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The Nightmare before Halloween

The Nightmare before Christmas Ⅲ
von

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Willkommen in Halloween Town!

Ein Wind huschte vorbei und riss die letzten Blätter von den Bäumen, wirbelte sie in der Luft umher und ließ sie wie Puppen an Seilen für sich tanzen. Meterweit; eines flog länger und höher als das andere, aber alle waren irgendwann zum Fallen verurteilt, bis ein neuer Lufthauch von ihnen Besitz ergriff.

Es war Herbst, der 20. Oktober dieses Jahres. Noch elf Tage, keine zwei Wochen, dann stand wieder der große Tag vor der Tür: Halloween! Die Bewohner des gleichnamigen Städtchens konnten sich kaum noch zusammenreißen, so ungeduldig waren sie bereits! Letzte Vorbereitungen mussten getroffen werden, noch ein paar Tricks ausprobiert, denn nur so würde dieses Halloween noch schrecklicher werden können als alle anderen zuvor, das Optimum sozusagen, das von Jahr zu Jahr wieder übertroffen wurde. Schauen wir doch einmal mehr hinein in die skurrile Welt der freundlichen Untoten und Monster; lassen wir uns einmal mehr vom magischen Zauber der schräg konstruierten Stadt entführen… Denn Ihr wisst nicht weniger als ich:
 

Am Ort, wo Böses Gutes meint,

Wo richtig manchmal falsch Dir scheint,

Von Menschen nicht berührt noch erahnt,

Wird das ganze Jahr lang getan und geplant.

Werft einen Blick hinein, Ihr werdet staun’n:

Scherzlich willkommen in Halloween Town!
 

Besonders der Bürgermeister war besorgt über die Einhaltung des Zeitplans. Aufgeregt tapste er auf seinen kurzen Beinen auf dem Fallbeil-Platz umher, bewaffnet mit den letzten Plänen für Halloween. Schon von Weitem vermochten die Bürger seine Verzweiflung in Form seines weißen und niedergeschlagenen Gesichtes auszumachen. Das rosige, lachende hatten sie heute noch gar nicht gesehen.

„So beeilt euch doch!“, drängte er die Arbeiter und war schon wieder fort, ehe man etwas hätte erwidern können. Wie immer machte er sich zu viele Gedanken. Sie lagen gut in der Zeit; die restliche Arbeit würde rasch erledigt sein. Dennoch war der Bürgermeister ein unverbesserlicher Pessimist. „Wo ist Jack nur wieder?“ Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Ich sah ihn zum Labor des Doktors gehen“, knurrte der Werwolf.

„Bestimmt hecken die beiden wieder einen ganz besonders fiesen Streich aus!“, krächzten die beiden Hexen und kicherten.

„Dann muss ich mich beeilen, aber… aber… ich kann hier nicht weg!“ Der Bürgermeister trippelte auf der Stelle hin und her, suchte panisch nach einer Lösung für sein kleines großes Problem. Diese kam sogleich: Der Geisterhund Zero mit der leuchtenden Kürbisnase bellte freundlich, um auf sich aufmerksam zu machen.

„Du bist meine letzte Hoffnung, Zero!“ Mit diesen Worten steckte der Bürgermeister die zusammengerollten Pläne in die Schnauze des durchsichtigen Tieres. „Bringe das bitte zu deinem Herrchen, ja?“

Zero hatte Schwierigkeiten, die ganzen Rollen zwischen seinen Lefzen behalten zu können. Er verzichtete daher auf ein zustimmendes Bellen und flog sofort los – über den Schrottplatz, über die elektrisch geladenen Mauern bis hin zum Turm, in dem sich das Laboratorium des Dr. Finkelsteins befand. Zero stoppte an einem der großen Fenster und lugte hinein – dort saß der Doktor in seinem Rollstuhl, die Augen wie immer hinter der schwarzen Rundbrille versteckt. Gerade sprang sein Kopf wie der Deckel eines Abfalleimers auf, er kratzte sich am Gehirn. Das tat er immer, wenn er am Nachdenken war. Zero schaute weiter: Dem Doktor gegenüber stand sein Herrchen. Der Kontrast zwischen dem kurzen Dr. Finkelstein und dem dürren, spinnengliedrigen Skelett Jack Skellington wirkte komisch. Mit seinen großen Augenhöhlen starrte Jack sein Gegenüber an und hörte aufmerksam zu, was es zu sagen hatte. Jack Skellington – der Held von ganz Halloween Town. Bekannt auch als Meister des Spuks, besonders aber unter dem adligen Titel Kürbiskönig, war er – vergleichbar mit dem Osterhasen und Ostern, dem Weihnachtsmann und Weihnachten – die Verkörperung von Halloween. Jack hatte demnach die oftmals auch sehr stressige Aufgabe, jedes Jahr ein neues, noch viel grausigeres Halloween als das vorherige zu organisieren. Bisher war das nie ein Problem für das selbstbewusste, wenn auch etwas naive Knochengerüst gewesen, selbst wenn die Ansprüche seiner Mitbürger von Mal zu Mal größer wurden. Mit ihrer Hilfe wurde das Fest immer wieder ein enormer Erfolg.
 

Zero klopfte mit seiner Nase an das Glas. Sofort wurden der Doktor und Jack auf ihn aufmerksam. Ersterer betätigte einen Hebel neben seinem Pult, und schon öffnete sich das Fenster. Zero flog freudig hinein und übergab seinem Herrchen, wie ihm aufgetragen worden war, die ganzen Zettel. Dieser betrachtete sie eine Weile, bevor er grinsend den Schädel schüttelte. „Der Bürgermeister… Wie immer… Weiß er denn nicht, dass ich mich bereits um alles gekümmert habe?“ Er ließ die Pläne wieder zusammenschnappen. „Ich sollte nach ihm sehen. Doktor, bitte denken Sie noch einmal über meine Bitte nach. Es ist mir wirklich wichtig.“

Eine Bitte? Was für eine Bitte? Zero wurde hellhörig.

„Gut, ich denke noch einmal darüber nach, wenn ich die Zeit dafür finde. Auch wenn das vermutlich nichts an meiner Entscheidung ändern wird.“

„Seien Sie doch nicht so ungnädig“, seufzte Jack.

„Und du nicht so hartnäckig. Geh jetzt besser, Junge, du wirst gebraucht.“ Dr. Finkelstein wirkte gewohnt abweisend. Er drehte sich in seinem automatischen, wenn auch klapprigen Rollstuhl um und wandte sich wieder seinen derzeitigen Experimenten zu, ohne Jack noch einen Blick zuzuwerfen.

„Komm, Zero. Gehen wir.“ Herrchen und Hund ließen ihn allein in seinem Raum zurück, doch kaum waren sie auf dem Flur angelangt, war Jacks Ziel nicht die Haustür, sondern die zu Sallys Zimmer. Sally, eine Lumpenpuppe mit langem, kastanienbraunen Haar und großen, traurigen Augen, war von Dr. Finkelstein geschaffen worden, um ihm bedingungslos Dienste zu erweisen, aber sie hatte einen ganz eigenen Willen. Ihr Schöpfer gewährte ihr keinerlei Freigang, daher riss sie immer wieder aus, um herauszufinden, was Jack gerade für das nächste Halloween so austüftelte…

Der Festtagsvorsitzende richtete seinen adretten Nadelstreifenanzug, klopfte an ihre Tür – als keine Antwort kam, noch etwas fester. „Ist sie etwa nicht hier?“, fragte er Zero, der mit einem unwissenden Blick antwortete. Vorsichtig drückte Jack die Türklinke hinunter und wagte einen Blick ins Innere. Dort stand Sallys Spindelmaschine, ihr Bett; da war das Fenster, von dem aus man einen guten Blick auf Jacks Turm und bei Nacht auf den Mond dahinter hatte. Aber von Sally selbst war keine Spur zu finden. Jack öffnete die Tür vollständig, und da bemerkte er sie: Friedlich saß sie auf dem Stuhl an ihrem Tisch, womöglich beim Lesen des Buches unter ihren Armen, auf denen ihr Kopf ruhte, eingeschlafen. Leise wie ein Geist schlich Jack zu ihr und neigte sich über sie. "Die Leichenbraut" las er im Buch unter ihr. Typisch Sally – ein Liebesroman! Nach der langen Zeit der Bekanntschaft war er mit ihren Vorlieben und Abneigungen sehr gut vertraut, zumindest glaubte er das. Dass sie Geheimnisse vor ihm hatte, konnte er sich nicht vorstellen. Sie hatte ein so ehrliches Gesicht… Jack betrachtete es ganz versunken. Dann jedoch bekam er ein merkwürdiges Gefühl in der Bauchgegend und erwachte wie aus einer Trance. Er konnte nicht eindeutig sagen, ob das Gefühl nun angenehm oder nicht angenehm war, so seltsam war es.

Mit seinen langen Knochenfingern fischte er nach der Tagesdecke auf Sallys Bett und breitete sie über seine Freundin aus, damit sie nicht fror. Dann verschwand er ebenso leise aus dem Zimmer wie er gekommen war. Zero folgte ihm geschwind.
 

„Jaaaaack!“ Der Bürgermeister kam ihm gleich entgegen, kaum dass er das Grundstück des Doktors verlassen hatte. Noch immer agierte der Volksvertreter nach der Devise: Hasten statt rasten. „Wo warst du denn solange? Mit jedem Tag rückt Halloween genau einen Tag näher, und es sind nur noch… ähh…“

„Elf!“, rief der Schmelzende Mann aus dem Hintergrund.

„Nur noch elf Tage, Jack!“

„Aber Bürgermeister… Darum habe ich mich doch schon längst gekümmert.“ Und nach dem Erhalt eines fragenden Blickes fügte er hinzu: „Die Pläne – ich bin sie bereits durchgegangen, habe sie überarbeitet und in Auftrag gegeben.“

„Was würden wir nur ohne dich machen, Jack?“ Erleichtert atmete der Bürgermeister aus.

Jack sagte nichts dazu. Typisch Sally, typisch Bürgermeister. Ein jeder hier hatte seine ganz eigene, ganz eigenartige Persönlichkeit, und das war einer der Aspekte, die ihm an seinen vielen Freunden gefielen. Jack lächelte. „Ich gehe nun und werde mich meinen persönlichen Vorbereitungen widmen.“

„Tu das, Jack.“ Das Gesicht des Bürgermeisters hatte sich gewandelt: Sicher, dass Jack auch mit diesem Halloween – wie mit jedem anderen auch – Feiertagsgeschichte schreiben würde, war sein trauriges Gesicht dem grinsenden gewichen. „Du hast mein vollstes Vertrauen, Kürbiskönig!“

„Und meines!“, rief Kinderleiche.

„Meines auch!“, grunzte dessen Leichenmutter.

Die vier Vampirbrüder mit ihren Sonnenschirmen tänzelten herbei. „Auch das unsere~.“

„Zeig’s uns, Mr. Halloween!“, mischte sich der Clown mit dem Abreißgesicht ein.

Und schon hatte sich eine ganze Schar um ihn gebildet. Es wäre gelogen zu behaupten, er würde die ganze Verehrung nicht genießen, auch wenn es ihm hin und wieder zu viel wurde. Er schätzte und liebte die Bürger Halloween Towns, vor allem als Freunde, und solange sie es wollten, würde er ihr Kürbiskönig, ihr Meister des Spuks, der nichts fürchtende Jack Skellington sein.

„Unser Jack ist König der Kürbisse, jedermann liebt unser’n Kürbiskönig…!“

Rettung in letzter Sekunde

Der nächste Morgen mutete um einiges friedlicher an. Einsam und verlassen wirkte der Marktplatz. Hier und dort standen einige Kisten mit Halloween-Überraschungen herum. Eine schwarze Katze schlich am Springbrunnen vorbei, doch sonst traf man hier keine Seele an. Viele werkelten nun in ihren Häusern und Grabstätten. Die Vier-Monster-Kapelle (einer davon wohnte im Kontrabass) probte im Rathaus unter Aufsicht des Bürgermeisters. Zombie Behemoth mit der Axt im Kopf kümmerte sich pflichtbewusst um sein Kürbisfeld, schließlich war das Gemüse Hauptbestandteil des nahenden Festes. Dr. Finkelstein und dessen Assistent Igor waren mit irgendwelchen neuen Erfindungen beschäftigt. Und Jack Skellington? Er und Kinderleiche saßen auf dem Dach seines Turms und diskutierten gerade über die äußerst wichtige Frage, ob alte Schokoweihnachtsmänner vor Ostern tatsächlich zu Schokoosterhasen gemacht werden und umgekehrt, als Kinderleiche endlich mit seiner wahren Absicht herausrückte: „Komm schooon: Jetzt erzähl mir doch endlich von deinem Plan!“

Jack hatte die Bitte kommen sehen. „Also gut – ich sage es dir, aber verrate es niemandem weiter: An diesem Halloween werde ich fliegen!“

„Fliegen?“, echote der Kleine ungläubig.

Jack nickte. „Sobald die Stunde meines Auftrittes geschlagen hat, erscheine ich wie aus dem Nichts im Himmel, in Begleitung der Fledermäuse, und lande nach einer kleinen Flugeinlage auf dem Brunnen, der in exakt diesem Moment zu brennen beginnt!“ Beim Sprechen veranschaulichte er den gesamten Weg – oder eher: Flug – enthusiastisch mit seinen Skeletthänden. „Dann werde ich aus dem Feuer treten, und beim Ausbreiten meiner Flügel erlischen die Flammen.“

Kinderleiche konnte die Vorfreude in Jacks Gesicht sehen. „Welche Flügel?“, hakte er nach.

„Groooße, schwarz gefiederte Flügel! Sie werden beeindruckend sein! Aber natürlich nicht echt“, fügte Jack hinzu und zwinkerte.

„Und wie willst du fliegen?“

„Der hier wird mir dabei behilflich sein.“ Zero apportierte eine alte, trübe Glasampulle herbei. Als Jack sie öffnete, sprang etwas grünes Glibberndes heraus und wickelte sich um sein Handgelenk.

Kinderleiche staunte nicht schlecht. „Wooow… Ist das nicht…?“

„Mein Seelenfänger, exakt! Er eignet sich hervorragend als Waffe, aber ebenso auch als universell einsetzbares Werkzeug.“

Der längst grauhäutige, aufgedunsene Junge erinnerte sich wieder, den Seelenfänger schon einmal an Jacks Arm gesehen zu haben – damals, als er Halloween Town vor dem hinterhältigen Kartoffelsack Oogie Boogie rettete. „Darf ich auch mal?“, fragte er, als er Jack damit hantieren sah.

„Gerne, aber gib gut acht! Der Seelenfänger kann ziemlich widerspenstig sein!“

Und schon – als hätte der Kürbiskönig es ihm befohlen – sprang das wabbelige Bungee-Seil von seinem Arm und wickelte sich stattdessen um den von Kinderleiche. Dieser stand gleich auf und wirbelte es wild herum. Er hatte schrecklichen Spaß dabei! Jack folgte seinen Bewegungen zufrieden, als jemand nach ihm rief: „Jaaack? Jaaaaack! Wir haben die Mixtur fertig, genau wie du es gewünscht hast!“

Unten auf dem Hof standen die beiden hässlichen Hexenschwestern mit einem Krug, der bis oben hin gefüllt war mit einer dickflüssigen, schwarzen Substanz. „Sobald die Säure Kontakt mit einem erhitzten Untergrund hat, fängt sie an zu brennen, aber nur eine halbe Minute lang!“

„Diese Zeit müsste dir genügen, oooder?“

„Fantastisch!“, lobte Jack sie. „Ich danke euch beiden!“

Die Tür des Rathauses flog auf, und der Bürgermeister trat hinaus. Er grüßte die Hexen und winkte Jack und Kinderleiche zu, als er sie bemerkte. Allmählich füllte sich das Zentrum der Stadt wieder: Die Musiker ließen sich blicken, die Vampire erschienen, Behemoth und Werwolf kamen vom Kürbisfeld und der Galgenbaum mit seinen fünf gehängten Skeletten vom Friedhof. Vermutlich hatten sie ihre Arbeiten für heute erledigt. Auch die kleine, einäugige Mumie war hier und sah hinauf zu Kinderleiche.

Der bemerkte den neidischen Blick. „Schau mal, was ich habe!“ Noch immer wirbelte er den Seelenfänger umher, lachte laut und vernachlässigte dabei seine Vorsicht – und plötzlich geschah es: Der Seelenfänger geriet außer Kontrolle, rutschte von Kinderleiches Arm und landete direkt in der Fratze einer Hexenschwester! Die Kettenreaktion war unausweichlich: Der Topf mit der entzündlichen Säure stürzte zu Boden, die Flüssigkeit verteilte sich, und auf den von der Kürbissonne erwärmten Pflastersteinen loderte ein Feuer auf! Die Bürger erschraken. Doch damit nicht genug: Kinderleiche verlor sein Gleichgewicht, schlitterte vom Dach und fiel – trotz Jacks Versuch, ihn noch zu erwischen – hinunter, direkt in die rasselnden Flammen! Der Bürgermeister konnte gar nicht hinsehen und schlug sich beide Hände vor das bleiche Gesicht. Die anderen hingegen konnten gar nicht wegschauen, allerdings auch nichts unternehmen, um Kinderleiche zu retten, so geschockt waren sie! War das sein Ende?

Doch dann ging ein Raunen durch die Menge. Irgendetwas sprang dazwischen, fing Kinderleiche einen Meter über den Flammen auf – so geschwind, dass die Bürger ihm kaum zu folgen vermochten – und landete plötzlich vor ihnen. Kurz darauf erlosch das Feuer; die dreißig Sekunden waren um. Bis dahin in fassungsloser Stille gefangen, brachen nun alle in Jubel aus und klatschten heftig. Der Retter war kein anderer als ihr Kürbiskönig Jack Skellington! Er war selbst überrascht (wusste er doch nicht, wie ihm das gelungen war), trotzdem verneigte er sich vor dem begeisterten Publikum. Dann sah er auf Kinderleiche hinab, der sicher in seinen Armen lag. „Danke, Jack…“ Er ließ ihn hinunter. „…und tolle Flügel!“

Jack blinzelte. Flügel? Er wollte etwas erwidern, doch da war Kinderleiche bereits in die Arme seiner Mutter getorkelt und der Bürgermeister auf ihn zugetreten.

„Eine Rettung in letzter Sekunde!“, hauchte er erleichtert aus. „Ein Glück, dass du hier warst!“

„Eine tolle Leistung!“, stimmten die Bürger ihm zu, auch wenn sie noch immer erstaunt waren. Der Kürbiskönig überraschte sie immer wieder!

Dieser sorgte sich gerade um die Hexe, die vom Seelenfänger angefallen worden war. „Es tut mir Leid – ich hätte ihn nicht damit spielen lassen sollen“, gab er schuldbewusst zu, während sich der Schleim um seinen Arm schlängelte.

„Ach, das ist schon vergeben“, krächzte die Hexe, „ich lebe ja noch. Allerdings ist der Brenntau ausgelaufen. Wir werden neuen herstellen und ihn in unserem Hexenhäuschen aufbewahren. Schau doch heute Abend vorbei!“

Jack grinste. „Danke! Ihr seid die besten Hexen!“
 

In der Nacht, als die Rathausuhr zwölf schlug und Dr. Finkelstein, der nach dem Rechten gesehen hatte, gerade ihre Zimmertür hinter sich schloss, setzte sich Sally an ihren Tisch und holte eine ihrer langen Haarklammern aus der Schublade hervor. Sie veränderte sie ein wenig, pinselte sie weiß an und klemmte einen zusammengefalteten Brief darin ein. Dann stand sie auf, ihre kleine Bastelei fest in den Händen haltend, und taumelte zum Fenster. In Jacks Zimmer brannte kein Licht, aber sie glaubte nicht, dass er bereits schlief. Eher war er zum Spiralberg gegangen – so wie er es immer tat, wenn er nachdenken wollte.
 

Und er dachte nach. Der Vorfall, der heute geschehen war, ließ ihn nicht mehr los. Nicht die kritische Rettungsaktion an sich, sondern der Satz der Kinderleiche. "Tolle Flügel"… Ob sie sich das in ihrer Angst eingebildet hatte? Ja, so musste es sein. Vielleicht hatte sie auch auf etwas anderes antworten wollen, auf die Idee mit den gebastelten Flügeln zum Beispiel. Nein, das war unlogisch… Jack legte den Zeigefinger an sein Kinn und sah in die Ferne. Vom sich wie eine Spirale windenden Zipfel des Hügels aus hatte er einen tollen Ausblick: Vor ihm lag die im Mondschein ungeheuer schauerromantisch wirkende Steppe, darauf folgte das Hinterland, ein seltsamer, geheimnisvoller Wald, dessen Wege noch weitgehend unergründet waren. Wo sie wohl alle hinführten…?

Plötzlich riss Jack etwas aus seinen Gedanken. Er hörte ein leises, aber nicht natürliches Geräusch und sah sich um. War er etwa nicht allein hier? Zero konnte es nicht sein; der Kleine hatte bereits tief geschlafen, als Jack sein Haus verlassen hatte. Und doch kam jemand näher. Er richtete sich auf und wartete ab. Bestimmt würde sich der- oder diejenige gleich offenbaren und ihn fragen, über was er wieder grübelte. Aber hoffentlich waren es nicht die drei dunkel gekleideten Mr. Hydes. Bei denen wusste man nämlich nie, was sie für sich behielten und was sie ausplauderten, und ob – wenn der eine Mr. Hyde nichts verriet – es vielleicht der Mr. Hyde in seinem Hut oder der Mr. Hyde im Hut des im Hut von Mr. Hyde sitzenden Mr. Hydes tun würde. Doch zu Jacks doppeltem Glück waren es nicht die Hydes, sondern Sally, die just in diesem Augenblick am Fuße des Berges stand und unschuldig zu ihm hinauf blickte. Was hatte sie da in ihren kleinen, bläulichen Händen? Das Skelett winkte die Lumpenpuppe zu sich, und sie humpelte hinauf. Als sie in greifbarer Nähe war, fasste es ihre Hand und half ihr bei den letzten Schritten. Als nur dürftig zusammengeflicktes Püppchen hatte sie noch immer Schwierigkeiten mit ihren Bewegungen und gab beim Gehen einen armseligen, mitleiderregenden Anblick ab.

Oben angekommen, sah sie ihn mit einem lieblichen Lächeln an und begann zu singen:
 

„Bloß eine Ahnung führt mich her

Dass auch Du hier bist, freut mich sehr“
 

Und Jack ließ sich auf ihr Lied ein:
 

„Und alles and’re zählt kaum mehr“
 

Dann sangen sie gemeinsam:
 

„Weißt Du denn, wie lang

Diese Nacht sein kann?

Was sie uns bringt

Ist das, was so schön klingt

Mein Herz Dir davon singt“
 

("Sallys Lied - Reprise")
 

„Ich habe deine Aktion heute Morgen beobachtet.“

„Oh ja?“ Jack senkte seinen Blick. „Ist dir… dabei irgendetwas Komisches aufgefallen?“

„Nein… Warum fragst du?“

„Ach, schon gut…“

„Stimmt etwas nicht?“

„Nein, nein, alles in Ordnung!“, beschwichtigte er sie schnell. Er sah Sally an, dass sie ihm nicht glaubte, also wollte er sie vom Thema ablenken: „Warum bist du eigentlich hier?“

Jetzt öffnete sie ihre Hand. „Das musst du verloren haben, als du Kinderleiche rettetest.“

„Hoppla!“, rutschte Jack heraus, als er den Knochen erkannte. Er nahm ihn entgegen und schaute an sich hinab, tastete sein Gestell ab. „Er wird wohl schon nachgewachsen sein.“

„Lass mich dir helfen“, bot Sally an, und ohne auf eine Antwort zu warten, fasste sie Jacks Hand und nahm aus ihr den schmalen Knochen, der eigentlich nur ihre präparierte Haarklammer war. Mit der Konzentration eines Chirurgen befestigte sie diese an Jacks echtem Schlüsselbein, aber kaum berührte sie eine seiner Rippen, begann er zu kichern. Für ein Skelett war er ziemlich empfindlich, bemerkte Sally schmunzelnd. Abrupt jedoch zuckte er zusammen, und sie ließ sofort von ihm ab. „Habe ich dir wehgetan?“

„Nein“, antwortete er knapp, konnte sich den kurzen Schmerz allerdings nicht erklären.

Sie behielten den entstandenen Abstand bei und schwiegen einander an. Bis Sally die Stille brach: „Ich… sollte vielleicht gehen. Es ist schon spät.“

„Ja, vielleicht. Und… danke.“

„Kein Problem.“ Sie lächelte – nicht ganz ehrlich, denn ihre Augen verrieten ihm, dass sie beschämt war. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und stolperte rasch davon. Jack sah ihr nach – etwas niedergeschlagen. Das Treffen mit Sally hätte anders verlaufen sollen. Er verdammte sich selbst für seine unfreiwillige Reaktion auf den leichten Schmerz, welcher sie wohl verschreckt hatte, dann machte auch er sich auf den Weg zurück in seinen Turm.
 

Beim Betreten der morschen Treppe versuchte Jack möglichst leise zu sein, um Zero, der in seinem Körbchen schlummerte, nicht zu wecken. Bevor er seinem guten Beispiel folgen wollte, um morgen in voller Frische wieder zur Tat schreiten zu können, stellte er sich vor seinen Spiegel, der so hoch war, dass selbst eine so lange Gestalt wie Jack sich fast vollständig darin sehen konnte. Vielleicht entdeckte er ja die Ursache des Schmerzes? Er drehte sich hin und her, doch erst bei ganz genauem Hinschauen erkannte er die grauen Schrammen auf seinem Rücken. Wie waren die denn passiert? Er vermochte sich nicht zu erinnern, sich irgendwo gestoßen zu haben.

„Wie Er auch darüber nachdenkt: Hier wird Er die Antwort nicht finden.“

Huch?! Jack wirbelte herum, da er die Stimme vernahm. „Wer ist da?“

Zero schlief noch immer, als sein Herrchen furchtlos durch den runden Raum stelzte und nach der Herkunft der unbekannten Stimme forschte.

„Wage Er einen Blick hinaus…“ Weil er nichts fand, folgte er diesem Vorschlag und öffnete das Doppelfenster. Das, was er zu sehen bekam, ließ seinen Atem – wenn er denn einen hätte – stocken.

