsterte sich bei dem letzten Wort und wieder bemerkte ich meinen Fehler zu spät. Duke und Tristan starrten mich mit offenen Mündern an. Ich hatte Kaiba angekuscht! War ich denn des Wahnsinns?!
 

„Sag das noch mal.“
 

Wenn ich so weitermachte, brauchte ich nicht auf meinen Tod zu warten, Kaiba würde ihn mir persönlich bringen. Verdammt, ich sollte es doch nach all der Zeit besser wissen! Ich deutete mit dem Finger hinter ihn. „Sieh mal da, so viele weiße Drachen mit eiskaltem Blick, das glaubst du nicht!“
 

Kaiba zuckte nicht mit der Wimper. Schlechtes Zeichen. Ganz schlechtes Zeichen. Duke machte hilflose Gesten in Richtung Kaiba, ich sah ihn verständnislos an und er zeigte unmissverständlich auf die andere Seite des Schulhofs. Das bedeutete nur eins: Lauf! Und zwar so schnell du kannst!
 

Ich folgte seinem Rat. Kaiba konnte nicht so schnell schauen, da war ich weg. Das nannte man taktischen Rückzug und ich beherrschte ihn besser als sonst jemand.
 

oOo
 

Ich sah Kaiba früher wieder, als gesund für mich war. Der Nachmittagsunterricht hatte kaum begonnen, wir hatten uns in unseren Arbeitsgruppen eingefunden und natürlich war Kaiba da. Er war sogar mehr als präsent. Er war überpräsent, wenn man so wollte und besonders ich sah mich mit diesem Umstand konfrontiert. Sein stechender Blick ruhte auf mir, ich wäre unter normalen Umständen begeistert über diese Aufmerksamkeit gewesen - kämpfte ich doch regelmäßig um sie - doch nun war sie mehr als lästig.
 

Téa - ausgeruht und voller positiver Energie, aufgrund der Tatsache, dass sie seit gestern drei neue Paar Schuhe zu ihrem Repertoire zählen konnte - war heute weitaus großzügiger und gestattete uns sogar, Vorschläge für die weitere Planung zu äußern. Die Gestaltung des Klassenraums war wichtig, doch ebenso wichtig war die Verteilung der Rollen. Wir legten uns auf vier elementare Rollen fest. Rotkäppchens Großmutter, Rotkäppchen, den Wolf und den Jäger.
 

Kaibas Kommentar war zu erwarten und er kam ohne die geringste Verzögerung: „Wheeler, warum meldest du dich nicht freiwillig für den Wolf? Du hast die genetischen Voraussetzungen für diese Rolle.“
 

Ich verbrachte die folgenden Minuten damit, Kaiba gedanklich mit der Schrotflinte des Jägers zu erschießen und diese Vorstellung hatte etwas ungemein Befriedigendes.
 

„Wir werden losen“, entschied Téa und ein enttäuschtes Aufraunen ging durch den Raum. Téa überging diesen Protest und begann zu erklären, dass ihr bewusst war, dass alle Mädchen Rotkäppchen sein wollen - ihr selbst ging es nicht anders, das erkannte man an dem Blitzen in ihren Augen - und das die Jungen wahrscheinlich viel eher den Jäger als den Wolf darstellen wollten, doch - und an dieser Stelle muss man Téa aufgrund ihrer herausragenden Wortwahl einfach zitieren:
 

„Wir wollen Gerechtigkeit vor die eigenen Bedürfnisse stellen und jedem die gleichen Chancen zugestehen.“
 

Sollte aus Téas Karriere als Tänzerin nichts werden, als Politikerin würden ihr alle Türen offen stehen.
 

Jede der Rollen sollte mehrfach besetzt werden, dass war bereits am Vortag festgelegt worden, um jeden mit in das Café einbeziehen zu können und nachdem alle Zettel beschriftet und die Losung zwischen Jungen und Mädchen aufgeteilt worden war - keiner von uns wollte Rotkäppchen oder, noch schlimmer, die Großmutter sein! - folgte der große Moment der Wahrheit.
 

Ich machte die Runde und jeder Junge nahm einen Zettel, vor Kaiba blieb ich stehen. Es waren nur zwei Zettel übrig. Hinter mir ertönten freudige Ausrufe oder enttäuschte Seufzer der Mädchen, bei denen Téa mit den Zetteln herumging. Kaiba blickte desinteressiert auf die Zettel in meiner Hand, dann hob er den Blick und betrachtete mich abschätzig.
 

„Du glaubst doch nicht ernsthaft, ich würde bei diesem Kindertheater mitmachen.“

Elender Feigling, dachte ich und sagte: „Gestern hast du noch zugestimmt.“

„Ich hatte lediglich nicht abgelehnt“, korrigierte er mich in einem Tonfall, als hätte ich soeben behauptet, er würde eine Hypothek für die Kaiba Corporation aufnehmen.
 

„Das ist gleichbedeutend mit einem ja“, entgegnete ich und hielt ihm auffordern meine offene Handfläche mit den Zetteln entgegen. „Und jetzt wähl’ einen Zettel.“

„Als ob du mir etwas befehlen könntest.“
 

„Gibt es ein Problem?“, mischte Téa sich nun mit ein, denn bei den Mädchen waren die Entscheidungen längst gefallen.
 

„Kaiba kneift“, petzte ich und kam mir für einen Moment vor, wie ein Kleinkind, das heulend zu seiner Mutter lief. Rasch löste ich mich von dieser beängstigenden Vorstellung. Téa war nicht meine Mutter. Aber Kaiba durfte jetzt auch keinen Rückzieher machen!
 

„Kaiba, wenn ich mich richtig erinnere, hast du keinen Einwand gegen unsere Planung erhoben“, sagte Téa mit zuckersüßer Unschuldsmiene. Sie versuchte, Kaiba zu umschmeicheln. Durchtriebene Füchsin. „Sei doch nicht so destruktiv. Ich dachte immer, du stehst zu deinem Wort. Aber wenn du ablehnst, hast du sicherlich in der nächsten Woche genug Zeit, um deinen Pflichten als Stufensprecher nachzukommen. Ich werde nämlich mit den Vorbereitungen für unsere Gruppe beschäftigt sein.“
 

Ich liebte Téa in diesem Moment. Mehr als alles andere. Sie hatte Kaiba, besser hätte niemand ihn nicht nur um den Finger wickeln, sondern ihm gleichzeitig auch die Schlinge um den Hals legen können. Téa war zwar Stufensprecher, doch Kaiba war (gegen seinen Willen) zu ihrem männlichen Konterpart ernannt worden (es mussten die Mädchen gewesen sein, die ihn gewählt hatten). Er schob jedoch seine Firma vor und überließ Téa die Aufgaben, was sie kommentarlos akzeptierte, denn sie wusste, dass sie bei Kaiba in diesem Fall auf taube Ohren stoßen würde. Zwar hatte er ihr angeboten, ihr einen Sekretär als seinen Vertreter zur Seite zu stellen, doch Téa würde eher ihren linken Arm opfern, bevor sie zeigte, dass etwas sie überforderte.
 

Doch mit dieser Drohung blieb Kaiba keine Wahl. Das hieß, er hatte zwar die Wahl, doch jeder, der ihn kannte wusste, dass diese Wahl nur Heuchelei war. Kaiba konnte entscheiden zwischen den Pflichten des Schulsprechers (die er offen verabscheute) und der Zustimmung zu seiner Teilnahme an unserem Kindertheater.
 

Mit einem finsteren Blick und einem missbilligenden Zucken seiner Mundwinkel nahm er einen Zettel. Ich behielt den letzten und begann wie Kaiba, ihn auseinander zu falten. Und das unmögliche Geschah.
 

Während auf meinem Zettel in Téas schwungvoller Handschrift Jäger geschrieben stand, fiel mir aus den Augenwinkeln eine Veränderung von Kaibas Haltung auf. Seine Augen verengten sich unheilvoll und er blickte zu Téa auf, sah sie durchdringend an. „Ich weigere mich.“
 

Ich wusste, was auf seinem Zettel stehen musste, dass er so reagierte. Er war der Wolf. Kaiba war Der Wolf! Ich hatte schon beinahe unverschämtes Glück.
 

„Wieso weigern?“, wiederholte Téa skeptisch. „Du hast deine Rolle, jetzt musst du sie akzeptieren.“
 

Doch genau das konnte Kaiba nicht. Damit würde er zugeben müssen, dass nicht ich sondern er in diesem Fall der Hund war und das würde er niemals tun, dazu kannte ich Kaiba zu gut. Mein jähes Glück schwand so schnell, wie es gekommen war. Wenn ich jetzt nicht handelte, würde Kaiba tatsächlich einen Rückzieher machen. Er würde sich wirklich weigern, denn zu akzeptieren, dass er unter mir stand - dass er das Tier war und nicht ich - das war so Un-Kaiba, dass es schon lächerlich war.
 

„Verwöhnter Pinkel“, zischte ich, riss ihm seinen Zettel aus der Hand und warf ihm meinen entgegen. Da nahm ich lieber in Kauf, der Wolf zu sein, bevor Kaiba all meine Bemühungen, ihn überhaupt erst an diesen Punkt zu bringen, zunichte machte.
 

Kaiba war sichtlich überrascht von meinem Handeln und ich musste zugeben, dieser Moment, in dem er seine Züge nicht ganz unter Kontrolle hatte, war es schon wieder wert. Ich sah Kaiba gerne ohne Fassung und ohne diese billige Entschuldigung von einem Gesichtsausdruck, den er für gewöhnlich an den Tag zu legen pflegte. In diesen Momenten wirkte er geradezu menschlich. Wurde ich da etwa sentimental? In diesem kurzen Moment? Schreck, lass nach.
 

Ich bereute meine Entscheidung nicht halb so schnell, wie Kaiba sich wieder gefasst hatte. „Scheint, als hättest du erkannt, wo deine Wurzeln liegen, Wheeler.“
 

Dieser Kerl schaffte es tatsächlich, den Gefallen, den ich ihm tat, schneller zu entwerten als ich blinzeln konnte. Das war nicht mehr unheimlich, das war grotesk. Das konnte ich nicht mit mir machen lassen!
 

„Halt doch die Klappe, Kaiba.“
 

Ich hatte es ja so mitleiderregend drauf.
 

oOo
 

Am Abend desselben Tages wurde mir erst die Tragweite meiner Entscheidung bewusst. Ich hatte mich freiwillig zum Wolf gemacht. Diese Entscheidung konnte verheerende Folgen haben. Wenn ich nicht vorsichtig war, würde Kaiba diesen Umstand gnadenlos ausnutzen und mich von heute an, bedingt durch meine eigene freie Entscheidung, begründet als Hund bezeichnen. Ich hatte mich jahrelang gegen diese Behauptung gewehrt, nur um heute als Opfer meines eigenen Plans in die Geschichte der Rachefeldzüge einzugehen. Andererseits war ein Plan niemals gut, wenn man selbst keine Oper brachte.
 

Betrachtete man es unter diesem Aspekt, war der heutige Tag durchaus erfolgreich. Ich hatte Kaiba da, wo ich ihn haben wollte. Er war nicht bereit, als Bedienung - alleine dieser Begriff war Kaiba sicherlich fremd - bei dem Schulfest unsere Gruppe zu unterstützen, doch er hatte sich auch nicht ganz geweigert.
 

Letztendlich hatte er nur zugestimmt, weil Téa ihm versichert hatte, dass aufgrund einer Überzahl an Jungen, die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er mithelfen müsste, verschwindend gering war. Kaiba hatte nicht eher Ruhe gegeben, bis Téa nicht unter seinem wachsamen Blick die prozentuale Wahrscheinlichkeit berechnet und ihm eine schriftliche Versicherung ihrer Worte mit Unterschrift verfasst hatte. Mit 13.2 Prozent konnte Kaiba offenbar gut leben.
 

Dieser Typ war verrückt. Welcher normale Mensch würde nur bei einer Wahrscheinlichkeit von unter 15 Prozent zustimmen? Aber wie normal war Kaiba schon? Er war so normal wie eine rote Banane. Kaiba war eine rote Banane. Krumm in seiner Auffassung, mit einer widerlichen Schale, aber ihm fehlte auch das schmackhafte Innere. Kaiba war noch nicht einmal die metaphorische Nuss mit einer harten Schale und einem weichen Kern.
 

Kaiba war eine Zwiebel. Er war vielschichtig, jede Schicht glich dennoch der vorherigen und wenn man sich nicht mit geübter Vorsicht an ihn heranwagte, vergoss man rasch Tränen. Wenn auch im übertragenen Sinn. Doch über kurz oder lang würde Kaiba bestimmt jeden zum Weinen bringen, selbst den Pharao. Nur mich nicht.
 

