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Die Chroniken der vergessenen Helden

von

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Prolog des ersten Teils

“Ein jeder kennt sie; dunkle Geschöpfe der Nacht, ruchlos und gefährlich, wunderschön und unvergänglich, dennoch todbringender als jede Seuche.”,
 

Nirchomedas, Dichter und Gelehrter des Kaiserreichs Wellharim,

89 v.d.Z.d.S.
 


 

Nosferatu, Gurmekas, Vampire ... Schattenkinder. Die dunkle Göttin Lenui selbst soll der einst Gurmekar, den ersten aller Vampire, geboren haben, um sich aus den Ketten ihrer ewigen Gefangenschaft, angefertigt von Durond, dem göttlichen Schmied, und angelegt von Afras und Ermeei, dem Götterpaar des Lebens, zu befreien. Sie lehrte Gurmekar bereits im zarten Knabenalter alles Leben zu verachten und auszumerzen, wo immer er es fand und Gurmekar folgte seiner Mutter. Eintausend Jahre lange wurde Gurmekar darauf vorbereitet, den Göttern entgegen zu treten und die Gefangenschaft seiner geliebten Mutter zu beenden. Als Gurmekar auszog, die Götter zu erschlagen, sprach eine Stimme im Traum zu ihm. Sie war lieblich und fein, sie schien zu singen und wünschte sich doch nur eins von Gurmekar, er möge die Götter in Frieden leben lassen und sich von seiner Mutter lösen. Doch Gurmekar verabscheute die zarte Stimme, die bald darauf immer öfter in seiner nächtlichen Ruhe zu ihm sprach. Gurmekar verachtete alles Gute und Schöne, wie er es von seiner Mutter lernte, sosehr sich auch das wundersame Wesen bemühte, Gurmekar eines besseren zu belehren. Um der Plage, wie Gurmekar es bald empfand, zu entgehen, rastete er nicht mehr während der Nacht, er schlief am Tag und reiste bei Nacht und die Stimme sprach nimmer mehr zu Gurmekar. Zwei Jahrhunderte später betratt Gurmekar, noch immer getrieben vom Hass auf alles Lebende, die steile Treppe, die hinauf zum Götterreich führen sollte. Lange kletterte Gurmekar die unwegsame Treppe hinauf, qualvoll selbst für einen Unsterblichen wie Gurmekar, war der Weg. Nach scheinbar endlosem Schmerzen sprach ein weiteres Mal, die ihm bekannte, wenn auch verhasste lieblich klingende Stimme zu ihm,

“Gurmekar, du der aus den Schatten kamst ich grüße dich erneut und bitte dich erneut deiner Mutter zu entsagen und dich dem Guten zu zuwenden.”

“Dem Guten zu zuwenden?”, rief Gurmekar.

“Dem Guten, das meine geliebte Mutter seit Äonen im tiefsten Innerem

der Welt gefangen hält bis in alle Ewigkeit? Wie kannst du, deren Namen

und Gesicht ich nicht einmal kenne, diese Macht als gut und gerecht

bezeichnen? Zeig dich und ich werde dir offenbaren, was wahrlich

gerecht ist!”

Und sogleich erstrahlte ein gleißendes Licht unweit von Gurmekar. Erkennbar ward das wundervolle und makellose Gesicht einer wunderschönen Frau mit weißer Haut und güldnem Haar.

“Du Gurmekar, der das Leben und die Schönheit bis ins Mark verachtet, erblicke mich! Ich bin Erneei Göttin del Lebens und Spenderin der Hoffnung! Du der nichts gutes in sich trägt und Ewigkeiten uns verfolgte, höre mich ein letztes mal an! Komm zu uns verlasse den Schatten deiner Mutter sei frei in deinem Handeln!”, sprach Erneei mit sanfter Stimme.

“Ich bin frei!”, brüllte Gurmekar mit herzlosen und kalten Worten, “Frei von euch Göttern! Wenn du nicht sogleich den Tod erblicken willst, geh!”