„Das glaube ich nicht!“ Er festigte den Griff seiner langen Finger um das Fensterbrett. Der ganze Fallbeil-Platz stand in lichterlohen Flammen! Jack beugte sich weiter hinaus; viel erkennen konnte er nicht, denn der dichte, dunkle Rauch stieg ihm in die Augenhöhlen. Doch was war das? Dort lagen Gestalten zwischen den hungrigen Feuerzungen – und nicht nur irgendwelche: Es waren seine Freunde! Dort lag Kinderleiche – da der Bürgermeister! Schreie waren zu vernehmen, und darunter: „Jack!“

Sally!

„Ich komme, Sally!“, rief er entschlossen, doch als er sich umdrehte, standen ihm Harlekin-Dämon und Mr. Hyde im Weg. Er wollte etwas sagen, aber beim Anblick ihrer gänzlich gefühllosen Gesichter blieb ihm die Stimme im Hals stecken. Überraschend trotteten sie auf ihn zu und hievten ihn mit einem Mal aus dem Fenster! Es gelang ihm nicht, sich noch irgendwo festzuhalten, und so stürzte er und schlug nach Sekunden des Fallens schmerzvoll auf den Boden auf. Seine Knochen knackten, und es gelang ihm nicht mehr, sich aufzurichten. Wie sollte er jetzt bloß Sally helfen? Was ging hier eigentlich vor sich?

Ein Schatten legte sich über ihn, als jemand im Schein des großen Mondes vor ihm stand. Er blinzelte auf. Es war Sally; sie war in Sicherheit!

„Ein Glück“, seufzte er, etwas erleichtert. „Aber die anderen…!“

Dann jedoch weiteten sich seine Augenhöhlen beim Anblick ihres sonst so reizenden Antlitzes. „Auch du…?“

Es war das Letzte, was er sagen konnte, ehe Sally ausholte und ihm irgendetwas Hartes gegen den Schädel schlug.

Was ist los mit Jack Skellington?

Schreie… Nichts als Schreie hallte in seinem Schädel wider. Immer wieder nur Schreie, Kreischen…

Jack öffnete die Augen. Nach anfänglicher Verwirrung fand er sich in seinem Zimmer wieder; sein Kopf lehnte an der zersplitterten Scheibe des Spiegels. Das also war der harte Gegenstand gewesen, mit dem Sally ihn niedergeschlagen hatte! Alles war bloß ein Traum gewesen! Er musste gestern eingeschlafen sein und sich dabei den Kopf am Spiegel gestoßen haben. Seltsam… Schreckliche Alpträume waren für ihn ja etwas Alltägliches, aber dieser hier war nicht schön, sondern äußerst bösartig gewesen.

Jetzt erkannte er in den Schreien auch seine Klingel wieder. Irgendjemand musste wohl ein wahrlich dringendes Anliegen haben, wenn er die Klingel auf diese Weise malträtierte. Wahrscheinlich war es der Bürgermeister, wie immer.

Jack stand auf und streckte sich. Zero lag noch in seinem Korb, und ein flüchtiger Blick durch das Fenster verriet ihm, dass alles wieder in Ordnung war – bis auf den Spiegel und seinen Schädel natürlich. Auf dem Weg in die untere Etage band sich Jack die Fledermausfliege fest um den Hals; im Rest seines Anzuges hatte er ja geschlafen, jedoch sollte er dies nicht zur Gewohnheit werden lassen.

Tatsächlich wartete der Bürgermeister vor der Tür. Jack war erleichtert, ihn so gesund und munter anzutreffen. „Wurde auch Zeit, dass du aufmachst – ich habe mir schon Sorgen gemacht! Was lässt du mich denn so lange warten? Wir müssen doch noch…! Jack?!“ Sein Gesicht wechselte zum erschrockenen. „Bei meinem Amt, wie siehst du denn aus? So blass! Was ist passiert, Junge?“ Die kleine, kegelförmige Gestalt trippelte nervös im Kreis herum. „Oh nein, sag’s nicht! Du bist doch nicht etwa krank?! Nein, Jack – nicht jetzt! Nicht neun Tage vor Halloween, neeeeein!“ Gänzlich außer sich hopste der Bürgermeister die lange Treppe hinunter und wieder hinauf. „Das ist das Ende! Ein Halloween ohne den Kürbiskönig ist vollkommen inakzeptabel! Was sollen wir bloß tun?! Abscheuliche Mitbürger, eine Tragööödie!“

„So beruhigen Sie sich doch bitte!“

„Nein, Jack, spare deine Kräfte, sonst wirst du sterben!“

„Aber ich bin doch schon tot!“

„Das beruhigt mich nicht gerade!“

„Es geht mir doch gut!“, rief Jack, fast jedes Wort betonend.

„Ja, das sagen sie immer, und im nächsten Moment sind sie…! Wie bitte?“ Der Bürgermeister brauchte einen Augenblick, um das zu realisieren, was er gerade vernommen hatte. Sein Gesicht tauschte wieder. „Du lieber Zylinder, warum sagst du das denn nicht gleich?“ Er drängte den Festtagsvorsitzenden die Treppe zum Turm hoch. „Wir müssen nämlich noch etliches besprechen! Wie viele Lampen an den Lichterketten kaputt sein sollen, zum Beispiel! Außerdem wissen die Gehängten noch immer nicht, was sie anziehen sollen. Hallo, Zero!“

Zero, mittlerweile wach, bellte fidel und schwebte um den Bauch des Bürgermeisters her.

„Dasselbe wie jedes Mal: Nichts!“, antwortete Jack.

Natürlich entdeckte sein hastiger Gast den demolierten Spiegel und warf seinem Freund einen fragenden Blick zu.

„Äh… Da ist mir… wohl ein Schneeball aus der Hand gerutscht?“, entschuldigte der sich leidlich und zuckte mit den sehr schmalen Schultern.

Zum Glück schellte in dieser Sekunde die Klingel.

„Nanu?“, wunderte sich Jack. „Wer kann denn das jetzt noch sein?“

Er ging hinunter und öffnete die Tür. Es war der Clown mit dem Abreißgesicht. Aufgeregt schwankte er auf seinem Einrad und redete noch schneller als üblich: „Jack! Die neue Erfindung des Doktors spielt verrückt! Sie hat ihn entführt und wird ihm bestimmt etwas antun, wenn du nicht eingreifst!“

„Wo ist sie jetzt?“, fragte Jack entschlossen.

„H-hinter der Säureanlage, beim Kraftwerk!“

„Ich mache mich sofort auf den Weg! Zero? Hol mir den Seelenfänger!“

Samt diesem um sein Handgelenk und mit großen Schritten sprintete das Skelett über den Fallbeil-Platz, zur besagten Säureanlage, an welche das Kraftwerk des Laborturms schloss. Kaum angekommen, machte Jack bereits die Monstermenge aus, die sich staunend rings um die gefährliche Erfindung, von der der Clown gesprochen haben musste, versammelt hatte. Wie ein Roboter mit einem zu großen Kopf auf dem blanken Stahlgerippe sah sie aus – groß und zischend, surrend, pfeifend. In einer der vier langen, spitzen Klauen an agilen Armen: Dr. Finkelstein! Er zappelte wild herum und rief schrill um Hilfe. Zumindest schimpfte er darum: „Was steht ihr so blöd da, ihr hirnamputierten Popanze?! Helft mir gefälligst!“

Doch niemand rührte sich.

„Aha! Das sind also wahre Freunde, ja? Sind vor Schreck erstarrt! Ihr solltet mal darüber nachdenken, falls ihr dazu überhaupt in der Lage seid, dass die Stadt mit mir 90 Prozent ihres IQs verliert!“

„Halten Sie auuuuus, Doktoooor!“, rief da jemand.

„Jack?!“

Etwas langes Grünes klatschte gegen jene Metallplatte, die die Stirn des eisernen Ungetüms darstellte, und daran zog sich Jack Skellington über den dichten Zuschauerkreis. Er landete auf dem Kopf der Maschine, die taumelte, als würde sie zu der kakophonischen Komposition ihrer selbst produzierten Geräusche tanzen. Fast rutschte Jack ab. Die drei noch freien Klauen fuchtelten etwas linkisch nach dem spindeldürren Störenfried, welcher sie mittels der grünen Peitsche wieder und wieder auf Abstand hielt.

„Seine Schwachstelle ist die Energiequelle im rechten Auge!“, krähte Dr. Finkelstein ihm zu.

Erst jetzt schenkte der Kürbiskönig dem roten Glühen in der einen Augenhöhle Aufmerksamkeit. Er wirbelte den Seelenfänger im Kreis, um ihm Schwung zu geben, schleuderte ihn dann in die Richtung des schmalen Schlitzes, traf jedoch nicht die Öffnung. Abrupt warf der Roboter seinen Kopf herum, um ihn abzuschütteln, und tatsächlich verlor er die Balance! Doch bevor er abstürzte, sprang er wie ein Frosch von seinen langen Beinen hoch empor und versuchte es erneut. Volltreffer! Der Seelenfänger erwischte das rote Glühen innerhalb des Auges, und kaum hatte Jack wieder Boden unter den Füßen, zerrte er so kräftig daran, dass der Generator, der hinter jenem Glühen steckte, fast aus dem technischen Organismus gerissen wurde. Die Maschine schien nun völlig durchzudrehen: Ihre Klauen öffneten sich, und Dr. Finkelstein wäre beinahe auf den harten Boden aufgeschlagen, hätte nicht einer der Vampirbrüder in der ersten Reihe gestanden, der ihm unter ungewolltem Einsatz des eigenen Lebens das seine rettete, indem er ihm als weicher Landeplatz diente.

Jack hingegen war noch nicht fertig mit der Maschine – oder soll ich sagen: Sie mit ihm? Denn der Seelenfänger hielt dem enormen Zug, der auf ihn wirkte, nicht länger stand, seine Farbe wechselte von Grün zu Gelb und von Gelb zu Rot, bevor er nachgab und vom Generator abließ! Der unerwartete Rückstoß schmiss Jack nieder. Gerade wollte sein riesiger Gegner diese einmalige Chance nutzen und zuschlagen, doch endlich mischten sich auch die anderen Bewohner Halloween Towns ein: Die Hexenschwestern sausten auf ihren Besen um den Kopf des Roboters, der vergeblich versuchte, sie zu fangen, während Werwolf und Behemoth, der zu diesem Zweck die Axt, die sonst immer in seinem Kopf steckte, benutzte, auf die Eisenfüße einschlugen, was zwar wenig half, aber immerhin nett gemeint war.

Jack wusste, dass er den Generator entfernen musste, um dieses Monstrum zu besiegen. Er wollte sich aufrappeln, doch irgendetwas hinderte ihn daran. Sein Sichtfeld überzog ein eigenartiger, roter Film, als hätte jemand Blut über seinen Augen ausgekippt. Wie durch eine gefärbte Brille erkannte er den unverwechselbaren Umriss des Bürgermeisters, der auf ihn zutapste, aber sprechen hörte er ihn nicht. Alle seine Knochen begannen zu schmerzen. Was ging hier vor sich? So doll konnte der Sturz ihn doch nicht verletzt haben, dachte er und schüttelte den Schädel, um die wachsende Benommenheit zu vertreiben…
 

„Jack! Jaahaack! Nun sag doch etwas!“ Besorgt blickte der Bürgermeister auf das Skelett hinab.

„Gehen… Sie…“, erwiderte dieses leise.

„Wie bitte? Wo soll ich denn jetzt hin?“

Sally, die Jack natürlich die ganze Zeit über beobachtet hatte, stolperte aus der Menge und zog den Bürgermeister zurück – eine Sekunde später stemmte sich Jack auf die Beine. Aber etwas war merkwürdig: Er hob den Schädel nicht; sein Blick blieb auf den Boden gerichtet. Allmählich interessierten sich auch wieder die übrigen Bürger für ihn – doch sie vermochten kaum zu fassen, was sich vor ihren Augen abspielte: Hinter seinem Rücken kamen zwei sich weitende, eindrucksvolle Flügel zum Vorschein, bestehend aus kalkweißen Knochen und bespannt mit einer dünnen, rissigen Haut. Was ihnen aber am meisten Angst einjagte, war seine nicht länger elegante, fließende, sondern nun angespannte und schon animalische Art sich zu bewegen. Die Entschlossenheit, welche sie eben noch in seinen Augenhöhlen gesehen hatten, war einer kalten Feindseligkeit gewichen. Selbst der Seelenfänger schien die böse Aura zu spüren, denn er flutschte von seinem Arm und fiel leblos zu Boden. Jack – oder was auch immer das nun war – gab einen kehligen Ton von sich, dann schlug er mit den Flügeln, um zu fliegen, doch es gelang ihm nicht. Stattdessen richtete er sie nun gegen Dr. Finkelsteins Maschine und fügte dieser – als bestünde sie bloß aus Knete – lange, tiefe Schrammen zu. Anschließend sprang die geflügelte Gestalt auf das Auge des Metallmonstrums, riss die schützenden Platten ab und langte hinein, um den heißen Generator mit der bloßen Kralle zu zerquetschen!

Die Bürger Halloween Towns beobachteten das Spektakel mit weit aufstehenden Mündern. Entweder hatte ihr Kürbiskönig heute einfach nur einen schlechten Tag oder sie alle doch ein wirklich ernstes Problem!
 

Eine Grabesstille hatte sich wie ein Leichentuch auf den Tag gesenkt. Etwas lag in der Luft – und dabei handelte es sich nicht allein um den Duft der Kürbisse, die auf dem Feld heranreiften; auch nicht um die knisternden Blätter, die der Herbstwind von den Bäumen gepflückt hatte.

Ein großer Kreis aus den Bewohnern von Halloween Town war entstanden. Alle teilten dieselbe entschlussunfreudige Mischung aus Neugier und Furcht. Mit wenigen Schlägen hatte dieses geflügelte Wesen in ihrer Mitte Dr. Finkelsteins Erfindung auseinandergenommen. Und jetzt traute sich niemand, etwas zu sagen.

War das ihr Jack Skellington? Wieso hatte er ihnen niemals von dieser Fähigkeit erzählt? Wusste er selbst nichts davon? Und: Würde er von nun an immer in dieser Gestalt bleiben? Würde er auch sie attackieren?

Der Bürgermeister bemerkte das aufkommende Tuscheln verärgert. Mochte auch irgendetwas mit Jack nicht stimmen, so war er nichtsdestotrotz ihr Kürbiskönig und Freund! Er war der Erste, der einen Schritt auf das wie erstarrt wirkende Wesen zusetzte. Das scharfe und erstaunte Einatmen seines Volkes jedoch raubte ihm seine Risikobereitschaft, und sofort trat er wieder zurück. „Ähem! …Jack?“

Keine Antwort.

„Jahaack?“

Keine Antwort.

Jack!

Der Angesprochene riss seinen Schädel herum, und sofort stolperten alle kreischend rückwärts. „Bürgermeister und Politiker zueeeerst!“, schrie der Bürgermeister und versuchte sich durch die beiden, die hinter ihm standen, zu zwängen. Er war anscheinend der Einzige, der die Flucht ergreifen wollte, denn die anderen waren zwar zurückgewichen, nicht jedoch bereit, den Platz zu verlassen.

Sally war hinter dem Rollstuhl ihres Schöpfers hervorgetreten und schlurfte auf ihren Freund zu. Das war immer noch Jack, auch wenn er vielleicht etwas anders aussah. Er würde sie schon nicht angreifen. Immerhin hatte er sie vor der Maschine gerettet, oder etwa nicht? So oder so ähnlich waren ihre Gedanken. Jeder verfolgte ihren schwankenden Gang wie einen mitreißenden Horrorfilm. Allein Sallys unrhythmische Schritte waren noch zu vernehmen – sowie ein leises Knurren von Jack. Längst hatte er bemerkt, dass die Lumpenpuppe auf ihn zusteuerte. Niemand vermochte sich dem Vorgang zu entziehen, als sie ihn erreicht hatte und sich zu ihm niederkniete.

Sie zitterte. Eben wähnte sie sich mutig – jetzt fühlte sie sich etwas hilflos. Gerne stünde sie wieder bei den anderen, wo sie sicherer war…

Ach, was dachte sie denn da! Die anderen zählten auf sie, und Jack brauchte ihre Unterstützung. Sally fasste ihren Mut noch einmal zusammen und beugte sich vor – da merkte sie, dass auch Jack zitterte. Hatte er etwa genauso viel Angst wie sie? Die Erkenntnis, dass er zu solch einem Gefühl noch fähig war, schenkte ihr die Kraft, die sie benötigte: Bebend, aber sanft legte sie ihre Hand auf seine Schulter. Alles, was noch Atem hatte, hielt diesen jetzt an.

Nichts geschah.

Sally lächelte über ihren Erfolg. Wie dumm von ihr anzunehmen, dass Jack ihr gefährlich werden würde! Ihr Jack, der sie stets rettete, wenn sie in Gefahr war, der bei ihr war, wenn sie ihn brauchte, der sie wie ein großer Bruder behütete und doch so viel mehr war…

„Sally, pass auf!“, hörte sie Dr. Finkelstein rufen. Ihr Tagtraum zerplatzte wie eine Seifenblase, und sie sah sich Jacks hasserfüllten Blick gegenüber, ehe er sie mit einer seiner mächtigen Krallen zur Seite schlug. Mit aufgerissenen Augen kam sie zum Liegen; der überraschende Angriff hatte ihr zwei Gliedmaßen vom Rumpf getrennt. Alle liefen wild durcheinander und brüllten, nur Dr. Finkelstein schien die Ruhe zu bewahren. Sein Rollstuhl hielt vor ihr an, und mühsam hob er sie hinauf. Hinter ihm spielte sich Entsetzliches ab: Zwei kräftige Monster griffen nach Jacks Armen und hielten ihn fest. Er setzte sich zur Wehr, konnte sich allerdings nicht befreien und sank schließlich auf die Knie. Nicht so! Sally wollte schreien. Tut ihm nicht weh! Sie nahm zur Kenntnis, dass Jacks Körper wieder normal war: Die Flügel waren verschwunden und die Krallen hatten sich zurückgebildet. Bemerkten die anderen es denn nicht? Jemand näherte sich ihm, eine Eisenstange in den Händen. Was dann passierte, konnte Sally nicht mehr sehen, denn Dr. Finkelstein hatte die von Schluchzern geschüttelte Puppe fest an sich gedrückt…
 

„So. Das müsste genügen.“ Konzentriert betrachtete der Doktor die frischen Nähte und legte die Werkzeuge beiseite. Er löste die Schnallen, doch die nun wieder zusammengesetzte Sally blieb liegen.

„Wo haben sie ihn hingebracht?“, fragte sie heiser.

„Wen? Jack?“

Sie nickte.

„Vermutlich irgendwo untergebracht. Was interessiert der dich überhaupt noch?“

„Er ist mein Freund!“, protestierte sie.

„Er hat dich angegriffen!“, erwiderte er sauer und fuhr zum Tisch, auf dem einige Reagenzgläser mit verschiedenen Mixturen standen. „Ich habe dir doch schon immer gesagt: Lass dich nicht mit ihm ein!“

Sie setzte sich auf. „Was werden sie mit ihm machen?“

„Sie halten gerade eine Bürgerversammlung ab und werden sich darüber noch beraten.“

„Werden sie ihn…?“

„Eliminieren?“, unterbrach er sie und machte ein abwertendes Geräusch. „Das glaube ich nicht. Sie sind zwar alle zerebrale Grobmotoriker, aber so roh sind sie nicht – jedenfalls nicht gegenüber ihrem Kürbiskönig.“

„Was werden sie dann tun?“

„Ihn verbannen… einsperren… Ich weiß es nicht, und eigentlich ist es mir auch egal. Sein ewiger Optimismus ging mir sowieso auf die Nerven…“, murmelte er, während er sich an den Glasbehältern zu schaffen machte.

Sally schob sich von der Liege und stemmte die Hände in die Hüfte. „Das ist wieder einmal typisch für euch! Ihr versucht eure Probleme zu lösen, indem ihr sie einfach ignoriert! Jack ist unser Freund! Er braucht uns!“

Wütend torkelte sie zur Tür und – begleitet von einem „Bitte nicht die Tür knallen“ von Dr. Finkelstein – knallte sie die Tür hinter sich so fest zu, dass er fast aus dem Stuhl fiel.
 

Zur selben Zeit hatten sich die Bürger im Rathaus eingefunden und warteten quasselnd auf den Bürgermeister. Als der auf die Bühne tapste und dort auf einen langbeinigen Stuhl kletterte, der hinter dem Rednerpult aufgestellt war, wurde es ruhig.

Er räusperte sich. „Schreckliche Bürger von Halloween Town! Das, was heute Morgen geschehen ist, hat uns alle bis ins Mark erschüttert!“

Das Flüstern untereinander fing wieder an.

„Ruhe, bitte! Ich weiß, dass euch das alles sehr beschäftigt! Mir geht es auch nahe.“

„Immerhin ist Jack unser Kürbiskönig!“, tönte es schrill aus der dritten Reihe.

„Aber was ist bloß los mit ihm?“, wollte jemand anderes wissen.

„Ja – was?“

Auch die Vampirbrüder fragten sich das:
 

„Was ist los mit Jack?

Was ist los mit Jack?

Ist der Kürbiskönig jetzt für immer weg?“
 

„Er war so brutal

Seine Tat fatal“
 

„Flügel hatte er“

„Schockte uns zu sehr“
 

„Was ist los mit Jack?

Was ist los mit Jack?“
 

Der Bürgermeister hüpfte vom Stuhl und fiel hin, stand rasch wieder auf und ließ sein sorgenvolles Gesicht über die Menge fahren.
 

„Meine Freunde, hört mir jetzt gut zu:

So wie Euch lässt Jack mir keine Ruh’

Trifft es mich auch tief, was heut’ geschah

Etwas muss passier’n – das ist mir klar!

Aber was nur, das weiß ich noch nicht

Eine Antwort ist noch nicht in Sicht
 

Wie er war, von Zorn besessen, kann ich einfach nicht vergessen

Leute, was soll’n wir bloß tun?“

„Sperr’n wir ihn ein!“ – „Für immer, ja!“

„Das kann’s nicht sein, das kann’s nicht sein!“,
 

unterbrach der Bürgermeister sie und gab zu bedenken:
 

„Er ist unser Kürbiskönig und das hat er nicht verdient

Ja: Unberechenbar war er, doch diese Strafe ist zu schwer“
 

„Doch sind wir zu gut zu ihm, dann müssen wir bald vor ihm flieh’n

Bürgermeister, seh’n Sie’s ein:

Nichts wird, wie es einmal war

Es droht Gefahr, es droht Gefahr!“
 

Er seufzte und ließ die Arme hängen.
 

„Das ist mir klar…
 

Ich weiß durchaus, was Ihr von mir verlangt

Doch denkt auch daran, was Ihr Jack verdankt

Ich bitte Euch darum, gebt ihm noch Zeit

Für alles sonst ist es noch nicht soweit

Ach, wüsste unser froher Knochenheld

Wie man gegen ihn sich hier g’rad’ stellt“
 

„Wir versteh’n, was Sie bewegt, ja, damit sind Sie nicht allein

Aber Strafe muss nun sein

Niemand denkt hier gleich an Mord“

„Schicken wir ihn doch weit fort!“
 

„Ihn? Weit fort?“,
 

echoten alle und blickten überrascht auf die einäugige Mumie.
 

„Ja, der Gedanke ist nicht dumm und bringt Jack Skellington nicht um

Aber uns in Sicherheit

Eine Strafe, nicht zu schwer

Und nicht zu leicht – das ist fair!
 

Und kommt er irgendwann zurück, ist wieder er, so hat er Glück

Wir lassen ihn bei uns einzieh’n und feiern wieder Halloween!“

„Ein toller Plan!“ – „Und wie!“ – „Genau!“ – „Gut ausgedacht!“ – „Mann, sind wir schlau!“

„Noch eine Sache: Kehrt er dann heim, was tun wir, ist er noch gemein?

Ich sag’s Euch: Greift er uns doch an, ist Skellington endgültig dran!“
 

("Jacks Dilemma")
 

So war es also entschieden. Der Bürgermeister zweifelte an dem Plan des Volkes, enthielt sich jedoch seiner Meinung. Er fand nicht den Mut dazu, der Mehrheit zu widersprechen, und hoffte heimlich auf das Beste.

Wenn aus Freunden Feinde werden...

Noch ahnte Jack nichts. Er saß in einer Ecke seiner Zelle und ließ den Schädel hängen. Wo genau sie ihn hingebracht hatten, vermochte er nicht zu sagen. Der Raum war finster – durch ein kleines Fenster beschien der Mond einen schmalen Spalt des kalten Steinbodens. Aber Jack dachte nur an Sally. Wie sie auf einmal dort gelegen hatte, hilflos und kaputt. Er wusste nicht genau, was vorgefallen war, doch an ihren Verletzungen war er bestimmt nicht unbeteiligt gewesen, sonst hätten sie ihn wohl kaum hier eingesperrt.

Das Quietschen der Tür weckte ihn aus seinen Gedanken, und im Licht des Rahmens stand jemand: Behemoth! Jack wollte etwas sagen, kam allerdings nicht dazu, denn der Bauer mit der Axt im Kopf griff nach ihm und zog ihn wenig zimperlich, wie man es von ihm kannte, aus dem provisorischen Gefängnis an die frische Luft. Jack streckte sich, als er endlich wieder stehen konnte, und war vielleicht noch nie so glücklich gewesen, den Herbstwind seiner Heimatstadt auf seinen Knochen zu spüren. Vor ihm hatten sich seine Freunde versammelt.

„Danke, dass ich endlich hinaus darf“, sagte er erleichtert. „Ich glaube, es ist Zeit, um gewisse Dinge klarzustellen.“

Niemand regte sich. Er sah sich ihren starren Blicken ausgesetzt.

„Was ist denn los mit euch?“

„Es tut mir Leid, Jack.“ Die Worte auszusprechen, schien dem Bürgermeister große Mühe zu bereiten. „Es tut mir aufrichtig Leid.“

Wie ferngesteuerte Maschinen traten sie nun auf ihn zu. Unsicher ging er einen Schritt zurück, immer weiter, bis er die Wand eines Hauses an seinem Rücken spürte. Sie hatten ihn eingekesselt. Jack suchte ihre Gesichter nach einem Hinweis auf einen Scherz ab, doch er fand nicht einmal etwas, das ihn an seine alten Freunde erinnerte. Er verstand die Welt nicht mehr. Und er begann, etwas zu empfinden, das er zwar etliche Male verursacht, aber niemals selbst verspürt hatte: Angst. Nicht die schaurig-schöne Angst wie nach einem gelungenen Halloween-Streich, bei der es am ganzen Körper vor Spannung prickelt. Sondern eine, die einfach nur kalt war.

