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Zwischen Spiel und Realität

von

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Kussszene

Und wieder war eine Party. Eine, die auch er und You besuchten. Bis vor wenigen Minuten hatte sogar You neben ihm gesessen und nun saß er allein an diesem kleinen Tisch in der dunklen Ecke. Die Tanzfläche, welche den größten Bereich des ganzen Clubs ausmachte, konnte er gut beobachten. Jedoch interessierte ihn das im Moment am Wenigsten, denn er war wie so oft in letzter Zeit in Gedanken. Und die führten ihn, wie nicht anders zu erwarten, zu ihrer Übung zu der Vorlesung „das Elisabethanische Theater“.

Er spielte den Romeo. Das fand er richtig gut, doch die Julia. Dieses Wesen, was eineindeutig ein Mann war, spielte die weibliche Hauptrolle und das sogar richtig gut. So dass, er wieder dazu übergegangen war, ihn gedanklich als Wesen zu bezeichnen.

Ein tiefer Seufzer verließ seine Lippen und er ließ seine Augen auf die Tanzfläche wandern. In seinem Glas befand sich eh nichts trinkbares mehr. So konnte er auch die ganzen anderen wesentlich glücklicheren Studenten beobachten. Und da war auch sie. Sie, die immer neben Takarai war. Ja, er hatte sich den Namen gemerkt. Jedoch verwendete er nie den Vornamen. Das passte einfach nicht in seine Vorstellung.

Angewidert schüttelte er den Kopf und warf der gleichaltrigen Studentin einen bitterbösen Blick zu. Hässlich war sie keineswegs, selbst er fand sie attraktiv. Doch kam er nicht mit ihrem Verhalten klar. Sie nutzte es aus, dass sie mit dem meistbegehrtesten Studenten zusammen war. Mittlerweile hatte er – er hatte auch zwei Monate Zeit gehabt – herausgefunden, dass dieser feminin wirkende und eine Frau so überzeugend darstellende junge Mann sich bei seiner Partnerwahl, nicht nur auf Frauen begrenzte.

Im ersten Moment hatte ihn dieser Gedanke erschreckt. Doch nun? Er wusste nicht, ob es Erleichterung, Verwirrung oder doch Abscheu war. Wenn er raten müsste, würde er auf Verwirrung seinerseits tippen. Immerhin waren seine Gedanken und die Träume, in denen er regelmäßig von Takarai heimgesucht wurde, nicht gerade auf einem Niveau, welches Freunde pflegten. Eher verwirrten sie den jungen Studenten. Und dann musste er noch eine Rolle spielen, bei der der Langhaarige sein Partner war und er sich in diesen verlieben sollte.

Erneut seufzte er. Doch dieses Mal erhob er sich und ging zu der Bar. Sein Weg führte ihn an der Tanzfläche vorbei, so dass er an der Tussi ihres mittlerweile nicht mehr Dozenten vorbeikam. So schnappte er einen Gesprächsfetzen auf.

„Es war so klasse. Aber seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet. Ich weiß nicht, was los ist.“

Camui wusste nicht, was er davon halten sollte. Nur eines war klar. Etwas, das wirklich jeder auf dem Campus wusste. Kana war keine Jungfrau mehr.

Doch was ging ihn das an? Nichts.

Mit diesem Gedanken verbannte er alles, was seine Laune senken konnte, aus seinem Kopf. Und bestellte bei dem charmanten Barkeeper erst einen Kurzen und dann einen harmlosen Cocktail. Mit diesem in der Hand machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Tisch. Wenn er nicht an diesem sitzen blieb, würde ihn sein bester Freund den ganzen Abend über nicht mehr wiederfinden und das wollte er nicht riskieren. So schlängelte er sich durch die anderen Clubbesucher zu dem kleinen Tisch in der Ecke, dabei entdeckte er den Grund seiner häufig mit schweißnassen Gesicht Erwachen versehenen Nächte.
 