Und so sprach Erneei, uneingeschüchtert von Gurmekar’s Drohung, "Du hast gewählt Schattenkind! Ich verfluche dich! Wenn dein Wunsch es ist in der Dunkelheit zu leben, so soll dich jeder noch so sanfte Sonnenstrahl verbrennen, wo auch immer du bist, Gurmekar, Sohn der finsteren Mutter! Ich verbanne dich zurück auf die Erde von Gartapos!”

Und noch ehe Gurmekar verstand, welch Fehler er begangen hatte, wurde er von einem hellen Licht, so heiß wie Feuer, zurückgedrängt und stürzte die Treppe, die ihm so endlos erschien hinab. Gurmekar stürzte tief ohne Gefühl für Zeit und Raum, den Schmerz am ganzen Körper fühlend. Dunkelheit legte sich um ihn. Bis Gurmekar am Boden aufschlug. Seine Knochen zerschmetterten bei der Wucht des Aufschlags und es schien als würde Gurmekar, unsterblicher Sohn Lenui’s, nun doch den Tod erblicken. Doch dies war nicht das Ende. Eine junge Maid wunderschön und von menschlichem Geblüt, erschien um dies wundersame Ereignis zu betrachten, was sich unweit ihrer Heimat ereignet hatte. Sie erblickte Gurmekar bewusstlos liegend im Krater seines Aufschlags, blutend und unfähig sich vor Schmerz zu winden. Und so pflegte sie ihn in einem dunklen Zimmer neun Jahre lang, ehe Gurmekar zu sich kam.

“Wer bist du?”, sprach Gurmekar zu seiner Retterin.

“Mein Name, edler Herr, ”,sprach die noch immer junge Frau, “ist belanglos ihr seid noch schwach und dürft nicht reden, ruht euch noch ein wenig aus.”

Doch Gurmekar, der wieder Leben in sich fühlte konnte nicht mehr ruhen, erneut brannte ein Feuer in ihm, wenn auch ein anderes als jenes, welches ihm vor so langer Zeit trieb, seine Mutter zu befreien und alles Leben, dem er begegnete, zu vernichten. Gurmekar war dieses Gefühl fremd, denn es erfühlte seinen Körper mit Wärme und vertrieb die ewige Kälte. Hatte das gleißende Licht Erneei’s ihn verändert, war er nicht länger nur ein gefühlsloses Wesen, welches angetrieben von der eigenen Mutter, auf einen Feldzug gegen die Götter war? Er verstand dieses Gefühl nicht. Wozu diente es, war es der Fluch oder eher ein Segen? Dann erblickte er das Gesicht der jungen Maid. Sie war wahrlich ein schönes Menschenkind und ehe er sich besinnen konnte, berührte

seine Hand ihr Gesicht. Gurmekar begann zu verstehen, was er in sich fühlte, Erneei gab ihm, das von seiner Mutter so gehasste, Gefühl der Liebe.

“Junges Kind ich kenne weder deinen Namen, noch weiß ich, was dich dazu trieb mich zu pflegen für so lange Zeit, doch ich bin dir dankbar.”, sprach Gurmekar, der zum ersten mal mit warmer Stimme sprach.

“Ich habe keinen Namen, mein Fürst. Lange schon lebe ich allein in diesem Haus, es steht schon so lange leer, wie ich zurück denken kann. Ich pflegte euch, weil Afras, Göttervater der Menschen, es von seinen Kindern wünscht, das Leben zu achten und allen Notleidenden zu helfen.”, sprach die junge Frau mit entschlossener und fester Stimme. Und Gurmekar offenbarte sich ihr, er erzählte ihr von seiner Reise, seiner Begegnung mit der Göttin Erneei und seinem verfluchten Dasein. Nur seine Mutter, Lenui, verschwieg er. Bereits geraume Zeit später sollten Gurmekar fünf Söhne geschenkt werden, geboren von einer sterblichen Mutter, es schien als hätten die Götter ihm verziehen, doch nicht alle betrachteten Gurmekar’s Schicksal mit Wohlwollen. Die eigene Mutter war es, die Gurmekar zu hassen begann, hatte er ihr doch geschworen, sie von den Ketten ihrer ewig währenden Gefangenschaft zu befreien. Und so sprach sie zu Gurmekar,

“Gurmekar, du den ich das Leben schenkte, du der seiner Mutter einen Schwur geleistet hat, höre meine Worte! Du bist schwach geworden, hat das Leben dich in seinen reinsten Formen nun schon ganz durchflossen! Hast fünf Söhne mit dieser sterblichen Frau! Ich verachte dich zu tiefst! Ein weiter Fluch soll dich und deine Brut belasten! Von nun an sollt ihr gezwungen sein, euch vom Blut der Lebenden zu nähren oder qualvoll zu verhungern!"