Ich war Kaibaresistent, wusste nicht einmal wieso, und obwohl er mit mir schon so oft den Boden gewischt hatte, wie mit einem dreckigen Aufnehmer, so hatten diese Demütigungen doch abgesehen von dem unbändigen Wunsch, mich unter jeden Umständen an Kaiba zu rächen, keine bleibenden Schäden hinterlassen. Abgesehen vielleicht von einer Phobie gegen explodierende und einstürzende Duel Tower, sowie einer immer größer werdenden Abneigung gegen Hunde. Dabei waren es so liebe Geschöpfe.
 

All diese Gedanken teilte ich Duke mit. Ich hing an Telefon und belastete ihn beinahe zwei Stunden lang mit meinem Innenleben. Ich benahm mich wie ein Mädchen, sinnierte von meinen zukünftigen Plänen bezüglich meines Rachefeldzugs - zugegeben, das war nicht wirklich Mädchenhaft - beschrieb ihm im Detail meinen wiederkehrenden Albtraum von dem Eis essenden Golden Retriever - das war einzig und alleine Kaibas Schuld, denn früher hatte ich diese Tiere noch geliebt! - und redete ohne Punkt und Komma.
 

Schließlich, die Anzeige auf meinem Telefon stand bei einer Stunde und siebenundvierzig Minuten, unterbrach Duke mich mit einer beunruhigenden Erkenntnis:
 

„Sag mal, ist dir klar, dass sich bei dir alles um Kaiba dreht?“
 

Diese Frage ließ mich verstummen. Ich war soeben dabei gewesen, ein Glas mit Saft zu füllen, das Telefon klemmte zwischen Ohr und Schulter. Ich bemerkte zu spät, dass der Saft über den Glasrand lief, da ich einfach weitergeschüttet hatte. Nun verteilte er sich auf der Arbeitsfläche. Ich vergaß in diesem Moment sogar, wie man fluchte.
 

Kaiba beherrschte meine Gedanken. Ich dachte an ihn, redete von ihm, er beeinflusste meine Entscheidungen und mein Handeln. Ich verbog mich für meinen Plan, war bereit, alles zu tun, doch letztendlich tat ich doch auch in diesem Fall wieder alles einzig und alleine für Kaiba.
 

Das war der Moment, in dem ich realisierte, dass ich ein Problem hatte. Ein gewaltiges Problem.
 


 

Ranbemerkung: Bei der Stelle, wo Joey Kaiba mit einer Zwiebel vergleicht, musste ich unweigerlich an Shrek denken. „Oger sind wie Zwiebeln." - „Sie stinken?" - „Ja - nein!!" - „Sie kriegen Pelz, wenn sie zu lange in der Sonne liegen?" - „Nein! Zwiebeln haben Schichten - Oger haben Schichten." Aber Kaiba ist weder ein Oger, noch stinkt er, noch wächst ihm Pelz X3

Der Engsti(e)rnigkeit zuviel

Vorwort(e): Wir haben den 25.01 und ein gewisser Wassermann hätte heute einen besonderen Tag. Das ist meine Art, diesen Tag wert zu schätzen X3
 

Ich bedanke mich bei:

ange_gardienne, Friends, xXxfirexXx, night-blue-dragon, Favole, Yoshiru, risuma, BlackPanther1987, Arkady, Freak_in_the_Cage, ray-rei-chan, kuestenfee1, Rina-, Sweet-Akane, diea, Erlkoenig, Ayuyu, J-Squard, kahori, Sinieja_Koschka, Yamis-Lady, Shady, Schneefisch
 

And here. We. Go!
 

„Großmutter, warum hast du so große Augen?“

„Damit ich dich besser sehen kann.“

„Und warum hast du so ein großes Maul?“
 

„Damit ich dich besser fressen kann!“, grollte Kaiba. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als er nach vorne sprang und mich anfiel. Mit einem Aufschrei verlor ich den Halt.
 

„Ach wie gut doch, dass ich weiß, dass du Rotkäppchen Wheeler heißt!“
 

*~*
 

„Heilige Scheiße.“ Ich hockte - kauerte vielmehr - inmitten meiner zerwühlten Decke, das Gesicht in den Händen vergraben und versuchte, meine beschleunigte Atmung zu beruhigen. Erfolglos.
 

„Nein, nein, nein ...“ Meine Stimme verklang zu einem kümmerlichen Wimmern, meine Schultern zuckten, ich rang um meine Fassung. Mein Blick wanderte zu dem Telefon, das auf einem Kleiderhaufen thronte und mich hämisch anzugrinsen schien. Duke konnte ich nicht anrufen - nicht schon wieder. Mit niemandem konnte ich über das reden, was mich in diesem Moment beschäftigte.
 

Es war die Büchse der Pandora, die ich, ohne es zu merken, nicht nur geöffnet, sondern aufgerissen hatte. Das Schloss war dabei kaputt gegangen und schließen ließ sie sich nicht mehr. Wenn man einmal anfing, in diese Richtung zu denken, kam man davon nicht mehr los.
 

Duke hatte mich darauf aufmerksam gemacht, ich war nicht imstande gewesen, es zu widerlegen oder zu leugnen und hatte damit unwiderruflich kapituliert. Verfluchte -
 

„Herrgott!“, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als heißkalte Schauer meinen Rücken hinabjagten. Der alleinige Gedanke an Kaiba ließ mich erzittern.
 

Es verstrichen Minuten, das Ticken meines Weckers begleitete mich mit penetranter Ruhe. Schließlich wich die Anspannung und meine Augen wurden schwer. Die Müdigkeit siegte über den Schrecken, und ich hieß sie willkommen, war dankbar über ihre Macht.
 

Mit einem Seufzen ließ ich mich nach hinten fallen, zog die Decke hoch und schloss die Augen. Ich verdrängte das Bild von Kaiba in der Kleidung der Großmutter - das Gefühl der paralysierenden Faszination, als ich ihn in meinem Traum erkannt hatte - und konzentrierte mich auf meinen Wecker, blendete alles weitere aus.
 

Ich würde es niemals jemandem erzählen, geschweige denn später daran zurückdenken können, ohne mich dabei schämen zu müssen, aber in dieser Nacht zählte ich tatsächlich Schafe (keine Wölfe, zum Teufel noch mal!), bis ich schließlich um halb drei einschlafen konnte.
 

*~*
 

„Stell dich nicht so an, Joey.“

Ich stelle mich nicht an, Téa, es geht ums Prinzip.“

Sie verdrehte die Augen. „Sei zur Abwechslung mal etwas aufgeschlossener.“
 

Nichts lag mir ferner, als Aufgeschlossenheit. Wie sollte - wie konnte - ich in einer Situation wie dieser Aufgeschlossen sein? Und wieso war Kaiba so ruhig? Er tat, als ginge es ihn nichts an, doch er war neben mir das Zentrum der derzeitigen Aufmerksamkeit und der Protagonist der Handlung.
 

„Ihr seid doch verrückt.“ Und ich untertrieb. Ich war viel zu nachsichtig, „wahnsinnig“ traf es eher, doch ich war tatsächlich noch rücksichtsvoll genug, es Téa nicht an den Kopf zu werfen. Dabei hatte sie das eigentlich verdient.
 

„Joseph, ich verstehe deine Problematik nicht.“
 

Sie nannte mich bei meinem vollen Namen, sie taxierte mich durchdringend und sie zwang mich, mit Kaiba zu proben. Hier. Jetzt. So!
 

„Wheeler, komm zur Sache.“
 

Kaiba besaß ein Talent dafür, es schmerzhaft genau auf den Punkt zu bringen. Langsam drehte ich mich zu ihm um, hätte es lieber schnell und ruckartig gemacht, doch ich konnte nicht. Ich wollte ihn anschreien, ihn schütteln, doch stattdessen sagte ich:
 

„Das werde ich.“
 

Téas Anwesenheit rückte in den Hintergrund, Kaiba verlangte nun danach. Das Wolfskostüm kratzte, es war eng und ich fühlte mich unbeholfen und dennoch streckte der Wolf die Klauen aus, packte den Jäger am Kragen seines Kostüms und zog ihn zu sich.
 

*~*
 

„Joey, du siehst grausam aus.“ Ich sah Tristan nicht einmal an, ich murrte und behielt die Augen geschlossen. „Was hast du bloß heute Nacht getrieben?“
 

Ich wimmerte und kniff die Augen fester zusammen. Erinnere mich nicht daran Alter, dachte ich und biss mir auf die Lippen, um den Gedanken nicht laut auszusprechen. „Gelernt“, sagte ich stattdessen und hätte beinahe über meine eigene Aussage gelacht. Tristan nahm mir diese Aufgabe ab.
 

„Guter Witz, Mann.“ Er klopfte mir auf die Schulter. Dann griff er nach meinem Arm uns zog mich hoch. Ich hatte nicht die Kraft, mich dagegen zu wehren. „Und jetzt komm, wir haben Pause, häng da nicht so rum. Téa will außerdem mit dir reden.“
 

Das fühlte sich an, wie ein Schlag ins Gesicht. Augenblicklich war ich wach und riss mich von Tristan los. „Nein verdammt, Wolf und Jäger werden nie zur Sache kommen!“, fuhr ich ihn an.
 

Tristan starrte mich an. Sämtliche Anwesenden im Klassenraum ebenfalls. Und Kaiba, der soeben im Begriff gewesen war, den Raum zu verlassen. Heilige -
 

„Alter“, begann Tristan ungläubig und machte einen vorsichtigen Schritt auf mich zu. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
 

Nein, nichts war in Ordnung. Ich war besessen von Kaiba, fixiert auf meine Rache, hatte ihn in der Hand wie niemand zuvor und träumte skurrile Konstellationen von Rotkäppchen, in denen der Wolf und der Jäger -
 

„Komm.“ Tristan legte einen Arm um meine Schultern und bugsierte mich langsam aus dem Klassenraum. An den stechenden Blicken und an Kaiba vorbei, der zu meiner Verwunderung schwieg und nicht die von mir selbst gegebene Vorlage nutzte.
 

Zwei Minuten später schloss Tristan die Tür zur Jungetoilette hinter sich, kippte einen Mülleimer um und platzierte mich auf dem Metallgestell. Er verschränkte die Arme und sah mich auffordern an. „So, Alter, und jetzt raus mit der Sprache.“
 

Ich sah ihn verständnislos an, dann verstand ich es. Ich grinste müde. „Nein Tris, ich hatte gestern keinen Damenbesuch.“ Ich wünschte, es wäre so gewesen, dann hätte ich wenigstens nicht solchen Mist geträumt.
 

„Hältst du mich für blöd?“ Er hob die Augenbrauen. „Wer behauptet denn so was?“
 

Mir fehlte die Zeit, um gekränkt zu sein, ich war vielmehr verwirrt. Wovon sprach er. „Was?“
 

„Denkst du, ich merke nicht, was hier vorgeht?“ Ich versteifte mich. „Du kommst an einem sonnigen Montagmorgen in der kurzen Pause in den Englischraum gestürmt und fragst vollkommen aufgewühlt nach allen Schülern des Sternzeichen Skorpions in unserer Stufe. In derselben Woche entwickelst du ein obsessives Interesse an Sternzeichen und plötzlich sieht man dich und Duke ohne Unterlass aneinander kleben. Dann kommen die Märchen ...“ Er ließ die Arme sinken und seufzte. „Joey, du wirst mir unheimlich. Sternzeichen und Märchen? Denkst du, das fällt uns nicht auf? Bei allen - bis vor zwei Wochen interessierten dich nur Duel Monsters und Mädels!“
 

Ich schluckte und schwieg. Mir fehlte eine Erwiderung. Natürlich hatte er Recht, mir war bloß nicht bewusst gewesen, wie offensichtlich mein Verhalten gewesen war. Ich schürzte die Lippen und verfolgte meine letzten Schritte gedanklich zurück. Natürlich war mein Verhalten auffällig. Ich hatte zwar immer die Konfrontation mit Kaiba gesucht, doch besonders in der letzten Zeit - in den letzten Tagen - ist mein Auftreten zunehmend selbstsicherer geworden. Verdächtig selbstsicherer.
 

„Ich zwing dich nicht dazu, es mir zu sagen“, seufzte Tristan und wich meinem Blick aus. „Aber ich will klarstellen, dass du es mir erzählen kannst, wenn dir danach ist.“
 

Oh Gott. Tristan wurde sentimental. Er sah mich nicht direkt an und hatte abweisend die Arme verschränkt, doch ich kannte ihn gut genug, um die Anzeichen zu erkennen. Tristan wurde nie gefühlsduselig, aber es gab Augenblicke - es gab Gelegenheiten - in denen er mir auf seine eigene, ganz tristan’sche Art zu erkennen gab, dass sein Vorsatz, es nicht zu sein, ins Wanken geriet.
 