Diese Party wollte Hideto mal wieder etwas Neues ausprobieren. Kana war nicht schlechter geworden. Nein, eher ermüdete ihn die Beziehung zu ihr. Der Reiz war weg. Die ganzen Wochen nach der ersten Party des Semesters hatte er sie umworben und vor zwei Wochen hatte er es endlich geschafft. Es war so gewesen, wie er es sich vorgestellt hatte. Doch nun? Schon am dritten Tag nach ihrem ersten Mal war sie ihm zu anstrengend gewesen. Es war nicht so, dass er es nicht gut hieß, dass sie Interesse an Sex entwickelt hatte. Aber dass sie ihn ständig sehen wollte und dann immer dieses Reden, bei dem sie gerne plante. Nein, das gefiel ihm keineswegs. Somit hatte er beschlossen, sie zu meiden. Den endgültigen Schlussstrich würde er bei der nächsten Probe schließen. Oder auch nicht. Er machte es von diesem Abend abhängig. Bisher hatte sich Hyde mehr als gut amüsiert. Er hatte gelacht, getrunken und geschwatzt. Nun wollte er zu dem interessanteren Teil des Abends übergehen.

So löste er sich von seiner Gesprächsrunde, nachdem er sein Glas geleert hatte und ging auf die Tanzfläche zu. Dass auch Gackt da war, hatte der kleine Student schon vor einer Weile registriert. Irgendwie hatte es ihn abgehalten, aber nun war auch das egal.

Mit musternden Blick prüfte er jeden Anwesenden und blieb an dem großen, schlaksigen Kurzhaarigen hängen. Gackt sah nicht schlecht aus und Talent als Schauspieler hatte er auch. Zumindest harmonierten sie beide bei der Inszenierung von Romeo & Julia fast schon zu perfekt. Er fragte sich, wie sich ein Kuss von dem Jüngeren anfühlen musste.

Nein, er kam nicht in Frage, schallt sich Hyde gedanklich selbst. Er wollte jemanden, den er nicht in irgendeinem Kurs oder einer Vorlesung begegnen würde. Eine Sportstudentin? Oder lieber mal wieder einen Kerl?

Nachdenklich legte er seinen Kopf schief und ließ seine Augen über die Tanzenden schweifen. Er entdeckte eine geeignete Person und begab sich auf die Jagd.
 

Gackt war mittlerweile zu seinem Tisch zurück gekehrt und ließ seinen Blick mit dem Cocktail in der Hand weiter über die Tanzfläche schweifen. Vielleicht sollte er darüber nachdenken, ob es nicht lohnenswert wäre, zumindest mit einer der Studentinnen etwas zu tanzen. So versuchte er also nun die Anwesenden zu beurteilen.

Sein Blick schweifte das bezaubernste Wesen, das er je getroffen hatte, und blieb an diesem hängen. So verfolgte er, obwohl er es nicht geplant hatte, genau den Handlungen Takarais. Dieser tanzte gerade aufreizend mit … Gackt musste genauer hinsehen und stockte. Das war ein Kerl, mit dem seine Julia da gerade tanzte. Und wie die beiden tanzten. Diesen Anblick hielt der junge Student nicht aus und flüchtete förmlich, nachdem er seinen Cocktail in einem Zug geleert hatte, aus dem Club.
 

Das ganze darauffolgende Wochenende verbrachte Camui schlecht gelaunt. Er erledigte mit einem Eifer, der schon an blinde Wut grenzte, seinen ganzen Hausaufgaben für die Uni, lernte sogar seinen Text und begann auch sich schon auf die Abschlussprüfungen in etwa zwei Monaten vorzubereiten. Und die Zeit dazwischen, also bei den Mahlzeiten und kurz vorm Schlafen, sah er mürrisch aus und dachte an Dinge, die er am liebsten aus seinem Gedächtnis bannen wollte.

Auch jetzt wusste er nicht, was er tun sollte, denn es war Montag morgen und er hatte noch ganze 40 Minuten eh seine erste Veranstaltung los ging und ja, er war schon auf dem Weg dorthin. Doch leider konnten ihn seine ganzen Aufzeichnungen nicht gut ablenken, denn seine Gedanken wanderten zu dem Wesen namens Hideto Takarai. Er fand den Vornamen mehr als unpassend. Demnach aus den Gedanken streichen.

Was wusste er bisher über dieses Wesen? Es konnte überzeugend Frauen darstellen, obwohl es eindeutig ein Mann war. Er – okay, ausnahmsweise konnte er Takarai sein Geschlecht zu stehen – war ein Musterstudent sondergleichen. Er fiel nie negativ auf, war immer freundlich zu allen und jeden. Und doch hatte er einen Ruf, der jeden von ihm fernhalten sollte. Denn was seine Liebesbeziehungen anging. So war er anscheinend immer nur an einer Person interessiert, bis er sie im Bett gehabt hatte. Dabei war ihm das Geschlecht seines Partners völlig egal. Ob er schon einmal wirklich verliebt war oder nicht, das wusste Camui nicht. Aber es interessierte ihn brennenden. Denn er war verliebt. Eindeutig und ausgerechnet in dieses scheinbar einer anderen Welt entstiegenem Wesen.