Und Gurmekar ersinnte sich nun wieder seinem Versprechen, das er seiner Mutter gab. Belegt mit zwei göttlichen Flüchen, unwiderrufbar bis in alle Ewigkeit, würde seine Sippschaft verbannt in die Dunkelheit leben müssen. So ging Gurmekar mit seinem Weib und seinen fünf Söhnen fort. Ihre Reise führte sie in ein dunkles und grausames Land, in dem der Tod allgegenwärtig schien. Gurmekar, verstand nun, wie seine Kinder leben müssten, sich vom Blute der anderen nährend und die Sonne nie erblickend. Doch noch andere Sorgen plagten ihn sobald. Seine geliebte Frau starb schon in jungen Jahren. Tief war die Trauer und der Schmerz über den Verlust seiner geliebten Frau und so ging er fort, verließ die Grenzen seines Landes, um ein letztes Mal die Sonne zu erblicken. Doch kaum das er sie sah, brannten ihre Strahlen in auf grausamste Art zu Tode, bis nur noch Asche von ihm blieb. Auch seine Söhne schienen verzweifelt, jung und unreif, kaum fähig zu verstehen, dass sie die ausgestoßenen Götterkinder waren. Und so führten sie ein trauriges Leben in ihrem dunklen Reich, nahmen sich sterbliche Frauen als Weib und begründeten fünf unsterbliche Familien, die gefürchtet und gehasst zu gleich waren ohne den Segen der Götter...

I. Kapitel, Teil 1

Katsch’tell, Die Festung der fünf Clans im Jahre 2 v.d.Z.d.S., Frühjahr
 


 

Dunkelheit hatte sich gerade über das Schwarze Gebirge gelegt, als der Sturm begann. Schwerer Regen prasselte auf den schwarzen Marmor, der dunklen Festung und Blitze erhellten die finstere Nacht. Eine Wache, von männlicher Statur und Aussehen, streifte durch die nächtlichen Hallen, gepanzert mit einer Rüstung aus glänzenden schwarzen Mithrill und bewaffnet mit einer langen bedrohlichen Pike. Doch kein Lebender trägt dies, ein Schattenkind ist es, unterworfen vom Haus der Araignée, dem größten der fünf großen Vampirclans.

Schweigend und rastlos setzte er die Patrouille fort, als ihm eine weitere Person entgegenkam, gehüllt in einen Umhang aus reinster schwarzer Seide und stolzen, wenn auch nicht überheblichen Gang. Die Wache verneigte sich so tief es ihm seine schwere Rüstung erlaubte, ließ sich danach aber nicht weiter aufhalten und fuhr mit dem Kontrollgang fort. Ein erneuter Blitz zuckte über den Bergspitzen des Gebirges auf und erhellte kurzzeitig die dunklen Gänge des Katsch’tell, ehe ein Donner sie erschütterte. Der Mann mit dem Umhang setzte seinen Weg jedoch unbeeindruckt der wütenden Mächte der Natur fort, bis er zu einer eisernen Pforte von nahezu dreißig Fuß Höhe kam.

Feinste silberne Linie wanden sich über das gesamte Tor und bildeten eine gewaltige künstliche Spinne, die in ihrem Netz auf Beute lauerte, so wie die Araignée, die hinter diesem Tor lauerten. Doch er hatte sie nicht zu fürchten, denn auch er war von unsterblichem Geblüt, wenn auch jung und unerfahren. Für einen gewöhnlichen Sterblichen hätte das durchschreiten dieser Pforte den sicheren Tod als Speise für die Vampire und deren Sklaven bedeutet, er jedoch war gerufen worden.