Ich kannte Tristan länger, als ich Yugi kannte. Wir hatten Seite an Seite einige waghalsige Prügeleien verloren, hatten gemeinsam Scheiße gebaut und zusammen die Konsequenzen ausgebadet. Und heute auf dem Jungenklo zeigte Tristan mir nun, dass ich ihm etwas bedeutete. Das war so ergreifend, ich verspürte den unbändigen Drang, meinen Kopf in dem Mülleimer zu vergraben, auf dem ich saß. Ein Wheeler wurde nie von Sentimentalitäten angesteckt. Fast nie, denn es gab Ausnahmen.
 

„Bleib locker.“ Ich grinste Tristan nun um einiges ehrlicher an, als vorher. „Es ist alles halb so wild.“
 

„Joey, du hast Kaiba gestern mit einem Spruch aus Rumeplstelze angegriffen“, entgegnete Tristan ernst. „Gar nichts ist halb so wild!“
 

„Rumpelstilzchen “, korrigierte ich ihn matt, nickte jedoch zustimmend. Leugnen war zwecklos. Alles, was ich sagte, wurde vor Tristan - von Tristan - gegen mich verwendet. „Und das ist mir rausgerutscht. Kaiba hat mich aufgeregt.“
 

„Premiere.“
 

„Spar dir die Ironie. Hör mal, ich weiß es zu schätzen, dass du dir Sor -“, ich unterbrach mich, denn ich wusste, wie Tristan darauf reagieren würde. „Ich weiß, dass ich mich ... anders verhalte, aber Kaiba hat - und Téa auch! Stundelang in der Stadt ... und Schuhe! Ich wollte doch nur, dass Kaiba endlich versteht, wie es ist, immer ... und dann hab ich das gelesen und dachte, das kann kein Zufall sein! - und Duke war so zuverlässig, wir haben zusammen ... und es funktioniert, Tristan!“
 

Ich holte tief Luft und sah meinen besten Freund aufmerksam an, wartete auf eine Erwiderung. Tristan starrte mich an, ein Ausdruck absoluter Fassungslosigkeit zierte sein Gesicht. „... Schuhe?“, wiederholte er nach einigen Sekunden und ich wusste, dass er nichts von dem verstanden hatte, was ich ihm zu erklären versucht hatte.
 

„Nein, nicht Schuhe. Kaiba!“ Ich gestikulierte hilflos mit den Händen. „Tristan, hast du mir nicht zugehört?“ Ich musste es wohl vereinfachen. Bevor ich dazu in der Lage war, öffnete sich die Tür und Haare erschienen in unserem Blickfeld. Es konnte nur Yugi sein.
 

„Da seid ihr ja! Wir haben euch schon gesucht.“
 

Tristan und ich wechselten einen Blick. Uns war klar, dass wir die einzige Chance vertan hatten, uns auszusprechen. Ich hätte lügen müssen, wenn ich sagen wollte, dass ich es nicht erwartet hätte.
 

oOo
 

Ich war hin und hergerissen zwischen Hysterie und Verzweiflung. Ich hatte mal gelesen, dass ein Gefühlsausbruch Stress abbauen sollte - und zwar besser, als jede Therapie es könnte. Ich spielte mit dem Gedanken, Téa darauf anzusprechen, denn immerhin war sie eine Frau und niemand kannte sich besser mit Hysterie aus als eine Frau. Wenn ich dagegen Fragen zu Stress hatte, musste ich bloß zu Kaiba gehen.
 

„Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?“
 

Niemand hatte gesagt, dass Téa mich verstehen würde, bloß weil sie zufällig eine Frau war. Es war nicht alltäglich, dass ich sie auf derartige Themen ansprach. Noch dazu ohne für sie ersichtlichen Grund. Denn ich war nicht so dumm, ihr von meinen Träumen zu erzählen. Wenn ich mich schon für verrückt hielt, musste sie mich danach für komplett wahnsinnig halten.
 

„Natürlich Téa. Wenn du es mir nicht sagen willst, dann ist das okay.“

„Ich meine nur, du bist in letzter Zeit ... komisch. Erst soll ich Kaiba einer bestimmten Arbeitsgruppe zuteilen und dann muss ich ihn überreden, überhaupt am Schulfest teilzunehmen - obwohl von vornherein klar war, dass er es nicht freiwillig tun würde.“
 

Komisch - das traf es wohl am genauesten. Die ganze Situation war komisch, verzwickt und absolut verrückt.
 

„Das ist alles deine Schuld“, murmelte ich Duke zu, der neben mir stand und dem Gespräch mit zunehmender Belustigung folgte. Natürlich konnte er sich seinen Teil denken. Er erwiderte meinen Blick voller Unschuld und zuckte mit den Schultern. Wenn Duke mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, wäre dieses Chaos gar nicht erst ausgebrochen. Ach, wem redete ich das ein. Früher oder später hatte es eskalieren müssen. Wenn Duke nicht gewesen wäre, hätte der Kaibawolf mich wohl wirklich erst anfallen müssen, bevor ich es kapiert hätte.
 

Ich musste es einsehen, meine Freunde konnten mir nicht weiterhelfen. Zumindest solange nicht, wie ich die Karten nicht offen vor ihnen auf den Tisch legte. Doch es stand außer Frage, dass ich eben dies nicht tun konnte. Téa hatte mir nur geholfen, weil sie nicht genau gewusst hatte, welchem Zweck ihre Hilfe diente. Sie handelte nach dem Motto Was ich nicht weiß, macht mich nicht mitschuldig. Sie war gerissen und ich wusste, dass ich nicht mehr mit ihrer Unterstützung rechnen konnte, wenn sie wüsste, welches Ausmaß meine Rache bereits angenommen hatte. Solange sie zu ahnen glaubte, dass ich mir einen kleinen Streich für Kaiba ausdachte, musste sie sich keine Sorgen machen.
 

Bei Yugi war es auf ... andere Weise ähnlich. Natürlich würde er mich nicht im Stich lassen. Nicht Yugi. Nicht die personifizierte Loyalität. Aber er würde es nicht gerne machen, er würde versuchen mich umzustimmen - und im selben Zug wissen, dass er mich erreichen konnte. Dennoch würde er mich unterstützen. Aber ich war nicht so mies, Yugi einfach auszunutzen. Dann sollte er lieber weiterhin glauben, ich hätte mit mir selbst Frieden gefunden und meine Differenzen mit Kaiba auf ein Minimum reduziert.
 

„Was machen die Schuhe, Téa?“ Ich wechselte geschickt das Thema. Augenblicklich vergaß sie, wovon wir eben noch geredet hatten und ein Glanz erschien in ihren Augen, den man nur bei Frauen sehen konnte.
 

„Denen geht es wunderbar.“ Sie lächelte verzückt. „Ich kann mich gar nicht entscheiden, welches Paar ich zuerst einweihe.“
 

Es war schön zu wissen, worin ich mein Monatsgeld investiert hatte. Blieb nur zu hoffen, dass diese Investition wenigstens noch den Winter überstand und sich bis zur Frühjahrskollektion hielt, dann konnte ich meinen Frieden finden.
 

„Was für Schuhe?“, fragte Yugi und war tatsächlich interessiert. Yugi, Kumpel, was hatte die viele Freizeit, die du wieder mit Téa verbracht hast, nur aus dir gemacht? Es schien wieder an der Zeit für die alljährliche Männerumpolung, bei der Tristan und ich - und Duke, wenn ihm auch danach war - Yugi mit echten Männerthemen konfrontieren würden: Frauen, Autos und Horrorfilme. Duel Monsters stand außer Frage, das würde Téa ihm nie austreiben können. Selbst, wenn sie es gewollt hätte - was sie glücklicherweise nicht tat.
 

Yugi wäre die Woche danach zwar nicht zurechnungsfähig - wie sollte eine derart reine Seele wie er auch sonst auf derart viel nackte Haut, PS und Gewalt reagieren? Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, wie kaputt Bakura daran gehen würde - aber Yugi würde wenigstens bei Worten wie Make-Up, Schuhen und Boygroups nicht mehr aufhorchen. Sein Interesse für Haarpflegeprodukte würden wir ihm jedoch nicht nehmen können. Nie.
 

Den Rest der Pause verbrachten wir tatsächlich damit, uns Téas Schwärmereien für ihre neuen Schuhe anzuhören. So weit war es also schon gekommen. Wo war Kaiba, wenn man eine Auseinandersetzung wirklich mal gebraucht hätte?
 

oOo
 

Ich brauchte mir Kaiba nicht erst herbeizuwünschen, ich bekam ihn. Es war keine Überraschung, denn mein Dienstag beinhaltete immer eine Doppelstunde Kaibatime. Diese Stunden erwiesen sich bis heute als nervenaufreibend, laut und zumeist demütigend. Kaiba und ich waren nicht die einzigen, die eine Freistunde hatten, doch wir machten sie über kurz oder lang zu unseren Freistunden. Genauer gesagt, machte ich sie zu unseren Freistunden.
 

Es stand außer Frage, dass ich diese gewonnene Zeit nicht in der Bücherei verbringen würde. Naiv wie ich war, hatte ich zu Beginn des Schuljahres angenommen, ich befände mich auf der sicheren Seite, solange ich während dieser Zeit die Schulbücherei mied. Denn wo sonst würde Kaiba sich aufhalten? Überall, bloß nicht dort, musste ich wenig später feststellen. Ich hatte mich auf das Dach zurückziehen wollen, denn dieser Ort war ruhig, abgelegen und leer. Irrtum, denn Kaiba hatte genau denselben Gedanken gehabt. Beunruhigend, zu wissen, dass wir in dieser Hinsicht gleich dachten. Widerlegte dieser Umstand nicht seine Behauptung, ich sei dümmer als er? Oder hieß es, dass er genauso dumm wie ich war?
 

Stur wie ich war, hatte ich es nicht eingesehen, den Platz für Kaiba zu räumen. Arrogant wie Kaiba war, hatte er es nicht für notwendig erachtet, mich überhaupt zu beachten. Und dieses Verhalten hatte mich letztendlich dazu gebracht, jeden Dienstag das Dach aufzusuchen und den Konflikt mit Kaiba zu suchen. Hatte er einen schlechten Tag, brauchte ich zwischen sieben und neun Minuten, um ihn dazu zu bringen, mich zu beachten und auf mich einzugehen. Hatte Kaiba einen guten Tag, schaffte ich es selbst durch miese Beleidigungen nicht. Reagierte er nach fünfzehn Minuten dann noch immer nicht auf mich, brauchte ich es gar nicht länger versuchen und konnte den Rest der Doppelstunden sinnvoller nutzen.
 

Aber gab es denn etwas Sinnvolleres, als sich mit Kaiba anzulegen? Natürlich gab es das, aber sinnvoll hieß nicht gleich reizvoll. Ich würde nicht immer und immer wieder die Konfrontation mit Kaiba suchen, wenn sie für mich keinen Gewinn bringen würde. Ich war kein Masochist. Ein Konflikt mit Kaiba, unabhängig davon ob ich ihn verlor oder ... na ja, gewinnen konnte man es auch nicht nennen, wenn Kaiba das Interesse verlor und einfach schwieg oder die Schulglocke unsere Diskussion unterbrach.
 

Eine Auseinandersetzung mit Kaiba hatte ihren eigenen Reiz. Es war die Herausforderung, dieses Wissen, dass ich mich mit jemandem anlegte, der meinte durch seinen Status weit über mir zu stehen. Jemand, der dachte, Geld und Macht zeichneten ihn als besseren Menschen aus. Es war diese absolute Überzeugung, dass Kaiba sich irrte und ich mit meinen Auffassungen richtig lag - dass Kaiba sich dessen bloß nicht bewusst war - die mich zu meinem Handeln trieb und es mich irgendwie genießen ließ. Auf eine seltsame, in der Tat sehr seltsame Art und Weise. Ich würde wetten, dass niemand meine Faszination verstand. An schlechten Tagen verstand ich sie ja selbst nicht.
 

Egal ob Kaiba mich ignorierte, niedermachte oder demütigte, ich kehrte jeden Dienstag auf das Dach zurück. Darauf aus, ihm ein einziges Mal das selbstherrliche Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, ihn einen Moment lang seiner Sicherheit zu berauben und ihm zu zeigen, wie es war, nicht er zu sein.
 

Meine Stimmung hatte sich in der letzten Stunde verbessert. Die Besorgnis meiner Freunde hatte mich im Nachhinein aufgemuntert, denn das Wissen um ihre Sorge war tröstlich und beruhigend. Mit Tristan verstand ich mich besser denn je, wir hatten zwar unsere Chance vertan, doch er merkte, dass ich es ihm zumindest versucht hatte, zu erklären.
 

Als ich nun die Tür zum Dach öffnete, wehte mir kühler Wind entgegen. Ich schlug den Kragen meiner Schuluniform hoch und trat nach draußen. Natürlich war Kaiba schon da. Er war immer vor mir da, ich konnte den Weg hierher rennen, Kaiba würde trotzdem schon auf dem Dach sitzen. Alles schon probiert. Nutzlos.
 

