One Shot
„Hey Ren! Guck mal her!“
„Wie?“
Und kaum drehte ich mich um, drückte er ab. Wie immer, nur dass ich ihm diesmal nicht böse sein kann, denn er zieht morgen weg, und zwar nach England. Seine Eltern sind Manager und haben beide von ihrer Firma einen Job in England bekommen.
„Musst du das immer so machen? Ich würde für dich ausnahmsweise mal auch posieren.“
„Tut mir Leid, aber Überraschungsfotos von dir sind am schönsten. Guck doch selber mal!“
Tatsächlich. Das Bild ist wirklich schön. Vor allem die Kirschblüten überall. Und ich habe nicht mal doof geguckt, ganz im Gegenteil.
„Hast Recht. Na gut, ich verzeihe es dir auch, ist immerhin dein letzter Tag, da darf ich dir nicht böse sein.“
Ja, genau, wir müssen diesen Tag genießen, denn wir sehen uns vielleicht nie wieder. Ich erhoffe mir zwar das Gegenteil, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir uns wirklich wieder sehen. Immerhin ist es eine Festanstellung, die seine Eltern bekommen haben, und um uns gegenseitig in den Ferien zu besuchen, ist es viel zu teuer.
„Was willst du als nächstes machen Akira? Du hast einen Wunsch frei.“
„Gut, dann will ich in den Vergnügungspark, da war ich schon lange nicht mehr.“
Ja, der Vergnügungspark ist eine tolle Idee, da waren wir als kleine Kinder immer mit unseren Eltern. Irgendwie werde ich gerade ganz traurig. Schluss damit, wir wollen Spaß haben, ein letztes Mal bevor er wegzieht.
„Gut, ab in den Vergnügungspark!“
Irgendwie hab ich das Gefühl, als ob uns alle anstarren würden. OK, wir halten Händchen, aber doch nur, weil wir gute Freunde sind. Die denken doch nicht im Ernst, dass wir… So, Schluss, ist doch egal was die denken.
„Ich will Riesenrad fahren. Komm Ren!“
„Äh, ja, ich komme!“
Irgendwie bin ich noch nie darauf gekommen, dass man uns für ein Pärchen halten könnte. Machen wir wirklich so einen Eindruck? Wir sind doch noch viel zu jung…Vielleicht ja gerade deshalb…Na ja, ist jetzt auch egal, immerhin zieht er jetzt weg, und da wird alles anders.
„Woah, das ist wunderschön!“
Ja, er hat Recht, von hier oben sieht alles ganz anders aus. Man sieht sogar über den Park hinaus. Ich habe schon vergessen, wie es aussieht. Wir waren wirklich schon lange nicht mehr hier.
„Ja, es ist wirklich schön. Mir fällt eben ein, dass wir wirklich lange nicht mehr hier waren. Es sieht alles irgendwie anders aus…“
„Mh..“
Und so verging unser letzter gemeinsamer Tag wie im Flug. Wir gingen noch in unsere Lieblingspizzeria und er brachte mich Heim.
„Wann fahrt ihr morgen weg?“
„Unser Flug geht um 13 Uhr, und wir fahren wahrscheinlich um 10 los, falls was schief gehen sollte.“
„Gut, dann komme ich morgen gegen halb 10 zu dir. Bis morgen!“
„Ja, bis dann! Gute Nacht!“
Irgendwie wurde ich richtig traurig, als er weg war. Wir kannten uns seit unserer Kindheit, weil unsere Eltern gut befreundet sind. Danach gingen wir in denselben Kindergarten und in dieselbe Schule, bis heute hat sich daran nichts verändert. Ja, heute war es das letzte Mal, dass es so war, ab morgen wird sich alles ändern. Ich sollte nicht mehr darüber nachdenken, das macht mich nur noch trauriger. Ich sollte lieber ins Bett.
„Hey! Akira!“
„Morgen Ren! Bist ja ausnahmsweise mal pünktlich.“
„Ja, ärgere mich nur, dann bin ich sauer auf dich wenn du wegfährst. Willst du das?“
Ich weiß womit ich ihn kriege.