Er wollte sich vergewissern, dass es wegen dem Vorfall war; er wollte fragen, ob sie nicht gemeinsam eine Lösung finden könnten, doch etwas Unerklärliches passierte: Kein Ton entkam seiner Kehle. Seine sonst so sichere Stimme schien festzustecken. Zum ersten Mal blieb Jack Skellington gänzlich stumm.

Als unmittelbar neben ihm ein Feuer aufloderte, zog er das Bein in die Höhe, und nach einem kurzen Blick auf die wie aus dem Nichts entzündete Flamme schwenkte er ihn in Richtung der Hexenschwestern, welche ihre Arme noch beschwörend erhoben hatten. Eine Sekunde darauf flogen faustgroße Steine knapp an seinem Schädel vorbei, die – wie er sah – der Zyklop geworfen hatte, und ehe er sich weiter darüber entsetzen konnte, trotteten Harlekin und Mr. Hyde langsam aus der Menge auf ihn zu. Eine böse, böse Vorahnung drängte sich Jack auf… sowie ein erdrückendes Elend, wie er ein solches zuletzt an einem ganz bestimmten Weihnachten empfunden hatte – jenem Weihnachten nämlich, welches er fast zerstört hätte.

Plötzlich – als wäre sie beabsichtigt worden – war dort eine Lücke in der ihn umringenden Mauer aus Monstern auszumachen, durch welche er auf das Tor zum Friedhof spähen konnte. Ohne lange nachzudenken, getrieben von der frostigen Gleichgültigkeit, die ihm aus sämtlichen Fratzen begegnete, lief er los, bevor Harlekin und Mr. Hyde ihn erreicht hatten.

Alle sahen ihm nach, als er hinter den ungeraden Gitterstäben verschwand.

„Jack ist weg“, murmelte Fledergraus.

„Jack ist weg“, wiederholte ein anderer. Einige stießen einen Laut des Jubels aus, und dann stimmten weitere mit ein, bis ihr Gejohle alles Übrige übertönte.

Sally, die gerade dazustieß, war geschockt über die Entscheidung der Bürger. Gleichzeitig bedauerte sie das flüchtende Skelett. Am liebsten wäre sie ihm gefolgt, hätte es getröstet, aber irgendetwas in ihr hielt sie zurück. Sie ballte ihre Hände ineinander. Das, was sie sich niemals auch nur hätte vorstellen können, war eingetreten: Sie hatte Angst vor Jack – richtige Angst, die sie verzehren wollte, wenn sie ihn nur sah…

Eine Wasserperle zersprang auf ihren kleinen Fäusten. Sie blinzelte hinauf. Es hatte zu tröpfeln begonnen.
 

„Hey! Wo sind die Knochenkekse?“

„Weiß nicht. Nicht an mir vorbeigekommen.“

„Du lügst doch!“

„Ich doch nicht.“

„Mann, wo sind die Knochenkekse?“

„Furcht hatte sie!“

„Schrecken hatte sie!“

„Ihr habt sie alle aufgefressen, ihr Dummköpfe!“

Und schon entbrannte eine weitere Rauferei. Die drei kleinen Schreckgespenster – in Halloween Town auch als Oogie Boogies Bande verschrien – packten sich gegenseitig an Schuhen und Kleidern, warfen einander um und würgten den anderen. Furcht, ein als roter Teufel verkleideter Junge, hielt sich selbst für den Anführer des Trios. Angst, eine Hexe mit großem Hut und zotteligen Haaren, war die Ränkeschmiedin unter ihnen. Und Schrecken, auf dessen Kostüm Knochen wie ein Gerippe abgebildet waren, nahm an jedem Schabernack, den Angst ausheckte, begeistert teil.

„Düsen wir doch in die Stadt und holen uns neue!“, schlug er vor.

Angst verschränkte die Arme. „Ihr macht das, immerhin habt ihr sie verdrückt!“

„Nein, wir gehen alle gemeinsam!“

„Damit wir auch alle gemeinsam den Hintern versohlt bekommen, wie letztes Mal?“, fragte Furcht skeptisch.

„Was denn? Hat doch Spaß gemacht!“

„Du Blödmann!“

„Selber!“

„Matschkröte!“

„Dummschleim!“

„Blubbernde Säure!“

„Ruhe!“ Angst griff sich die beiden Jungen und knallte ihre Köpfe gegeneinander. Sie hatte in der Zwischenzeit ihre Badewanne mit den vier monströsen Füßen bereit gemacht – ihr komfortables und großräumiges Reisemittel.

„Wo geht’s hin?“, wollte Schrecken wissen.

„Wohin wohl? Wir gehen die Leute ärgern!“

„Und die Knochenkekse?“

„Vergiss die dummen Knochenkekse!“

„Und der Regen?“

„Vergiss den dummen Regen!“

Alle drei sprangen gleichzeitig in die Badewanne, sodass sie sich selbst wieder hinausschubsten. Als auch der Dritte endlich seinen Platz gefunden hatte, setzte sich das Gefährt ruckelnd in Bewegung – über den Stamm des Baumes, auf welchem ihr Unterschlupf errichtet worden war, nach draußen. Bevor sie ihr Quartier jedoch verließen, schnappten sie sich noch einige Spielzeuge, Trillerpfeifen und sogar eine Ratte, die gerade auf einem der klapprigen Schränke herumlungerte. Sie brauchten die Badewanne nicht zu steuern, denn sie ging – wortwörtlich – völlig automatisch und kannte das Ziel der Bande. Schrecken öffnete den Abfluss, durch den der hereinfallende Regen sickerte, dann quälten die drei die Ratte, zogen an ihrem Schwanz und warfen sie wie einen haarigen Spielball hin und her, dabei kicherten sie und verpassten dem Sitznachbarn auch mal grundlos eine Ohrfeige.

Furcht warf Schrecken gerade das verängstigte Knäuel zu, doch der konnte es nicht fangen; es flog über den Rand der Badewanne und landete im giftgrünen Fluss.

„Volltrottel!“, rief Angst.

„Er ist schuld! Er hat viel zu hoch geworfen!“, versuchte sich Schrecken zu verteidigen.

Furcht und Angst hüpften auf sein breites Gesicht und sahen der panischen Ratte nach, die sich mit letzter Kraft ans Ufer rettete und davonlief. Sie lachten schadenfroh. Dann schlug Angst ihre winzige Hand vor Furchts Mund, um ihn auf etwas aufmerksam zu machen, das sie entdeckt hatte: „Guck mal!“

„Was… ist da?“, wollte auch Schrecken erfahren, der sich von den Füßen der anderen beiden zu befreien versuchte.

„Wen haben wir denn daaa?“, säuselte Furcht grinsend.

Angst schaute ihn an. „Gehen wir hin?“

„Na sicher doch!“

In diesem Moment schüttelte sich Schrecken frei, sodass die beiden mit einem gemeinsamen „Aua!“ zurück in die feuchte Badewanne fielen.

„Lasst mich auch mal gucken!“ Der Skelettjunge beugte sich über den Wannenrand und sah sich um. Es war dunkel, und der Regen erschwerte das Erkennen zusätzlich. „Da ist doch gar nichts!“

„Doch – daaa!“ Furcht packte seinen Kopf und drehte ihn um 90 Grad.

„Ach, daaaa!“

„Jaa, daaaa!“

Sie kicherten und gaben der Badewanne Anweisung, die Richtung zu ändern. Ihr Ziel war der Spiralberg. Im Schatten des vom Mond beschienenen Hügels versteckt, näherten sie sich und sprangen aus der Wanne, nachdem diese ruckartig gestoppt hatte. Unruhige Finger grapschten nach Masken und Trillerpfeifen; eilige Füße tapsten den Bergrücken hinauf. Oben angekommen, tauschten sie einen letzten, erwartungsvollen Blick aus, dann setzten sie sich ihre Masken auf. „SÜßIGKEITEN ODER STREIHEEICH!“, schrien sie schrill und gaben dem Skelett, das vor ihnen saß und sie nicht bemerkt hatte, einen kräftigen Stoß, sodass es hinunterfiel. Rasch rannten sie ihm nach und stellten sich um es auf, kicherten.

„Ihr schon wieder…“, seufzte Jack und rieb sich die Schulter.

„Wir schon wieder!“, riefen sie im Chor.

„Furcht!“

„Angst!“

„Und Schrecken!“

Auf den Pfeifen blasend tanzten sie um ihn herum. Als ihnen klar wurde, dass Jack das überhaupt nicht ärgerte, hörten sie auf.

„Was ist los mit dir?“, fragte Furcht enttäuscht.

Abermals seufzte er und blickte traurig auf den kargen, spröden Boden.
 

„Jeder hetzt mich wie ein Tier

Jeder lässt nur Abscheu seh’n

Niemand spricht als Freund zu mir

Niemand will mein Leid versteh’n
 

Ich begreif’s nicht

Warum? Warum?“
 

("Nun hinab" aus "Das Phantom der Oper")
 

Das Trio starrte ihn an… dann fing es an zu lachen. Jack hätte vorhersehen müssen, dass die drei es natürlich auch nicht verstehen würden.
 

„Jack ist aus der Stadt verbannt?“

„Nun muss er wohl…“ – „…ins Hinterland!“

„Aber erst an uns vorüber“

„Uns allen drei!“ – „Wir drei begleiten…“ – „…ihn brav hinüber!
 

Laaa, lalalalalaa, laaa, lalala!

Laaa, lalalalalaa, lalalalalaa!
 

Schaut Euch den Jack nur an

Wie er weint und schreit

Weil ich ihn nicht leiden kann

Tut er mir nicht Leid“
 

„Jack sitzt hier und ist allein, was könnte denn noch besser sein?

Treiben wir es bunt mit ihm, die ganze Nacht sind wir gemein!“
 

„Seht! Ich glaub’, jetzt wird was klar dem großen, tollen Knochenstar

Er hat uns immer strikt belehrt, jetzt wird das Spielchen umgekehrt!“
 

„Schaut Euch den Jack nur an

Ist das denn nicht fein?

Jetzt, oh Jack, bist Du dran

Denn Du bist allein“
 

„Ja, unser Kürbiskönig hat

Den Laufpass aus Halloween-Stadt“

„Sie wollen ihn dort nicht mehr seh’n

Was soll’s, ich kann’s versteh’n – uuuuii!“
 

Sie fingen an, an ihm zu zerren und ihn mit Kieseln zu bewerfen. Er kannte das freche Benehmen der drei ja und hatte normalerweise keine Probleme, angemessen mit ihnen umzugehen, doch heute fehlte ihm das Selbstbewusstsein dazu.
 

„Schmeißen wir ihn erst mal ab, hol’n dann das Schießgewehr und schnell:

Peng, peng, peng – und wenn wir gucken: Weg ist unser Schreckgestell!“
 

„Nein, Du Trottel, denk’ doch nach, denn beißt Jack schon so früh ins Gras

Ist’s vorbei, die Zeit war kurz, wo bleibt denn da der ganze Spaß?“
 

„Schaut Euch den Jack jetzt an

Selbst Sally ist weg

Was hat er ihr angetan?

Behandelt wie Dreck?“
 

Als er das hörte, senkte er den Kopf. Sally… Ungern gab er es zu, doch die Kinder hatten Recht: Er war es gewesen, der Sally angegriffen, sie zerrissen hatte.
 

„Denkt an die Sally nur

Denkt an ihren Schmerz

Jack denkt nur an sich, wie stur

Er hat auch kein Herz“
 

Er grub die langen Finger in den vom Regen aufgeweichten Untergrund, wo sie tiefe Furchen hinterließen. Nicht schon wieder… Innerlich flehte er, obwohl ihm bewusst war, dass dies es nicht verhindern würde. Die Kinder… Hoffentlich bemerkten sie es rechtzeitig…
 

„Sally und Jack getrennt

Doch statt was zu tun

Jack flieht bloß und läuft und rennt

Lässt die Sache ruh’n
 

Schaut Euch den Jack jetzt an

Wie er brennt vor Hass

Und sich verändert dann

Uns vergeht der Spaaahaaaaß!“
 

("Die Verschwörung")
 

Jetzt erst stellten sie fest, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Jedenfalls konnten sie sich nicht erinnern, Jack einmal mit solchen Flügeln gesehen zu haben… Und dieser Blick! Furcht, Angst und Schrecken rückten dicht zusammen. Denn selbst sie erkannten, dass das Spiel an dieser Stelle längst vorbei war.

...und aus Feinden Freunde?

„Hör doch auf damit, Jack!“

„Wir nehmen auch alles zurück!“

Gereizt schabten die Krallen der unheimlichen Kreatur, zu jener Jack Skellington geworden war, über den Boden. Furcht, Angst und Schrecken fixierten sie bibbernd.

„Nicht bewegen“, warnte Angst die anderen beiden. „Nur nicht bewegen…“

„Aber so kommen wir ja nie weg!“, rief Furcht.

„Ich hab’ einen Plan!“ Angst zeigte ihnen einen Kieselstein, den sie noch in der Hand hielt.

„Willst du ihn damit abwerfen?“ Schrecken war entsetzt über die Vorstellung, wie Jack darauf wohl reagieren würde. Bestimmt nicht drüber lachen!

„Blödsinn! Seht her!“ Sie schmiss den Stein gegen die Wand ihrer Badewanne. Als er das Geräusch vernahm, drehte Jack sich hastig danach um.

„Der ist echt so dumm wie er jetzt aussieht!“, belustigte sich Schrecken grinsend.

„Quatsch nicht, lauf lieber!“ Furcht und Angst ergriffen seine Arme und zu dritt dann die Flucht. Ahnend, dass Jack sich nicht lange ablenken lassen würde, quetschten sie sich hinter den nächstbesten Grabstein. Vorsichtig lugten sie hervor und sahen, wie Jack an der Badewanne herumrüttelte, sie umstieß und so darauf einschlug, dass dabei abartige Geräusche entstanden.

„Das hätten jetzt wir sein können“, murmelte Schrecken.

Mit einem Stoß seines Flügels schleuderte das Wesen die demolierte Keramik weg, sodass sie sich mehrmals überschlug und gegen den Grabstein krachte, hinter welchem die drei sich versteckten. Es hatte den Trick endlich durchschaut und suchte nun dessen Verursacher, ohne sich von seinem Platz zu begeben. In diesem Augenblick schoben sich die Wolken über ihnen auseinander, und der große Mond spähte auf die Erde. Sein Schein berührte die scharfen Knochen von Jacks sonderbaren Flügeln, die dieser gerade ausbreitete, und ließ sie leuchten.

„Gruselig…“, staunte Furcht. „Und doch irgendwie abgefahr’n.“

Jack stelzte nun langsam umher, um sie zu finden, und dabei ergab es sich zufällig, dass das Ende eines jener weiten Flügel unmittelbar neben ihrem Grabstein zur Ruhe kam.

„Fasst den ja nicht an!“, zischte Angst den Jungen zu, die sich interessiert vorbeugten, um die fledermausartige Schwinge genauer beäugen zu können.

Schrecken kicherte. „Solche Dinger bau’ ich mir auch.“

Angst versetzte ihm eine Kopfnuss.

„Was tun wir jetzt?“, wollte Furcht wissen.

„Weglaufen“, flüsterte Schrecken.

„Wie denn? Der formt uns doch um, wenn er uns sieht!“

„Willst du hier versauern?“, fragte ihn Schrecken skeptisch.

„Na, dann geh du doch hin und lenk ihn ab!“, gab Furcht zurück.

„Waaas? Geh doch selber!“

„Nein, du gehst!“

„Neeeeein – du!“

„Seid mal still und hört zu!“, ermahnte Angst sie.

Sie steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten, während das Skelett das Interesse an der Suche scheinbar verlor. Es zog seine Flügel zurück, und zusammengefaltet ließ nichts mehr auf ihre beachtliche Größe schließen. Plötzlich erhoben sich die Visagen der drei Kinder über den Grabstein. Jacks Zorn flammte erneut auf. Sofort schnellte er auf sie zu, spreizte seine Kralle und zerfetzte sie mit einem einzigen Hieb…
 

In Halloween Town war es still geworden, seitdem Jack nicht mehr da war. Auf den Straßen setzten Kisten mit Dekorationen, achtlos fortgeworfene Festtagsartikel Staub an. Selbst die schwarze Katze unternahm heute Nacht keinen Spaziergang. Niemand schrie oder kreischte. Die Kapelle spielte nicht mehr. Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt drohte Halloween auszufallen, und man munkelte bereits, ob man nicht vielleicht Nicki Graus bitten sollte, noch fix für den Festtagsvorsitzenden einzuspringen.

Nur eine einsame Seele war unterwegs: Sally humpelte gerade über den Fallbeil-Platz. Allein der Blätter blasende Wind leistete ihr Gesellschaft. Ihr Ziel war das alte, schwarze Gittertor, welches zu Jacks Haus führte. Es knarrte mürrisch, als sie es aufschob. Die Haustür ließ sich ohne Hindernis öffnen. Behutsam wischte Sally die schönen Spinnennetze beiseite und bestieg die lange Treppe nach oben. Für eine Lumpenpuppe war das ziemlich anstrengend – anders natürlich als für den spinnenbeinigen Jack. Im Turmzimmer angelangt, ließ sie leicht erschöpft, doch dann mit mehr und mehr Verwunderung den Blick schweifen. Sie kannten sich nun schon so lange; trotzdem hatte sie noch nie einen Schritt in sein kleines Reich gesetzt – bis jetzt.

Schmunzelnd strich sie über seinen verstaubten Schreibtisch, dann fuhren ihre Augen über die Regale. Alles hier war voller Bücher und Geräte; es wirkte wie eine finstere, weniger geräumige und viel weniger sterile Version des Labors ihres Schöpfers. Von Neugier gepackt, öffnete sie die Schublade des Tisches. Einige Spinnen hatten sich dort eingenistet, die nun empört flohen, da der blasse Mond ihre Residenz entdeckte. Unter ihnen ruhte der Fledermaus-Bumerang, den Sally sofort erkannte: Mit ihm hatte Jack sie vor langer, langer Zeit gerettet. Sie erinnerte sich an die Nacht, als wäre es gestern geschehen: Es war das erste Mal gewesen, dass sie dem Kürbiskönig gegenübergestanden hatte, und so nahe… Sie war ganz nervös gewesen und hatte bestimmt etwas Peinliches gesagt, doch er hatte gelächelt und ihr angeboten, ihn doch einfach Jack zu nennen…

Sie taumelte hinüber zu seinem Kleiderschrank. Eine Fledermaus flatterte ihr entgegen, als sie dessen Türen aufzog. Allerhand Kostüme hingen in ihm, darunter – natürlich – Jacks Nicki Graus-Verkleidung, die sie selbst genäht hatte. Wie lange war dieser Vorfall nun eigentlich her? Jack war geradezu besessen von Weihnachten gewesen, und beinahe wäre es deswegen zu einem großen Unglück gekommen. Doch rechtzeitig hatte er alles wieder richten können, und Nicki Graus hatte Halloween Town mit "Schnee" belohnt – jener eigenartigen Substanz, die so schön geglitzert hatte auf dem Spiralberg, wo Jack sie schließlich gefunden hatte. So schön…

Rasch schüttelte sie die Erinnerung aus ihrem Kopf und schloss den Schrank. Vorbei an den beschlagenen Fenstern sowie dem kaputten Spiegel kniete sie sich neben seiner Bettstatt am Kamin nieder. Sie war müde geworden, und wo würde sie heute ruhiger schlafen können als in Jacks Domizil? Verführt von dieser Vorstellung, ließ sie sich einfach auf die Matratze fallen – und war sofort wieder hellwach, als irgendjemand unter ihr aufjaulte! Etwas schoss unter der Bettdecke hervor und floh verängstigt auf den Kleiderschrank.

„Entschuldige, Zero!“, rief Sally dem transparenten Etwas nach.

Der Geisterhund erkannte sie und schwebte vorsichtig in ihre geweiteten Arme.

„Ich wusste nicht, dass du noch hier bist. Du machst dir bestimmt auch Sorgen um Jack, nicht wahr?“

Er antwortete mit einem Wimmern.

Sally legte die Decke über sich und das zitternde Knäuel an ihrer Brust. „Ich auch, Zero; ich auch…“
 

Furcht, Angst und Schrecken stolperten davon, ohne ein genaues Ziel – nur weg von ihm! Das geflügelte Monster hatte die drei Masken und den Hexenhut von Angst tatsächlich für das Trio persönlich gehalten und konnte diesem nun nachschauen, wie es in der Ferne immer kleiner wurde. Am Ende seiner Geduld, krallte sich Jack knurrend in den Grabstein, bevor er sich mit einem Flügelschlag in die Luft erhob und den Kindern folgte. Geschwind holte er sie ein und setzte zum Angriff an. Furcht und Schrecken gelang es, zur Seite zu hüpfen, aber Angst wurde erwischt und von Jacks langen Fingern auf den Boden gepresst. Sie jammerte.

„Lass sie los!“, brüllten Furcht und Schrecken und bewarfen die Kreatur mit allem, was sie finden konnten. Es machte ihr jedoch nichts aus. Ihre schwarzen Augenhöhlen kamen Angst näher und näher.

„Tut doch etwaaas!“, flehte diese zappelnd.

„Wir sind doch schon dabei!“ Tapfer rannte Schrecken auf ihren Peiniger zu und stieß gegen ihn, doch auch diese Aktion blieb ohne Erfolg. Furcht zerrte an einem seiner Arme. Er schüttelte ihn ab, dann holte er aus, und der kleine Teufel glaubte sich bereits verloren, als Jacks schwingende Kralle versehentlich einen Baum von seiner Wurzel sägte, welcher direkt auf das wütende Knochengestell krachte.

„Baum fä… – ach was! – Baum ist gefallen!“, johlte das Trio und machte sich vom Acker, während ihr Verfolger sich gelähmt unter dem Stamm räkelte.
 

„Endlich sind wir den los!“

„Und ich dachte echt schon, jetzt ist’s aus.“

„Aaach! Du weißt doch: Unkraut vergeht nicht!“

Die drei lachten erleichtert und spazierten durch das Hinterland.

„Wir sollten Mr. Oogie Boogie davon berichten.“

„Stimmt. Außerdem kriege ich Hunger.“

„Denkst du auch an sein leckeres Stew?“

„Nein, eigentlich eher an die Knochenkekse, die du gefuttert hast.“

„Ich war das nicht!“

„Gib’s doch endlich zu!“

Bevor sich die beiden Jungen wieder an die Gurgel gehen konnten, hielt Angst sie zurück. „Müsst ihr euch andauernd wegen jeder Kleinigkeit streiten?“

„Er hat doch angefangen!“

„Pssst!“ Auf Furchts Zeichen hin wurden alle aufmerksam. „Habt ihr das auch gehört?“

„Was?“

„Na, dieses Knurren.“

„Das war mein Magen.“

„Nein, der ist lauter.“

Gegenseitig ermahnten sie sich, still zu sein, um jedes Geräusch identifizieren zu können, das vielleicht noch einmal ertönte. Das Heulen des Windes ließ sie schaudern.

„Jungs…?“, wisperte Angst. „Wir sind hier nicht allein…“

Und sie hatte Recht.

Unmittelbar vor ihnen senkte sich der spinnengliedrige Körper des geflügelten Alptraums auf die Erde. Die letzte Reaktion, zu der das Trio fähig war, bestand darin, ganz eng zusammenzurücken und die Finger des anderen fest zu drücken, bevor es vor Panik erstarrte. Dann bereitete das Monster seinen finalen Schlag vor…

„Das war’s!“, klagten sie synchron und kniffen die Augen zusammen.

Doch der Angriff – weshalb auch immer – traf sie nicht.

Da sie sich allmählich wieder trauten, hinzusehen, kniete Jack Skellington vor ihnen. Sie folgten dem Verlauf des dünnen Armes und stellten irritiert fest, dass jene Kralle, die sie hätte zerstückeln sollen, in einem Baum steckte. Harz rann an den Knochen hinab wie Blut.

„Nutzt… die Gelegenheit… ihr drei…“

Sie blinzelten Jack an. Er schien unschlüssig zu sein, was er tun sollte, denn sein Arm zuckte; die Kralle, welche er mit Leichtigkeit befreien könnte, presste sich einerseits tiefer in das Holz, andererseits zog sie sich weiter hinaus. Die andere schabte stockend im Untergrund. Er kämpfte gegen den Drang an, die Bande zu erledigen; er kämpfte gegen diese schier unbesiegbare, dunkle Macht, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Es fiel ihm schwer, sich zu kontrollieren und die pulsierende Benommenheit in seinem Verstand loszuwerden.

Furcht, Angst und Schrecken waren noch immer nicht verschwunden, denn zu sehr fesselte sie der Kampf zwischen Jack und dieser Bestie in ihm. Darüber hinaus zitterten ihre kurzen Beine wie Herbstlaub – es wäre ihnen wohl unmöglich gewesen, zu fliehen, selbst wenn sie es gewollt hätten.

Letztendlich ließen Jacks Kräfte nach, aber er schaffte es zum Glück, auch seine andere Seite mit in die Bewusstlosigkeit zu ziehen. Der Spuk war vorbei.

Nach einer Weile, in der sie nichts anderes tun konnten, als bloß entgeistert auf den reglosen Leib zu starren, äußerte Angst einen Entschluss: „Nehmen wir ihn mit zu Mr. Oogie Boogie.“

„Warum?!“, fluchte Furcht mehr als er fragte.

„Bist du blind? Hast du diese Kraft nicht gesehen?“

„Oh doch, das hab’ ich! Und gerade deshalb finde ich, dass wir ihn hier liegenlassen sollten!“

„Nein! Ich wette, Mr. Oogie kann diese Kraft für sich nutzen!“

Schrecken sah es ein: „Vielleicht! Und dann regieren wir gemeinsam über Halloween Town!“

„Und kriegen alles, was wir uns wünschen!“, fügte die kleine Hexe hinzu.

Das überzeugte Furcht prompt. Sie griffen nach Jacks Armen und führten ihn grinsend ab. Es dauerte etwas, bis sie ihr Ziel – das Baumhaus – erreicht hatten.