Der Umstand, dass Kaiba tatsächlich auf dem Boden saß, dass er es wirklich akzeptierte, keinen Stuhl zu haben, auch keinen Tisch oder ähnlichen Komfort - wenn man in einer Oberschule denn irgendwo von Komfort sprechen konnte und durfte - überraschte mich jedes Mal aufs Neue. Das war so ... nicht Kaiba. Wie oft hatte ich ihn schon darauf angesprochen - neutral, genervt, gereizt, sogar entgegengeschrien hatte ich ihm die Frage an einem sehr schlechten Tag von meiner Seite aus - und bloß einen abschätzigen Blick als Antwort bekommen, als läge die Antwort auf der Hand.
 

Und das tat sie, wie ich dann herausgefunden hatte. Kaiba war bereit, diese Unannehmlichkeit hinzunehmen, wenn er dafür seine Ruhe hatte. Denn penetranten Blicken seiner Mitschüler entkam. Wobei ich ihm diese Ruhe mit Freuden zu vermiesen versuchte. Und trotzdem hatte Kaiba das Dach nie verlassen, denn er besaß die Fähigkeit, mitten in einer Diskussion einfach abzuschalten. Er hörte dann auf, mir Beachtung zu schenken und ließ sich von nichts wieder zurück in das Gespräch bringen. Unheimlich. Immer wieder.
 

Die Tür fiel, von einer besonders starken Windstoß getroffen, laut hinter mir zu. Kaiba blickte nicht einmal von seinem Laptop auf. Er arbeitete, tat nie etwas anderes.
 

Ich überquerte das Dach, ließ meine Tasche in meine Ecke fallen und setzte mich, lehnte mich an den Sicherheitszaun hinter mir. Der Wind war unangenehm, der Himmel grau und es würde bad regnen. Beste Voraussetzungen für die Kaibatime.
 

Ich beobachtete Kaiba mit unverhohlenem Interesse. Kurz hielt er beim Tippen inne, sah auf und erwiderte meinen Blick. Wortlos unterbrach er nach wenigen Sekunden den Blickkontakt und setzte seine Tätigkeit fort. Uh, wir hatten heute aber einen guten Tag. Einen außerordentlich guten Tag. Wenn Kaiba sich so verhielt, hatte er gute Laune. Ich redete mir gerne ein, dass es heute an meinem Horoskop lag.
 

Wenn ich tatsächlich Seto Kaibas Stimmung beeinflussen - ja sogar festlegen - konnte, was für Möglichkeiten hätte ich dann noch? Ein kalter Schauer durchlief mich, als ich mich an den Kaibawolf der letzten Nacht erinnerte. Wieso ich ausgerechnet jetzt daran dachte, wusste ich nicht.
 

Ich verwarf diese Gedanken und konzentrierte mich stattdessen auf die Gegenwart. Es wurde Zeit, die tatsächliche Wirkkraft meiner Arbeit auszutesten.
 

„Hab gehört, deine heißgeliebte Firma hat einen herben Rückschlag erlitten.“ Man musste informiert sein, wenn man Kaiba erwischen wollte. Seine Firma zog immer. Die Information selbst hatte Duke mir heute vor der ersten Stunde zukommen lassen. Ich war nicht so verzweifelt und saß den liebenlangen Morgen vor dem Fernseher, bloß um Kaiba einmal aus der Reserve zu locken. So weit käme es noch.
 

Kaiba zuckte nicht einmal bei meinen Worten. Einen bemerkenswert guten Tag hatte er heute. Die Kaiba Corporation wirkte normalerweise immer. Und wenn sie auch nur ein kurzes Innehalten in der gerade durchgeführten Tätigkeit bewirkte, aber reagieren tat Kaiba jedes Mal auf sie. Normalerweise.
 

„Man munkelt, ob du in der Lage bist, einen drastischen Wertabfall der Aktien aufzuhalten.“ Ich übernahm die Aussage Wort für Wort von Duke, der sie wiederum aus dem Radio hatte. „Und die Verkaufszahlen deiner Produkte tendieren ebenfalls -“
 

„So beruhigend es auch für viele sein dürfte, dass du in der Lage bist, inhaltsleere Aussagen der Massenmedien auswendig zu lernen Wheeler - ich gehöre nicht zu diesen Menschen, denen du vergeblich zu beweisen versuchst, dass dein IQ über dem eines Grundschülers liegt.“
 

So viele Worte auf einmal. Und alle für mich. Da störte es mich nicht einmal mehr, dass er mich unterbrochen hatte. Etwas anderes hingegen störte schon.
 

„Willst du damit sagen, Grundschüler seien schlauer als ich?!“
 

„Wheeler, in der gegenwärtigen Zeit gibt es Kindergartenkinder, die in der Lage sind, vierstrophige Gedichte frei vorzutragen. Du musst schon mehr bringen, als mich mit anderthalb Sätzen, deren Fremdwörter deinen Horizont übersteigen, beeindrucken zu wollen.“
 

Er machte sich tatsächlich die Mühe, mit mir zu argumentieren. Zwar beleidigte er mich, aber das auf geschickte Weise. Kaiba, hatten die Horoskope dich wirklich so beeinflusst?
 

„Wer sagt, dass ich dich beeindrucken will? Wenn das mein Ziel wäre, hätte ich heute meine Duel Disk mitgebracht.“ Hier Kaiba, sieh das als geschenkten Elfmeter. Was würdest du jetzt daraus machen?
 

Einen Moment lang wirkte er, als setze er bereits zu einem gezielten Kommentar an - ein Kommentar der ohne Zweifel die Worte unter meinem Niveau, Verliererdeck und Battle City beinhaltete - und stockte. Unvermittelt hielt Kaiba inne, sein Blick verfinsterte sich und er schwieg, setzte stattdessen seine Arbeit fort, als habe er nie damit aufgehört. Als hätte er nicht bis vor einem Moment vorgehabt, mich unangespitzt in den Boden zu rammen.
 

Das war beinahe zu gut, um tatsächlich wahr sein zu können. Ich hatte es vorher schon getestet und bestätigt bekommen, aber dieser Moment auf dem Dach, während der Kaibatime, gab mir das Gefühl unantastbar zu sein. Wenn ich es wollte, würde Kaiba ohne Schuluniform zum Unterricht erscheinen, er würde regelmäßig am Sportunterricht hat teilnehmen. Wie niedlich naiv ich doch war, ich könnte noch viel fieser sein.
 

Ich könnte ihn dazu bringen, sich bei Yugi für jeden hämischen Spruch zu entschuldigen - kommen Sie mit sich und jenen, denen Sie bisher mit wenig Freundlichkeit entgegengetreten sind, ins Reine - sich mir gegenüber freundlich zu verhalten - begegnen Sie positiver Strahlung (= Joey Wheeler) mit derselben Einstellung - sich vor der gesamten Schule zum Affen zu machen - seien Sie ausgelassen, versprühen Sie Frohsinn, lassen Sie die Welt an ihrem Glück teilhaben.
 

Kaiba hatte mir ohne es zu wollen die Macht gegeben, ihn nicht mehr Seto Kaiba sein zu lassen. Dieser Einfluss war so groß, dass er regelrecht furchteinflößend war. Wenn ich wollte, würde Kaiba in Aktien für Doughnuts investieren, weil er denken würde, andernfalls eine Finanzkrise seiner Firma zu provozieren. Er würde eine Benefitsgala zum Wohl der Wale halten oder Geld für den Schutz der tropischen Wälder spenden. Er würde kleinen Kindern Lollis schenken, weil das angeblich sein Glück verstärken würde.
 

Und vielleicht, schoss es mir mit einem Mal durch den Kopf, war es dann irgendwann an der Zeit einen kleinen Erpresserbrief an Kaiba zu schreiben und die Bombe platzen zu lassen.
 

Ich kenne dein peinlichstes Geheimnis, Seto Kaiba. Wenn du nicht willst, dass es morgen in allen Boulevardblättern der Stadt steht, verlange ich -
 

Wieso war es immer so schwer, sich eine angemessene Summe auszudenken? Eine Millionen Yen waren noch zu großzügig, aber ich wollte auch nicht größenwahnsinnig werden. Trotzdem durfte man doch träumen und sich etwas zusammen spinnen, oder nicht?
 

- eine Menge Geld. Außerdem sollst du dich öffentlich bei mir, Joey Wheeler - ja Kaiba, ich kenne dein kleines menschliches Manko, um das sich alle Welt reißen wird - entschuldigst. 

Okay, das ging jetzt ins Lächerliche über. Kaiba würde sich nie öffentlich bei jemandem entschuldigen - schon gar nicht bei mir. Selbst, wenn sein Leben davon abhinge.
 

Du wirst von nun an nett zu mir sein, mich respektieren und es werden keine abfälligen Spitznamen mehr fallen. Des Weiteren verlange ich eine eigene private Duel Arena, einen Ferrari, ein Ferienhaus auf Hawaii und eine Reise nach Europa. Muhahaha!
 

„Ich würd gerne mal nach Europa ...“

„Bitte?“
 

Ich war so tief in meinen Wunschfantasien versunken, dass ich Kaibas Anwesenheit ganz vergessen hatte. Wenn er wüsste, was ich mir gerade alles auf seine Kosten ausgemalt hatte ...
 

„Nichts. Ich hab nur gerade gedacht, dass ich mir Europa gerne mal ansehen würde.“ Als ob es Kaiba wirklich interessieren würde. Ich erzählte es ihm trotzdem.
 

„Da gibt es nichts zu sehen“, bemerkte Kaiba ausdruckslos, während seine Finger unablässig über die Tastatur wanderten.
 

Ich verschränkte die Arme. „Woher willst du das denn bitte wissen?“
 

„Alles schon gesehen, Wheeler.“
 

Ich dachte, es gäbe nichts zu sehen. Natürlich musste er es mir dennoch unter die Nase reiben. Angeber. „Na Klar, Alter. Das Kolosseum in Rom, den Eiffelturm in Paris ...“ Verdammt, mir fiel nicht mehr ein. Kaiba nahm mir jedoch die Aufgabe des Nachdenkens ab:
 

„Wenn man erst davor steht, ist alles halb so imposant, wie billige Werbeprospekte Glauben machen wollen.“
 

Ich lachte freudlos. „Als ob du wirklich davor gestanden hättest. Du bist doch höchstens mit deinem widerlich teuren Privatjet drübergeflogen.“
 

Er bedachte mich mit einem langen Blick. „Ausnahmsweise hast du tatsächlich Recht, Wheeler.“
 

Als hätte ich es nicht gewusst. Das war so typisch Kaiba, dass es regelrecht wehtat. „Dass es dir nicht gefällt, Kaiba“, bemerkte ich und verschränkte die Arme hinterm Kopf, „ist höchstens ein noch stärkerer Grund für mich, diese Orte sehen zu wollen.“ Kaiba schenkte mir längst keine Beachtung mehr. „Denn alles, was dir nicht passt, ist für mich gleich viel schöner. Nehmen wir doch nur das Schulfest. Jeder hier weiß, dass du keinen Wert darauf legst. Ich find das ganze klasse, welchen besseren Vorwand kann es geben, um Unterricht für dessen Vorbereitung ausfallen zu lassen?“
 

Ich wusste, dass er mir nicht zuhörte. Wenn kümmerte es?
 

„Ich hoffe, du weißt zu schätzen, dass ich dich vor einer ganz schönen Blamage gerettet habe. Wobei der Anblick von dir als Wolf durchaus seinen Reiz gehabt hätte.“ Kaiba hatte keine Ahnung. Das wäre einem wahr gewordenen Traum gleichgekommen.
 

Der Jäger erschoss den Wolf, schnitt ihm anschließend den Bauch auf, um die Großmutter zu retten. Der Kaibawolf musste sich dem Wheelerjäger unterwerfen. Und sie lebten glücklich, bis an ihr Lebensende - abgesehen vom Kaibawolf, denn der wäre ziemlich angefressen.
 

„Reguliere deine Obsession, Wheeler.“

„Was?“
 

Kaiba hatte mich stechend fixiert, ich war mir seiner Aufmerksam bis zu diesem Moment nicht bewusst gewesen.
 

„Wheeler, seit gestern zeigt du ein derart befremdliche Gefallen an Märchen, dass sich mir die Frage stellt, ob dir bewusst ist, dass sie ursprünglich für Kleinkinder gedacht sind. Kommst du soweit mit?“
 

„Natürlich weiß ich, dass Märchen für Kinder sind“, gab ich schnippisch zurück. „Und ich bin nicht von ihnen besessen.“
 

Kaiba neigte leicht den Kopf. „Merkst du das denn nicht?“ Er ließ mir keine Zeit, zu antworten. „Seit Gardner sich gestern über die Thematik dieser ... Veranstaltung“ - Kaiba nahm das Schulfest nicht für voll, das sah ich an dem Weg, wie er den Mund verzog - „ausgelassen hat, redest du öfter darüber als sie.“
 

Da konnte er mir viel erzählen. Das stimmte doch nicht.
 

... oder?
 