Zwei weitere Wachen öffneten ihm scheinbar mühelos die schweren Stahlflügel und gaben den Blick auf einen nur schwerlich beleuchteten Raum von enormer Größe frei. Der Boden des kreisförmigen Saals war ähnlich wie ein Spinnennetz aus reinstem Silber angelegt; die äußersten Fäden waren mit den massiven Säulen der Wände verbunden und im Zentrum des Netzes befand sich ein Thron aus schwarzen Mithrill, der im Licht der aufzuckten Blitze übernatürlicher wirkte, als alles, was sich sterbliche vorstellen konnten. Doch für ihn war dies nichts mehr, was ihn erstaunen ließ, war er doch schon so oft hier her gerufen wurden. Während er beim ersten Mal noch geblendet von der unglaublichen Fülle an Reichtum gewesen war, widerte ihn nun die Arroganz seines Meisters zunehmend an. Ein Unsterblicher wie Guléman d’Araignée, Vampirlord und Hausmeister der Familie Araignée, sollte sich nicht mit derartigen

materiellen Schätzen überhäufen, sondern sich um das Überleben seines aussterbenden Volkes sorgen, denn die Schattenkinder waren nun Gejagte.

Als ein Vampirlord, dessen Name für immer verboten wurde unter den Gurmekar, die Grenzen des Dunkelwaldes mit einer Horde Untoter überschritt und jagt auf die dort lebenden Menschen machte, führte er die schon bald darauf zurückschlagenden Königstruppen unbewusst durch den Dunkelwald und in das angrenzende Schwarze Gebirge. Zurück in der sicheren Zitadelle, lehrte man ihn, welch Fehler er begangen hatte, man erteilte ihm die grausamste Strafe, die einem Vampir zu teil werden konnte, man ließ ihn noch vor den nächsten Sonnenaufgang am östlichen Teil des Katsch’tells an eine Mauer ketten, an der er qualvoll verbrannte.

Die Königstruppen zogen sich dennoch nicht zurück, sondern begannen ununterbrochen Angriffswellen gegen die wenigen Verteidiger, geschützt vor dem Sonnelicht, durch ihre schwarzen Mithrillrüstungen, zu schicken. Ihre Angriffe dauerten lediglich bis zur ersten Nacht, als die Vampirlords erwachten und in jener Nacht schlimmer als irgendeinmal zu vor unter den Menschen wüteten. Doch ein Jahrzehnt sollte bis zum heutigen Tag vergehen ohne dass loyale Königstruppen, gesegnet durch Afras selbst, bis zum Katsch’tell vorstießen und die Festung angriffen. Mit der Zeit wurden die Linie der Verteidiger immer dünner, bis nur noch niedere Untote, den Dienst der dunklen Garde erfüllen konnten.

Seit dieser Zeit ist die Zahl der Schattenkinder stark zurückgegangen, viele verhungerten oder wurden vom angreifenden Feind erschlagen. Diejenige, die noch immer existieren, verfluchen den verbrannten Verräter, der die Feinde so zahlreich zu ihnen führte und hoffen auf ein Überleben ihrer Rasse.

Guléman d’Araignée jedoch interessierte sich jedoch nicht für das Wohl seines Volkes, sondern lediglich für sein eigenes.

“Worauf wartest du Uron, tritt näher, komm zu deinem Meister und berichte, wie du deine Aufgabe erfüllt hast.“, hallte die finstere Stimme Gulémans durch den Saal und riss Uron aus seiner starren Haltung, in der er nun schon seit geraumer Zeit im Torflügel des Saals verweilte.

Uron warf den schwarzen Umhang zurück, offenbarte den darunter liegenden schwarzen Mithrillpnazer, auf dem zwei ineinander verschlungene Drachen aus purem Gold zu sehen waren und im Licht der vom Himmel herabfahrenden Blitze scheinbar zum Leben erwachten. Seine Hand legte Uron auf den Griff seines Schwertes, das er am Gürtel trug. Es war ein meisterliches Handwerksstück, sein Griff ähnelten dem Kopf eines Drachen, dessen Augen zwei feuerrote Rubine ersetzten und die Klinge schien die Zunge des Drachens zu sein, die seine Feinde mit schneidenden Schlägen zu Boden schickte.