Ein tiefer Seufzer verließ seine Lippen und seine Augen nahmen seine Umgebung endlich wieder klar wahr. Er war schon bei der Uni. Doch was sollte er nun tun? Er hatte immer noch etwas Zeit und dann auch noch die Vorlesung zu dem „Elisabethanischen Theater“. Er würde ihn gleich wieder sehen. Er wollte nicht. Denn sie hatten heute auch noch eine Probe außer der Reihe, weil ihre Regisseure nicht zufrieden waren. Besonders mit ihm. Gerade mal verfluchte er es, dass er der Romeo war. Aber andererseits konnte er auf diese Weise diesem Wesen so unglaublich nah sein. Leider hatten sie noch keine einzige Kussszene geprobt, aber das stand heute auf dem Programm. Und schon durchströmte Camui eine Vorfreude, die ihn alles andere vergessen ließ.
 

Die Vorlesungen, der ganze Vormittag verging wie im Flug, selbst das Mittagessen war vorbei, bevor Camui überhaupt realisiert hatte, dass er und You mit irgendwelchen Bekannten von diesem vor ihren gefüllten Tellern saßen. Auch die letzten paar Minuten, in denen er auf die beiden Regisseure und die Zweitbesetzungen gewartet hatte, waren im Nu vorbei gewesen.

„Gut. Alle sind da“, eröffnete Hideto höflich neutral wie immer. „Dann wollen wir mal“, damit öffnete er die Tür zu dem Raum. „Ihr wisst, was wir heute proben wollen?“ Von allen Anwesenden kam ein Nicken und so für der kleine Regisseur fort. „Zunächst gehen wir nur den Text vor und nach den Kussszenen durch, damit ihr mit den entsprechenden Emotionen schon sprecht. Anschließend proben wir die Szene komplett, am besten ohne Manuskript in der Hand.“ Sie teilten sich auf. Während Tetsuya den Zweitbesetzungen half, bekam Camui eine Unterweisung von Hideto, welcher seinen Text nicht mehr richtig üben brauchte.

„Okay“, unterbrach Hideto ihr Üben und wandte sich zu den anderen um. „Tetsu? Kannst du dir unser Spiel mal bitte ansehen?“ Der Gerufene gesellte sich ebenso wie die anderen beiden zu Camui und Hideto, welcher augenblicklich mit dem Spiel begannen.

„Tag, schein herein, und Leben, flieh hinaus!“ [1]

„Ich steig hinab, lass dich noch einmal küssen.“ Camui beugte sich herunter und legte, wie es ihm die Rolle auferlegte, seine Lippen kurz auf die der Julia und dann begann er mit dem imaginären Abschnitt, während Julia ihren Text weitersprach. „Freund! Gatte! Trauter!“

„Cut“, hörten sie Tetsuyas Stimme. Sofort war Hideto wieder er selber und sah seinen Freund fragend an. „Gut“, meinte dieser nur und die anderen beiden sollte die gleiche Szene proben.

Camui war zwar auch etwas zurück gegangen und hatte den Abstieg aus dem Fenster noch dargestellt, doch ganz er selbst war er nicht. Denn unsinnigerweise bereute er die Kürze der Berührung. Eingeständnisse waren echt nichts Gutes. Denn sie verleiteten einen dazu, sich wie ein Trottel zu benehmen oder zumindest sich Dinge zu wünschen, die ganz bestimmt nicht gut für einen waren. Und ja in diesem Moment wünschte er sich nichts mehr, als das er wieder der Romeo war und Takarai die Julia und er noch viele weitere Kussszenen mit diesem spielen konnte. Denn Wiedererwarten waren die Lippen weich und sanft gewesen. Der Kuss an sich war unschuldig gewesen und doch wollte Camui mehr, auch wenn er keine Erfahrungen in dieser Hinsicht hatte. Es war zum Haare raufen, aber das würde er bestimmt nicht jetzt hier tun.

„Gut“, holte ihn Takarais Stimme aus seinen Gedanken. „Das war gut ihr beiden. Damit sind wir für heute fertig. Ab der nächsten regulären Probe werden auch diese Szenen dabei sein. Ich hoffe, ihr habt damit keine Probleme. Am Ende des Semesters wird vor Publikum gespielt.“
 

[1] Romeo und Julia, Shakespeare, 3.Akt 5.Szene



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