Ich hatte meine Fixierung auf Kaiba auch nicht wahrgenommen, bis Duke mich darauf aufmerksam gemacht hatte. Und hatte es ebenfalls im ersten Moment nicht glauben wollen.
 

„Das bildest du dir ein, Kaiba.“

„Aber sicher, Rumpelwheeler.“
 

Der Spitzname ließ mich unweigerlich zusammenzucken. Verdammt, meinen Ausrutscher hatte ich schon wieder ganz vergessen. „Das war ein Versehen“, gestand ich zerknirscht. „Dein Gehabe hat mich einfach genervt.“
 

„Na das überrascht aber, Wheeler.“
 

Ja ja, sollte er mir doch gleich sagen, dass meine Reaktion auf ihn immer die gleiche war. Er sagt etwas Arrogantes, ich werde wütend, erwidere etwas nicht minder Angreifendes, um es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen und Kaiba kommentiert mein Verhalten abfällig. Dieses Spiel wiederholten wir, bis er mich mit einer besonders gezielten (und in jedem Fall beleidigenden) Bemerkung den Wind aus den Segeln nahm.
 

„Red du nur“, murmelte ich.
 

„Ganz wie du willst.“ Natürlich hatte Kaiba es gehört. Aber wenn ich ihn anschnauzte, konnte er einfach so auf Durchzug stellen und nahm mich nicht mehr wahr. Wo war da bitte die Logik?
 

„Ich bin trotzdem nicht von Märchen besessen.“

„Ganz wie du meinst. Wenigstens hast du erkannt, wo dein Platz ist.“
 

Konnte er es nicht einfach lassen, musste er darauf anspielen? „Sei lieber dankbar dafür, dass ich dir die Rolle abgenommen habe. Sonst würdest du beim Schulfest im grauen Wolfskostüm die Besucher bedienen.“ Es wäre ein Anblick für die Götter gewesen, aber Kaiba, dieser Feigling, musste ja kuschen!
 

Kaiba klappte seinen Laptop zu. Wollte er mir etwa die Ehre seiner vollen Aufmerksamkeit gönnen?
 

„Wheeler, du wirst irreal. Als ob ich es jemals so weit hätte kommen lassen.“ Er verschränkte die Arme. „Außerdem bist du doch eine kostengünstige Bereicherung für die Veranstaltung, denn du brauchst nicht einmal ein ganzes Kostüm, um wie ein Hund zu wirken. Vielleicht ein Paar Ohren und ein Halsband, dann erkennt jeder deine Rolle.“ Seine Mundwinkel hoben sich zu einem hämischen Lächeln. „Ein Wolf ist doch sogar eine Aufwertung für dich. Und wenn daraus nichts wird, sollten wir Devlin einfach fragen, ob er das modische Hundekostüm noch besitzt, das dir so ausgezeichnet stand.“
 

Mir wurde schlagartig kalt. Ach du heilige -
 

„Woher weißt du -“ Ich unterbrach mich, die Frage konnte ich mir selbst beantworten. Als ich damals gegen Duke im Duell verloren hatte und das Hundekostüm hatte tragen müssen, war das anschließende Dungeon Dice Spiel zwischen Yugi und Duke im Fernsehen übertragen worden. Ich hatte bloß nie angenommen, dass Kaiba - ich hatte nie daran gedacht ... nie befürchtet...! Scheiße.
 

Das war der Gipfel der Demütigung. Während der gesamten Dungeon Dice Auseinandersetzung hatte ich mir hämische Kommentare anhören und Befehle von Duke entgegennehmen müssen. Ich war verdammt noch mal wie ein Hund behandelt worden!
 

„Ich hatte keine Ahnung ...“ Dass du das gesehen hast. Dass du einen meiner schlimmsten Momente miterlebt hast. Dass du die Unverschämtheit besitzt, mich daran zu erinnern, Kaiba!
 

Ich konnte es nicht sagen. Mir fehlten die Worte, ich rang nach Luft.
 

„Bemüh dich nicht, Wheeler. Ich weiß, dass es deine größte Rolle im Fernsehen war und sie stand dir hervorragend.“
 

Dieser elende -
 

„Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, dich zu mieten. Denn kleine Kinder lieben dich bestimmt in dieser Rolle. Und jetzt noch das Schulfest. Deine Publicity als Wolfsjunge muss dadurch ja ungeahnte Höhen erreichen.“
 

Was zuviel war, war zuviel. Ich sprang auf. „Nimm das sofort zurück, du hast keine Ahnung, wovon du redest!“
 

„Nein Wheeler, ich weiß genau, wovon ich rede. Du solltest aufhören, es zu verdrängen.“
 

„Wer verdrängt hier irgendwas? Du bist doch der, der an -“ Ich biss mir auf die Lippen, um nicht weiterzusprechen. Verdammt. Ich biss fester zu, als der Drang, Kaiba die Wahrheit doch ins Gesicht zu schleudern, bloß um sein Entsetzen zu sehen, übermächtig wurde.
 

„Der was?“ Kaiba betrachtete mich, als schätze er den Wert meiner Worte ab.
 

Der an Horoskope glaubt, Yugi aber immer wieder heuchlerisch erklärt, er glaube nicht ans Schicksal! Der sich von Sternen festlegen lässt, welche Unterwäsche er trägt! Ha, was sagst du jetzt, Kaiba?!
 

„Der ... absolut keine Ahnung hat!“, bluffte ich ihn an. „Du hast keine Ahnung Kaiba, das ist dein Problem und wenn du Bescheid wüsstest, dann -“ Würdest du Zeter und Mordio schreien, dir die Haare raufen und die Fassung verlieren.
 

Ich wollte es ihm ja sagen, ihm die Wahrheit wie den Baseball vom Montag ins Gesicht schleudern und das Resultat bewundern. Aber ich durfte es nicht, denn letztendlich würde ich es doch nur bereuen.
 

„Wheeler.“ Kaibas Stimme war schneidend. „Komm zum Punkt.“
 

Aber genau das konnte ich nicht. Ich wollte Kaiba am liebsten am Kragen packen, ihn schütteln und anschreien, ihn mit der Wahrheit schockieren, ihn seiner Beherrschung berauben. Ich wollte, dass er begriff, dass er genauso Makel besaß, wie jeder andere Mensch auch, dass selbst Seto Kaiba Macken hatte. Peinliche, eigene Macken.
 

Ich wollte, dass Kaiba den Wolf spielte, ich wollte der Jäger sein, ich wollte nicht mehr so versessen auf meine Rache sein. Ich wollte nicht mehr so auf Kaiba fixiert sein ... nicht mehr. Nicht ... so. Mist, ich war es immer noch. Und es wurde immer schlimmer.
 

Unvermittelt verkrampfte sich meine Haltung. Ich starrte Kaiba an, starrte in dieses ernste Gesicht, das selten andere Regungen zeigte, in den wenigsten Fällen positive. Starrte ihn an und wusste nicht, was ich eigentlich von Kaiba wollte. Wenn ich meine Rache gewollt hatte, hätte ich ihn einfach mit dem letzten Horoskop dazu zwingen müssen, die Welt mit positiver Energie zu beglücken. Kaibas lächerliche Versuche, diese Forderung zu erfüllen, in dem Glauben, dass ihre Nichterfüllung ihm ungeheures Pech bringen würde, wäre eine Genugtuung gewesen.
 

Stattdessen hatte ich mir einen komplizierten Plan ausgedacht, der Kaiba viel später bloßstellen sollte. Ich hätte doch wissen müssen, dass irgendetwas im Nachhinein nicht funktionieren würde - und wenn es an Kaiba selbst scheitern sollte. Trotzdem hatte ich mir die Mühe gemacht und ... alles bloß wegen Kaiba. Letztendlich handelte ich bloß für Kaiba. Ich hatte mich selbst zum Hund gemacht für Kaiba.
 

Was war hier los? Warum beharrte ich so auf meine Rache, wenn ich nicht einmal wusste, was ich eigentlich wollte. Wenn einige wenige Worte von Duke mich derart aus der Bahn warfen. Wenn ich anfing, mich von Dingen beherrschen zu lassen.
 

„Wheeler, wenn es dich so überfordert -“
 

„Du machst mich wahnsinnig, Kaiba!“ Ich hatte diese Worte geschrien und Kaiba zum Schweigen gebracht. Doch das nahm ich nur am Rande wahr. „Du treibst mich in den Wahnsinn!!“
 

Ich packte meine Tasche und verließ das Dach. Blickte nicht einmal mehr zurück. Hätte ich es getan, hätte ich vielleicht die momentane Verwirrung auf Kaibas Gesicht gesehen und mich besser gefühlt. So jedoch stürmte ich die Stufen hinunter, meine Konzentration dabei einzig auf den Versuch richtend, vor Wut nicht über meine eigenen Füße zu stolpern.
 

Ich verließ das Schulgebäude. Ging auf direktem Weg zu den Bushaltestellen.
 

Jeden weiteren Unterricht und das Treffen der Arbeitsgruppen am Nachmittag schwänzte ich. Ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Meinen Freunden hatte ich mit keinem Wort meinen Entschluss mitgeteilt, auch das hinterließ kein bitteres Gefühl. Ich war wütend - nein, ich kochte regelrecht - und verfluchte Kaiba in sämtlichen Sprachen, die ich kannte. Denn letzten Endes war alles seine Schuld.
 

Zurück in meiner Wohnung griff ich die nächste offene Chipstüte, die ich fand, stellte das Radio auf volle Lautstärke und verbrachte den Nachmittag mit Frustessen, Kaiba verwünschen und meinem ganz persönlichen Stressabbau: Singen. Aber nicht richtig, sondern falsch. (Die Töne durften nicht stimmen, was würde es sonst für einen Sinn machen?)
 

Ich ignorierte die Anrufe von Téa, später die von Tristan und Duke. Am Abend bestellte ich mir eine Pizza mit extra viel Käse und nahm auf meine eigene Art Rache an Kaiba, indem ich wahllos die Kundenhotline der Kaiba Corporation anrief und die Leute am anderen Ende mit verrückten Fragen und Bestellungen versuchte in den Wahnsinn zu treiben. Es war albern und kindisch, aber meine einzige Möglichkeit, mich davon abzuhalten, darüber nachzudenken. Denn das hätte alles nur noch schlimmer gemacht, als es bereits war.
 

Irgendwann gegen Mitternacht holte mich die Müdigkeit ein.
 

In dieser Nacht fingen Die Träume an. Sie waren denen der letzten Nacht nicht unähnlich, ebenso verzerrt und von Märchen beherrscht, doch etwas hatte sich geändert. Es war das erste Mal, dass ich davon träumte, einen Kerl zu küssen. Und zum Teufel noch mal, dieser Kerl war Kaiba.
 

Als hätte ich nicht schon genug Probleme.
 


 

Nachwort(e): Freud lässt grüßen. Er hätte an Joey wahrlich seine Freude. Schreibt mir doch, wie es euch gefallen hat, ich bin gespannt auf Eindrücke, Kritik, Lob, Vorwürfe, äh ... - eigentlich alles ^ ^" Ihr hört von mir beim nächsten Kapitel!

Zwilligsprobleme

Vorwort(e): Bonjour, alle miteinander. Ich hoffe, ihr kennt mich noch ^ ^ Endlich habe ich wieder etwas produktives Zustande bekommen ; ) Jetzt wo sich A Trip to Hell dem Ende nähert, werde ich melancholisch und klammere mich an alles, was noch nicht beendet ist. Sie wie dieses Schätzchen hier *Fanfic pat*
 

Was bisher geschah: Joey hat herausgefunden, dass Kaiba, trotz seiner Behauptung, er glaube nicht an "billigen Hokuspokus" offenbar doch eine Schwäche hat: Horoskope. Prompt kommt Joey ein Plan in den Sinn, der diesen Vorteil zu seinen Gunsten nutzt. Ein Schulfest mit dem Motto "Märchen der Gebrüder Grimm" ist ihm dabei von großem Nutzen. Joey ist auf dem Weg, seine ultimative Rache zu bekommen, mit Kaiba als Jäger und ihm als großer böser Wolf. Wenn da nicht diese bizarren Träume wären ...
 

- Viel Spaß beim Lesen! -
 


 

„Kaiba, warum hast du so große Augen?“

„Damit ich dich besser sehen kann.“

„Und warum hast du so große Klauen?“
 

„Damit ich dich besser packen kann, Wheeler!“, knurrte Kaiba, machte einen Satz nach vorne und stieß mich um. Seine Klauen gruben sich in meine Schultern, pressten mich nach unten, sein unheilverkündendes Grinsen schwebte Zentimeter von meinem Gesicht entfernt.
 

Die Umgebung verzerrte sich, wurde grau, dann wieder grell und bunt, Kaiba thronte majestätisch über mir, seine Augen hoben sich rot glühend von allem ab.
 

„Warum solltest du mich packen wollen?!“, schrie ich ihm entgegen.
 