„Mann, ist der schwer!“, ärgerte sich Angst, als sie ihn endlich ablegen konnte.

„Die Mühe wird sich lohnen“, beruhigte Furcht sie.

Schrecken langte nach einem Lolli, und als er ihn aus der Süßigkeitenbox zog, öffnete sich eine Falltür in ihrer Hütte. Gierig machte er sich über seine süße Errungenschaft her.

„Hilf uns gefälligst!“ Angst und Furcht hievten ihren Gefangenen Richtung Falltür. Schrecken kam sogleich angerannt und sprang auf Jack, riss dabei seine Kameraden mit sich, und durch den plötzlichen Stoß schlitterten sie alle in das tiefe, lichtlose Loch.

Sie landeten in einer Welt aus Schwärze. Man konnte die eigene Hand vor Augen nicht erkennen, so finster war es hier. Die drei Raufbolde jedoch hatten keine Angst; sie kannten dies alles schon recht gut.

„Mr. Oogie Boogie!“, sangen sie im Chor. „Wir haben dir was mitgebracht!“

„Ohhhhhhhhh!“, lärmte es aus sämtlichen Richtungen, mit einem fürchterlichen Echo. „Und ich hab’ schon angefangen, mich zu langweilen!“ Zwei glühende, scharfe Augen leuchteten in der Finsternis auf. „Und dann noch ein so schreckliches Geschenk… Womit habe ich das nur verdient?“

Die tiefe Stimme lachte schallend, ehe sich ihr voluminöser Körper über Jack beugte…
 

Langsam kam er wieder zu sich. Seine Sicht war verschwommen, und irgendwie war ihm unheimlich schwindelig, aber mit einem Gefühl der Entspannung nahm er zur Kenntnis, dass er jegliche seiner Bewegungen selbst und völlig allein bestimmen konnte. Kleine Lichter an der Decke, an den Wänden und am Boden strahlten ihn an, blendeten ihn. Ein Geruch von Modrigkeit lag in der Luft. Wo war er nur?

Er wartete, bis er klarer sehen konnte. Etwas Langes, Weißes erstreckte sich vor ihm, mit tanzenden Lichtern… Jack blinzelte zweimal, dann konnte er es erkennen.

„Nanu? Ein reichlich gedeckter Tisch?“ Er traute seinen Augen kaum; beim Anblick der Speisen lief ihm das Mark im Kiefer zusammen: Frisch entfleischte Gräten, fette Spinnenbeine in einer Eiswürfelschüssel, mit fein gemahlenem Leichenstaub garnierte Fledermausflügel und zum Dessert Kürbissuppe mit getrockneten Würmern – dazu eine Flasche edelsten Blutes aus Frankreich, das gewiss schon seit einigen Jahrhunderten gerann.

„Wohl bekommt’s.“

Jack sah auf. Am anderen Ende des Tisches begann eine weitere Kerze zu lodern, und er vermochte das Gesicht von Oogie Boogie dahinter auszumachen. „Du?!“

„Überrascht?“

„Aber ich habe dich doch…!“

„Das war einmal, Jack. Lass die alten Geschichten doch ruhen. Iss lieber ein bisschen. Du siehst etwas… dürr aus, haha!“

Ein skelettierter Diener näherte sich dem dicken, braunen Kartoffelsack und servierte ihm seine Speise.

„Mmmmh, Wurmwarzgelee… Musik, bitte!“

Eine Gruppe von Musikanten – in der Dunkelheit nicht zu erblicken – spielte eine sanfte Jazz-Melodie. Jack widmete seinem Gegenüber einen argwöhnischen Blick.

„Warum so still, Jack? Ah jaaaa, ich weiß schon… Meine drei Kleinen hier haben mir bereits alles erzählt.“

Furcht, Angst und Schrecken hüpften an den Tisch und stopften allerlei Schlangen-Spinnen-Stew in sich hinein.

„Du wurdest aus deiner Heimat verbannt, hä? Wurdest ihnen zu riskant, deinen – hehe – "Freunden". Doch wisse, mein kleiner, klappriger Kollege: Selbst ein plumper Sack wie ich kann dich vollkommen verstehen. Ich weiß genau, wie es ist, wenn man ausgeschlossen und vertrieben wird.“

Jack bemerkte die Spielkarte neben seinem Besteck. Er drehte sie um.

„Der König der Kürbisse“, wusste Oogie Boogie und zeigte ihm seine eigene Karte: Das Ass der Kürbisse.
 

„Sieh mal an, wen hab’n wir da?

Jack Skellington – ohhh, wie war mir das klar!

Doch jetzt geht es ihm nicht mehr so gut wie früher! Haha!
 

Wie traurig, wie traurig

Es bricht mir fast das Herz

Du gibst Dich auf, ich schwöre drauf:

Das ist kein böser Scherz

Ich lach’ nicht mehr länger

Denn ich weiß, was er spürt

Ich bin der Oogie Boogie

Der Freund, der Dich nun führt
 

Wenn der alte Sack Dir sagt:

Bleib’ hier in meinem Reich

Hast Du mein Mitleid voll und ganz

Siehst Du den Tränenteich?

Und fängst Du an zu glauben

Ich führ’ Dich hinters Licht

Um Deinen Titel Dir zu rauben

Kennst Du Oogie nicht
 

Wohhoo“ – „Wohhoo“

„Wohhoo“ – „Wohhoo“

„Wohhoo!“ – „Wohhoo!“
 

„Du kannst mir blind vertrau’n!“
 

Tanzend näherte sich Oogie dem verzweifelten Jack und schenkte ihm noch ein Glas Blut nach. Und noch eines. Und noch eines.
 

„Ich würde ja, ich würd’ so gern

Vergessen, was geschah

Die Flügel, sie beherrschen mich

Ist all das wirklich wahr?“
 

„Ich weiß doch, ich weiß doch

Ich weiß, wie schwer das ist

Doch wann wirst Du begreifen

Dass Du hier richtig bist?

So hör’ jetzt auf zu trauern

Und ruh’ Dich einfach aus

Fühl’ Dich nur wie daheim hier

In meinem… kleinen… Haus…“
 

("Das Oogie Boogie-Lied")
 

Oogie wandte sich an seine drei Assistenten: „Bereitet unserem Gast doch bitte ein Zimmer vor.“

Die Bande nickte eifrig. „Sofort, Boss!“

Schon trippelte sie in den Schlund der Finsternis. Jack sah ihr nach, dann legte er die Arme auf den Tisch und seinen Kopf darauf. In Gedanken war er noch immer in Halloween Town; trotzdem erleichterte es ihn, bei Oogie Boogie eine vorübergehende Bleibe gefunden zu haben, auch wenn ihm dabei nicht ganz wohl zumute war. „Danke…“

Der korpulente Sack spuckte eine Larve aus. „Oh, keine Ursache. Ist doch eine Selbstverständlichkeit.“

Jack beobachtete gerade, wie Oogies knochige Sklaven den Tisch abräumten, als er plötzlich und unerwartet ins Land der Alpträume abdriftete.

Zero gibt nicht auf

Sally schlug am nächsten Morgen die Augen auf mit der anfänglichen Verwirrung, unter einem ihr scheinbar völlig fremden Dach zu erwachen. Dann kehrte die Erinnerung zurück: Jacks Turm. Sie hatte ihn ja erklommen. Ausgeruht schälte sich die Lumpenpuppe aus der Bettdecke und glättete ihr langes, kastanienbraunes Haar. Zero kam gleich angeschwebt, nachdem er bemerkt hatte, dass sie wach war, und stupste sie mit seiner glühenden Kürbisnase an.

„Guten Morgen, Zero. Du möchtest vermutlich, dass ich dir etwas zu essen gebe?“ Sie kam auf die Beine und bewegte sich auf die Schränke zu. Zwischen Staub, den unverständlichen Geräten, noch mehr Staub und einem kleinen, glitzernden Häufchen Schnee, das tatsächlich noch nicht geschmolzen war, fand sie eine fast leere Packung Knochenfutter. Sie schüttete den Rest in Zeros Näpfchen, welcher sich sofort darüber hermachte. Indessen öffnete Sally die Fenster, und mit dem Blick auf den geisterhaften Marktplatz beschlichen sie erneut dieselben Sorgen wie in der Vornacht: Wo war Jack nun wohl? Was machte er gerade? Wie fühlte er sich? Ging es ihm gut? Halloween würde dieses Jahr nicht stattfinden, so viel stand fest, denn irgendwie schien jeder die Motivation verloren zu haben. Sally überlegte, ob man einen neuen Kürbiskönig küren würde, wenn der alte nicht mehr zurückkehrte. Aber wer wäre schon talentiert und mutig genug, um dieser großen Aufgabe gerecht werden zu können? Wer besäße annähernd einen Erfindungsreichtum und den nötigen Charme, um alle für seine Ideen zu begeistern, wie der unvergleichliche Jack Skellington? Niemand, wusste sich Sally selbst zu antworten. Er war einzigartig, und niemand würde seine erhabene Position jemals ausfüllen können, denn Jack war der personifizierte Schrecken, Jack gab dem Spuk ein Gesicht – ja: Jack war Halloween selbst.

Zero zupfte an ihrem Flickenkleid. Zwei muntere Augenhöhlen starrten sie an, und es kam ihr vor, als wollte ihr Besitzer ihr sagen: Wenn du ihn so sehr vermisst, warum suchst du ihn dann nicht?

„Ach, Zero“, seufzte sie, „du hast ja Recht. Und ich würde ihn suchen, wenn ich nur könnte – aber ich kann nicht. Mein Herz sehnt sich so sehr nach ihm, doch mein Körper gehorcht mir nicht mehr, sobald ich ihm zu nahe komme, und ich kann nichts dagegen tun. Seit er mich gestern angegriffen hat, fühle ich ein mächtiges Unbehagen ihm gegenüber, das ich nicht beeinflussen kann. Ich… ich ärgere mich über mich selbst, so hilflos zu sein, während Jack dort draußen irgendwo… Wieso bin ich nur so schwach…?“

Sie hatte sich abgewandt, und Zero schaute auf den dichten Schleier ihrer Haare. Es musste aber doch jemanden geben, der bereit war, sein Herrchen zu finden! Leise, um der Freundin desselben nicht den Moment kaputtzumachen, in welchem sie ihrem Kummer ungesehen nachgeben konnte, schwebte der Geisterhund aus dem offenen Fenster ins Freie. Es gab eine weitere Person, die für diese Mission in Betracht kam: Der Bürgermeister! Zero war aufgefallen, wie der immer wieder an seiner Entscheidung – die er eigentlich nicht einmal selbst getroffen hatte – zweifelte; er hatte ihn dabei beobachtet, wie er dann und wann heimlich am Tor stehen blieb und auf die Rückkehr des Festtagsvorsitzenden hoffte. Bestimmt würde er ihn überzeugen können!

Das Rathaus war geschlossen, also flog Zero zum Anwesen des Bürgermeisters im Schierlingsgehöft. Er entdeckte die gesuchte Person in der hohen Eingangshalle, wo sie gerade dabei war, seit zehn Minuten dieselbe Stelle ihres Leichenwagens mit einem alten, abgenutzten Schnupftuch zu polieren. Seit Jacks Verbannung hatte sich das Gramgesicht des Bürgermeisters kein einziges Mal gedreht, und jetzt blickte er nicht einmal auf, als er sich der Gesellschaft gewahr wurde. „Was willst du, Zero? Jack ist nicht mehr hier, falls du ihn suchst. Er ist weit, weit weg und vielleicht sogar schon tot…“

Allmählich wurde Zero ungeduldig und etwas grimmig. Mehrmals stupste er den korpulenten Mann an.

„Flieg, Zero, und lass mich allein. Ich fühle mich niederträchtig! Halloween wird ins Wasser fallen, und ich habe als Bürgermeister sowie als guter Freund versagt…“

Zero dachte jedoch nicht daran, aufzugeben! Es musste doch möglich sein, an sein Pflichtbewusstsein zu appellieren! Entschlossen schwenkte er das Köpfchen umher und sauste schließlich von dannen.

„Na endlich“, seufzte der Bürgermeister. Immerhin schien er zu bemerken, wie unsinnig seine Tätigkeit war, denn er beäugte das fusselige Tuch und senkte es. „Was mache ich hier bloß…?“

Von oben war ein Rumpeln zu hören.

„Zero?“, fragte der Volksvertreter mulmig in die vermeintliche Einsamkeit.

Da kam der Hund auch schon wieder angeflogen. Er war ein bisschen verstaubt, und in seiner Schnauze transportierte er einen stark verschmutzten Bilderrahmen.

„Wo hast du den denn aufgeschnappt?“ Der Bürgermeister hob sein Taschentuch und putzte damit die Oberfläche des Fotos sauber. Das, was hinter der dicken, grauen Staubschicht zum Vorschein kam, ließ ihn betroffen die Luft einziehen.

Auf dem Bild war er selbst zu sehen – in allerbester Laune. Er stand vor dem riesigen Rathaus Halloween Towns, das im Licht ihrer Kürbissonne glänzte, und neben ihm: Jack Skellington, der Kürbiskönig, würdevoll und freundlich wie stets. Das Foto war jetzt gewiss mehrere Jahrzehnte alt, und dennoch hatte sich kaum etwas verändert. Natürlich bis auf das Fehlen von Jack…
 

„Was wohl keiner verneint:

Er ist der Meister seines Fachs

Seine Künste sind bekannt überall

Spielt er jemand’ im Dunkeln einen Schabernack

So gelingt’s ihm bestimmt in jedem Fall
 

Als Dämon der Nacht er war

Unser allergrößter Star

Der Knochenmann

Dem niemand widerstehen kann

Doch nun ist er fort

So weit weg von diesem Ort

Und schuld sind wir alle ganz allein daran
 

Oh, Jahr folgt auf Jahr

Halloween auf Halloween

Ich weiß nun, dass er traurig war

Auch wenn er glücklich schien

Denn er – Jack! – ist mein Freund, bleibt

Der Kürbiskönig für alle Zeit
 

Oh, tief in mir, da sitzt fest die Schuld

Ich hülf’ ihm gern, voll Ungeduld

Doch was geschah, das ist nun gescheh’n

Als Freund versagend, ließ ich ihn geh’n
 

Er ist Meister des Spuks

Und so schlau wie ein Fuchs

Und sein Anblick lässt Dich nicht mehr los

Nein, nie hatt’ ich ihn satt

Seit er wohnt in der Stadt

Und ich frag’ mich, wo ist er jetzt bloß?
 

Ach, hätt’ ich gewusst

Was Du durchmachen musst

Wieso, Freund, hast Du denn nichts gesagt?

Niemand’, keinem Haupt

Hast Du Dich anvertraut

Dabei wollen wir doch wissen, was Dich plagt
 

Folgt auch Jahr auf Jahr

Und ein Schreck auf Schreck

Frag’ mich jedes Mal

Wo ist der König Jack?

Er ist uns nicht egal – ach, könnte er mich seh’n

Was gäbe ich für, würde er’s versteh’n?
 

Und kommt er nie mehr zu uns zurück

Find’ ich ihn nicht in einem Stück

Dann ist’s vorbei, oh weh, welch ein Graus

Denn ohne Jack fällt Halloween aus“
 

("Jacks Lamento")
 

„Er hat uns nie enttäuscht… und ich werde ihn auch nicht enttäuschen!“ Der Bürgermeister umklammerte den Bilderrahmen fest. „Komm, Zero! Wir nehmen mein Auto und suchen ihn!“

„Warten Sie einen Moment!“

Er drehte sich zur Haustür. Dort stand Sally.

„Ich möchte mitkommen! Ich kann nicht einfach herumsitzen, während es Jack schlecht geht, auch wenn ich mich immer noch fürchte…“

Halloween Towns Oberhaupt sprach ihr Mut zu: „Deine Entschlossenheit kann ich gut gebrauchen. Mach dir keine Sorgen – zusammen werden wir es schon irgendwie schaffen!“

Sie stiegen in das Auto. Während der Bürgermeister den alten Motor startete, murmelte er etwas kaum Verständliches: „Was bin ich nur für ein Bürgermeister? Erst hintergehe ich Jack, dann mein ganzes Volk… Ich hoffe bloß, das wird sich alles wieder richten.“

Sally war davon überzeugt: „Es wird alles wieder gut. Sobald wir Jack erst einmal gefunden haben und die Missverständnisse aus dem Weg räumen können…“

„Missverständnisse? Jack ist gefährlich, das weißt du genauso gut wie ich. Wir können den Bürgern nichts vorwerfen: Was immer aus ihm geworden ist – er hat es nicht unter Kontrolle! Es wird schwierig werden, ihn wieder einzugliedern. Falls wir ihn überhaupt finden.“

„Glauben Sie mir! Ich weiß, dass alles gut wird. Ich kenne ihn! Wir werden eine Lösung finden!“

„Hoffentlich hast du Recht.“

Stotternd und hustend setzte sich das Fahrzeug in Gang. Zero senkte sich auf das Dach und war stolz, wenngleich ihm bewusst war, dass ihnen das Problematischste wahrscheinlich noch bevorstand.

Jack und Sally

„Jack! Jack! Mr. Oogie lässt dir etwas Interessantes ausrichten!“

„Es geht um die Macht, die du nicht kontrollieren kannst!“

„Er sagt, er habe einen Weg gefunden, wie es dir doch möglich sein wird!“

„Eher einen Weg, der zu diesem Weg führt.“

„Führen könnte.“

„Er war sich nicht sicher, ob es klappt.“

„Willst du hören?“

Von den drei Schreihälsen der Oogie-Bande geweckt, richtete sich Jack auf und rieb sich die Augenhöhlen. „Erzählt“, bat er sie.

„Es gibt da so ein Land…“

„Ein ganz komisches, hihi!“

„Ich erzähle, du Staubfänger!“ Furcht stieß Schrecken zur Seite. „Also… Angeblich gibt es da so eine Welt des… ähh…“

„Zwielichts!“

„Halt die Klappe!“

„Halt sie fester!“

„Hört auf!“, tadelte Angst die beiden schrill.

Sie gerieten in eine handfeste Auseinandersetzung. Jack nutzte die Zeit, um sich umzuschauen. Das Letzte, an das er sich erinnerte, war das Gastmahl mit Oogie Boogie, der ihm ein Obdach angeboten hatte. Jetzt fand er sich in einem düsteren, sparsam möblierten Zimmer wieder, das überhaupt nicht Oogies chaotischem Stil entsprach (was ihm, um ehrlich zu sein, ziemlich willkommen war). Stattdessen schmückte den Raum ein schräg-schauriger Halloween-Flair, wie er es von Zuhause kannte: Schiefe Schränke, Spinnennetze in den Ecken, ein splitterndes Holzparkett sowie ein großes, schwarz bezogenes Himmelbett, das noch dazu sehr gemütlich war, wie er bereits hatte feststellen dürfen. Wäre da nicht dieser dicke Leuchtkäfer an der Zimmerdecke, welcher der schummerigen Beleuchtung diente, hätte er glatt gemeint, im Hotel Transsilvanien genächtigt zu haben!

Die drei Streithähne waren immer noch dabei, einander zu beschimpfen und sich mit allem, was sie noch in den Taschen gebunkert hatten, zu bewerfen. Sie hörten nicht einmal auf, als einer von Oogies Dienern eintrat und sie an ihren Kragen in die Höhe lüftete. Unberührt ließ er sie weiterzanken und richtete sich an den Gast: „Master Oogie erwartet Sie bereits im Salon. Er hat ein wichtiges Anliegen mit Ihnen zu besprechen, betonte aber auch, dass Sie sich nicht zu sputen brauchen. Nun entschuldigen Sie mich und diese drei Störenfriede bitte.“

Jack war ungeheuer verblüfft. War das wirklich der Oogie Boogie, den er kannte? Das Möchtegern-Gespenst, das Nicki Graus entführt hatte und Herrscher über die sieben Feiertage werden wollte? Wieso war Oogie nur so furchtbar nett zu ihm? Hegte er echtes Mitgefühl oder war es lediglich wieder einer seiner Tricks? Warum aber wollte er ihm dann helfen, diese Kräfte in ihm unter Kontrolle zu bekommen, wenn dies doch bedeutete, dass Jack anschließend ein viel mächtigerer Gegner sein würde?

Er beschloss, die Gastfreundschaft von Oogie mit Vorsicht zu genießen. Doch Intrige hin oder her: Vorerst war er ihm ehrlich dankbar dafür, dass er ihn in seiner Not trotz aller Begegnungen in der Vergangenheit nicht sich selbst überlassen hatte.
 

Als er später den Salon betrat, saß Oogie an seinem Stammplatz am Ende des Tisches. Jack erwies seine Dankbarkeit in Form einer tiefen Verneigung, denn wer wusste schon, ob sich dafür jemals wieder die Gelegenheit ergeben würde?

„Nicht doch, Jack. Setz dich.“

Er tat es. Wieder präsentierten sich auf dem Tisch allerhand Delikatessen, und auch heute wartete neben seinem Teller eine verdeckte Spielkarte darauf, umgedreht zu werden – Jack vermutete, es war dieselbe.

„Hast du schlecht geschlafen?“

„Ja, danke.“

„Das freut mich zu hören. Du musst wissen: Meine drei Handlanger haben sich alle Mühe bei der Zimmerausstattung gegeben. Wir wollen alle nur dein Bestes.“

„Du wolltest mir etwas mitteilen?“

„Oh ja – hätte ich fast vergessen!“

„Worum geht es genau?“

Oogie klatschte in die Zipfelhände, woraufhin erneut einer seiner loyalen Lakaien auftauchte und ihnen das Frühstück servierte. Genüsslich schlang der Leinensack ein paar Würmer hinunter. „Während du so wohlverdient gealpträumt hast, hab’ ich die ganze Nacht lang recherchiert, wie du deine neuen Kräfte zu beherrschen lernen kannst.“

Jack schoss regelrecht von seinem Platz. „Und?! Warst du erfolgreich?!“

„Das kann man so sagen.“

„Was ist es?!“

„Nun bleib mal in deiner Box, du Springteufel… Gut, hör mir zu: Sehr weit weg von hier existiert ein Land, das man "die Welt des Zwielichts" nennt – ein Reich jenseits von Gut und Böse, Leben und Tod… Kreaturen hausen dort, schlimmer noch als in deinem Halloween Town. Man erzählt sich, sie seien farblos wie das Nichts; einzig ihre Augen stellen uns bekannte Formen dar und glühen wie das Feuer der Sonne. Das Land selbst ist wüst und kennt kein Ende. Seine freudlosen Bewohner bewegen sich kaum, und Trübsal in gefestigter Form hängt in der Luft. Flüsse aus Pech, ein Untergrund nur aus Staub und Tränen – das ist das Zwielicht.“

„Aber wie soll mir das helfen?“

„Im Zentrum dieser Welt befindet sich ein Schloss von sagenhaftem Ausmaß. Dort residiert die Herrscherin des Landes, Königin Amelia Helena… ähh… ach, was weiß ich! Amelia… Helena… Mitternacht von Zwielicht die Dreizehnte! So war’s!“

Jack blinzelte irritiert.

„Zurück zu deiner Frage: Angeblich studiert sie seit ihrem tragischen Tod alles über die Mysterien der Zwischenwelten, nachdem sie gecheckt hat, dass der gute, alte Charon an ihrer gottverlassenen Haltestelle wohl niemals einen Stopp einlegen wird. Da ihr Tod mittlerweile schon ein paar Jahrhündertchen her sein dürfte, wirst du mir sicher glauben, dass sie inzwischen recht belesen ist, hehe! Wenn also jemand die Antworten auf deine Fragen kennt, dann sie! Ganz unter uns: Sie feiert unheimlich gerne Halloween.“

„Und wie finde ich dieses Zwielicht?“

„Irgendwo zwischen unserer Welt und der der Menschen.“

Der Blick des Gerippes im Nadelstreifenanzug verschärfte sich. „Genauer, Oogie…“

„Nur keine Panik aufkommen lassen“, entgegnete Oogie rasch, ohne zu definieren, bei wem hier gerade etwas Panik aufkam. „Dein Freund, der Boogie-Mann hier, pflegt glücklicherweise einen guten Draht zur Königin. Es gibt ein Dimensionstor, hier in meinem Reich.“

Das zu erfahren überrumpelte Jack sichtlich. „Ein Dimensionstor? Hier? Aber wieso hast du nie…?“

„Jetzt grübelst du bestimmt darüber, ob du mich nächstes Mal nicht besser woanders unterbringst, hä? Ich sag’ dir was: Lieber tanz’ ich für immer hier in meinem bunten Kasinokerker als dort drüben in einer endlosen Einöde, wo einen all die Schatten schon schief angucken, wenn man nur ’n Liedchen trällert. Und Amelia ist nicht gerade die Person, mit der man sich zum Käferkränzchen treffen will, sofern man an dem Tag noch was anderes vorhat…“

„Worauf warten wir dann noch? Einen Versuch ist es wert! Was habe ich schon zu verlieren?“

„Hmmmmm – dein Leben?“

Das eben noch so energische Skelett hielt in seiner Bewegung inne.

„Bevor man das Zwielicht erreicht, muss man sich nämlich einer Prüfung unterziehen.“

„Was für eine Prüfung?“

„Die Seele muss von jeglichen Ängsten und Zweifeln frei sein und mit unbeirrtem Willen der Zukunft entgegensehen. Keine Aktion darf in Frage gestellt werden, kein Schritt bereut. Du musst vollkommen überzeugt von deinem Handeln sein, ansonsten würde deine Seele von der trübseligen Welt verschlungen werden – genau wie dein Körper.“

„Das ist alles?“

Oogie hob seine Zipfel und ließ sie ratlos wieder absacken. „Du bist sooooo unerschrocken, Jack. Deine Rationalität hätte ich auch gerne.“

„Ich bin bereit!“

„Nicht, dass es mir groß was ausmachen würde, wenn du so begeistert deinem sicheren Untergang entgegenschreitest, aber… ist das nicht ein bisschen zuuuuu voreilig?“

Jack schlug gereizt auf den Tisch, sodass das Geschirr klapperte. „Zeig mir das Tor, Oogie!“

Der wackelte abwehrend mit allen seinen drei oberen Enden. „Ist gut, ist gut…! Hinter dir.“

Mitten in der Luft öffnete sich ein hoher Kreis – eigentlich mehr ein elliptischer Strudel, der die ihn umgebende Finsternis einzusaugen schien, um sie in seinem Inneren zu drehen, als würde man mit einem Löffel in einer Schüssel voll sonderbarer Substanz rühren. Argwöhnisch streckte Jack eine Hand aus, und langsam tauchte er sie bis zum Gelenk in das brummende Portal. In den ersten Sekunden kribbelte es lediglich unangenehm, doch dann begann sie zu brennen, ein tonnenschwerer Druck übte sich auf sie aus, und Jack hatte alle Mühe, sie wieder herauszuziehen. Glücklicherweise gelang es ihm dennoch.