„Ist ja schon gut, ich höre ja auf.“
„Versprich mir, dass du mich nicht vergisst. Wenn doch, dann kannst du nämlich dein blaues Wunder erleben! Dann komme ich höchstpersönlich nach England und verpasse dir eine!“
„Ist ja schon gut! Ich will mein Leben nicht aufs Spiel setzen. Außerdem möchte ich das Bild, das ich gestern geschossen habe, ausdrucken und es in einem Bilderrahmen auf meinen Schreibtisch stellen. So vergesse ich dich bestimmt nicht. Außerdem habe ich dir doch versprochen, dir zu schreiben.“
„Ich weiß doch, wie vergesslich du bist. Aber ich muss dir glauben, denn wenn ich nach England wollte, müsste ich lange sparen.“
Und schon sind wir beide einem Lachkrampf verfallen. Ist das schön. Leider werden wir das nicht mehr machen können, wenn er weg ist. Nein, nicht daran denken, er ist ja noch nicht weg, wir haben noch etwas Zeit.
Nur verging diese halbe Stunde viel zu schnell, und er und seine Eltern mussten langsam zum Flughafen.
„Ich werde dich vermissen.“
„Ja, ich werde dich auch vermissen. Ich schreibe dir sofort, wenn ich mich eingelebt habe.“
Wein bloß nicht du Idiot. Wir sehen uns bestimmt wieder, außerdem bleiben wir in Kontakt.
„Guten Flug und kommt heil an!“
„Danke Ren, ich werde darauf achten, dass mein lieber Herr Sohn dir brav schreibt.“
„Danke Frau Iwatsuki, und ich hoffe, dass Ihr neuer Job Ihnen Spaß macht.“
„Lieb von dir. So, wir müssen jetzt aber los, auf Wiedersehen, vielleicht besuchen wir euch mal.“
„Das wäre schön!“
Kaum haben sich alle von ihnen verabschiedet, sind sie auch schon weggefahren. Und um ehrlich zu sein, habe ich dann geweint. Zumindest hat er mich nicht weinen sehen, er soll nicht wissen wie traurig ich wirklich bin. Aber leider muss mein Leben weitergehen wie bisher, nur dass Akira nicht mehr ein Teil davon ist.
Es ist nun schon sechs Jahre her, dass Akira nach England gezogen ist. Anfangs haben wir uns oft geschrieben, aber später immer seltener. Mittlerweile haben wir keinen Kontakt mehr, wir haben uns wahrscheinlich auseinander gelebt, wie man es so schön sagt. Aber ich habe ihn nicht vergessen. Es ist nur so, dass ich jetzt viele neue Freunde habe mit denen ich ausgehe und Spaß habe. Bei ihm ist es wahrscheinlich genauso.
Na ja, für mich ist heute ein typischer Freitag: In die Schule gehen, Hausaufgaben machen und abends mit meinen Freunden ausgehen. Und jetzt ist die Schule dran. Ich bin mittlerweile 17 und gehe auf eine Privatschule. Weil meine Noten so gut waren, wurde ich an dieser High School angenommen, wie viele meiner Freunde auch, deshalb mag ich die Schule auch. Außerdem sind die Lehrer nett und man versteht alles, wenn es einem erklärt wird.
Und nun sitze ich in meinem Klassenraum und warte auf unseren Englischlehrer. Und da ist er ja auch schon, nur ist heute etwas anders. Er ist nicht alleine, er hat einen Jungen dabei. Und ich muss zugeben, dass der Typ ein echter Traum ist. Gut aussehend, gut gebaut und mit einem sympathischen Lächeln.
„Guten Morgen! Wie ihr seht, haben wir einen neuen Mitschüler. Stelle dich bitte vor.“
„Guten Morgen, mein Name ist Akira Iwarsuki und ich bin gestern hierher gezogen.“
Nein, das kann nicht sein! ER kann es nicht sein! Es ist unmöglich! Auch wenn wir nicht mehr Kontakt zu einander haben, hätte er mir so etwas Wichtiges doch mitgeteilt. OK, ganz ruhig, es gibt viele seltsame Zufälle auf der Welt, vielleicht heißt er nur genauso, ich meine, er hat keine Ähnlichkeit mit Akira, kein bisschen, zumindest äußerlich.