Kaiba lachte. „Weil du es verflucht noch mal willst, Wheeler.“ Und mit diesen Worten beugte er sich vor und überbrückte den letzten Abstand zwischen uns.
 

Heute
 

Ich küsste Kaiba.
 

In den ersten Sekunden war er zu überrascht, um reagieren zu können, dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er erwiderte den Druck der Lippen, schlang einen Arm um meine Hüfte und zog mich dichter an sich.
 

Kaiba ließ es sich nicht nur gefallen, dass ich ihn küsste, er ging darauf ein und versuchte, mich zur Kapitulation zu zwingen.
 

Und je länger wir uns küssten, je länger diese Nähe anhielt, desto weniger gefiel es mir. Meine Gedanken fuhren Achterbahn, Schuldgefühle kämpften mit Triumph, Reue drohte die Euphorie zu bezwingen.
 

Ich war genial. Und dennoch war ich das Letzte, wenn ich daran dachte, wie es dazu gekommen war.
 

Ein Tag zuvor
 

„Joey, du sollst nicht so viele Überstunden machen.“

„Das tue ich nicht, Téa.“
 

Ihr Blick sagte mir eindeutig, dass sie mir nicht glaubte, doch sie ließ die Behauptung zu. Tatsächlich log ich sie in diesem Fall nicht an, aber ich hatte nicht die Kraft, darauf zu beharren.
 

Die vergangenen Nächte hatte ich mich mit bizarren Wolf-packt-küsst-und-frist-Jäger-Träumen herumgeschlagen, die mich allmählich an meiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln ließen. Es war nicht normal, dass ich so träumte – schon gar nicht, wenn es Kaiba involvierte. Das war falsch.
 

Leider hatte ich keinen Therapeuten, den ich besuchen und von dem ich meine Träume deuten lassen konnte. Und die wenigen Bücher, die ich in die Schulbücherei gefunden hatte, halfen auch nicht. Die machten es nur schlimmer. Von Kaiba zu träumen war unnormal, aber wenn diese Träume nicht Kaiba sondern meine Eltern beinhalten würden, wäre ich vollkommen normal?! Wer immer dieser Freud war, er hatte offenbar beängstigende Träume gehabt, die er nicht anders rechtfertigen konnte.
 

Eine Woche hatten ich diese und ähnliche Gedanken mit mir herumgetragen, bis ich es nicht mehr aushielt und mit Yugi sprach. Da ich meinen besten Freund aber nicht mit unnötigen Details zu Tode erschrecken wollte – und da ich dem Pharao gegenüber, der das Gespräch natürlich ebenso mitbekommen würde – wenigstens einen Rest Würde behalten wollte, ging ich es langsam und bedacht an.
 

Das Gespräch sah in etwa so aus:
 

„Yugi?“

„Ja, Joey.“

„Schmeckt das Eis?“

„Was? Natürlich. Wir kaufen das hier doch schon seit Jahren. Bedrückt dich etwas?“

„Wie kommst du darauf?“

„Du lädst mich zu einem Eis ein – nicht dass ich das nicht zu schätzen weiß – und erzählst den anderen, wir würden uns duellieren.“

„Das ist doch nicht das erste Mal. Das haben wir schon öfter gemacht. Es ist nunmal billiger für mich, nur dich einzuladen ...“

„Beim letzten Mal hast du mich um Rat mit Mai gefragt.“

„Oh.“

„Das Mal davor hast du dich mit Tristan zerstritten, ihr hattet euch geprügelt und du wolltest wissen, ob eine Entschuldigung unmännlich wäre.“

„Das war eine wichtige Angelegenheit! Tristan hätte mich sonst nie wieder respektiert.“

„Joey, ihr seid seit Jahren Freunde. Es gibt nichts, dass ihn dazu bringen würde, dich weniger zu respektieren.“

„Da wäre ich nicht so sicher.“

„Wie meinst du das?“

„Yugi ... hast du schon vom Duellieren geträumt?“

„Meinst du träumen im Sinne von ‚ich habe schon immer davon geträumt’ oder ‚ich habe letzte Nacht geträumt, wir würden uns duellieren’?“

„Äh ... letzteres.“

„Ja.“

„Hast du dabei von bestimmten Gegnern geträumt?“

„Ja ...“

„Hast du schon von deinen Rivalen geträumt?“

„Ja, Joey. Wenn mich das Duell im Nachhinein beschäftigt.“

„Dann ist das also nichts Unnormales?“

„Nein. Es ist eine andere Art, mit dem Erlebten umzugehen.“

„Dann hast du also auch schon von Kaiba geträumt?“

„Wieso Kaiba?“

„Und von Pegasus, Marik, Dartz und –“

„Joey.“

„Ja?“

„Warum Kaiba?“

„Weil er in der Reihenfolge zuerst kommt?“

„Warum Kaiba?“

„Du hast doch selbst gesagt, es ist eine andere Art, mit dem Erlebten umzugehen.“

„Hast du von Kaiba geträumt?“

„Und wenn? Dann ist es ja offenbar nicht schlimm.“

„Joey, mach dir deshalb doch keine Gedanken. Habt ihr euch wieder duelliert?“

„... ja, das kann man so sagen.“

„Oh. Willst du darüber reden?“

„Das tun wir doch schon.“

„Nein, ich meine darüber reden.“

„Lieber nicht.“

„Okay. Aber es ist nichts Falsches daran, merk dir das. Egal, was du träumst, du kannst nicht immer etwas dafür. Ich habe schon davon geträumt, ohne Kleidung durch die Schule zu laufen, obwohl ich es mir nie wünschen würde.“

„Keine nudistischen Neigungen, Yugi?“

„Jetzt lach nicht. Du weißt, was ich meine. Träume können Wünsche ausdrücken, ebenso wie Ängste. Welches davon jetzt auf dich zutrifft, musst du selbst entscheiden.“

„Wird ich mir merken. Willst du noch ein Eis?“
 

oOo
 

Also entweder drückten die Träume meine Wünsche oder Ängste aus. Ich wüsste jedoch keinen Grund, weswegen ich mich vor einem Kaiba in einem Wolfskostüm fürchten sollte. Andererseits würde das bedeuten, ich wünschte mir einen Kaiba im Wolfskostüm.
 

Es traf insofern zu, als dass es mich reizen würde, Kaiba als Hund zu sehen. Am Boden. Aber in den Träumen war er ein Wolf, der ... über mich herfiel.
 

Wäre ich ein Mädchen – ein Fan von Kaiba – wäre es vielleicht normal, zu träumen, Kaiba würde sich an mir vergehen, aber als Junge war es das nicht. Ganz und gar nicht. Ich war kein Fan, ich war kein Mädchen, ich war Joey Wheeler. Das genaue Gegenteil von beidem.
 

Hätte ich es nicht merken müssen, wenn ich mich zu Kaiba hingezogen gefühlt hätte? Das kam doch nicht von einem Tag auf den anderen.
 

Es gab nur eine Möglichkeit, das ganze zu überprüfen. Ich musste Kaiba zu meinem Versuchskaninchen machen. Und ich wusste bereits einen Weg, das zu tun. Oh ja, Kaiba würde dabei so was von leiden.
 

oOo
 

„Das Schulfest steht unmittelbar vor der Tür. Wir haben noch einen Tag Vorbereitung, dann muss unser Projekt abgeschlossen sein.“ Téas Blick richtete sich auf Kaiba und sie lächelte. „Dank eine Großzügigen Spende, müssen wir uns um die Finanzierung ja glücklicherweise keine Sorgen machen.“ Halbherziges Klatschen, hauptsächlich durch Téas drohende Blicke, erfüllte für wenige Momente den Raum. „Aus diesem Grund halte ich es für angebracht, Kaiba nun das Wort zu erteilen.“
 

Kaiba hatte die Arme verschränkt und blickte nicht einmal auf, als Téa ihn beim Namen nannte. „Erspar mir das, Gardner. Mir wäre es lieber, wenn mein Name im Nachhinein nicht damit in Verbindung gebracht wird.“
 

„Wie unheimlich bedauerlich, Kaiba.“ Sie lächelte ihn zuckersüß an. „Dann tut es mir leid, dir mit zu teilen, dass dein Name bereits maßgeblich die Werbetrommel angeschlagen hat.“
 

Nun sah er sie doch an. „Wie darf ich das verstehen?“ Ging es nur mir so oder war es auf einmal merklich kühler im Raum?
 

Téa griff in die Innentasche ihrer Schuluniform und hielt eine Broschüre in die Runde. „Dies ist der zweite Tagespunkt heute, bevor wir mit den letzten Vorbereitungen beginnen. Die Projektgruppe, die für die Werbung zuständig ist – also unsere Hauseigene Schulfest-Marketingabteilung“, bei dem Namen funkelten ihre Augen, als wäre sie für die Benennung zuständig gewesen – „hat mir eine fertige Fassung der Schulfest-Broschüre gegeben, die ich euch zeigen wollte.“
 

Sie richtete sich an Kaiba. „Um auf dich zurück zu kommen: Das Titelblatt dürfte dir gefallen.“
 

Kaiba griff mit einem finsteren Blick nach der Broschüre. Ich verrenkte mir den Kopf, um auch etwas sehen zu können, doch Kaiba versperrte mir den Blick. Typisch.
 

„Ich verlange, dass es geändert wird“, sagte Kaiba und ließ die Broschüre achtlos fallen.
 

„Zu spät, Kaiba. Wir haben bereits mehrere hundert Kopien anfertigen lassen.“
 

„Als ob mich das kümmern würde, Gardner. Bevor man mit meinem Namen, geschweige denn meinem Bild Werbung machen kann, muss man mehrere Verträge unterzeichnen.“
 

„Für deine geliebte Schule wirst du doch wohl eine Ausnahme machen.“
 

„Nein. Nicht einmal für meine geliebte Schule.“ Oh, Kaiba war gut. Er hatte sich vollkommen unter Kontrolle, obwohl jeder in diesem Raum spürte, wie wütend er gerade war.
 

Ich bückte mich und griff nach dem Papier. Unweigerlich musste ich grinsen, als ich das Deckblatt sah. Wer immer es entworfen hatte war ein Meister seines Fachs.
 

Das Schulfest der

Domino Oberschule

heißt Sie herzlich willkommen!
 

Verpassen Sie nicht unseren Ehrengast und Sponsoren

Seto Kaiba*
 

Es erwarten Sie sensationelle Projekt unserer Oberschule.
 

* anzureffen im Café der Oberstufe von 17-19 Uhr, die ersten 50 Besucher erhalten ein Autogramm
 

„Sag mal Kaiba, was hältst du davon, wenn wir dem ersten Kunden versprechen, sich mit dir fotografieren lassen zu dürfen“, bemerkte ich schadenfroh. „Oder wir versteigern eine von deinen Schuluniformen. Das würde die Schule sicher reich machen.“
 

„Sei still, Köter“, gab Kaiba zurück. „Wenn ich nach deiner Meinung gefragt hätte, hätte ich mit dem Knochen gewunken.“
 

„Oh, Kaiba, was hast du für eine große Klappe? Damit du besser knurren kannst, du großer, böser Wolf?!“ Unweigerlich musste ich erschaudern. Das war ein Eigentor, erinnerten mich diese Worte doch unglücklicherweise an einen der vielen Träume, die ich geschworen hatte, zu vergessen ...
 

„Ich fürchte, du musst dich damit abfinden, Kaiba“, schloss Téa die Diskussion. Sie war eiskalt, wenn es um ihren Willen ging.
 

„Was springt für mich dabei heraus?“ Kaiba war und blieb ein Geschäftsmann. Ob er auch seine Seele für eine gute Gegenleistung verkaufen würde?
 

Téa lächelte. „Ich dachte schon, du fragst nie. Dass du als Sponsor genannt wirst, dürfte der Beliebtheit deiner Firma zugute kommen.“
 

Kaiba machte eine abwinkende Bewegung. „Wenn ich gute Publicity bräuchte, Gardner, dann gäbe es genug andere Mittel und Wege, besser dazustehen.“
 

„Das ist noch nicht alles, Kaiba. Ich habe mit Mokuba gesprochen“, Kaibas Augenbraue zuckte, „und er war der Ansicht, dass ein Schulfest ideal wäre, Werbung für euer neuestes Produkt wäre, da ihr die Zielgruppe direkt ansprechen könnt.“
 

„Du hast mit Mokuba gesprochen?“, wiederholte Kaiba. Ob es ein kluger Schachzug von Téa gewesen war, Mokuba anzusprechen, würde sich jetzt zeigen. Einerseits war Kaiba bei niemandem nachsichtiger als bei seinem kleinen Bruder, doch hasste er es offenbar auch, übergangen zu werden. Und genau das hatte Téa getan.
 