„Ich hab’s gewusst“, murmelte Oogie Boogie und beobachtete ohne Bedauern, wie Jack Skellington mit wedelnder Hand herumirrte, um bloß irgendwie den scheußlichen Schmerz loszuwerden. Es dauerte eine Weile, bis er nachließ und der einstige Kürbiskönig stehen blieb. Kraftlos hingen seine Schultern, seine Arme hinab, und die noch dampfenden Knochenfinger waren angeschwärzt und etwas lädiert. „Du brauchst noch Zeit. Deine Seele ist noch nicht so weit“, meinte Oogie nüchtern.

„Und was soll ich machen?!“ Voller Zorn wandte sich Jack ihm zu. „Meditieren?!“

Als er einsah, dass der Sack ihm keine Antwort geben würde, wirbelte er herum und stakste davon. Ein Diener öffnete ihm die Tür, die er hinter sich zuknallte, wobei er um ein Haar Furcht, Angst und Schrecken eingeklemmt hätte, die zur selben Zeit hereinkamen und sich verwundert nach ihm umblickten.

Ihr Meister ließ das Tor zur Welt des Zwielichts verschwinden. „Was gibt’s?“

„Gäste!“

„Ja, Gäste!“

„Diese Puppe und der Fettsack aus Halloween Town!“

„Das ist der Bürgermeister, du Nichtsblicker!“

„Und Jacks bellendes Taschentuch ist auch dabei!“

„Heißt sie willkommen“, befahl Oogie ihnen.

Die Kinder grinsten erwartungsvoll. „Dürfen wir sie quälen?“

„Nein.“

„Ohhhhh…“

„Sie kommen gerade recht, um unseren Freund aufzumuntern.“

„Immer nur Jaaack.“

„Ja, echt. Jack! Jack! Jack!“

„Wann sind wir endlich mal dran?“

Unverständliches meckernd, schubsten sie sich gegenseitig in das Kasinozimmer und legten dort einen Hebel um. Just hörte man Geschrei, und schon landeten die Neuankömmlinge unsanft auf dem Drehkreuz in der Mitte des riesigen Roulette-Rades.

Sally mühte sich als Erste auf die Beine. Ohne die ungewöhnliche Umgebung zu bestaunen, richtete sie ihr Gesicht auf die drei Racker. Sie kannte diesen Ort bereits und verband keine schönen Erinnerungen mit ihm. „Wo ist Jack? Ich bin sicher, dass er irgendwo bei euch ist, also rückt ihn wieder heraus!“

„Null Problem.“

„Wir wollten euch sowieso gerade zu ihm führen.“

„Folgt uns.“

„Aber Vorsicht: Der Boden ist frisch gebohnert.“

„So einfach?“ Stutzig klopfte sich der Bürgermeister den Staub vom Sakko.

„Tun wir es“, flüsterte Sally ihm zu. „Wenn es eine Falle ist, stecken wir nun ohnehin schon zu tief in ihr drin.“

Zeros Kürbisnase begann zu leuchten. Und auch wenn ihr samtiges Licht von den Schatten rundherum schier verschluckt wurde, so war Sally ihm doch dankbar dafür. Die kleine Lampe schenkte ihr etwas Zuversicht in der bedrohlich weiten Schwärze.
 

Jack stand nachdenklich neben einem jener edlen Schränke und spielte abwesend an dem feinen Spinnennetz herum, welches jemand zwischen Schrank und Wand gewoben hatte. Die Sache mit der Welt des Zwielichts ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Es war so schwer zu begreifen, dass er es nicht durch das Tor geschafft hatte. "Die Seele muss frei von Ängsten und Zweifeln sein", hatte Oogie gesagt. Frei von Ängsten und Zweifeln… Er hatte keine Angst gehabt! Er war der Kürbiskönig und hatte niemals vor irgendetwas Angst! Und Zweifel? Nichts war ihm klarer als sein Wille, diese fremde Kraft in ihm zu kontrollieren – oder am besten: Sie loszuwerden! Was sollte er denn noch unternehmen? War es denn überhaupt möglich, seine Seele komplett zu… "befreien"?

Plötzlich wurde er von hinten angegriffen! Er stürzte zu Boden und wurde von dem, was immer ihn umgehauen hatte, fast zerquetscht! „Jaaaaaaaaack!“

Jacks Miene erhellte sich, als er die Stimme – sowie den Körper auf sich – erkannte. „Bürgermeister! Zero!“, fügte er hinzu, da der Geisterhund in sein Sichtfeld flog.

„Gott sei Dank – du lebst!“, schluchzte der Bürgermeister gar und fuhr mit seinem Taschentuch über die Augen seines aschfahlen Kummergesichts.

„Nun ja, mehr oder weniger“, grinste Jack und stellte sich auf. Da entdeckte er seine Freundin. „Sally!“, rief er strahlend. „Du auch?“ Er lief ihr entgegen, doch bevor er sie berührte, besann er sich des Vorfalls und trat zurück.

Die Begrüßung fiel bescheiden aus: „Hallo, Jack…“

Seine Arme schienen auf einmal nicht mehr zu wissen, wofür sie da waren, denn ohne Anlass und Sinn tippten die Finger seiner einen Hand gegen die andere. Dass Sally ihn nicht ansah, versetzte ihn in Trauer, aber er versuchte, es zu überspielen. „Danke, dass du gekommen bist.“

Dann blickten beide auf den wohl äußerst interessanten Boden wie auf der Suche nach Kürbiskernen.

Zum Glück waren sie nicht allein unter sich: „Du musst unbedingt zurückkommen, Jack! Wir brauchen dich!“

„Ja, sehr gerne, aber…“

„Aber?“

„Ich kann nicht. Es tut mir Leid.“

Abrupt wechselte das Gesicht des Bürgermeisters wieder, dessen optimistisches gerade einmal eine halbe Minute zu sehen gewesen war. „Warum nicht?“

„Niemand will mich mehr sehen.“

„Das stimmt doch gar nicht! Das war… nur… eine Phase!“

„Natürlich…“ In der Stimme des verschmähten Gerippes schwang Ironie mit. Es drehte sich weg.

„Alle vermissen dich!“

„Sie fürchten mich.“

„Unsinn!“

„Ich würde sie nur wieder verletzen.“

„Du hast niemanden verletzt! Wo ist nur dein Selbstbewusstsein?“

„Fort. Wie meine Freunde.“

„Sag das nicht, Jack! All die weltbewegenden Entscheidungen, die ich in der Zukunft treffen werde, hängen von dir ab! Du musst mitkommen!“

„Jack“, wandte sich nun Sally an ihn. „Der Bürgermeister hat Recht: Niemand fürchtet dich.“

Dieser Satz ließ ihn jäh erstarren. Sie atmete erschrocken ein, als sie seinen Blick zur Kenntnis nahm. „Niemand?“, hakte er angespannt nach. „Niemand?“

Mit festen, steifen Bewegungen näherte er sich ihr. Reflexartig wich sie zurück.

„Und was ist dann mit… DIR?!“ Er langte nach ihrem Flickenkleid und zog sie zu sich heran. „Ich bin nicht blind, Sally! Ich sehe und spüre, wie du vor mir fliehst! Du hast nichts getan, als man mich aus der Stadt jagte! Du freust dich nicht, mich wiederzusehen! Du berührst mich nicht! Und das Schlimme daran ist, dass ich dich auch noch verstehen kann!“

Sein eiserner Griff lockerte sich, und Sally vermochte sich sekundenlang kaum auf ihren Beinen zu halten, als sie wieder frei war. Mit geweiteten Augen presste sie sich eine Hand auf die Brust, während Jack die seinen bestürzt musterte.

„Verzeih mir“, flüsterte er. „Verzeih mir, Sally…“

Zero schwirrte besorgt um seine langen Beine.

„Geht jetzt bitte.“

„Aber Jaaaack…!“

Ausgerechnet seine sehr geschätzte Freundin war es, die dem Bürgermeister bedeutete, dass Protest hier sinnlos war. Beschwichtigend platzierte sie ihre zarten Finger auf die Schultern des Mannes, aber ihr Blick galt Jack. „Ich weiß, dass du das Richtige tun wirst, Jack. Letztlich hast du es immer getan. Bisher hast du alles überwunden, und nichts konnte dich jemals brechen. Nenn mir einen Grund, aus dem ich nicht an dich glauben sollte… denn ich kenne keinen.“

„Sally…“, hauchte er und streckte einen Arm nach ihr aus, ließ ihn jedoch sogleich wieder sinken.

„Wir glauben alle an unseren… an dich, Jack Skellington“, vernahm er die Stimme des Bürgermeisters, nachdem dessen Körper bereits in den Schatten verschwunden war.

„Freunde…“

Fragend blickte Zero an ihm hinauf.

„Du solltest auch mit ihnen gehen, mein Kleiner.“ Er neigte sich hernieder, um seinem Hund aufmunternd über das Köpfchen zu streichen, doch der wollte sich nicht einfach mit einer bloßen Streicheleinheit zufriedengeben: Kurzentschlossen drückte er sich in die Arme seines Herrchens – so fest, dass sich etwas aus dessen Gerippe löste und hinunterfiel. Ein Knochen? Jack hob das schmale, weiße Ding auf. Nein – es war kein Knochen, sondern… eine Haarklammer? Er drehte sie zwischen seinen Fingern, dann bemerkte er den sauber zusammengefalteten Zettel, den sie hielt. „Denkst du, das ist von… Sally?“

Zero nickte euphorisch und wartete gespannt. Was wohl auf dem Zettel drauf war?

Unschlüssig, ob er das wirklich wissen wollte nach dem, was eben passiert war, starrte Jack das Papier an. Ein kleiner Schubs seitens Zero genügte ihm aber als Ansporn. „Du hast Recht…“

Mit einer seinen treuen Begleiter quälenden Langsamkeit faltete er den Zettel auf. Der Geist sauste um seinen Schädel. Was stand drin? Was stand nur drin?

Enttäuschung für Zero, denn es war tatsächlich nur etwas Geschriebenes, und er konnte doch nicht lesen. Aber der erst erstaunte, dann tief berührte Blick seines Herrchens erzählte ihm alles, was er wissen wollte.

„"Ich liebe dich"…“, las Jack leise vor. Er umklammerte das Stück Papier fest und hob sein Gesicht Richtung Zimmerdecke.
 

„Wie konnt’ ich nur?

Wie konnt’ ich nur?

Wieso war ich so stur?

Hab’ nicht an sie gedacht

Ihr Leid gebracht

Wieder mal falsch gemacht
 

Wie konnt’ ich nur?

Wie konnt’ ich nur?

Will mich mit ihr vertragen

Kann es längst nicht mehr ertragen

Ohne sie geht es nicht

Es wird Zeit, dass ich das richt’
 

Aber klar war es mir doch schon von Anfang – von je!

Es tut ihr nicht am Leib, sondern am Herzen weh

Ich bring’s in Ordnung, Sally – ja: Vertrau’ auf Deinen Jack!

Niemals mehr laufe ich jetzt noch vor Dir weg
 

Denn: Keine Sorge, ich steh’ wieder auf

Hab’s in der Vergangenheit so oft getan

Und das, was ich beginn’, das bring’ ich auch zu End’

Ich verspreche Dir, dass ich das Schicksal wend’ – oh ja!
 

Leid’ ich auch noch so sehr unter der fremden Kraft

Die mich böse macht und die mich beinahe schafft

Bin ich – jetzt! – bereit zu geh’n

Genau! Ich werde es versuchen!
 

Und ich freu’ mich schon auf Dein Gesicht, wenn Ihr

Dann seht, er ist wieder da, Euer König, er ist hier!

Doch zuvor hab’ ich zu tun, so gebt mir etwas Zeit!

Aber bevor ich geh’: Eine Kleinigkeit…“
 

("Armer Jack")
 

Voller Tatendrang nahm er die schwarze Schreibfeder vom Tisch und tauchte ihre Spitze in das Tintenfass. Dann schwang er Sallys Zettel herum, wollte ansetzen…! Musste allerdings erst einmal tief durchatmen. Schließlich schrieb er sorgsam und ordentlich etwas auf die Rückseite. Er verließ das Zimmer, kletterte aus einem der breiten Rohre an die frische Luft und ließ die zu einem Papierflieger gefaltete Botschaft dem Sternenhimmel entgegensegeln. Jack hoffte, dass sie ihr Ziel erreichen würde – so wie er das seine.

Im Zwielicht

Vor ihm öffnete sich das runde Portal.

„Und du bist dir wirklich sicher?“, fragte Oogie Boogie noch einmal nach.

Jack nickte. „Mir ist nun klar, dass ich mich nicht dazu zwingen darf. Ich muss dem, was mich erwartet, positiv entgegensehen.“

Zero fiepte, doch sein Herrchen schüttelte den Schädel.

„Ich weiß… Aber dieses Mal kannst du wirklich nicht mit. Sei brav und warte, bis ich zurückkomme.“

Falls du zurückkommst“, korrigierte ihn Oogie.

„Ich werde es.“

„Wie immer du meinst… Um Halloween Town musst du dir übrigens keine Gedanken machen; es wird nach deinem erschütternden Ende in guten… Zipfeln sein!“

Jack stemmte die Hände an die Hüfte und widmete seinem Rivalen einen warnenden Blick. Dann schritt er entschlossen – ohne erneute Probe, die ihn bloß verunsichert hätte – durch das wirbelnde Tor. Wieder empfing ihn das unangenehme Kribbeln. Seine Knochen begannen zu brennen, und Seltsames entwickelte sich vor seinen Augenhöhlen. Es war, als würde ein alter Kinoprojektor einen Film auf die hektische Dunkelheit um ihn werfen – einen Film, der Jacks eigene Erinnerungen behandelte. Er halluzinierte offenbar! Die ungezählten Halloween-Nächte liefen vor ihm ab, die Entdeckung des Weihnachtslandes, seine allererste Konfrontation mit Oogie Boogie und Dinge, die noch weiter zurücklagen, jedoch nur schemenhaft, wie durch ein Glas Wasser betrachtet. Der Schmerz wurde jetzt so intensiv, dass Jack sich nicht länger auf den Beinen halten konnte, und doch gelang es seinem Verstand zu erfassen, dass die neu durchlebten Erinnerungen jenem Zweck dienen sollten, ihn an seinen vergangenen Entscheidungen zweifeln, ihn verflogene Momente zurückwünschen zu lassen. Das auf ewig Verlorene, niemals Wiederkehrende sollte ihn traurig machen, sollte ihn in tiefe Depression ziehen und ihn letztendlich in einen jener betrübten Bewohner verwandeln, von denen Oogie ihm erzählt hatte. Auf einem Knie mit der Wehklage des Vermissten, der Sehnsucht, ringend, spürte er eine bekannte Hitze in sich aufsteigen. Er umklammerte seine Arme. Jeden Augenblick würde er wieder die Kontrolle verlieren, allerdings setzte er sich dieses Mal nicht dagegen zur Wehr. Allein der, der sein jetziges Dasein vollkommen akzeptiert, weil er mit der Vergangenheit Frieden geschlossen hat, würde diese Prüfung bestehen können. Und Jack tat es: Er ließ die schemenhaften Erinnerungen los. Nahezu befreiend war das Gefühl, als die Flügel aus seinem Körper sprossen und sich ausbreiteten. Die Klagelaute aus der Vergangenheit wurden zu einem immensen Sog, gegen den er die Krallen und die spitzen Enden seiner Schwingen in den Untergrund schlug, um nicht fortgerissen zu werden. Die Schreie intensivierten sich, wurden schier unerträglich schrill, und nach einem letzten Aufbringen seiner gesamten Kraft verstummten sie abrupt, der Sog verebbte, die Flügel bildeten sich zurück und Jack stürzte kichernd vornüber in den weichen Sand. Es war vorbei.

„ICH HAB’S GESCHAAAAAAAAAAAFFT!“, kreischte der Kürbiskönig, eine Faust in den Himmel schmetternd. „ICH HAB’S GE…!“

Vor ihm stand Oogie Boogie.

„Wie bist du durch die Prüfung gekommen?“, fragte Jack völlig verwirrt.

„Sonderrechte.“

Das Skelett seufzte, ohne sein Grinsen zu verlieren, und ließ sich auf die Beine ziehen. Die Gegend, in welcher sie sich nun befanden, war nichts anderes als eine karge, graue Wüste. Wohin man schaute: Nur Sand, Sand, Dünen und… eigenartige schwarze Kugeln, die in der Luft schwebten. Es war heiß.

„Wo müssen wir lang?“, wollte Jack wissen.

„Immer geradeaus.“

„Nur geradeaus?“

„Du kannst auch nach links oder rechts gehen – völlig egal. Wir erreichen unser Ziel nur, wenn du den Grund deines Herkommens vor Augen behältst.“

Zusammen machten sie sich auf den weiten Weg.
 

Nachdem Oogie mit einem Wink sämtliche Räume, die durch eine Illusion oder durch einen Zauber entstanden sein mussten, verschwinden gelassen hatte und hinter Jack in das sonderbare Loch gestiegen war, wagte sich Sally aus ihrem Versteck hervor.

„Weg ist er“, seufzte der Bürgermeister, der sicherheitshalber noch im Schlupfwinkel ausharrte. „Schon wieder…“

„Ich folge ihm“, verkündete Sally ihm da.

„Waaaas?! Aber du weißt doch gar nicht, wo dieser Kringel hinführt! Sollten wir nicht lieber wieder nach oben gehen?“

„Wenn sich selbst dieser Oogie Boogie da hineintraut, wird es schon nicht gefährlich werden!“

„Aber…! Vielleicht gibt es kein Zurück!“, warnte der Politiker sie.

Die Lumpenpuppe stemmte ihre kleinen Hände gegen die Hüfte. „Dann bleiben Sie eben hier!“

Auch Zeros Bellen vermochte sie nicht aufzuhalten. Sie torkelte auf das Dimensionstor zu, und mit einem Satz sprang sie hindurch! Wunderschöne Farben und Formen umgaben sie. Es war faszinierend. Ein behagliches Kribbeln war zu spüren. Doch dann begann ein Alptraum…

Sally schrie, als sich das Fegefeuer über sie hermachte. Und wie ihre Haut von außen verbrannt wurde, so schien von innen etwas sie aufzufressen! Eingeschlossen in den wild rotierenden Farben, konnte sie weder vor noch zurück. Messern gleich schnitt irgendetwas ihren Körper auf, sodass das ganze Herbstlaub, mit dem sie ausgestopft war, aus ihr wirbelte.

„Jack…“, brachte sie angestrengt hervor. „Ich komme zu dir…!“
 

Auf einmal blieb Jack wie angewurzelt stehen.

Oogie beäugte ihn aus seinen verschmitzten Schlitzen. „Was ist los?“

Trockene Blätter glitten knisternd an ihnen vorüber. Jack fing eines von ihnen auf und besah es sich ganz genau. „Sally… Sie…“

Der Kartoffelsack stöhnte. „Musst du schon wieder an sie denken?“

„Sie ist in Gefahr! Oogie, ich muss zurück!“

„Das geht nicht!“

„Es muss gehen!“

Auf der Stelle machte Jack kehrt und wollte zurücklaufen, hätte Oogie ihn nicht noch festgehalten, was mit seinen Zipfeln gar nicht so einfach war. „Hör auf, du Kürbiskopf! Denk jetzt nicht an sie; denk an den Grund, aus dem du hier bist!“

„Ich soll sie ihrem Schicksal überlassen?!“

„Wenn du jetzt umkehrst, wird es dir auch nicht besser ergehen!“

„Das ist mir eeeee…GAL!“ Er riss sich von Oogie los und stelzte durch den Sand, ohne zu merken, dass dieser anfing, sich zu verändern…

„Jaaaaaack!“

Erst auf den Ruf hin blickte er nach unten und stellte plötzlich fest, dass er sich auf Treibsand bewegte! Tiefer und tiefer versank er darin, sobald die Erkenntnis ihn langsamer werden ließ, sodass er nun schon bis über die Knie im Boden steckte, was bei einem so stattlichen Wuchs wie dem von Jack Skellington durchaus erschreckend viel war! Vergeblich versuchte er, sich zu befreien. Oogie kam ihm zur Hilfe, konnte ihn allerdings nicht erwischen.

„Ich hab’ dich gewarnt!“, rief er verärgert und beugte sich weiter vor.

Da gelang es Jack, sich an ihm festzuhalten. Er gab alles, um ihn herauszuziehen, doch wie sehr er sich auch anstrengte: Es schien aussichtslos.

„Hör auf, an sie zu denken!“, befahl Oogie ihm.

„Ich kann nicht!“

Jetzt rutschte auch der selbsternannte Käferkönig in den Treibsand. „Daran bist du ganz allein schmpfgrumblblöb!“

Sie gingen beide unter… Aber kaum war das geschehen, änderte sich die Umgebung auf wunderliche Weise, und sie fanden sich in einem Wasserbecken ohne sichtbares Ende wieder! Aus der trüben Ferne schwamm etwas heran: Das riesige Knochengerüst eines noch ziemlich lebendigen Fisches! Jack nahm zur Kenntnis, dass Oogie – bis oben vollgefüllt mit Wasser – bewusstlos geworden war, demzufolge stand er der unverkennbar angriffslustigen Grätengalerie allein gegenüber. Kühn sah er der Gefahr entgegen. Und zu seiner großen Verwunderung leuchtete just in diesem Moment etwas an seinem Arm auf: Der Seelenfänger!
 

Reglos schwebte Sallys Körper in der Finsternis, ein Bein, ein Arm, eine Hand getrennt vom Rumpf. Vereinzelte Blätter irrten umher wie kleine Küken, die aus dem Nest der Eltern gefallen sind. Nirgendwo war ein Ausweg zu finden.

„Entschuldige… Jack“, flüsterte sie. „Ich bin… gescheitert…“

Schwere Trauer drückte auf ihr Herz, das Dr. Finkelstein ihr eingepflanzt hatte. Sie fühlte sich so schwer an, dass die junge Frau befürchtete, gleich würde ihr Herz zerspringen und alles, was sie dort drinnen aufbewahrte, was ihr lieb und teuer war, würde verlorengehen. Es deprimierte sie. Es raubte ihr jegliche Hoffnung. Gleich… Gleich…

Ein Papier segelte von oben hinab. Es kam neben ihr zur Ruhe. Sally schlug die Wimpern auf. Es war die Nachricht, die sie Jack geschickt hatte… Und etwas war mit fledermausschwarzer Tinte auf die Rückseite geschrieben worden.

„Ich habe… an dir gezweifelt… Nur deswegen… bin ich nun hier…“ Gerne hätte sie augenblicklich dem erleichternden Lauf von Tränen nachgegeben, doch eine Kreation aus Stoff kann nicht weinen. Der nagenden Traurigkeit keinerlei Ventil öffnen zu können, tat schrecklich weh. Sie ließ die Lider über ihre Augen fallen.

Dann… ein Licht. Ein ausgestreckter Arm, der sich aus dem gleißenden Schein gebar. Eine Hand…

„Sie liebt“, hallte eine kristallklare Stimme durch die Dunkelheit. „Wieso kam Sie her? Ich kann eine Frau, die liebt, nicht ihres Glückes berauben…“
 

Im Wasser konnte Jack den Seelenfänger nicht wie gewohnt schleudern. Es gab also nur einen Weg: Er musste sich dem Feind nähern! Sofort schnappte das Biest nach ihm, aber Jack entglitt den scharfen Zähnen. Der nächste Biss, als er schon eine Rippe des garstigen Fisches antasten konnte, hätte ihm um Bänderbreite ein Bein abgerissen, wenn er dieses nicht noch flink geknickt hätte, doch endlich klebte er das Ende seiner glitschigen Peitsche an die erste Gräte. Der Fisch wurde teufelswild, und Jack musste sich gut festhalten, um nicht abgeschüttelt zu werden! Wie an einer störrischen Leiter mühte er sich von Rippe zu Rippe. Sobald er ganz hinten angekommen war, schwamm er zügig nach vorne – und siehe da: Der Seelenfänger schloss das gesamte Fischgerippe ein, als wäre er ein langes, grünes Lasso! Sich zu befreien war nicht möglich, wie arg sich das verweste Kiementier auch hin und her wälzte – im Gegenteil: Immer enger drückte der Seelenfänger zu, und schließlich brauchte es von Jack bloß noch einen einzigen Ruck, damit seine Waffe die morschen Knochen bersten lassen konnte! Doch damit war es nicht vorbei: Selbst ohne Rumpf stellte sich der Fischschädel als sehr gefährlich heraus! Jack umfasste Oogie Boogie, bevor er den Seelenfänger sich Richtung Oberfläche strecken ließ und auf das Beste hoffte. Und er hatte Glück: Das Glibberding erwischte den Ast eines Baumes und zog die beiden, die an ihm hingen, mit einem weiten Schwung aus dem Wasser, gerade rechtzeitig vor einem Rammmanöver des Monsterfisches! Sie wirbelten durch die Luft, stürzten und landeten im bereits bekannten Sand.

Jack schob den durchnässten Leinensack rasch auf den Rücken und presste das Wasser aus ihm wie den Saft aus einer dicken Zitrone. Langsam kam Oogie wieder zu sich. „Wir leben… ja noch.“

„Es tut mir Leid“, wollte sich das Skelett ehrlich entschuldigen.