„Gut, setzt du dich bitte auf den freien Platz da drüben, neben Rika.“
Phu, ist noch mal gut gegangen. Zum Glück nicht der freie Platz neben mir, sonst würde ich jetzt total nervös werden.
Auf einmal landet ein Umschlag auf meinem Tisch, und als ich hochgucke, sehe ich wie dieser Akira mir zuzwinkert. Bloß nicht rot werden, Haltung Mädel!
Und schon starrt mich die halbe Klasse erwartungsvoll an. Na toll, schönen Dank auch. Jetzt bleibt mir ja nichts anderes übrig, als den Brief zu öffnen.
Schreck lass nach! Das kann nicht sein! Ich halte hier ein Bild in der Hand, eins, das von mir vor Jahren gemacht wurde, und zwar von keinem geringeren als Akira, MEINEM Akira. So, ganz ruhig, dafür gibt es bestimmt eine Erklärung, es gibt für alles eine Erklärung. Und jetzt bemerke ich den Zettel, der ebenfalls im Umschlag liegt.
„Wie war das? ‚Ich komme nach England und verpasse dir eine, wenn du mich vergisst!’? Komischerweise muss ich jetzt nach Japan kommen, um dir eine zu verpassen ;) Kleiner Scherz unter Freunden. Akira“
UM HIMMELS WILLEN! Jetzt bin ich dran, der nimmt mich sich vor und quetscht mich aus bis ich tot umfalle.
Ich sollte vielleicht so tun, als ob ich nicht weiß, wovon er redet und als ob ich ihn nicht kenne…Nein, der Schuss würde nach hinten losgehen. Gut, ich sage ihm in der Pause, dass er nach der Schule in den Park kommen soll, wo wir uns immer getroffen haben. Wenn er wirklich mein Akira ist, weiß er es und wird dort auftauchen.
Tja, jetzt sitze ich hier schon seit 20 Minuten und er ist nicht aufgetaucht. Das heißt dann wohl, dass mich da jemand bloß auf den Arm nehmen will. Ich gehe jetzt, noch länger warte ich nicht.
„Wo willst du denn hin?“
Kaum höre ich diesen Satz, zieht mich jemand an sich und nimmt mich in den Arm.
„Was...Lass mich sofort los!“
„Oh, Stürmisch wie immer!“
Er lacht. ER LACHT!
„Was ist so lustig?“
„Dass du dich kaum verändert hast. Nur, dass du jetzt noch hübscher bist als früher und ich ehrlich zugeben muss, dass ich ganz nervös werd, wenn ich dich so sehe.“
„Tja, dann bist du es also wirklich. Und ich muss auch zugeben, dass du nicht von schlechten Eltern bist, ich habe dich äußerlich gar nicht erkannt.“
„Heißt das jetzt, du stehst auf mich? Oder ist es einfach ein Kompliment unter Freunden?“
„Hm, gute Frage…Ich habe keine Ahnung.“
„Gut, dann finden wir es eben so raus!“
Kaum kann ich mich versehen, schon zieht er mich an sich und küsst mich. Wha, irgendwie wird mir ganz heiß dabei. Ich will, dass er mich so festhält wie jetzt, und zwar für immer.
„Danach sehne ich mich schon seit Jahren…Und?“
„Äh...äh…ich…“
„OK, alles klar, dir hat es gefallen!“
„Woher willst du es wissen, du spielst mit fiesen Tricks! So behandelt man doch keine Lady.“
„Ist ja schon gut!“, und er lacht wieder. Ich liebe dieses Lachen. „Soll ich es noch mal machen?“
Was soll die Frage? Muss ich jetzt darauf antworten? Ich glaube, ich werde ganz rot…
„Ja…“, was sage ich da denn bloß!
Ein Lächeln huscht über seine Lippen und schon liege ich wieder in seinen Armen. Das ist ein tolles Gefühl. Irgendwie ist es wie früher, nur etwas anders. Anscheinend war damals doch mehr da als Freundschaft. Und ob es Zufall ist oder nicht, das ist dieselbe Stelle, an der er das Bild geschossen hat, sogar die Kirschblüten sind auch da.