Kaiba griff nach seinem Handy und begann zu wählen. Während er mit Roland telefonierte, machte ich einen Schritt nach vorne, sodass ich direkt neben Téa stand und beugte mich zur Seit. „Sicher, dass das ziehen wird?“, murmelte ich aus den Mundwinkeln. „Du bewegst dich bei ihm auf dünnem Eis.“
 

„Vertrau mir, Joey.“ In ihren Augen spiegelte sich pure Zuversicht wider. „Mädchen haben einen angeborenen Verhandlungssinn.“
 

„Wenn du das sagst.“
 

Wie sich herausstellte, musste etwas an ihrer Behauptung dran gewesen sein, denn Kaiba legte auf und gab mit einem Nicken zu verstehen, dass er einverstanden war. Téa schlug freudig die Hände zusammen und gab einen verzückten Laut von sich, der mir eine Gänsehaut bereitete. Sie wurde mir von Tag zu Tag unheimlicher.
 

„Dann lasst uns mit der letzten Phase der Vorbereitung beginnen. Die Räume, die uns soweit zur Verfügung stehen sind alle eingerichtet, es fehlt lediglich die Dekoration.“ Sie hielt plötzlich eine Liste in den Händen, an der sie begann, die Punkte einzeln abzuharken. „Wir haben genügend Pappgeschirr – Teller, Becher, Besteck. Wie sieht es aus, haben wir ausreichend Kaffeemaschinen?“
 

Téa sah mich auffordernd an und seufzend durchquerte ich den Raum, warf einen Blick in den benachbarten Kartenraum, der zu einer „Küche“ umfunktioniert worden war.
 

„Reichen vier Kaffeemaschinen und drei Wasserkocher?“, rief ich ihr zu und sie bejahte.
 

Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es standen bereits einige Kisten mit diversen Säften in den Ecken. Spätestens morgen früh würde dort die doppelte Menge stehen. Es wurden bis zu tausend Besucher erwartet, hatte man uns mitgeteilt – die Domino Oberschule und ihre Schulfeste hatten einen sehr guten Ruf - außerdem würde die Werbung mit Kaiba genug Groupies anlocken.
 

Ich sah abwesend eines der Plakate unseres Schulfestes an, das jemand in dem Raum aufgehängt hatte und musste lächeln. Die finale Phase meines Nieder-mit-Kaiba-aber-nicht-ohne-vorher-noch-etwas-auszutesten würde morgen beginnen. Gegen Ende dieser Woche war lediglich die Vorphase gewesen. Kaiba hatte sich mit mir als Arbeitspartner abfinden müssen, ohne mich fertig zu machen.
 

Auch wenn ihm einige Beleidigungen entwichen waren – es mochte an meiner beherzten Stichelei gelegen haben – so hatte er sich doch erstaunlich gut geschlagen. Seine Selbstbeherrschung war – und das konnte man ihm leider nicht nehmen – erstaunlich gut.
 

Gehen Sie Kooperationen auch mit unerwünschten Partnern ein. Begegnen Sie ihnen mit Respekt, dann wird Ihre innere Stärke und Ihre Ausstrahlung zunehmen.
 

Duke versuchte mittlerweile gar nicht mehr, mich zur Vernunft zu bringen. Offenbar hatte er es schon aufgegeben und ich war ihm dankbar dafür. Auch meine Freunde stellten keine Fragen mehr bezüglich meines Verhaltens. Yugi hatte ihnen vielleicht nach unserem Gespräch gesagt, ich befände mich in einer komplizierten Phase oder einer Selbstfindungskrise. Was es auch gewesen war, solange mir niemand unerwünschte Fragen stellte, war mir alles recht.
 

Denn würde man mir Fragen stellen, müsste ich vor mir selbst zugeben, dass ich keine Antworten hätte. Mein Verhalten ging weit über bloße Rachgier hinaus. Meine Obsession mit Kaiba war sicherlich alarmierend, aber das war noch lange kein Grund, jetzt aufzuhören. Niemand war je so weit gekommen, wie ich, wenn es um Kaiba ging. Niemand war ihm je so überlegen gewesen!
 

Ich kam wieder zu mir und stellte mit einem Stich Beunruhigung fest, dass mein Atem sich voller Emotionen beschleunigt hatte. Noch etwas, worauf meine Freunde mich mit Besorgnis hingewiesen hätten: Meine Reaktionen auf Kaiba wurden ... bedenklich.
 

Ich hatte mir bereits die Frage gestellt, ob ich mit Duke darüber reden sollte, hatte diesen Gedanken jedoch rasch verworfen. Er hielt mich schon für verrückt genug, da sollte er mich nicht noch für ... ja, was eigentlich, halten?
 

Ich war von Kaiba besessen. Irgendwie. Von meiner Rache an Kaiba. Nicht von Kaiba selbst. Von ihm nur ein wenig. Die Träume bedeuteten vielleicht nur, dass ich mich geistig zu viel mit ihm beschäftigte. Andererseits hatte ich mich schon mit vielen geistig beschäftigt – besonders vor einem Duell – und nie von ihnen geträumt. Ein einziges Mal hatte ich von Mai geträumt und alleine die Erinnerung daran trieb mir heute noch die Schamesröte auf die Wangen. Doch Mai war etwas anderes gewesen. Für sie hatte ich geschwärmt. Das erklärte den Traum.
 

Aber Kaiba als Wolf? Darin erkannte ich keinen tieferen Sinn.
 

Ich atmete tief ein, dann atmete ich langsam aus. Heute würde die Vorentscheidung getroffen werden. Ich hatte einen neuen Eintrag an Kaibas Schulrechner geschickt, jetzt musste er es bloß noch lesen.
 

Womit wir bei dem schwierigen Teil meines Plans waren. Kaiba musste an seinen Rechner. Heute. So schnell wie möglich. Aber heute war kein Informatikunterricht.
 

Der Schlüssel lag wie so oft bei einer Person: Téa.
 

Glücklicherweise hatte ich seit dem Schuhkauf mit ihr Bonuspunkte und sie war mir wohl gesonnen. Darum hatte sie auch, als ich sie vorhin beiseite genommen hatte, nicht sofort protestiert. Dennoch hatte ich es ... verharmlosen müssen.
 

Und damit eine viel größere Sünde begangen: Ich hatte Téa belogen.
 

Ich musste beten, dass sie es nie erfahren würde, denn wenn sie eines mindestens ebenso hasste, wie die Entweihung des heiligen Freundschaft-Begriffes, dann Lügen. Oh, ich war ja so tot, wenn sie das heraus bekam ...
 

Ich hatte ihr in aller Freundlichkeit zu verstehen gegeben, dass sie mir die Freude eines kleinen Kaiba-Streichs gönnen musste. Ich hatte, so sagte ich, auf Kaibas Desktop ein bearbeitetes Foto von ihm als Hund platziert (eigentlich wollte ich ihr ja sagen, dass ich angeblich Kaibas Kopf grafisch auf einen Frauenkörper übertragen hatte, doch Téa war auch bei diesem Thema empfindlich. Tristan hätte das gefreut.) und wollte Kaiba damit eins auswischen. Dafür sei es aber notwendig, dass er heute noch an den Rechner kommt, sonst wäre der passende Moment vorbei. (Diese Behauptung war absolut sinnfrei, aber ein logischer Grund fiel mir einfach nicht ein.)
 

Da ich bei Téa alleine auch deshalb einen gut hatte, weil ich mich Kaiba gegenüber bei der Kostümfrage kooperativ gezeigt hatte, brauchte ich den logischen Grund überhaupt nicht. Sie hatte geschmunzelt und mir versprochen, Kaiba später für eine kleine Recherche oder Nebenaufgabe in den Computerraum zu schicken. Dort sei er ohnehin viel besser aufgehoben, als im Klassenraum beim Dekorieren.
 

Sie hatte Recht. Kaiba und dekorieren waren zwei Begriffe, die weder dasselbe Wortfeld, noch die gleiche Sprache teilen sollten.
 

„Ach Kaiba“, hörte ich – wie aufs Stichwort – Téa im anderen Klassenraum sagen, „einen Gefallen könntest du mir noch tun.“ Ich konnte Kaibas Gesichtsausdruck bei dem Tabuwort Gefallen vor meinem geistigen Auge sehen und grinste. „Ich bin sicher, die Dekoration des Raumes liegt nicht in deinem Interessenbereich, also könntest du im Computerraum für unsere Gruppe die Preislisten ausdrucken.“
 

„Lass das jemand anderen tun.“

„Jeder von uns muss etwas zu diesem Projekt beitragen.“

„Das tue ich mit meiner alleinigen Präsenz.“

„Auch bei der Vorbereitung, Kaiba.“

„Kein Interesse.“

„Überlege es dir: Die Alternative ist dekorieren. Es sind genug Mädchen hier im Raum, die dich sicher gerne in die wunderbare Welt der Dekoration einführen möchten.“

„Gib mir den Schlüssel für den Computerraum.“
 

Bingo. Der Punkt ging an Téa.
 

oOo
 

Als Skorpion scheuen Sie niemals Herausforderungen, also lassen Sie sich keine entgehen. Mars stärkt Ihre Erfolgsaussichten, während Neptun und Pluto Ihnen mit Ausgeglichenheit den Weg ebnen. Ihre glücksbringende Farbe ist rot und meiden Sie Grün, denn es hemmt Ihre Autorität.

In den nächsten Tagen werden Sie mit Entwicklungen konfrontiert, die Sie nicht erwartet haben, doch sehen Sie diese als Herausforderungen, denen Sie sich stellen müssen. Seien Sie ein Skorpion, abwartend und berechnend, bevor Sie effektiv reagieren.
 

Aber vergessen Sie nicht: Der Skorpion weiß, wann er einen ebenbürtigen Gegner gefunden hat und sieht es nicht als Schwäche an, dies zu akzeptieren.
 

oOo
 

Unruhig blickte ich immer wieder auf die Uhr. Nach zehn Minuten suchte ich Téas Blick und sie gab mir mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass ich gehen durfte, um Kaibas Reaktion zu beobachten. Auch, wenn ich nicht ganz ehrlich zu ihr gewesen war, so stimmte es doch, dass ich auf Kaibas Reaktion gespannt war. Nur wollte ich sie nicht bloß sehen, ich wollte sie testen. Antesten.
 

Die Tür zum Computerraum war ein Stück geöffnet und Licht schien auf den Flur. Langsam drückte ich die Tür weiter auf. Der Drucker arbeitete und Kaibas stand wartend davor, blickte abwesend aus dem Fenster. Bei dem Geräusch der Tür richtete sich sein Blick auf mich und der neutrale Ausdruck aus seinem Gesicht wich und wurde durch die bekannte Abneigung ersetzt.
 

„Was?“
 

Ich ließ mich von ihm nicht einschüchtern. Jetzt ging es in die Offensive. „Téa hat mich geschickt, um zu überprüfen, dass du auch deine Aufgabe erfüllst.“
 

Er griff nach einem Stapel Papier im Druckerausgang und schwenkte es demonstrativ hin und her. „Bitte, da hast du den Beweis. Jetzt sei ein braver Hund und richte es Gardner aus.“
 

Alles im mir schaltete auf Beleidigen um, doch ich brachte all meine Beherrschung auf, um Kaiba nicht anzufahren. Stattdessen konfrontierte ich Kaiba mit dem seit gestern wieder und wieder geübten Satz:
 

„Was hast du nur immer mit Hunden, Kaiba? Man könnte meinen, du hättest einen seltsamen Fetisch, mich als Hund zu deinen Füßen sehen zu wollen?“ Ich verschränkte gelassen die Arme. Jetzt das Sahnehäubchen. „Hast du einen seltsamen Fetisch, Kaiba?“ Und zu guter Letzt die Kirsche, die alles abrundete. „Mir kannst du es sagen.“
 

Warum hatte ich nicht schon viel früher so reagiert. Es kostete zwar viel Zeit, sich vorher die Sätze zurecht zu legen und sich für alle wahrscheinlichen Richtungen, die das Gespräch einschlagen würde, eine Parade-Konterung auszudenken und auswendig zu lernen, doch Kaibas Gesichtsausdruck machte es das allemal wert.
 

„Hat es dir jetzt die Sprache verschlagen? Du bist es nicht gewohnt, gleichwertige Erwiderungen zu bekommen oder? Und schon gar nicht von mir. Gewöhn dich dran, Kaiba.“ Ich lächelte. „Du bist nicht so allmächtig, wie du immer denkst.“ Jetzt wurde es schwierig, denn den Teil hatte ich nicht oft genug geübt. Zum Glück hatte ich mir vorsorglich Stichpunkte auf den Arm geschrieben.
 

Unauffällig schielte ich auf mein Handgelenk, doch mit verschränkten Armen erwies sich dieses Vorhaben als Schwer. Allerdings wirkte man Kaiba gegenüber mit keiner Geste so ebenbürtig, wie mit verschränkten Armen. Das war verzwickt. Unauffällig versuchte ich, meinen Arm zu drehen, was darin endete, dass meine Pose absolut lächerlich aussah.
 