„Wir haben’s ja überstanden“, winkte Oogie ab. Als er die Augenschlitze schweifen ließ, um sich zu orientieren, stutzte er abrupt. „Na so was. Dein Wille scheint ja doch recht stark zu sein.“

Jack folgte seinem Blick und verstand: Der Baum, dem sie vielleicht ihre Leben zu verdanken hatten, stellte nur den Anfang eines dichten, düsteren Waldes dar, der bestimmt vorher noch nicht hier gewesen war. Der Pfad unter ihren Füßen führte zu einem ehrwürdigen Schloss, das hinter dem sich wiegenden Mosaik der Baumwipfel zu erspähen war. „Du meinst: Nur weil ich entschlossen war, hierher zu finden, hat sich der Weg letztendlich vor uns offenbart?“

„Hundert Punkte für dich, Knochenhaufen. Und dort drinnen lümmelt sich die Königin auf ihrem Thron.“

Aus den Dickichten stapften seltsame Wesen. Ihre Augen glühten grell. Mit einem durchdringenden Ausdruck darin, der den Hüter von Halloween irgendwie an Neid denken ließ, säumten sie den Rand des Weges, welchen die Besucher entlangschritten. Beim Anblick ihrer unförmigen Gesichter wurde Jack sich gewahr, dass er seit ihrer Ankunft in der Welt des Zwielichts keinerlei Farben mehr gesehen hatte. Oogie hatte wirklich nicht übertrieben: Alles hier war grau, hellgrau oder dunkelgrau. Eine trostlose Welt.

Nach dem nächsten Schritt verwischte sich der Boden unter ihnen, und unerwartet standen sie schon im Thronsaal des Schlosses. Jack hob den Schädel. Dort – hoch oben, nach einer steilen Treppe – thronte eine Gestalt, wie aus Eis geschlagen: Grazil, doch zerbrechlich wirkte ihr Körper, und ein leichenblasses, schier schwerelos leichtes Gewand kleidete sie. Ohne sich zu regen, übermittelte allein ihre Erscheinung Erhabenheit.

Jack verneigte sich tief.

„Der König von Halloween, hier in meinem Schloss?“ Ihre Stimme ging einem durch Mark und Bein. Als würde man vorsichtig mit dem Finger gegen einen Eiszapfen schnipsen. Kühl und monoton. „Erhebe Er sich und verkünde mir: Was ist Sein Anliegen, dass Er die Königin des Zwielichts aufgesucht hat?“

„Eure Majestät, ich…“

In einer fließenden Bewegung hob sie die Hand. „Es genügt, wenn Er daran denkt. Ich spüre Seine Not. Eine Ihm fremde Macht ergreift zuweilen von Ihm Besitz und lässt Ihn Taten vollbringen, welche Er anschließend reuen muss. Nun wünscht Er, über sie Herr zu werden. Entspricht dies der Wahrheit?“

„Vollkommen.“

Königin Amelia erhob sich. Anmutig wie ein Engel schritt sie die Stufen hinunter. Als sie unten angekommen war, bedeckte die Schleppe ihres Kleides noch den Fuß des Thrones, während ihre Augen nur eine Fledermausflügelbreite von denen des Kürbiskönigs entfernt waren. Es wäre gelogen zu behaupten, dieser würde nicht ein kleines bisschen Beklemmung verspüren… „So werde ich Ihn in das Geheimnis einweihen.“

„Das – ähem – ist wirklich… überaus freundlich! Ja…“ Hinter sich hörte er Oogie kichern. Und sich selbst ertappte er dabei, wie er beinahe einen Schritt zurückgesetzt hätte. Doch ihre Finger, die überraschend auf seine Wange glitten, ließen ihn regelrecht gefrieren.

„Seine finstere Seele ist ja voller Gefühl…!“, murmelte sie mit einer Spur von kindlichem Erstaunen.

„Nun, ich…“

„Höchst ungewöhnlich. Höchst… faszinierend…!“

Allmählich machte sich der Widerstand in seiner nach hinten gedehnten Wirbelsäule bemerkbar. „Ich – ähh – unterbreche Euch nur ungern, aber wolltet Ihr nicht, ähm…?“

Mit einem Mal rauschte sie so dicht heran, dass nicht einmal mehr ein Fingerknochen zwischen ihren Nasen Platz gefunden hätte. „Nur Geduld… Er ist ein vielseitiges Geschöpf und daher interessant für meine Studien.“

Jack fiel die Kinnlade hinunter. Leider konnte er sie gerade schlecht wieder aufheben.

Und da lächelte Amelia für die Dauer von fünf Schmetterlingsflügelschlägen. Sie nahm seinen Unterkiefer und setzte ihn ihm sanft ein. Dann entfernte sie sich. „Nun gut, so sei es: Erfahre Er den Hintergrund jener Verwandlung, welche Ihm so unwillkommen ist.“

„Wir sind ganz Ohr!“, gab Oogie ein Zeichen seiner Anwesenheit von sich.

Abermals fixierte ihr beschwörender Blick Jack, der sich kaum von ihrem ersten Vis-à-Vis erholt hatte. „Erinnere Er sich an die Umstände Seines Todes, König von Halloween. Nicht wie jedes Lebewesen geholt wird, wurde Er geholt. Lange wandelte Seine Seele umher, ohne je die Tore des Himmels zu erschauen noch die Pforte zur Hölle.“

Oogie sah ihn ganz merkwürdig an.

„Er hat den Tod herausgefordert, doch schließlich war Er gezwungen, sich ihm zu ergeben. Fortan gehörte Seine Seele dem rachsüchtigen Tod, welcher sie dazu verdammte, niemals Frieden zu finden. Erinnert Er sich nicht?“

Jack hatte Mühe, ihr zu folgen. „Doch! Ich meine… Ach, es ist alles so unklar!“

„Ruhelos, weder tot noch lebend, als ewiger Wandler zwischen den Welten, ohne jemals Teil einer davon werden zu können, verfluchten Ihn bald Schwermut und Zorn – zwei Empfindungen, welche in der Form eines Flügelpaares in Erscheinung treten, sobald sie Seine Verwandlung in jenes unmenschliche, dämonische Wesen erwirken. Ganz recht: Er ist ein Dämon – ein Untoter überschattet von einem bösen Geist, jener es genießt, Angst zu verbreiten und Chaos zu stiften.“

„Aber ich habe nie…!“, versuchte sich Jack zu verteidigen.

„Als Verantwortlicher für Halloween konntest du das alles ausleben, ohne dass es jemanden gestört hat“, erklärte Oogie ihm. „Im Gegenteil: Eben deswegen fahren die alle wie bekloppt auf dich ab. Du hast dieses Böse für etwas Gutes verwendet.“

„Nichtsdestotrotz: Nach all den Jahren Seiner Amtszeit zeigt sich das wahre Gesicht jenes Bösen. Endlich wächst es über Ihn hinaus und bleibt doch ein Teil von Ihm. Es tut mir Leid, Ihn enttäuschen zu müssen, doch es ist unmöglich, Ihn von Seiner Bürde zu erlösen – so wie man ein fühlendes Wesen auch nicht schlichtweg von seiner Freude, seinem Zorn, seiner Liebe zu trennen vermag.“

"Keine Möglichkeit", vernahm er nur. Keine Möglichkeit… Diese Flügel waren ein Teil von ihm…

„Aber du hast gesagt, ich könnte seine Macht für mich nutzen!“, hörte er Oogie protestieren. „Du hast mir gesagt, es gäbe einen Weg!“

„Sein Anliegen ist ein anderes als jenes des Königs von Halloween!“, hielt Amelia frostig dagegen. „Es existiert kein Weg, einen Dämonen zu etwas anderem zu machen, wohl aber ein Weg, die Kräfte eines Dämonen aus diesem zu ziehen!“

In der nächsten Sekunde war es still.

Showdown am Spiralberg

Jack…
 

Jack…!
 

„Jaaaaack!“

„Sally?!“ Ehe er reagieren konnte, flog sie ihm schon in die Arme. Blitzartig schoss der Drang durch seine Knochen, von ihr Abstand zu halten, um sie nicht zu verletzen, doch Sally ließ es einfach nicht zu… Und dann erwiderte er ihre Umarmung ganz fest. „Wo sind wir?“, fragte er.

„Auf dem Spiralberg. Zuhause“, wisperte sie gegen seinen gestreiften Frack.

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht.“

„Das tut es… Dank dir!“

Verwundert löste er sich von ihr. In ihrer Faust klemmte ein kleiner Zettel.

„Du hast etwas auf die Rückseite geschrieben. Leider kann ich deine altmodische Schrift nicht lesen…“

Die Erinnerung an die Audienz im Zwielicht wurde ihm gegenwärtig. „Vielleicht ist es besser so.“

„Willst du mir nicht sagen, was du geschrieben hast?“

„Es war nichts Wichtiges.“

„Jack… Alles, was dich betrifft, ist für mich wichtig.“

Ihm war fürchterlich elend zumute. Wie sollte er ihr bloß beibringen, was er herausgefunden hatte? „Sally… Also, wegen diesen schrecklichen Flügeln und so…“

„Schhhh… Jack“, hauchte sie und lächelte zuversichtlich. „Spürst du es nicht, Geliebter mein?
 

Ich lass’ Dich niemals mehr allein

Fürchtest Du Dich auch vor der Kraft
 

Die Teil von Dir ist

Bleib’ so, wie Du bist

Nichts ändert sich

Du bleibst ein Freund für mich

Und weißt: Ich liebe Dich“
 

("Sallys Lied – Reprise")
 

Erneut lehnte sie sich an ihn und schloss die Augen. „Ganz gleich, was mit deinen Flügeln ist… Du wirst lernen, damit umzugehen. Niemand kann immer nur angenehme Erfahrungen machen. Deshalb muss man sich angewöhnen, auch in den nicht so schönen etwas Positives zu finden.“

Er grinste. „Wie dich demnächst zu einem kleinen Ausflug über Halloween-Land einzuladen?“

Überrascht blinzelte sie zu ihm hinauf. Der Mond schien hell in dieser Nacht, tauchte Jacks eine Seite in funkelndes Licht.

„"Ich dich auch".“

„Was?“

„Das habe ich auf die Rückseite des Zettels geschrieben.“

Eine der langen, schmalen Hände des Skeletts hatte sich auf ihren Rücken geschlichen und bat sie nun mit sachtem Druck in seine Richtung. Sally wusste, was gleich kommen würde, und erkannte just, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte. Entgegen dem strikten Rat aus ihren vielen Romanen schloss sie die Augen nicht – sie musste Jack bis zuletzt ansehen. In jenem flüchtigen Moment, in dem sie, würden sie nun leben, bereits seinen ruhigen Atem auf ihrem Mund spüren gekonnt hätte, fielen sie ihr allerdings doch zu.

In dieser Sekunde ertönte ein dreistimmiges Gelächter. „Wir haben ihn! Wir haben ihn! Den Bürgerchef von Halloween!“, sangen Furcht, Angst und Schrecken, die neben ihrer mobilen Badewanne mit dem fest verschnürten Bürgermeister darin auf den Fuß des Hügels zumarschierten! Unvollendeter Tat drückte Jack Sally hinter sich und bereitete den Seelenfänger vor, welchen er noch am Handgelenk trug. Von irgendwoher schwirrte Zero an seine Seite und kläffte beherzt gegen die frechen Kinder. Doch auch die waren nicht allein: Ein fieses Lachen schallte über die Steppe! „Jaaahaaaack! Hier bin ich wieder! Hast du echt geglaubt, ich sei dein Freund? Wie naiv! Wie lächerlich! Du kennst den Oogie wirklich sehr, sehr schlecht!“ Aus einem Schatten tanzte die voluminöse Gestalt des Käferkönigs. „Das war alles bloß ein Bluff, um hinter das Geheimnis deiner plötzlich aufgetretenen Veränderung zu kommen!“

„Wie oft denn noch, Oogie?“, stöhnte Jack grimmig, aber gefasst vom Spiralberg hinab. „Ich habe dich bis heute in jeder unserer Begegnungen geschlagen und werde stets mächtiger, während du immer dieselbe arme Kreatur bleibst. Weshalb wähnst du trotzdem, mich besiegen zu können?“

„Nuuuuun, mein lieber Nicht-Freund: Diesmal spielen wir mit leicht gelockerten Regeln! Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die ermutigenden Worte unserer verehrten Königin mit dem so schwierig zu merkenden Namen! Sie verriet mir die eine Methode, mittels der ich mir deine dämonischen Kräfte untertan machen kann! Und schmerzhaft – ja: Richtig qualvoll soll sie sein! Klingt das nicht furchtbar guuuut, Jackilein? Hehehehe! Das ist genau das, was der Oogie mag, ja ja!“

Und wenn das Gerippe nur wüsste, dass Oogie Boogie nicht sein einziges Problem bleiben würde…
 

In der Stadt war derzeit die Hölle los. Dem Galgenbaum mit seinen fünf Gehängten war es zuerst aufgefallen: Wo war der Bürgermeister? Seit geraumer Zeit schon hatte ihn niemand mehr zu Gesicht bekommen. In Windeseile hatte das Gerücht die Runde gemacht: Harlekin-Dämon in der Tonne hatte die Gehängten belauscht und es Werwolf zugezischt, welcher es gleich auf dem ganzen Marktplatz herumgejault hatte. Inzwischen trotteten, krochen und flatterten alle Anwohner wild umher auf der Suche nach ihrem Oberhaupt – außer Dr. Finkelstein, der sich lediglich darüber beschwerte, dass Sally ihm heute keine einzige Mahlzeit zubereitet hatte, und anschließend zurück in seinen Turm gefahren war. Nachdem ihnen dann klar wurde, dass von Zero ebenfalls jede Spur fehlte und der Spiralberg – jene Richtung, in welche sie Jack Skellington entkommen gelassen hatten – der letzte Ort war, den sie noch nicht abgesucht hatten, wurde der Verdacht nahezu greifbar: „Sind die drei etwa ausgezogen“, fasste Mr. Hyde ihn behutsam in Worte, „um Jack Skellington zu finden?“

„Sie waren schon immer eng befreundet!“, ergänzte der Mr. Hyde unter Mr. Hydes Kopfbedeckung.

„Denkt darüber nach!“, fügte der kleinste Mr. Hyde ganz oben hinzu.

„Aber das würde sie ja…!“, entsetzte sich die ältere Hexe.

„…zu Verrätern machen!“, beendete die jüngere die schockierende Vermutung.

Der zweitälteste Vampir hob ermahnend seinen spitzen Finger. „Unerhört~! Wenn dem so ist, sollten wir sie zur Rechenschaft ziehen~!“

„Ohh ja~!“, pflichtete ihm der zweitjüngste Blutsauger bei. „Strafe muss sein~!“

„Ihr wollt sie bestrafen?“, hakte Kinderleiche nach.

„Sie bestrafen, au ja! Niemand hintergeht unsere Stadt!“

„Sie werden sich zu Untode erschrecken!“

„Das klingt furchtbar!“

„Und wie! Holen wir sie uns!“

Und so schwärmten sie plötzlich in einer einzigen, dichten Schar aus. Sie hoben das Eisentor zum Friedhof an, ohne darauf zu warten, dass der Clown mit dem Abreißgesicht den Schlüssel aushändigte, und krabbelten darunter durch, flogen darüber hinweg, sich durch ihr Gebrüll immer weiter aufwiegelnd. Bis zum Spiralberg war es nicht weit.
 

„Mmmmmpfff! M-hm! M-hm! M-hmmm!“

„Was murmelst du, Fettsack?“

„Kein Wort verstanden!“

„Sorry!“

Die Dreierbande kicherte. Jack hätte dem beidseitig geknebelten Bürgermeister gerne geholfen, lief in dem Fall jedoch Gefahr, dass Sally etwas zustieß, denn Oogie beobachtete sie bereits angriffslustig. „Wie kannst du nur so gemein sein?!“, warf er diesem vor und ärgerte sich, auf seinen Trick hereingefallen zu sein.

„Wie kannst du nur so dumm sein und mir tatsächlich glauben?“, konterte Oogie vergnügt.

„Zero! Sally! Ich kümmere mich um ihn! Versucht dem Bürgermeister zu helfen!“

„Halt, Jack! Ich bin nicht der Einzige, der auf ein nettes Tänzchen mit dir versessen ist! Guck mal hier! Kommt sie dir bekannt voooor?“

Jack traute seinen Augenhöhlen nicht: Neben seinem Erzrivalen erschien wie aus dem Nichts eine zerbrechlich anmutende Gestalt, gekleidet in ein langes, bleiches Gewand, mit bläulichem Haar und sehnsuchtsvollen Augen. Es war Königin Amelia Mitternacht von Zwielicht!

„Warum steht Ihr auf seiner Seite?!“, wollte das Skelett fassungslos wissen.

„Nun… Sir Boogie“, erklang ihre eisige Stimme, „versprach mir einen Teil seines Gewinnes, sollte er triumphieren.“

„Ihr wollt ein Stück von Halloween-Land haben?“, fragte er verblüfft.

Oogie musste lachen. „Nein, Jack… Sie will dich!“

Ein schüchternes Schmunzeln schlich sich bei diesen Worten auf die Lippen der Königin.

„Ich hab’ dir doch gesagt, sie mag Halloween!“, amüsierte sich der Sack, bevor er sich an seine neue Gefährtin richtete. „Zeig uns deine Show, Liebes… Hahahaha!
 

Sieh mal, wer traut sich hervor?

Jack Skellington – ohhh, ich sterbe vor Angst!

Jetzt bist Du Dir Deines Sieges nicht mehr so sicher, hä? Haha!
 

Wie komisch, wie komisch

Er sitzt jetzt tief im Dreck

Was will er tun, schnapp’ ich mir nun

Den Kürbiskönig Jack?

Ich krieg’ seine Kräfte

Dank dieser tollen Frau

Bald bin ich König Oogie

Und das weißt Du ganz genau – he!
 

Wenn der Oogie Boogie sagt:

Halt’ still, dann tut’s kaum weh

Dann solltest Du es tun, wenn ich

Gewinnend vor Dir steh’

Und kniest Du auf den Vieren

Um Gnade zu erfleh’n

Was soll’s? Ich werd’ sie extrahier’n

Zuvor darfst Du nicht geh’n
 

Wohhoo

Wohhoo

Wohhoo!
 

Die Macht, bald ist sie mein!“
 

Jack attackierte Oogie mit dem Seelenfänger, doch der prallte ab, lange bevor er sein Ziel erreichen konnte, als wäre in der Luft ein unsichtbarer Schutz um seinen Feind. Tatsächlich nahm Jack die Gesten von Königin Amelia wahr, die darauf hindeuteten, dass die Frau aus dem Zwielicht gerade irgendeine Art von Magie wirkte. Sie riss ihren Arm nach hinten und genau so, als hätte sie dabei das andere Ende des Seelenfängers zwischen ihren Fingern gehabt, zog sie diesen zu sich hin! Jack warf es fast von den Beinen. Zwar vermochte er sein Gleichgewicht wieder herzustellen, doch der Seelenfänger war von seinem Arm geflutscht und landete zwischen ihnen auf dem kargen Boden.

Sofort streckte Amelia ihre Hände aus, ihm entgegen, und als ob das dafür verantwortlich wäre, wurde Jack unvermittelt ganz kalt zwischen den Rippen. Zorn stieg abrupt in ihm auf, ohne dass er erklären könnte, woher.

Vorfreudig rieb Oogie seine Zipfel aneinander, während er verfolgte, wie die Flügel aus dem Körper seines Gegenspielers wuchsen, wie dieser seine Klauen spreizte. Genau darauf hatte er hingefiebert: Jacks Verwandlung!
 

„Oh Junge, wie mächtig

Jetzt ist er ganz ein Tier

Ach, seht nur: Diese Flügel!

Und bald gehör’n sie mir

Oh, Krallen wie Messer

Ich hol’ sie mir, und schon

Bin ich nicht zu besiegen

Und schnips’ den Jack vom Thron…“
 

Während der Dämon unkontrolliert auf die Königin losging, jagte Zero gerade noch Schrecken fort, und Sally konnte den Bürgermeister befreien. Der starrte mit offenem Mund zur geflügelten Kreatur empor. „Jetzt geht das schon wieder los…“

„Keine Sorge! Jack weiß genau, was er tut!“, wollte Sally ihn überzeugen, während eben der, dessen Geistesgegenwart sie gerade so leidenschaftlich verteidigte, schier besinnungslos auf den unsichtbaren Schild einschlug, welchen die Herrscherin des Zwielichts um sich und Oogie Boogie errichtet hatte.

„Das sieht mir aber ganz und gar nicht danach aus!“, erwiderte der Bürgermeister hoffnungslos.

Auch sie hob nun den Blick und faltete ihre Finger wie zum Gebet, wenn sie auch an niemanden inniger glaubte als an ihren liebsten Freund.

Da schüttelte der kegelförmige Zwerg an ihrer Seite ihren weichen Arm durch und machte sie auf etwas anderes aufmerksam: „Oh, schau nur! Die machen aber keinen sehr fröhlichen Eindruck!“

Eine Horde von Monstern steuerte direkt auf sie zu!

„Das sind unsere Freunde aus Halloween Town!“, klagte deren Vertreter weiter. „Aber warum sehen die alle bloß so böse aus? Wollen die uns erschrecken?“

„Sie werden gemerkt haben, dass wir Jack helfen wollen…“

„Oh, wirklich?! Denkst du, sie werden uns angreifen?!“

„Ich möchte es ungern herausfinden!“

Just wurde sich auch Jack der herannahenden Bedrohung gewahr. Er riss den Schädel herum, um sie ins Visier zu nehmen, doch diese Ablenkung sollte ihm zum Verhängnis werden: Königin Amelia nutzte die Chance und sprach einen Bann aus, der es dem Dämonen unmöglich machte, auch nur eine Kralle zu bewegen! Wie erstarrt hing er in der Luft.

Oogie stieß ein tiefes Lachen aus.

Seine Kameradin gestikulierte verzaubernd, als wären ihre Hände Blätter im Wind und jeder Finger daran ein solistischer Tänzer. Daraufhin erstrahlten grell Ketten an den Gliedmaßen ihres Gefangenen, der einen Laut von sich gab, jenseits des Unmenschlichen. Seine Schwingen spannten sich weit über die Bürger hinweg, die staunend stoppten, um das Schauspiel beobachten zu können.

„Jaaaaack!“, rief Sally. Hilflos musste sie zusehen, wie er unter dieser Extraktion, von der Oogie Boogie gesprochen hatte, litt.

Der freute sich natürlich riesig, als er anfing zu spüren, wie die Kräfte allmählich in seinen plumpen Leib flossen. „Woooaaah! Mach schnell, meine Königin! Ich will seine Macht endlich vollständig mein Eigen nennen dürfen, hähähähä!“

Amelias meist glattes Antlitz wurde von Verdruss überschattet, ehe sie mit einer winzigen, kaum auffälligen Regung dafür sorgte, dass dem wehrlosen Skelett dessen linker Flügel förmlich ausgerissen wurde!

Sally schlug sich geschockt die Hände vor den Mund und hatte das Gefühl, seinen unerträglichen Schmerz zu teilen. Das mit zerrissener Haut bespannte Flügelgerüst krachte mitten in die Monstermenge. Dem Clown flog das Gesicht aus dem Kopf, den Hexen blies es die Hüte weg, aber niemand wurde so schwer versehrt, dass er sich nicht wieder zusammenbasteln konnte.
 

Noch immer hing Jack in der Luft. Schwach wie er nun war, hätte sich seine dämonische Form zurückziehen müssen, doch der Bann schien es ihr nicht zu erlauben.

„Den anderen ebenfalls, Sir Boogie?“, fragte die Königin nüchtern.

"Sir Boogie" musste sich auch erst einmal von seiner Überrumpelung erholen. „Hö? Ähhh… Ja, warum nicht?“

Da hielt Sally es nicht länger aus: Mit einer gehörigen Portion Wut in den sonst so traurigen Augen stapfte sie auf die andere Frau zu, welche ihr gefährlich wenig Beachtung geschenkt hatte, und warf sich auf sie! Sofort schwand der Bann, und Jack drohte zu fallen. Der Bürgermeister breitete seine Arme aus. „Ich fange dich, Jaaack!“

Das tat er tatsächlich; nur landete das Gerippe nicht auf seinen Armen, sondern unmittelbar auf ihm drauf! Trotzdem drehte sich das frohe Gesicht des Bürgermeisters nach vorne, denn sein alter Freund hatte sich zurückverwandelt und kam wieder zu sich. Allerdings wechselte es sofort wieder, denn die grollenden Bewohner von Halloween Town hatten sie eingekreist!

„Wir hatten Recht!“, näselte die einäugige Mumie. „Sie sind hier, um Jack zu helfen!“

„Wartet! Ich kann das erklären!“, entgegnete ihr Oberhaupt schnell.

„Nein!“ Jack stellte sich vor ihn. „Ich werde es euch erklären!“

„Wir hören dir aber nicht zu!“, knurrte Werwolf.

„Dann lasst es mich erklären, aber bitte tut uns nichts!“, wollte der Bürgermeister sie umstimmen.

„Sie haben gegen unsere gemeinsame Entscheidung gehandelt – ganz heimlich!“, warf Leichenvater ihm vor. „Wie sollen wir Ihnen noch glauben?“

„Jack Skellington ist eine Gefahr für unsere Stadt!“, erinnerte Harlekin-Dämon ihn. „Und Sie führen ihn zu uns zurück!“

„Verräter!“, quietschte Fledergraus.

„Ihr werdet beide bestraft!“

„Und die Puppe und der Kläffer auch!“

„HAAAAAALT! Dann bitte eben ich um eure geschätzte Aufmerksamkeit!“ Wie auf Kommando drehten sich alle Richtung Oogie Boogie, dessen Mund ein diabolisches Grinsen bildete. „Denn vorher werde ich erst euch allesamt bestrafen, huähuähuä!“

„Das lasse ich nicht zu!“ Jack versuchte, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, doch seine Beine hielten ihn nicht länger.

Der Bürgermeister fing ihn gerade noch auf. „Sei vernünftig, Junge!“

„Aber irgendjemand muss ihn aufhalten!“

„Zu späähääääät!“ Oogie begann sich zu verändern: Sein Volumen nahm deutlich zu; sein kompletter Körper verfinsterte sich, als würde ein tiefer Schatten über ihn fallen. Allein seine Augenschlitze stachen rot glühend hervor. „Ahhhhh… Ich fühle mich wie neugewoben… Und davor bist du die ganze Zeit geflüchtet, du Kürbiskuchen?“ Als seine Mutation abgeschlossen war, war er ungefähr doppelt so groß wie vorher, vielleicht noch etwas größer. Einen seiner Zipfel, aus denen nun jeweils zwei Klauen wie die Schere eines Krebses ragten, streckte er nach den beiden Frauen aus, die noch immer miteinander rangen. Um Amelias Haar schloss er sie und zog sie in die Höhe.