Uron tat ein paar Schritte, zog dann sein Schwert aus der Scheide und erhob es zum Gruße an seinen Fürsten. Anschließend rammte er die Klinge in den schwarzen Boden, die ohne Mühen das schwarze Marmor

zerschmetterte. Dann trat er, unbewaffnet und somit ungefährlich zu Guléman heran und kniete vor dessen Thron nieder.

Der Geruch des Todes stieg in seine Nase. Überall um ihn herum befanden sich, die nur langsam verwesenden Opfer des alten Vampirs, der sich nicht die Mühe machte, die leeren, vom Leben verlassenen, Hüllen zu beseitigen, jeder der vor Guléman d’Araignée trat, sollte wissen, dass dies womöglich seine letzten Augenblicke auf dieser Welt waren, ehe er unter tosenden Schmerzen hinab in Lenui’s Reich fahren würde und seine Seele dort in ewiger Pein verweilen müsse.

“Wie ich sehe, hat mein Meister wieder einmal vorzüglich gespeist.“, stieß Uron, noch immer am Boden kniend hervor, die Ironie nur schwer überhörbar.

“In der Tat mein Junge. Doch berichte mir nun über deine Aufgabe. Ist es dir gelungen, jene zu finden und zu töten, die unser Volk durch ihre unermüdlichen Angriffe bis an den Rand der Vernichtung trieben?“, antwortete der dunkle Fürst, über Uron aufsässige Weise hinwegsehend.

“Sie sind alle Tot, mein Fürst, wie ihr es befohlen habt. Ich rammte jeden von ihnen mein Schwert in die Brust, ehe ich ihr Blut trank, dennoch wird dieser Erfolg nur von kurzer Dauer sein, denn der König befehligt viele Männer, wenn wir nichts unternehmen, dass den König auf ewig abschreckt, werden seine Jäger wiederkehren und unser Volk wird dem Hunger erliegen.“. berichtete Uron, ohne seinen Blick auf seinen Meister zu richten. Uron wusste, wie die Blicke seines Meisters auf ihn wirkten, wenn er ihn kritisierte. Gulémans Augen verloren dann ihre gewöhnliche Kälte und wurden zu einem bedrohlichen Feuer, das seine Feinde zu verzehren drohte. Uron hasste ihn dafür. Eines Tages werden diese Blicke machtlos sein und ich werde euch in eure Augen sehen können, ehe ich euch euer kaltes Herz entreiße und die fünf Familien zu neuen Ruhm führen werde! Doch solange meine Kräfte noch nicht erwacht sind…

„Uron!“, riss Gulémans gewohnt finstere Stimme Uron aus seinen gefährlichen Gedanken, denn noch unterlag Guléman niemals in einem Zweikampf, Mann gegen Mann.

„Uron, wagst du es meine Herrschaft anzugreifen?“

„Nein, niemals mein Herr, es ist nur…“, Uron unterbrach seinen unterwürfigen Ton und richtete sich auf, ehe er fort fuhr, „Unser Volk erliegt allmählich dem Hunger und wenn ihr nichts unternehmt, wird niemand den Gurmekar in einhundert Jahren gedenken!“

Guléman, empört über die von Uron dargebotene Beleidigung sich zu erheben, hätte nur um Haaresbreite sein an den Thron gelehnten Streitkolben ergriffen und dem jungen aufbegehrenden Vampir den Schädel zertrümmert, eine Wunde die ihn nicht getötet, aber sein bis dahin jugendliches Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt hätte. Doch der Vampirlord war zu intelligent, um seinen besten Krieger durch so eine kurze Tat, vollends gegen sich aufzubringen. Stattdessen ließ er seine Wut an einer am Boden befindlichen Leiche eines seiner letzten Opfer freien Lauf, er schwang den dornenbewehrten Streitkolben auf den Schädel, der einst hübschen Frau und Knochen barsten mit