„Wheeler, was tust du da?“
 

Ich ließ mich von Kaiba nicht stören. Immerhin konnte ich jetzt meine Stichworte sehen. „Im Gegenteil, du hast in letzter Zeit ziemlich nachgelassen. Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du den morgigen Tag“ – meine Worte verloren an Intensität, weil ich angestrengt versuchte, immer wieder unauffällig auf mein Handgelenk zu blicken, dabei aber auch nicht den Augenkontakt mit Kaiba zu lösen (Augenkontakt war das A und O!), „in einem Wolfskostüm verbringen können und wenn mich nicht alles täuscht, wäre das für dich ziemlich reinlich gewesen oder? Äh, peinlich! Peinlich gewesen.“
 

„Liest du das gerade ab?“
 

Mist!
 

„Nein!“
 

Kaiba stand so schnell vor mir, dass ich einen Moment glaubte, das Licht würde mir einen dummen Streich spielen. Er griff nach meinem Arm und zog ihn ruckartig zu sich. Seine Augen verengten sich, während er die Worte überflog. „Da sind Rechtschreibfehler auf deinem Arm, Wheeler“, bemerkte er. „Viele Rechtschreibfehler.“
 

Ich wollte ihm meinen Arm entreißen, doch sein Griff war fest. Woher nahm er die Kraft? „Na und, was kümmert es dich? Lass los.“
 

„Es kümmert mich sehr wohl, Wheeler“, erwiderte er, „wenn du versuchst, mich mit diesen Fehlern in einer Auseinandersetzung zu schlagen.“
 

„Was ich habe.“

„Hast du nicht.“

„Hast du deinen Gesichtsausdruck gesehen, als ich von dem Fetisch gesprochen habe? Ein eindeutiger Punkt für mich.“
 

Ein unbekannter Glanz erschien in seinen Augen und seine Mundwinkel zuckten kaum merklich. „Gut Wheeler, der Punkt geht an dich.“
 

Wow. Kaiba erkannte an, dass er in der Hinsicht einen ebenbürtigen Gegner gefunden hatte. Meine falschen Horoskope waren ja so genial.
 

„Aber ich erhalte mindestens fünf Punkte, weil du es nur mit einem Spickzettel schaffst, mich zu überraschen. Darüber würde ich mir Gedanken machen, wenn ich du wäre. Es zeugte von deiner Unfähigkeit.“
 

Okay, Kaiba eben. Er würde keine 180-Grad-Drehung machen. Aber es war ein Schritt in die richtige Richtung.
 

„Der Fetisch bleibt trotzdem ein Punkt, der noch offen ist.“ Oh, was war ich heute mutig.
 

Kaiba beugte sich vor. Erst jetzt wurde mir klar, wie nah wir uns waren. Und dieses Mal war es real. Wäre es ein Traum, würde Kaiba mich wie ein hungriger Wolf anfallen. Oje, falscher Gedanke. Ganz falsch – dummer Joey!
 

„Mach dir keine Hoffnungen, Wheeler. Es ist kein Fetisch. Es ist das simple Vergnügen, einen Versager am Boden zu sehen.“ Er ließ mich los.
 

So konnte ich ihn nicht gehen lassen. Ich musste ihm mindestens ebenbürtig sein. Ich straffte darum meine Haltung und sagte voller Überzeugung: „Ausreden bringen dir nichts Kaiba. Auch das gilt als Fetisch. Bei machen Menschen ist es auch eine Anmache.“
 

Ob ich jetzt wohl zu weit gegangen war? Zu offensiv war vielleicht auch nicht gut und war viel eher ein Eigentor? Hoffentlich nicht.
 

„Ach.“ Kaiba musterte mich abschätzig, „Seit wann schlagen unsere Auseinandersetzungen denn diese Richtung ein?“
 

„Seit es bei dir immer offensichtlicher wird.“

„Bei mir? Wheeler, du redest wirr.“

„Ich bin ganz klar, Kaiba. Dafür brauche ich keinen Spickzettel.“

„Na wenigstens etwas.“
 

Ich machte einen Schritt auf ihn zu und packte ihn am Kragen seiner Uniform, zog ihn zu mir, sodass wir auf gleicher Augenhöhe waren. „Unterschätze mich nicht, Kaiba, denn das wäre sein größter Fehler. Nur weil du der Jäger bist, heißt das nicht, dass der Wolf keine Klauen hat, mit denen er sich wehren kann.“
 

Dann ließ ich ihn los, drehte mich um und verließ den Raum, ohne ihm eine Möglichkeit zu geben, das Gespräch zu seinen Gunsten zu entscheiden.
 

Schach. Dein Zug, Kaiba.
 

oOo
 

Eigentlich wusste ich nicht wirklich, wie Schach funktionierte. Ryou hatte sich einmal die Zeit genommen, wir die Regeln zu erklären, aber mein Verständnis für das Strategiespiel hatte sich irgendwo zwischen C-2 und Gabelangriff verloren.
 

Da lobte ich mir Duel Monsters. Das war nicht annähern so kompliziert und es war trotz allem ein Strategiespiel. Das sollte mir noch jemand sagen, ich sei zu dumm für Strategien. Allein mein derzeitiger Plan zur Rache an Kaiba bewies doch eindeutig, dass ich im Pläneschmieden mehr als nur ein Talent war.
 

Was ich jedoch beim Schach verstanden hatte und was ich als durchaus einleuchtend empfand war, dass der König nicht geschlagen werden durfte. Bei Duel Monsters war der König der letzte Lebenspunkt. Er durfte nicht verloren gehen. Alle anderen 3999 Lebenspunkte waren entbehrlich – wie Bauern, Türme oder ... äh, Hüpfer, glaub ich - aber der letzte nicht. Das war der König. Und wenn der König im Begriff war, geschlagen zu werden, sagte man Schach.
 

Das war wesentlich freundlich als bei Duel Monsters, denn dort gab es keine Vorwarnung. Da wurde man ohne ein weiters Wort fertig gemacht, wenn man nicht aufpasste. Nicht bei Schach. Und wenn der König ohne Hoffnungen auf Rettung angegriffen wurde, sagte man Schachmatt. So weit war ich bei Kaiba noch nicht.
 

Aus meiner Sicht war Kaiba der König. Er musste geschlagen werden. Und aus seiner Sicht war ich der Bauer, obwohl ich viel lieber ein cooles Pferd oder ein Turm gewesen wäre.
 

Aber eine andere Regel beim Schach war in meiner Erinnerung hängen geblieben. Sie hatte mich beeindruckt. Ein Bauer konnte, wenn er das Spielfeld überquerte und das letzte Feld erreichte, für eine beliebige Figur ausgetauscht werden. Meistens die Dame.
 

Vielleicht war ich ein Bauer, vielleicht galt ich aus Kaibas Sicht als entbehrlich aber ich hatte zwei Vorteile: Téa, die mir den Rücken freihielt, und die Chance, das letzte Feld zu erreichen und zu einer Dame zu werden. Dann konnte ich Kaiba schlagen.
 

Heute
 

Kaiba konnte küssen. Der Gedanke, dass ich in irgendeiner Weise auf den Kuss eines Typen, geschweige denn Kaiba, reagieren würde, wäre mir noch vor einigen Wochen wie ein böser Traum vorgekommen.
 

Doch nachdem ich in der vergangenen Woche Nacht für Nacht ähnliche bösen Träume wieder und wieder durchlebt hatte, war die Realität weitaus angenehmer - ja geradezu nicht schlecht.
 

Kaiba war blind in meine Falle getappt. Ich hatte ihn manipuliert, er hatte reagiert. Wie ein berechenbarer, naiver kleiner Junge.
 

Ich war ja so ein Arsch. Dieses Mal hatte ich sogar Kaiba an Bosheit übertroffen.
 

Ein Hoch auf Joey Wheeler, das größte Scheusal der Domino Oberschule.
 


 

Nachwort(e): Wie ist es dazu gekommen, dass die beiden sich küssen? Wieso ist Joey ein Arsch - schlimmer als Kaiba? Wie wird er Rache nehmen? Das und mehr erfahrt ihr im nächsten Kapitel, aber ihr dürft gerne schon spekulieren, denn das würde mich sehr interessieren. Wir sehen uns. Salut!



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Von:  lilac
2013-10-03T09:39:09+00:00 03.10.2013 11:39
Das klingt echt mal viel versprechend.
Toll geschrieben wie immer.
Von:  masa
2012-09-18T03:27:47+00:00 18.09.2012 05:27
cooles kapi mach weiter so.^^
Von:  Lunata79
2012-08-31T20:25:53+00:00 31.08.2012 22:25
Aaaaaah, ... Der war gut!!!
Der Schluss des Kapitels natürlich.
Wieso küssen sich die beiden??? Da muss vorher doch etwas passiert sein. Mich wundert nur, dass Kaiba den Kuss einfach so erwidert. Ich weiß, was im Horoskop gestanden hat! Aber trotzdem!!! WIESO??? Das ist doch nicht ... normal? ... selbstverständlich? ... na, egal.
Ich liebe diese FF. Ich hoffe, es geht bald weiter, denn deine Frist ist bereits erreicht. Bin echt gespannt, wies weitergeht.

Lg
Lunata79
Von:  ManaYGO
2012-08-24T01:28:43+00:00 24.08.2012 03:28
Please, bitte weiter schreiben. Würde mich wahnsinnig freuen.
ICh will unbedinngt wissen wann sie sich gecküst haben und warum JOey das Scheusal Domino City's ist.
Es fänden sicher alle super.
Bitte so eine gute FF darf nicht einfach so Enden.
Das ist wie bei der Originalfassung, die hätten da mehr böse Weltherrschaftsfuzzis einbauen können. Aber bitte nicht einfach<so beenden. Bitte. Ich flehe dich an.
Von:  ChigusaxRakan
2012-06-05T15:48:02+00:00 05.06.2012 17:48
Es ist zwar schon eine ewigkeit her aber setzt du die Story noch fort? An dieser Stelle aufzuhören - furchtbar! Ich meine wie ist es denn zu dem kuss gekommen? Wäre schön wenn die Story noch fortgesetzt werden würde! Lg
Von:  shikakid
2012-05-18T23:24:40+00:00 19.05.2012 01:24
Genial.ICh liebe dieses Pairing, aber es gibt selten ffs die es schaffen dass die personen nich occ rüberkommen. Klasse.
Schreib bloß schnell weiter!
Von:  Eisenprinzessin
2010-06-03T00:43:49+00:00 03.06.2010 02:43
OMG was hat er getaaaaaan? Ich wills wissen. unbedingt!! Wann gehts weiterß Du schreibst echt super! Sehr realistisch, finde ich. ich kann mir gut vorstellen, dass sie wirklcih so handeln würden...
Von:  Marubis
2010-04-19T16:05:02+00:00 19.04.2010 18:05
wow
voll spannend O.O
ich will unbedingt wissen wie es weiter geht
bitte schreib schnell weiter!
Kiri
Von:  Shimizu-chan
2010-01-10T12:47:19+00:00 10.01.2010 13:47
WAHHHHHHHH *kreisch* die story is einfach zu geil XDDDDD
also, jetzt überwind ich mal meine faulheit und schreibe einen kommi...
ja also wie gesagt ist die idee mit den horoskopen einfach mal so was von geil, aber das joey auf so n idee kommt ist schon echt erschtaunlich (ich weis nich sehr net, aber trotzedem.... XDDDD)

das mit den märchen is auch echt zu geil, einfach urkomisch ich lach mit die ganze zeit n ast ab *tot lach* XDDDDD
also ich hab zwar keine idee wie joey kaiba dazu gebracht hat ihn zu küssen oder wie die rache aussah, aber ich denk mal ich weis warum joey sich für mieser als kaiba hält....
der kuss hat sicher was mit der rache zu tun, oder...
und wenn das so ist hat joey sich das so zu sagen hinterhältig erarbeitet mit den horoskopen und das ist echt mal vol mies *böse schau*
na ja und da joey irgentwie kaiba mag fühlt er sich halt schlecht, weil das mit den horoskopen sicher noch rauskommt oder... O.o???

auf jeden fall freu ich mich schon aufs nächste kappi *freu*
und ich find das du echt gut schreiben kannst *grins*
*dir n keks schenk* ^^
Von: abgemeldet
2009-11-24T19:29:41+00:00 24.11.2009 20:29
Diese Fanfiktion ist genial!
Ich hab sie einmal angeklickt und bin nicht mehr von meinen Computer losgekommen
Du schreibst so lebhaft. Die Geschichte spielt sich wie ein Film in meinem Kopf ab.
Die Charaktere sind perfekt getroffen. So ein verhalten ist ja doch recht Joey-untypisch und dennoch würde ich keine Sekunde daran zweifeln, dass er wirklich so handeln würde.
Du hast es geschafft mich heute mehr als nur einmal zum lachen zu bringen und dafür liebe ich dich!
ich bin total gespannt aufs nächste Kapitel

LG
Lemii


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