„Was hat Er vor?!“

„Du faselst mir zu viel“, antwortete Oogie nur.

Die Königin des Zwielichts löste sich auf und entstand an einem Platz außerhalb seiner Reichweite neu. „Nun hat Er bekommen, was Er wollte. Gebe Er nun mir, wonach ich verlange.“
 

Jack eilte strauchelnd zu Sally (dabei nahm er den Seelenfänger an sich) und half ihr auf. „Danke sehr, Sally. Bring dich jetzt in Sicherheit.“

„Was hast du vor?“, fragte sie, bereits eine grauenhafte Ahnung hegend.

„Ich bringe die Sache zu Ende“, bestätigte er eben die.

„Nein! Du bist doch völlig fertig! Was willst du in deinem Zustand gegen ihn ausrichten?“

„Feuer muss man mit Feuer bekämpfen.“

„Er hat dir die Hälfte deiner Macht geraubt!“

„Er hat mir die Hälfte der Macht geraubt, die mich kontrollierte, ja. Aber meine andere Macht – die, die ich schon seit Langem besitze – die hat er nicht.“

„Ich verstehe nicht…“

„Die Freundschaft, Sally! Nur durch sie ist es mir gelungen, so weit zu kommen! Nun weiß ich, dass ich einen großen Fehler begangen habe – auch wenn es nicht mein erster war, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich dachte immer, dieses Dämonische in mir könne nur Schaden anrichten, es müsse böse sein, dabei habe ich nie all die Vorteile daran bedacht! Wenn ich mir fest vor Augen halte, was für mich zählt – nämlich Halloween Town, meine Freunde und auch – nein – besonders du, Sally – dann helfen mir diese Flügel und diese scharfen Krallen, euch zu beschützen! Warst du es nicht, die gesagt hat, die Kraft sei ein Teil von mir?“

Königin Amelia, die den beiden aufmerksam lauschte, weitete ihre Augen.

„Das war doch bloß so dahergeredet…“

„Nein, das war mehr. Und nun werde ich es dir beweisen!“

„Jack! Nicht!“ Sie haschte nach seinem überlangen Arm, woraufhin er sich noch einmal umdrehte und ihr tief in die Augen blickte. In den seinen machte sie eine merkwürdige Entschlossenheit aus – der Wille, für sie alle zu kämpfen, was es auch kosten würde.

„Sieh mich bitte nicht so an, Sally. Meinst du denn nicht, dass es als Kürbiskönig meine Pflicht ist?“

„Das ist nur ein Titel, Jack! Die Leute gaben ihn dir, damit du genau das tust, was du jetzt gerade vorhast: Sie unter Einsatz deines eigenen Lebens zu schützen, während sie… nur dastehen!“

„Selbst wenn es so wäre… Selbst wenn sie mich hiernach zurück ins Exil schicken… Selbst dann bin ich überzeugt, dass ich das Richtige tue.“

Sie festigte den Griff um sein Handgelenk. „Wieso hörst du nie auf mich? Es wäre nicht das erste Mal, dass dich deine Ignoranz in große Schwierigkeiten bringt – erinnere dich! Muss ich erst laut werden, damit du mir endlich einmal zuhörst?“

Er grinste. „Dann werde laut. Du siehst niedlich aus, wenn du böse bist. Schrei mich ruhig an – Hauptsache, du tust es nicht zu weit entfernt von mir.“

Sally war beschämt. Seinem typischen treuherzigen Blick hielt sie nicht länger stand.

„Erinnerst du dich an das Dimensionstor zur Welt des Zwielichts?“, fragte er sie. „Du bist mir gefolgt, obwohl du nicht wusstest, was auf dich zukommt. Die Schmerzen müssen schlimm gewesen sein – auch ich habe sie gespürt. Und doch hast du nicht aufgegeben. Du hättest dabei sterben können; dennoch bist du nicht umgekehrt, nur wegen mir! Und ich? Darf ich jetzt nicht mein Leben auf dieses niederträchtige Spiel setzen, um dich zu retten?“

„Ich habe es ja nur geschafft, weil du mir geholfen hast…“

„Und so werde auch ich es nur schaffen, wenn du mir hilfst!“ Liebevoll umschloss er ihre Hand und platzierte sie auf seinen Brustkorb. „Sally… Mir ist wohl bewusst, dass ich kein Mensch bin und deshalb kein Herz besitze. Aber hier drinnen schlägt etwas… und es gehört dir allein.“

Die Angebetete des Kürbiskönigs war überrumpelt. Er hörte sich nicht so an, als wollte er sie bloß beruhigen. Nein: Jedes Wort war ernst gemeint.

„Wie reeeeizend…“ Plötzlich tauchte Dämonen-Oogies schattige Fratze über ihnen auf. „Steht euch in Augenblicken wie diesem der Sinn auch immer nach einem…“ – damit ließ er sich auf sie fallen! – „…WALZER?!“

Doch mitten in seinem Sturz gefror er abrupt.

„Oogie!“, dröhnte Königin Amelias Stimme stocksauer. „Hat Er mir nicht versichert, dass der König von Halloween ungebunden ist?! Er weiß unmissverständlich, dass ich keine vorhandene Liebe zerbrechen werde! Er hat gelogen! Und dafür wird Er büßen!“

Jack meinte, Tränen in ihren zornigen Augen schimmern zu sehen, und fragte sich mitfühlend, was ihr wohl widerfahren war, bevor sie Herrscherin über das Zwielicht wurde. Dass Sallys und sein Glück dem ihren gewissermaßen im Weg stand, erweckte in ihm eine nagende Empfindung von Schuld.

Oogie brüllte, während Amelia ihre erhobenen Hände langsam zu Fäusten ballte, als würde sie seinen hünenhaften Leib mittels dieser Geste auswringen wie einen nassen Lappen. Leider war sie lediglich darauf aus, sich an ihm zu rächen anstatt ihn dingfest zu machen, und so ließ sie ihren Bann wie Oogie fallen, ehe sie sich schluchzend in Luft auflöste – dieses Mal ohne ein paar Schritte weiter wieder zu erscheinen.

Halloween Towns ärgster Feind rappelte sich ächzend auf. „I-ist sie weg? Jetzt krieg’ ich den anderen… Flügel nicht mehr… Egal. Dann muss einer eben genügen. Kommen wir endlich zur Sache, Jack!“

Eben der schob seine Geliebte von sich. „Keine Panik. Jetzt bin ich voll und ganz für dich da.“

„Uuuuuuuuh… Ich hab’ sooolche Aaaaaangst!“

Jack konzentrierte sich. Bisher hatte er sich nie in diese dämonische Form verwandelt, weil er es wollte; andauernd war sie über ihn gekommen und wieder verschwunden, ohne dass sein Bewusstsein über irgendein Mitspracherecht verfügte. Doch dieses Mal sollte es anders sein. Los… Los…! Er umklammerte die eigenen Arme.

Seine Herzensdame hoffte angespannt mit ihm, vom Grabstein aus, hinter welchem sie dürftigen Schutz gefunden hatte. Zero und der Bürgermeister lenkten währenddessen mehr oder weniger freiwillig das tobende Volk ab, indem sie, in einem Kreis laufend, vor diesem flüchteten.

Oogie geduldete sich nicht länger: Mit einer seiner halb von Leinen überzogenen Scheren holte er aus und schlug zu, doch gerade rechtzeitig entfesselte Jack jenen bösen Geist, der vor langer Zeit ziellos durch das Zwielicht gewandert war, und selbst der linke, zuvor abgetrennte Flügel stieg neben dem Zwilling aus seinem Rücken neu empor. Seine Hände wurden schwerer aufgrund der zu Krallen verlängerten Finger; er spürte einige scharfe Zähne seinen Unterkiefer erreichen. Energie strömte durch seine Knochen, wie es sehr viel früher einmal Adrenalin durch seine Venen getan hatte, und ein bedeutender Unterschied zu jeglichen vorherigen Verwandlungen war festzustellen: Er hatte sich vollkommen unter Kontrolle. Mit einer Schwinge wehrte er Oogies Angriff ab.

Der gab sich wenig beeindruckt:
 

„Woooooh!
 

Es macht mir Riesenspaß

Wenn ich den Dämon’ aus Dir treib’“

„Du gibst Dein Bestes hier und weißt

Dass ich der König bleib’

Ich nutze meine Kräfte

Um Dich wieder einzusperr’n“

„Eh’ das passiert, mein Bester

Kannst Du Deine Knochen kehr’n“
 

Sobald er flog, vermochte Oogie ihn nicht zu erreichen. Zwar stellte sich heraus, dass auch dem Herrn des Ungeziefers Flügel gewachsen waren, doch die waren so verkümmert und mickrig, dass sie Jack – wenn er nicht zufällig einen Blick auf seinen Rücken geworfen hätte – nicht einmal aufgefallen wären. Als er allerdings den Seelenfänger gen Oogie schleuderte, erwischte dieser die Waffe und zog den Dämonen an ihr mit einem Ruck zu sich. Jack hatte Mühe, den flotten Hieben, die darauf folgten, auszuweichen. Bei der ersten Gelegenheit machte er einen Satz zurück und stieß dabei gegen den Metallzaun, der den Friedhof um den Spiralberg einfasste. Einen der spitzen Stäbe davon hackte er ab, spannte den Seelenfänger zwischen seinen rechten Arm sowie einen nach vorne gerichteten Flügel und legte den Stab darauf. Seine linke Hand zog diesen samt dem Seelenfänger weit zurück – dann ließ er los, und der improvisierte Pfeil stieß ein Loch durch den großen Sack, aus dem gleich ein paar Käfer hüpften! Jaulend bedeckte Oogie das Leck mit einer Schere, rang sich dann aber ein Grinsen ab.
 

„Wie ulkig, dass Du Dir

So siegessicher bist“

„Ja, endlich bin ich wieder da

Hast Du mich nicht vermisst?“

„Gewiss, wie ich das habe

Doch die Freude wird kurz sein

Denn Dich, Du Küchenschabe

Haut der Oogie… Boogie… ganz klein…

Uhahahahahahaaa!“
 

("Das Oogie Boogie-Lied")
 

Doch dazu kam es nicht. Stück für Stück hatte Jack die Oberhand gewonnen. Bald pfiff sein Widersacher aus der letzten Naht.

„Na, Oogie? Man sollte nicht mit Dingen spielen, die einem verboten wurden!“

„Wir“, schnaufte er, „müssen unseren Kampf kurz unterbrechen…“

„Was? Brauchst du eine Werbepause?“, spottete Jack.

„Nein… Muss nur mal kurz… Luft holen!“ Bei dem hämischen Ausdruck in Oogies Visage schwante ihm Übles. Und in der Tat: Der riesige Kartoffelsack öffnete seinen Mund und begann, alles einzusaugen! Kieselsteine schienen wie von selbst in sein Maul zu springen, Herbstblätter wirbelten wild auf ihn zu! Selbst die Bewohner von Halloween Town, die überrascht stehen geblieben waren, konnten sich kaum auf den Füßen halten! Zwei, drei Grabsteine rissen aus dem Boden, verschwanden in der finsteren Öffnung. Und damit nicht genug: Genau dort, bemerkte Jack, formte sich nun eine Kugel aus purer böser Energie, immer größer, immer stärker werdend! Ihm war entsetzlich klar, was passieren würde. Oogie wandte sich langsam seinen versammelten Freunden zu. Instinktiv, ohne eine Sekunde an vernünftige Überlegungen zu verschwenden, stieß Jack sich schreiend vom Grund und lief dazwischen, gerade als ein zischender, schwarzer Strahl aus Oogies Schlund schoss. Jene, die dieser hätte treffen sollen, zuckten schockiert zusammen. Doch der Angriff erfasste sie nicht.

Sally kniff die Augen zusammen und krümmte sich. „Jaaaaaaaaaack!“

All die Kreaturen, die er soeben beschützt hatte, beinahe ohne dass sie es mitbekommen hatten, teilten ihr Elend. Kinderleiche fiel zuerst aus der Starre und heulte markerschütternd. Werwolf jaulte zum Mond. Schlagartig verstanden sie, was sie angerichtet hatten, wie sehr ihre Wut ausgeartet war. Plötzlich erinnerten sie sich an ihn – an ihren Jack, den Herrn von Halloween, den Meister des Spuks, den singenden, tanzenden, fröhlichen und schrecklichen Jack Skellington, ihren Freund.

Doch es war zu spät. Sie hatten ihn verloren.

Ein Volk für seinen König

Langsam erlosch das gleißende Licht an jenem Ort, wo der Strahl Jack Skellington getroffen hatte. Die dürre Gestalt des Skeletts kam zum Vorschein und sank leblos nieder. Sofort näherte sich Sally, stürzte neben es und schüttelte es unablässig durch. Keinerlei Lebenszeichen; nicht einmal ein Fingerknochen zuckte. Längst war Jack wieder in seiner gewohnten Form. Überall war sein Gerüst zerschrammt, zersplittert oder zerborsten. Wenn sie ihn berührte, hatte sie anschließend Knochenstaub von seinen zahllosen Bruchstellen auf ihren Handflächen.

Leise und zaghaft kam Zero angeschwebt und schaute traurig auf sein Herrchen.

Der Bürgermeister sah diesem Trauerspiel eine Weile zu; danach wandte er sich an sein Volk: „Ist es vielleicht das, was ihr gewollt habt? Jack Skellingtons Tod? Nun – herzlichen Glückwunsch!“

Oogie kriegte sich gar nicht mehr ein vor triumphalem Gelächter.

Zweifelnd blickten sich die Monster und Untoten untereinander um: Niemand erweckte den Eindruck, erfreut über die Vernichtung des Kürbiskönigs zu sein. Erst jetzt erkannten sie, wie vorschnell und befangen sie gehandelt hatten: Sie hatten ihn fortgejagt und völlig sich selbst überlassen, in die Enge getrieben. Und nun…? Hatte es wirklich so weit kommen müssen?
 

„Was war mit uns los?

Was war mit uns los?

Wer kann sagen: Warum taten wir das bloß?“
 

„Haben ihn verjagt

War doch schon geplagt“
 

„Ließen ihn allein“

„Mann, war’n wir gemein“
 

„Was war mit uns los?

Was war mit uns los?“
 

Na also! Der Bürgermeister betrachtete es als seine Pflicht, ihnen ihren Fehltritt noch einmal ordentlich unter die Nasen zu reiben:
 

„Endlich, Freunde, habt Ihr es kapiert

Aber unser Jack ist schon krepiert

Musste er denn wirklich sterben, um

Euch zu rühren? Ach, was wart Ihr dumm!

Seine Seele ist nun längst verweht

Die Entschuldigung kommt viel zu spät“
 

„Aber schaut er von den Sternen oder von der Höll’, der fernen

Soll’s erfahr’n: Es tut uns Leid

Uns verzehrt die Traurigkeit

Wie konnten wir? Wie konnten wir?“
 

Ihr Vorstand zeigte sich nachsichtig:
 

„Ihr habt Angst, das ist verständlich, mehr als einen Schrecken nur

Ich weiß, dass Ihr nicht böse seid, doch diese Sache ging zu weit“
 

„Wir erkenn’n, was die Kraft nützt, ja, damit hat er uns beschützt

Nichts muss wirklich nur schlecht sein

Doch was nun? Oh, welch ein Grau’n

Jack, komm’ doch nach Halloween Town!“
 

Jeder seufzte und senkte die Schultern. Sie ahnten bereits, was der Bürgermeister ihnen im Folgenden klarmachen wollte:
 

„Zurück zu uns kommt er bestimmt nicht mehr

Oh, seht ihn an: Sein Körper ist nun leer

Dort reglos und kalt liegt bloß ein Skelett

Das einmal lebhaft war und so adrett

Zu uns’rem Schutz verließ er diese Welt

Er ging von ihr als ausgestoß’ner Held“
 

„Doch vielleicht ist es gar nicht zu spät, wie wir zuerst gedacht

Oogie hat zu früh gelacht

Noch ist ja nicht alles aus

Bringen wir ihn schnell nach Haus’!
 

Versuchen wir’s!
 

Auf einmal wird uns alles klar, ist auch nicht rettbar, was geschah

Blöd wär’s nur, gäben wir auf

Es zu ändern wird nicht geh’n

Wir müssen nach vorne seh’n!
 

Jetzt ist Zeit, wir zeigen ihm, wie sehr schätzen wir Halloween

Und stört uns auch der Oogie-Mann, wird er es schwer bereuen dann!

Ja, unser Fest wird doch gegeben, und Jack wird’s mit uns erleben

Alle zusammen, jetzt geht’s los: Wir stellen uns’ren Erzfeind bloß!

Was wir getan durch uns’re Wut, machen wir mit ihr wieder gut!“
 

("Jacks Dilemma")
 

Oogie Boogie hörte ihnen gar nicht zu. Er fühlte sich merkwürdig ausgelaugt, obwohl sich ihm kein Grund dafür erschließen wollte. Kein. Einziger.

Na gut: Eine mögliche Erklärung fand er doch, aber die war zu peinlich, um sie zuzugeben: Es war nicht seine Macht. Wenn es nach der Natur ging, dann hatte ein Kartoffelsack überhaupt keinen Anspruch darauf. Es waren Jacks Zorn, Jacks Schwermut… Genauso gut hätte Oogie die Flügel einer Fledermaus pflücken und sie an seinen Rücken kleben können in der Hoffnung, er könnte ab sofort ebenso still und unauffällig durch die Nächte flattern.

Trotzdem grinste er. Er würde die Macht des Dämonen nicht länger benötigen, denn was er wollte, hatte er ja erlangt: Jack war weg; die Stadt hatte ihren Herrscher verloren, und es sollte nun ein Leichtes für ihn sein, sie zu erobern.

„Denkst du wohl!“

„W-w-was?!“

Vor ihm hatte sich die aufgebrachte Meute positioniert. Hatte er etwa laut gedacht? Er wollte nach hinten stampfen, doch auch da – wie er feststellen musste – blockierten sie grimmig seinen Weg. Und links. Und rechts auch. Es gab kein Entkommen.

„Wollt ihr euch etwa“, drohte Oogie und plusterte sich auf, „DIESER MACHT ENTGEGENSTELLEN?!“ Er streckte seine Flügel aus! …Die aber augenblicklich zu Kohle zerfielen. „U-uuuuuuups!“ Und dann schrumpfte er auf seine normale Größe zurück.

Von dieser Perspektive aus betrachtet, musste er zugeben, sahen manche von Jacks Freunden richtig gefährlich aus. Sie knurrten und fletschten die Zähne.

„Wollen wir – öhm – verhandeln…?“

Werwolf ergriff die Gelegenheit als Erster und biss dem Oogie-Mann in den Kopfzipfel. Fledergraus zerrte an einer Naht, und die einäugige Mumie stellte dem jetzt wild hüpfenden Bösewicht ein Bein. Der fing sich gerade noch, da schubste Behemoth ihn um, und die Vampirbrüder verhauten ihn mit ihren vier Sonnenschirmen. Kinderleiche zog gegenüber von Fledergraus an den Leinen, und – ratsch! – da vergrößerte sich das Loch, welches sich der Möchtegern-Monarch im Duett mit Jack zugezogen hatte, immer weiter! So ließen sie ihn endlich von dannen hasten. Alles, was von ihm blieb, waren eine Spur aus kleinen Krabbeltieren sowie seine Handlanger Furcht, Angst und Schrecken, die genau diese drei Gefühle gerade selbst empfanden, da ihr Boss jammernd in der Nacht verschwand. Anfangs waren es lediglich ihre Pupillen, die eilig von einem Nachbarn zum anderen huschten, doch prompt fuhr Regung in sie, und schluchzend, schreiend trippelten sie Richtung Sally, die den immer noch bewusstlosen Kürbiskönig auf ihren Schoß gebettet hatte.

„Jaaaack! Wach aaaaauf!“, rief Angst herzzerreißend.

Furcht wischte sich mit einem Ärmel über die Augen. „Bitte, Jaaaack! Lass uns nicht alleeeeein!“

„Ja, Jack! Verlass uns nicht!“, fügte Schrecken hinzu und schleckte genussvoll über einen Lolli, den er unverhofft unter seinem Pullover ausgemacht hatte.

Sally wusste genau, dass die drei bloß ihrer verdienten Schelte entgehen wollten!

„Wir müssen ihn in die Stadt bringen“, brummte Werwolf, nachdem er und die anderen sich ebenfalls um sie versammelt hatten.

„Aber wie~?“, wollte einer der Vampirbrüder – im Moment interessierte es keinen, wer exakt von ihnen sprach – wissen. „Wenn wir ihn bewegen, werden seine Knochen brechen~!“

Dem Bürgermeister fiel etwas ein: „Ich gehe schnell zurück und hole mein Auto! Damit können wir ihn transportieren!“

„Einen Leichenwagen, ja“, murmelte jemand aus den hinteren Reihen. „Den wird er auch bald brauchen.“

Der Galgenbaum äußerte seine Bedenken: „Dauert das nicht zu lange?“

„Wir müssen es versuchen!“, rief der Bürgermeister, selbst wenig optimistisch, wie man es von ihm kannte. „Oder hat jemand eine bessere Idee?“

„Wah! Wah! Rrrrrh…! Wah!“

„Jetzt müssten wir dich nur noch verstehen können, Zero.“

„Was machst du?!“

Alle drehten sich überrascht zu Sally um. Vor ihr stand Behemoth im Begriff, Jack anzuheben.

„Behemoth! Nicht!“, warnte ihn die ganze Gemeinschaft wie ein Chor, doch vergeblich: Behemoth lud das Gerippe, das stöhnte, als seine kaputten Knochen bewegt wurden, auf seinen Rücken.

„Jack tragen“, lautete sein entschiedener Kommentar dazu.

Der Bürgermeister seufzte. „Was würden wir nur ohne einen wie dich machen…?“

„Lasst uns jetzt keine Zeit mehr verlieren!“, spornte Sally sie an. „Bringen wir ihn so schnell wie möglich zum Doktor!“

„Zum Doktor, genau!“, pflichtete Schrecken ihr grinsend bei.

„Ab nach Halloween Town!“, freute sich Furcht. „Und dann gibt’s einen fetten Leichenschmaus!“

„Ja!“, quietschte Angst. „Immerhin haben wir euch im Kampf gegen Mr. Oogie Boogie sogar unterstützt!“

„Ach ja?“, zweifelte der Bürgermeister. „Hat einer auch zufällig Beweisfotos davon geschossen?“

Zero knurrte sie aggressiv an.

„Ist ja schon gut!“

„Wir sind ja schon still…“

„Kümmert euch lieber mal um Jack.“

„Sonst ist’s zu spät!“

„Allerdings!“, musste der Stadtvorstand ihnen da zustimmen. „Machen wir uns auf den Weg!“
 

Unwissend, was ihn in dieser Nacht noch erwarten würde, tüftelte Dr. Finkelstein derzeit an einer neuen Technik für das diesjährige Halloween. Igor schaute ihm perplex dabei zu.

„Du wunderst dich, weshalb ich mich noch um das Fest bemühe?“, erkannte der Wissenschaftler die unausgesprochene Frage. „Nun… Das ist simpel zu beantworten: Ich weiß, dass es stattfinden wird. Dafür kenne ich Jack zu gut. Er kommt zurück; davon bin ich überzeugt. Er hat ja noch nicht einmal eine Antwort auf die Bitte erhalten, die er mir letztens gestellt hat…“

Es hämmerte und rüttelte an der Tür; man versuchte, sie mit aller Gewalt zu öffnen. Dr. Finkelstein machte sich nicht mehr die Mühe, bei unerwartetem Besuch bis in den Flur zu fahren. Für solche Fälle hatte er inzwischen eine Kamera mit Sprechanlage über seiner Haustür installiert. Er schaltete den entsprechenden Bildschirm ein.

„Ohhhh, mein Kopf…! Was wollen die denn alle?!“

Er blickte direkt auf die Köpfe dieser dämlichen Kreaturen, die immer noch darauf warteten, dass seine Tür aufging. Gerade, als er – sie ignorierend – den Monitor ausschalten wollte, drängelte sich Sally durch die Menge und warf einen flehenden Blick in das Auge der Kamera. »Doktor, bitte! Du musst Jack helfen! Er…!«

Das panische Gesicht des Bürgermeisters schob sich vor ihres. »Er ist dem Tode naaaaaaaahe!«

Wäre es nur der dicke Zylinderträger gewesen, so hätte Dr. Finkelstein es als eine seiner charakteristischen Überreaktionen abgetan. Doch die Tatsache, dass auch seine ungehorsame Assistentin dabei war, ließ ihn stutzig werden. Sie machte keine Scherze – besonders nicht, wenn es um Jack Skellington ging.

„Die Tür ist offen!“, sprach er ins Mikrofon und schwenkte anschließend resignierend seinen genialen Kopf aufgrund dieser Trottel, die nicht einmal in der Lage waren, eine unverschlossene Tür zu öffnen. Obwohl sein treuer Igor freilich auch nicht sehr viel cleverer war, erinnerte er sich doch nur an jenen Tag, an dem dieser Unterbelichtete versucht hatte, eine Dose Kürbissuppe zu öffnen, indem er seine hohle Stirn wieder und wieder dagegengeschlagen hatte. Mit etwas Wehmut fiel ihm sein kostbares Juwel ein – eine Schöpfung, welcher er die Hälfte seines Gehirns vermacht hatte. Leider wurden die Konversationen mit ihr bald unerträglich anstrengend und zeitaufwändig, und so hatte er es vorgezogen, der zwar einsame, aber einzige Intelligente hier zu sein. Alles war gut so wie es war, dachte er kühl lächelnd und warf seinem Diener einen Knochenkeks zu.

„Doktor! Schneeeell!“

Er rutschte fast aus seinem Rollstuhl, als er bemerkte, dass die komplette Horde in seinem Labor stand! „Was soll das?! Musstet ihr denn wirklich alle heraufkommen?! Und wo ist Jack nun?!“

Behemoth stapfte vor. Schlaff und grau hing Jack über dessen Schultern. Ein sekundenlanger, kritischer Blick genügte, dann hatte Dr. Finkelstein den Ernst der Situation erkannt. Er rollte zu seinem Arbeitstisch zurück und fegte die Experimente darauf achtlos hinunter.

„Leg ihn hierhin.“

Behemoth trat an die Platte und ließ den Festtagsvorsitzenden darauf nieder.