einem Uron mehr als unangenehmen Geräusch, wenn es ihm auch noch so vertraut war. Blut und eine widerwärtige dickflüssige Substanz breiteten sich auf dem schwarzen Marmor des Saals aus. Guléman, der mit den Gedanken spielte den Schädel noch weiter zu zertrümmern und ihn schlussendlich in einen nicht mehr erkennbaren Klumpen aus Blut und zerschmetterten Knochen verwandelt hätte, besonn sich wieder und stellte seine Waffe zurück an den Rand seines Throns. Uron, der erst jetzt erkannte, in welch gefährliche Situation er beinahe geraten wäre, sank unweigerlich zurück auf die Knie, um Guléman den nötigen Respekt zu zollen. Er bemerkte des Weiteren wie todbringend sein Herr wirklich war, der gesamte Schädel der Menschenfrau war aufgebrochen und beinahe hätte sich auch dessen restlicher Inhalt über den Boden verteilt. An Gulémans Streitkolben hatten sich einige Haut- und Haarfetzen verfangen, die sehr wahrscheinlich von seinen untoten Aasgeiern, den Ghouls, beseitigt werden würde, sobald er den Raum verlassen würde.

„Uron! Das Volk der Gurmekar wird niemals vergessen werden, denn es wird niemals untergehen! Diese törichten Sterblichen glauben, wenn sie einige von uns töten oder dem Hunger ausliefern, werden sie siegen! Aber ich versichere dir schon bald werden wir in der Lage sein, alles Leben auf dieser Welt für immer auszurotten!“, rechtfertigte Guléman seinen Zorn in einer ununterbrochenen bedrohlichen Reihenfolge von Sätzen, deren wahre Bedeutung sich erst langsam in Urons Gedanken sich zu entfalten begann.

„Uron.“, fuhr Guléman fort, der sich von seinen Thron erhoben und sich zu seinem Diener begeben hatte, „Du hast mir treu gedient und ich bin sicher, dass du dies auch weiterhin tun wirst und deshalb sollen deine Taten nicht unbelohnt bleiben!“

Guléman fasste das Kinn Urons und bedeutete ihm, seinen Herren anzusehen. Uron gehorchte.

„Du sollst deinen Clan nun anführen, Uron de Dragon, Herr der Drachenfamilie! Seit deiner Jugend bist du mir loyal gefolgt, wenn auch Schmerz und Leid deine Begleiter waren!“, Gulémans Worte überraschten Uron, denn dieser hatte das eigentliche Anliegen Urons völlig verdrängt und lenkte nun auf ein, für Uron womöglich noch gefährlicheres Thema hin. Denn es kann nur ein Clanoberhaupt geben und die Ernennung eines zweiten bedeutete die Herausforderung Urons an das jetzige Oberhaupt der de Dragons, auch wenn es nicht von ihm ausgesprochen wurde. Ein Kampf auf Leben und Tod, Vater gegen Sohn.

„Mein Vater führt unsere Familie nun seit zwei Jahrhunderten, Meister!“, erwiderte Uron, der von Gulémans Plänen sichtlich geschockt war. „Er allein verfügt über die Weisheit und Vernunft unseren Clan zu erhalten! Ich bin noch jung und…“

„Schweig!“, fuhr Guléman Uron ins Wort. „Dein Vater ist alt und schwach! Er kann in diesen Zeiten nicht bestehen! Deine Familie benötigt starkes Blut, das Blut eines wahren Kriegers!“

Erst jetzt verstand Uron, worauf sein Meister wirklich aus war. In dem er den jungen Vampir Macht versprach, beabsichtigte er sich dessen Loyalität zu

sichern und wäre er unterlegen, so hätte er Uron fortan nicht mehr zu fürchten. Für Sterbliche käme es im seltensten Fall zum Mord am eigenen Vater, in der Hierarchie der Vampirclans konnte man jedoch nur aufsteigen indem man den Vater tötete, da dieser stets den Rang hatte, den er von seinen Vater raubte. Eine Verschiebung in dieser Rangordnung ist nur möglich, indem man das Oberhaupt aller Familien, den Erzvampir tötet und so seine Position einnimmt und die eigene Familie dadurch an Ansehen und Macht gewinnt. Allein der Erzvampir entscheidet, wann ein Familienoberhaupt ersetzt werden muss, in den einzelnen Familien selbst übernehmen die Entscheidung, wann die Zeit reif für einen Positionswechsel innerhalb der Familie ist, die Familienfürsten selbst.