Der Doktor rückte seine kleine, schwarze Brille zurecht und beugte sich über den Patienten. „Ohhh… Ich fasse es nicht…! Was habt ihr Primitivlinge bloß angerichtet?“

„Wir waren das nicht!“, verteidigte der Clown mit dem Abreißgesicht sie sofort. „Das war Oogies…!“

„Ja, ja, ja! Hebt euch eure lahmen Ausreden für später auf, aber jetzt alle raus hier!“

Dank des Bürgermeisters wurde er tatsächlich alle los. Auch Sally wollte gehen.

„Du bleibst hier.“

Sie kam zurück.

„Du bist schon wieder davongelaufen.“

„Entschuldige.“

„He! Deine ewigen Entschuldigungen können mir mein Essen auch nicht kochen!“

„Du bist doch selbst schuld! Warum lässt du mich nie machen, was ich möchte?“ Dann fiel ihr auf, dass er ihren Freund nicht weiter behandelte. „Was ist mit Jack?“, fragte sie in einem völlig anderen Ton. „Willst du ihm nicht helfen?“

„Das wäre zwecklos.“

„Was?!“

„Eine Zeitverschwendung für mich und eine Qual für ihn, wenn ich ihn reparieren würde. Wäre sein Kopf nicht beschädigt, so könnte man darauf hoffen, dass seine Knochen nach kurzer Behandlung von selbst heilen – aber so…?“

„Du willst ihn aufgeben?“ Sally starrte ihn matt an. Auch ihre Kräfte waren nach dem abenteuerlichen Tag aufgebraucht.

„Ich fürchte, nicht einmal meine exzellenten Fähigkeiten reichen in diesem Fall aus. Als ihr gesagt habt, er brauche Hilfe, war ich auf Arges vorbereitet. Aber nicht hierauf.“

„Bitte, Doktor! Bitte! Du bist der Einzige, der ihm jetzt noch helfen kann!“ Mit beiden Händen umschloss sie einen seiner Unterarme und fiel auf die Knie. „Ich glaube an deine Fähigkeiten! Denk daran, was du alles geschaffen hast! Nichts, was jemand irgendwann von dir verlangt hat, hast du nicht hinbekommen! Du hast mich erschaffen!“

Igor kicherte.

Lange sah Dr. Finkelstein das Mädchen, das so etwas wie seine Tochter war, an. Und wenn es nicht Jack Skellington auf dem Tisch dort gewesen wäre, sondern er selbst: Hätte es sich dann genauso für ihn eingesetzt? Jack hatte ihn um etwas gebeten, dass Sally noch weiter von ihm entfernen würde. Er vermochte es ihm keineswegs zu verübeln: Die beiden waren verliebt und offensichtlich füreinander bestimmt. Er würde nicht verhindern können, dass Sally ihn irgendwann verließ; er würde den Lauf der Zeit nicht aufhalten können. Den Frust über dieses Unvermögen zu überwinden, würde seine persönliche Aufgabe werden. „Ich versuche mein Bestes.“

Sally umarmte ihn erleichtert und so energisch, dass es ihn wohl zerquetscht hätte, wären ihre Arme nicht so wunderbar weich.

„Unter einer Bedingung!“, artikulierte er gegen ihr Flickenkleid.

„Bedingung?“, wiederholte sie vorsichtig.

„Du versprichst mir, nie wieder davonzulaufen.“

Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Das war alles? Sie nickte scheinheilig, doch hinter ihrem Rücken hatte sie die Finger gekreuzt. Spätestens nächste Woche würde sie ihr Versprechen brechen, da war sie sich jetzt schon sicher.

„Und – Sally? Sei nicht zu traurig, wenn er es nicht schafft.“

Das wäre ein Alptraum. Womöglich würde sie ihr Versprechen dann doch halten. Denn ohne Jack, was sollte sie da noch draußen?

„Igor? Die Werkzeuge!“

Der Bucklige war unmittelbar zur Stelle und erntete dafür einen weiteren Knochenkeks.

Halloween Towns schlauester Kopf reckte sich erneut über Jack. Dabei wies er Sally an, den Raum zu verlassen. Aber so in Befürchtungen versunken, hatte sie es nicht mitbekommen. Er musste ihren Namen zweimal deutlich aussprechen, damit sie in die Gegenwart zurückkehrte. „Geh in dein Zimmer. Ich benötige Konzentration.“

„S-sofort!“

„Und knall nicht schon wieder die…“ – RUMMS! – „…Tür…“

Dr. Finkelstein seufzte. Dann öffnete er Jacks Frack und begann, mit einem Skalpell präzise die Splitter von den noch übrigen Rippen zu schaben.

„Solltest du es tatsächlich schaffen… Solltest du tatsächlich zu uns zurückkehren, Jack, dann kriegst du von mir das Ja, das du dir so sehr gewünscht hast. Du hast es dir redlich verdient.“

Der 31. Oktober

„Seitdem sind mittlerweile sieben Tage vergangen. Wenn ich mich nun zurückerinnere, dann erscheint alles fast wie ein böser Traum. Dass in Halloween Town auf den ersten Blick keinerlei Spuren mehr von den Ereignissen zu finden sind, trägt zu dieser Illusion bei. Auch auf dem Friedhof sieht es wieder friedlich aus, und der Spiralberg, auf dem ich gerade stehe, als würde ich darauf warten, dass du mich von hinten überraschst, hüllt sich in Schweigen, aber mir ist klar, dass es wirklich passiert ist. Ich weiß es nicht zuletzt deswegen, weil ich seit geraumer Zeit der einzige Besucher jenes geheimnisvollen Ortes bin. Staub hatte sich bereits auf den schmalen Pfad den Hügel hinauf abgesetzt, als ich ihn heute erklommen habe. Der Doktor hat mir die Erlaubnis dazu erteilt.

Ja – nun ahnst du es wahrscheinlich schon: In all den Tagen seit deiner Schlacht gegen Oogie Boogie habe ich den Turm meines Schöpfers tatsächlich kein einziges Mal unerlaubt verlassen. In sieben Tagen habe ich meinen überfürsorglichen Erzieher genau null Mal angelogen, vergiftet, überhört, hungern lassen, ausgetrickst, aus dem Rollstuhl geschubst oder auf sonstige Weise aufgeregt. Selbst als ich – seiner Anweisung gehorchend – für ihn einkaufen gegangen bin, lief ich danach unverzüglich zum Labor zurück, ohne mich zum Spiralberg zu schleichen oder auf den Vorhof eines gewissen Hauses… Es hat keinen Grund mehr gegeben, es zu tun…“

Sally stützte sich an die Mauer, während sie dem Stadttor näher kam. Von Weitem schon vermochte man das Schreien und Kreischen der Bürger zu vernehmen. Neben ihr auf die Grabsteine fielen scharf umrissene Schatten.
 

„Kommt mit uns, wir laden Euch ein

Kinder hör’n wir unheimlich gern schrei’n

Hier bei uns wird nur geschrien

Fliehen wir nach Halloween“
 

Geister stiegen auf und schwirrten um ihren Kopf.
 

„Hier in Halloween! Hier in Halloween!

Kürbis kreischt um die Mitternacht

Hier in Halloween

Spiel’n wir jedem, der’s verdient, Schabernack

Und dann fallen sie tot um vor Schreck
 

Halloween! Hier wird nur geschrien!

Jeder hier liebt Halloween“
 

„Siehst du? Sie feiern es, so wie du es gewollt hast. Trotz der zurückliegenden Geschehnisse sind sie voller Elan, als wäre nie etwas passiert. Ich frage mich, ob sie wirklich so fröhlich sind, wie es den Anschein hat, oder ob auch sie noch die Trauer verspüren. Können Monster wie wir überhaupt echte Gefühle hegen?“
 

„Ich bin das Monster unter Deinem Bett

Augen rot, die Zähne gefletscht!“

„Unter der Treppe, da mach’ ich mich rar

Finger wie Schlangen und Spinnen in dem Haar!“
 

„Hier in Halloween! Hier in Halloween!

Halloween! Halloween! Halloween! Halloween!“
 

„Jetzt geht’s rund, wie man sieht

Jedermann singt unser Kürbislied“
 

Sie erreichte den Fallbeil-Platz. Der Bürgermeister, mit dem heiteren Gesicht vorne, stand bereits auf dem Dach seines Leichenwagens.
 

„Jetzt geht’s rund! Heut’ ist Halloween!

Jedermann erwartet neuen Schabernack!“
 

„Um die Ecke, da steckt einer im Mülleimer

Jemand lauert, und er stürzt sich gleich auf…“

„…Dich!“ – „Hier in Halloween!“

„Rot und schwarz!“ – „Schleimig grün!“

„Hast Du Angst?“ – „Au, das ist fein!
 

Sag’ es laut, sag’s noch mal

Roll’ die Würfel, triff die Wahl

Reite den Mond um die Mitternacht“
 

„Hier wird nur geschrien! Hier wird nur geschrien!“

„Nur bei uns in Halloween“
 

Während die Kreaturen aus sämtlichen Ecken hervorsprangen, um sich gegenseitig zu erschrecken, und die Hexenschwestern über ihnen hinwegsausten, schwankte der Galgenbaum mit den Gehängten vor. Alle rannten durcheinander, doch niemanden störte das.
 

„Ich bin der Clown mit dem Abreißgesicht

Schwupps – ist es da und auf einmal nicht!“

„Ich bin der Wer, wenn Du rufst: "Wer da?"“

„Ich bin der Wind, wehe durch Dein Haar!“
 

„Furcht, Angst und Schrecken bescher’n wir Dir gleich

An Deiner Tür spiel’n wir Dir ’nen Streich!“
 

„Hier in Halloween! Hier in Halloween!

Halloween! Halloween! Halloween! Halloween!“
 

„Halloween! Halloween!“
 

„Ich wollte nicht zuschauen, wie alle hastig die Vorbereitungen für Halloween zu Ende bringen, ohne dass du prüfend und korrigierend über den Platz stolzierst. Ich wollte sie nicht singen hören, wenn nicht deine Stimme jedem Lied den Ton angibt. Ich wollte nicht durch die Fenster deines Turms spähen, hinter denen alles dunkel und leer ist. Ich wollte nicht herausfinden, wie miserabel sich der Bürgermeister in deiner Rolle als Festtagsvorsitzender schlägt. Für sie mag es immer noch dasselbe sein, aber für mich ist Halloween nicht länger Halloween ohne dich…“
 

„Leichen pflastern unseren Weg

Schrecken ist hier Privileg“

„Ob in Wien“ – „Oder in Berlin“

„Nichts ist schöner als Halloween“
 

„Jetzt geht’s rund! Heut’ ist Halloween!“

„Jedermann erwartet neuen Schabernack!“
 

„Skellington Jack, der König, bringt Dich um vor Schreck

Springt Dir ins Genick, und dann hörst Du ihn schrei’n!“
 

„So schnell wie mir möglich bin ich, den schweren Einkaufskorb an beiden Händen, zurück nach Hause getaumelt, ließ ihn noch im Eingangsbereich fallen, als ich Zero bellen hörte, eilte die Fluchtrampe hinauf in mein Zimmer und konnte Seine Majestät, unseren verehrten König der Kürbisse, der gerade gleichzeitig versuchte, Zero zum Schweigen zu bringen als auch aus meinem Fenster zu klettern – beides ohne Erfolg – wieder ins Bett drücken, wo er gefälligst zu bleiben hatte während seiner Genesung! Nein: Ich hatte mich in dieser Zeit wirklich kein einziges Mal danach gesehnt, den Turm zu verlassen.“

Sally lächelte; dann hob sie den Blick wie alle anderen gespannt in den Himmel. Fledermäuse flatterten hinab und durch das Publikum, ehe eine vermummte Gestalt mitten im Kreis des Mondes erschien. Zwei große Flügel hielten sie dort, deren zerfetzte Flughaut im Herbstwind wehte.
 

„Hier in Halloween! Hier wird nur geschrien!

Bitte macht jetzt Platz für ’nen wirklich feinen Kerl!“
 

Sie riss sich die Kutte herunter und wirbelte sie um sich her, fast als ob sie einen Augenblick lang mit ihr tanzen würde. Dann ließ sie sie los, und der geschmeidige Stoff glitt sanft hinab auf Sallys Arme. Diese konnte ihn nicht lange bewundern, denn erschreckend dicht flog der geflügelte Akrobat daraufhin über die Köpfe der Zuschauer und landete auf dem Brunnen zwischen ihnen, um den sich plötzlich ein lichterlohes Feuer in die Höhe hob, welches die dürre Gestalt scheinbar verschlang.
 

„Unser Jack ist König der Kürbisse

Jedermann grüßt unser’n Kürbiskönig
 

Hier in Halloween! Hier in Halloween!

Halloween! Halloween! Halloween! Halloween!“
 

Erwartungsvoll lugten die Anwohner in das Feuer. Auch Sally beugte sich, den Stoff an ihre Brust drückend, vor. Kürbiskönig Jack Skellington stelzte elegant aus den Flammen. Wie auf einen Befehl hin erloschen eben diese abrupt mit einem einzigen Schlag seiner Schwingen. Schützend spannte er sie über alle seine Freunde aus, bevor er sie wieder zusammenfaltete, bis sie hinter seinem Rücken wie durch einen Zaubertrick verschwanden.
 

„Jetzt geht’s rund, wie man sieht

Jedermann singt unser Kürbislied“
 

Man begann zu schreien, zu applaudieren und zu jubeln. Jack genoss seinen Ruhm und verneigte sich tief. Wieder hatte er eine schrecklich eindrucksvolle Performance hingelegt. Und wieder hatte Halloween am Ende doch stattfinden können.
 

„La! La! La! Lalala! La! La! Lalala! La! La! Lalala! Lalala! Wieeeh!“
 

("Hier in Halloween")
 


 

Die Nacht war kühl. Während weit entfernt das Volk noch immer enthusiastisch die Vergabe der Preise feierte, hatte Jack sein Ziel endlich erreicht. Der Wind zog an den zerrissenen Schößen seines Nadelstreifenanzuges, piekste auf seinem blanken, weißen Skelettgesicht. Vielleicht wollte er ihn aufmuntern, doch wenn, dann gelang es ihm nicht. Vor den hohen, gagatgrauen Steinen begab er sich nieder und legte behutsam den Blumenstrauß ab, welchen er mitgebracht hatte. Auch an dessen Blättern und Blüten zupfte der Wind, aber – ein Glück – er ließ ihn liegen. Schwarze Rosen. Etwas anderes hatte er nicht auftreiben können. Seine Welt kannte nicht viel Farbe.

Er seufzte.

„Ist das dein… wahrer Name gewesen?“, fragte eine unheimlich liebliche Stimme.

Jack sah sich um. Es war Sally. Über einer Schulter hielt sie ihr kastanienbraunes Haar zusammen, damit die Brise nicht damit spielen konnte.

„Und diese anderen Namen, die den deinen tragen… Wer waren die Personen dahinter?“

„Das ist nicht mehr wichtig.“ Er lächelte, widmete den steinernen Monumenten einen letzten, wie um Verzeihung bittenden Blick und stand dann auf. „Alles, was wichtig ist, habe ich nun stets um mich: Halloween, meine Freunde… und dich.“

Ihre kleine Hand auf seiner langen, knochigen wirkte wie ein blauer Schmetterling. Ohne diesen zu verschrecken, glitt er langsam vor ihr auf ein Knie.

„Sally…“

„Jack…“

„Du hast mir wieder einmal bewiesen, wie verloren ich ohne dich wäre. Wenn du mir nicht in Oogies Verlies gefolgt wärest, obwohl ich dich zuvor sehr verletzt hatte, dann hätte ich meinen Mut nicht wiedergefunden. Damals konnte ich es dir nicht zeigen, aber ich war unbeschreiblich froh zu erfahren, dass du in diesem Moment… da gewesen bist. Es hat diesen Raum weniger finster erscheinen lassen.“

„Du… bist mein Freund, Jack… Ich würde dir… immer helfen…“

„Vor dir hatte ich nicht daran geglaubt, dass Gefühle wie diese Teil einer Welt wie der unseren sein könnten. Aber dann ist mir klar geworden, dass Halloween mehr ist als bloß Spuk und Schauer: Es ist die Nacht, in der man, wenn man erschrickt und Angst hat, sich an jenen wendet, bei dem man sich sicher und geborgen fühlt. Du hast die Liebe nach Halloween Town gebracht, Sally, und die Leere in mir zugenäht. Und du weißt, dass ich dir ganz Valentinstag zu Füßen legen…!“

„Oh, Jack… Lieber nicht…“

„Keine Bange! Ich meine natürlich: Ich werde Cupido dir ganz Valentinstag zu Füßen legen lassen! Doch bis es soweit ist…“ Auf einmal sprach er nicht mehr weiter.

„Was ist mit dir?“

„Ich weiß nicht recht. Es ist seltsam! Als ob ich vor einer Mauer stehen würde, die ich nicht so einfach überwinden kann.“

„Fürchtest du dich?“

„Ich?“

„Sei tapfer, Jack.“

Es belustigte sie, dass er Luft holte, die er doch längst nicht mehr nötig hatte. „Dr. Finkelstein habe ich bereits um seinen Segen gebeten und sein Einverständnis erhalten. Nun muss ich nur noch dir die Frage stellen…“

Ihre Augen weiteten sich. Ihr Herz begann zu tanzen. „Was für eine…? Seinen Segen? Jack, was hast du…?“

„Sally…“

„J-j-j-ja, Jack…?“

„Willst du meine Reise dieses Mal begleiten?“
 

„Was?“

„Meine Reise! Ob du mich begleiten willst! Ich verspreche dir: Es wird aufregend! Da draußen gibt es soooo viele fremde Dinge zu erforschen, und wenn wir wiederkommen, werden wir das nächste Halloween noch hundertmal – ach, was sage ich! – tausendmal schrecklicher gestalten als das diesjährige! Komm schon! Wir haben immerhin noch ganze 364 Tage bis dahin!“

Erst war Sally noch ganz neben der Spur, während sich das nervöse Trommeln in ihrem Inneren allmählich beruhigte; aber dann schmückten Glück und große Zuneigung ihr Antlitz, als sie verstand, was der Herr und Hüter von Halloween ihr soeben tatsächlich angeboten hatte. „Ja, Jack“, antwortete sie gerührt. „Ich möchte dich unbedingt begleiten! Nichts auf der Welt würde ich je lieber tun…“
 

Gemeinsam verschwanden die beiden in den nächtlichen Schatten. In der Ferne hatten sich die Bewohner Halloween Towns allem Ohrenschein nach zur Ruhe gelegt. Allein der Wind säuselte noch um die grauen Grabsteine, um den schwarzen Rosenstrauß, der davor platziert worden war.
 

Sie würden ihn festhalten.
 

IN MEMORIAM.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:

Seitens Ryudos: "When did this get so metaphysical?"
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Nachwort zu diesem Kapitel:

In welchem Dir der Weg in Jacks Vergangenheit gewiesen wird, die zu all dem geführt hat.
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Kommentare zu dieser Fanfic (58)
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Von:  Phantom
2014-11-18T20:13:33+00:00 18.11.2014 21:13
"Black-Bloody-Angel" schrieb am 05.06.2011 auf FanFiktion.de:

WOW *O*
einfach Klasse diese Fanfiktion ;D
diese Version von The Nightmare before Christmas würde ich zu gern mal als Film sehen *.*
Von:  Phantom
2014-11-18T20:06:21+00:00 18.11.2014 21:06
"-JuLcOn-" schrieb am 21.03.2008 auf FanFiktion.de:

echt respekt einer der besten ff die ich je gelesen habe.
Die müssten man echt tim burton schicken und verfilmen lassen.
Von:  Phantom
2014-11-18T20:04:41+00:00 18.11.2014 21:04
"Pagali" schrieb am 05.07.2007 auf FanFiktion.de:

Woohhooo!!! Wahnsinn!! Eine Nightmare Before X-Mas-Fiction! Und dann noch so 'ne mordsgeniale! Ich glaub' fast, da ist jedes Lob was ich aufbringe geradezu beleidigend für Deine Meisterleistung, aber ich versuchs' trotzdem mal: Du hast diese Story mit großem Einfühlungsvermögen f. d. Atmosphäre u. d. Figuren des Films aber auch mit vielfältiger, übersprudelnder, eigener Fantasie geschrieben. Sie ist unglaublig spannend, komisch u. einfach fesselnd. Eine Geschichte bei der man jedes neue Kapitel sofort verschlingt! Besonders beeindruckend finde ich auch Deine Neuinterpretationen der Songs. (Sorry, ich kann mich nicht mehr halten!) Einfach herrlich! Und das Finale war....endkrass! Was anderes weiß ich da nicht zu sagen. Bitte, bitte, bitte schreib schnell das letzte Kapitel! Gruss und "Hut ab"!
Von: abgemeldet
2014-03-30T18:48:57+00:00 30.03.2014 20:48
~ Kommentarfieber ~

Ach, wie ein kommender Leseentzug sich doch plötzlich auswirkt. Schon habe ich das letzte Kapitel zu lesen.
Gleich in der ersten Zeile musste ich an "True Romance" denken. Da erzählt Alabama auch am Schluß. Mir gefällt es.

Das letzte Kapitel ist gelungen. Erst weiß man nicht so recht, was Sache ist, doch dann eröffnest du es in einer super Szene.
Was mir tatsächlich überhaupt nicht klar ist, ist die Sache mit den Namen am Ende. Nun ja, werde ich wohl irgendwas übersehen haben.
Auch fehlt mir ein wenig die Auflösung, was die Maschine letztlich bewirkt hat udn warum. Ich verstehe, dass Jack schon immer etwas in sich trug, aber was hat nun diese Erfindung damit zu tun?

Alles in allem aber eine runde Sache.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von: abgemeldet
2014-03-30T18:30:42+00:00 30.03.2014 20:30
~ Kommentarfieber ~

Es schließt gut an das vorige Kapitel an. Ich muss sagen, dass ich von den Liedtexten immer sehr angetan bin. Es macht die Geschichte einfach ein bisschen kompletter. So erscheint sie einem noch mehr.
Dr. Finkelsteins Reaktion war abzusehen. Sehr witzig, dass die Dorfbewohner vor einer unverschlossenen Tür stehen. XD
Jack stöhnt, wird aber für tot oder leblos gehalten. Das widerspricht sich ein wenig. Ist er schon verloren oder nicht? Was ist da, dass die Bewohner noch die Hoffnung haben, ihn retten zu können?

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von: abgemeldet
2014-03-30T18:13:55+00:00 30.03.2014 20:13
~ Kommentarfieber ~

Der Titel klingt so spannend, da kann man doch nicht anders, als sofort weiterlesen.
Mich erinnert die Schar der Bewohner sehr an Die Schöne und das Biest, als Gaston alle anführt, um das Biest im Schloß anzugreifen.

Ein sehr dramatisches Ende in diesem Teil. Mir gefällt, wie du die Königin dargestellt hast. Den ersten Hinweis hatte man ja bereits im letzten Kapitel bekommen.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von: abgemeldet
2014-03-30T17:28:37+00:00 30.03.2014 19:28
~ Kommentarfieber ~

Ein kleiner Motivtionsschub. :)
Um Halloween Town musst du dir übrigens keine Gedanken machen; es wird nach deinem erschütternden Ende in guten… Zipfeln sein!“
Ganz soo, wie Oogie es sehen sollte, wenn er immer noch nach der Herrschaft trachtet. Ich mag es sehr, dass nicht allzu deutlich ist, ob er wirklich hinter Jack steht oder nicht. Dass noch ein wenig Spannung diesbezüglich vorhanden ist.

Ich musste lachen, als Jack jubelte und sich dann selbst unterbrochen hat, weil Oogie vor ihm stand. Verdammt. XD

Das Zwielicht beschreibst du wunderbar und wie die Königin spricht, hat sie etwas sehr Erhabenes an sich. Durch die kursive Formatierung gewinnt es nochmals an Gewicht.
Jack fiel die Kinnlade hinunter. Leider konnte er sie gerade schlecht wieder aufheben.
Haha, auch das bringt mich wieder zum Lachen.
Da lässt die gute Königin am Ende also doch noch eine Bombe platzen - und kurz davor wurde nochmal deutlich, was Oogie sich so geacht hatte. Ach, Pläne funktionieren meistens nicht.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von: abgemeldet
2014-03-30T17:10:06+00:00 30.03.2014 19:10
~ Kommentarfieber ~

Auf, auf! Ich habe noch eine Pflicht zu erfüllen. :)
„Er war sich nicht sicher, ob es klappt.“
Ich liebe, wie die drei Konservation betreiben. Es ist herrlich dynamisch.

Dann blickten beide auf den wohl äußerst interessanten Boden wie auf der Suche nach Kürbiskernen.
Ich finde wunderbar, wie du die Kleinigkeiten beachtest. Kürbiskerne, selbstverständlich, welche Kerne denn auch wohl sonst?

Die Stelle, in der Zero gerne wissen würde, was Sally geschrieben hat, finde ich gelungen. Noch mehr gefällt mir der stimmige Schluss.
Ein schönes Kapitel. Was soll ich denn sonst noch sagen? Wieder kam es mir so vor, als ob alles genau so sein muss.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von: abgemeldet
2014-03-18T13:51:14+00:00 18.03.2014 14:51
~ Kommentarfieber ~

Mahlzeit.
Wieder ein wunderbares Kapitel. Zero ist ein kluger Hundegeist, und treu noch obendrein. Und Sally geht immerhin nicht allein, also reicht vielleicht auch ihre bloße Anwesenheit.
Ich bin gespannt, wie sie ihn aufspüren werden und sie dann reagieren.
Außerdem warte ich ja auch auf die Auflösung, was mit der Maschine los ist und was eigentlich der Professor die ganze Zeit treibt.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Von: abgemeldet
2014-03-12T17:42:02+00:00 12.03.2014 18:42
~ Kommentarfieber ~

Hallo.
Ich freu mich richtig darauf, weiterzulesen. ^^

Furcht und Angst ergriffen seine Arme und zu dritt dann die Flucht.
Diese Satzbildungen mag ich auch immer sehr. Dafür gibt es sicherlich einen Begriff. Später guck ich mal in die Stilmittelkiste, ob ich sie auftreiben kann.

Wieder habe ich nichts zu sagen, alles Lob habe ich bereits zu den anderen Kapiteln dagelassen. Dass ich die Geschichte sehr gerne lese, dürfte klar sein. Joah. Oogie Boogie. Yay.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet


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