Eine Ablehnung dieser Herausforderung hätte für Uron den sicheren Tod bedeutet und eine Flucht käme ebenfalls nicht in Frage, da somit die ganze Familie dazu verdammt wäre, auf ewig in Schande zu leben und schon bald nicht mehr wert hätte als die niederen Untoten, deren Dienste die Vampire nun schon seid Generationen in Anspruch nahmen.

„Wenn dies der Wille meines Herrn ist, so werde ich ihn erfüllen.“, erklärte Uron, der zum ersten Mal wahre Angst verspürte.

„Du bist ein guter Junge. Wärest du mein Sohn, so müsste ich wahrlich um meine Existenz fürchten. Gehe nun und erfülle das Schicksal, das ich dir aufgetragen habe! Gehe zu deinem Vater und erkläre, dass seine Herrschaft und seine Existenz nun ein Ende haben!“, lobte Guléman seinen Untergebenen, unwissend über dessen Pläne und streckte ihm die bleiche Hand entgegen.

Uron wusste die Geste zu deuten. Er ergriff seines Meisters Hand küsst sie und wollte sich so eben erheben, als Guléman noch einmal zu ihm sprach.

„Uron de Dragon. Ich versichere dir, dass sobald du deine Position als neues Familienoberhaupt eingenommen hast, werde ich deine Sorgen beseitigen und die Clans aus den Klauen jener Mörder retten, die uns in diese dunkle Stunde geführt haben! Kein Vampir soll mehr Hunger leiden oder fürchten seine eigene Zitadelle zu verlassen! Das schwöre ich!“

Urons Blicke wanderten langsam über den, auf seinem Thron sitzenden, Anführer aller Gurmekar von ganz Gartapos. Die makellose Rüstung aus schwarzen Mithrill war glänzend sauber poliert und die silberne Spinne in ihrem Netz, das Zeichen der d’Araignée, schien wie immer bereit von Gulémans Rüstung auf ein neues Opfer zu springen und ihm langsam das Leben aus dem Körper zu saugen, so wie der Erzvampir selbst. Das niemals zu altern scheinende Gesicht Gulémans wies ein Uron unbekanntes Lächeln auf. Es war ein schadenfrohes Lächeln, denn für Guléman d’Araignée bedeutete das Ergebnis dieser Unterhaltung nur die Festigung, womöglich sogar Stärkung, seiner eigenen Macht.

Schon bald wird dir dein finsteres Lachen vergehen, Meister. Klagte Uron in Gedanken, ehe er sich erhob. Er ging einige Schritte seinem Meister betrachtend und leicht verbeugt mit der rechten Hand an der Stelle, wo sein Herz schlagen sollte, bei einem Vampir jedoch nur ein eisiger Klumpen Fleisch war, zurück, bis an die Stelle, wo er sein Schwert in den schwarzen Boden der Halle gerammt

hatte. Er ergriff die Waffe und zog sie mühelos aus dem Boden, ehe er seinem Meister den Rücken zukehrte und die sich bereits öffnenden Tore ansteuerte. Er führte das Schwert zurück in die, sich an seinem Gürtel befindende, Scheide und warf den Wachen Gulémans einen flüchtigen Blick zu. Die zwei Gardisten beachteten ihn nicht weiter, fast als wäre er ein Nichts, ein Niemand, nicht ein zukünftiger Anführer eines der geachtetesten Vampirclans überhaupt.

Werden sie noch immer Guléman ergeben sein, wenn sich seine Zeit dem Ende nähert, wenn ich Uron de Dragon, ihm sein kaltes Herz entreiße und es vor aller Gurmekar auf den Boden werfen werde und es einfach zertrete! Wenn auch mein Vater den Tod erleidet, er wird gerächt werden!

Ein Blitz erfüllte die dunklen Gänge des Katsch’tell und Urons Schritte verloren in der von Donner erfüllten Nacht ihren sonst so dumpfen Hall, während sich der junge Vampir seinen weg durch die finstere Zitadelle bahnte, auf dem Weg das ihm aufgetragene Schicksal zu erfüllen, ohne zu wissen, dass dies erst der Anfang sein würde.
 


 

Der eiskalte Regen hatte gerade nach Einbruch der Nacht das Lager der königliche Truppen Wellharims überrascht, während Gwenewird Hohenmut, Vampirjäger seiner Majestät Lodrien III., König von Wellharim und treuer Anhänger des Afras, Gott des Lebens, gerade die Inspektion des Heereslagers begann und ihn die Schreckensnachricht ereilte.

„Mein Herr!“, wurde er von einem königlichen Soldaten gerufen, „Die Nosferatu, sie haben letzte Nacht erneut zu geschlagen… Herr Uloront, Herr Galaforn… beide tot… Sie haben sie niedergemetzelt wie Tiere!“

Gwenewird, dem diese Nachricht nun bereits zum dritten Mal, jedoch stets mit neuen Opfern, allein in diesem Monat zu Ohren kam, war nicht sonderlich überrascht oder erschrocken über das Ableben der ranghöheren Offiziere, erst in der vergangenen Nacht hatte er das Geschöpf beobachtet, dass er für die Gräueltaten an den königlichen Soldaten verantwortlich machte.

„Er hat also erneut zugeschlagen…“, flüsterte der Vampirjäger nur schwer hörbar und warf sich während er sprach den roten Umhang zurück. Darunter verborgen lag neben dem eleganten Langschwert ein Kettenhemd aus reinem Silber, sowie unzählige religiöse Utensilien, die ohne frage für die Ausübung seines Handwerks nötig waren.

„Was beabsichtigt ihr nun zu tun, mein Herr?“, fuhr der Soldat unablässig fort.

„Wir werden im Morgengrauen angreifen.“, erklärte Gwenewird knapp, „Hoffen wir, dass wir diese Nacht ohne Zwischenfälle überstehen mögen! Und möge Afras uns beistehen.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Caleniell
2007-08-19T15:43:03+00:00 19.08.2007 17:43
Aaaaaha, daher also der Name! ^^ Saubere Arbeit, ich sage dir, ich werde mir jede deiner Geschichten einverleiben, um so gut wie möglich über Gartapos Bescheid zu wissen! Wie du dir das alles ausdenken kannst, ist mir immernoch ein Rätsel, du hast Glück, so ein Talent zu besitzen! ^______^
Liebe Grüße
Caleniell
Von:  Sotar
2007-06-29T22:19:45+00:00 30.06.2007 00:19
jup... nich schlecht
die namen sind ganz interresant... ma abgesehen von uron... der name is nich so toll ;)
die geschichte is auf jeden fall spannend vor allem für vampir-fans
zur rechtschreibung sag ich einfach ma nix das passiert jedem schriftsteller...
das einzige was ich an der geschichte auszusetzen hab is folgendes:
ES IS EINE FRECHHEIT AN SO EINER SPANNENDEN STELLE ABZUBRECHEN ;)
jetzt ma im ernst...
ich bin echt gespannt wies weiter geht aber bis dahin...
hut auf XD

Von:  Frostkatze
2007-03-31T15:02:28+00:00 31.03.2007 17:02
Junge, werde Autor!
Und schreib bald mal weiter! *gespannt ist*
Ich bin gespannt der Dinge die da kommen... =^-^=
Von: abgemeldet
2007-03-03T20:35:07+00:00 03.03.2007 21:35
deine geschichte is der übelste hammer!!!!!!
aber die namen findsch immer noch doof, aber das weißt du ja^^
aber schreib schnell weiter, will wissen was noch passiert!^^v
Von: abgemeldet
2007-02-20T15:03:50+00:00 20.02.2007 16:03
Weiterschreiben, aber pronto! ;3

Eine wirklich interessante Interpreatationsversion des Vampir-Mythos'. Ich bin gespannt der Dinge, der ich da harre. =^-^=


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